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Kurzinterview mit Heike Susanne Daum

[singlepic id=1130 w=240 h=320 float=left]Frau Daum, herzlichen Dank, dass Sie uns zur Wiederaufnahme von “Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” am Gärtnerplatztheater ein kurzes Interview geben. Wie sehen Sie die Jenny?

Jenny ist in die Prostitution hineingeboren, die Mutter war auch Prostituierte, das erzählt sie ja ganz am Anfang in ihrem “ach bedenken Sie, Herr Jack O’Brian” und sieht in dieser Profession überhaupt nichts Schlimmes. Die Jenny ist nicht die Intelligenteste, nicht die Liebevollste, sie ist ein Kind dieses Milieus. So sehe ich sie.

Und wie ist ihr Charakter?

Sie ist das, was man in ihr sehen möchte, wie bei der Lulu auch, ist sie eine Projektionsfläche für Männerwünsche. Und ich denke, für sie zählt nur noch das eigene Vergnügen. Sie säuft gerne und und verdient gerne Geld mit ihrem Körper, denn Geld zu haben ist ihr ein Vergnügen. Aber ich denke, sonst hat sie nicht viel Charakter.

Sie haben gerade schon die Männerwünsche angesprochen. Jim Mahoney fragt sie nach ihren Wünschen, und Jenny antwortet: “Dafür ist es noch zu früh”. Hätte das die große Liebe werden können zwischen Jim und Jenny?

Das hätte Jenny nie zugelassen, weil sie in Männern immer nur Kunden sieht und nie eine verwandte Seele oder einen Menschen. Jenny trennt zwischen Männern, die sind Kunden, und Privatem, was sie wahrscheinlich gar nicht hat, höchstens ihre Mädchen.

Deswegen wäre es Jim auch nie gelungen, sie zu überreden, ihm zu helfen?

Nein. Einer der sie kauft, der sagt, “vielleicht nehme ich sie” – das würde für sie nie in Frage kommen, dass da ihr Herz mitspielt.

Aber Jim war verliebt in Jenny, oder?

Weil ihm sonstige Wärme gefehlt hat und Männer ja oft genug Sex mit Wärme, ja mit Liebe verwechseln.

Aber sie sagt ihm, dass sie ihn vermissen wird.

Nein, sagt sie nicht. Sie sagt nur: ja, ich bin Deine Witwe und nie werde ich Dich vergessen, wenn ich jetzt zurückkehre zu den Mädchen. Sie sagt nicht, dass sie ihn vermissen wird. Nichts davon, gar nichts.

Gegen Ende gibt es einen Song, “Where is the telephone?”, der den Eindruck macht, als ob er nicht ganz dazugehören würde. Wie kommt das?

Das ist der Benares-Song. Unsere Mahagonny-Fassung ist relativ zusammengestrichen worden. Es fehlt ja auch “Gott kam nach Mahagonny”, aber dieser Benares-Song ist ein Ausdruck für die Hilflosigkeit, die die Jenny dann im Endeffekt doch noch befällt angesichts dessen, dass Jim in der herrschenden Gesellschaftsordnung zum Tode verurteilt ist. Ich denke nicht, dass sie so um ihn trauert und deshalb letztendlich die Gedanken umkippen und dann in dieses etwas traurige Lied einfließen. “There is no money in this land, there is no boy to shake with hands”, und dieses “where is the telephone” ist wahrscheinlich der Hilfeschrei, wo ist die bessere Welt, wo ist der, der mir hilft, wo sind die Menschen, die bereit sind, mir zu helfen. Das Telefon als Kommunikationsmittel nach außen. Und diese bessere Welt, Benares, gibt es auch nicht mehr – ein Erdbeben hat es zerstört! Es ist, wie es ist –keine Hoffnung in Sicht. So sehe ich es, und vielleicht ist das völlig falsch gedacht. Und Jenny denkt eigentlich auch gar nicht so sehr an Jim, sondern sie sieht sich und die ganze Gesellschaft in der Geschichte und am Ende steht auch sie auf und sagt: können uns und Euch und niemand helfen.

Können Sie sich mit der Inszenierung identifizieren?

Ja, absolut. Der Regisseur Thomas Schulte-Michels hat uns jegliche Freiheit gelassen, die Figuren passend zu dem, was wir für die Figuren empfinden und wie wir sie körperlich ausdrücken können, zu spielen. Die Alternativbesetzung für die Jenny, Elaine Ortiz Arandes, spielt vollkommen anders, sieht sie auch vollkommen anders, das war für den Regisseur genauso gut und genauso richtig, solange es so empfunden wurde. Und weil ich es halt so spielen darf, wie ich es sehe, wie ich die Jenny für mich zurechtgelegt habe, kann ich mich absolut damit identifizieren. Jetzt bin ich natürlich keine Prostituierte und ich sehe die Welt auch nicht so wie sie, aber ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie sich ein Mensch fühlt, der nie etwas anderes war als Ware.

Sie waren letztes Jahr auf Gastspiel mit Mahagonny in Istanbul. Wie hat das türkische Publikum reagiert auf ihre doch recht freizügige Art und Kleidung?

Ich habe gedacht, dass ich vielleicht Buhs bekommen könnte oder dass die Frauen mich böse anschauen würden. Es war genau anders herum. Sie konnten absolut zwischen der Künstlerin Heike Susanne Daum und der Rolle, die ich verkörpere, unterscheiden. Ich habe in keinster Weise irgendwelche Anfeindungen gespürt oder habe mich schämen müssen für wie freizügig ich da sitze, breitbeinig, jeder kann den Slip sehen. Da dachte ich schon, oje, das könnte vielleicht schwierig werden, war es aber in keinster Weise. Das Publikum war sehr, sehr offen und hat, fand ich, auch noch etwas mehr mitgelebt in dem Stück, weil sie den Text mitgelesen haben. Bei uns in München gibt es ja keine Übertitel, und wenn dann mehrere gleichzeitig singen, versteht man auch nicht immer unbedingt den Text. Das türkische Publikum konnte richtig mitlesen und hat dann auch an vielen Stellen reagiert, wo unser Publikum am Gärtnerplatz nicht reagiert, also für uns hörbar und spürbar reagiert. Ich fand es ganz großartig, wie das Publikum in Istanbul Mahagonny aufgenommen hat. Und sie haben ja auch in der Kritik geschrieben, ein sehr, sehr aktuelles Stück. Das größte Verbrechen auf dieser Welt ist, kein Geld zu haben. Dann ist man nichts und niemand mehr.

Herzlichen Dank und Toi Toi Toi für die Wiederaufnahme!

Herzlichen Dank, ich freu mich schon drauf!

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Interview mit Nina George

[singlepic id=1133 w=320 h=240 float=left]Liebe Nina, herzlichen Dank, dass Du Dich bereiterklärt hast, uns ein Interview zu geben. Stellst Du Dich kurz vor?

Mein Name ist Nina George, ich rauche nicht mehr, ich schreibe, ich brauche das Schreiben wie andere vielleicht das Atmen, ich liebe meinen Mann, ich liebe Hamburg und hey, Corinna, schön, dass Du hier bist.

Herzlichen Dank! Das war schon meine nächste Frage: Du schreibst seit 1992 in wechselnden Genres, brauchst Du das Schreiben wie die Luft zum Atmen?

Ich habe mir mal kurzfristig überlegt, was ich statt des Schreibens machen würde: Ich wäre vielleicht Gärtnerin, weil ich es liebe, mit den Händen in der dreckigen Erde rumzuwühlen, oder ich würde vielleicht das machen, was ich irgendwann auch mal gelernt habe, nämlich kellnern. Aber das macht nicht im mindesten so viel Lust, ja es ist eine ganz seltsame Lust, es ist auch eine Qual und das Schreiben ist auch eine …. es ist kein Liebeslied. Aber es ist der einzige Weg für mich, um zu leben.

Du schreibst Kurzgeschichten im Krimigenre, Du schreibst Romane wie Die Mondspielerin, Du schreibst Kolumnen und Sexratgeber unter Deinem Pseudonym Anne West. Wie findest Du Deine Geschichten, oder finden sie Dich?

Das Erstaunliche ist, dass es sehr leicht ist, Geschichten zu finden. Das Schwierige ist, sich zu entscheiden, welche ich erzählen will! Vielleicht bin ich auch deshalb Schriftstellerin geworden, weil ich sogar, wenn ich schlafe und wenn ich träume, das Gefühl habe, ständig auf Empfang zu sein. Ich nehme ganz viel wahr, ich sehe, wie Menschen miteinander umgehen, was sie erzählen. Meist habe ich das Gefühl, ich spüre die verschiedenen Stimmungen, Gefühle und Emotionen im Raum. Ich mache mir viel Gedanken, ich lese viel, ich denke permanent in einer Geschwindigkeit, die mir auch manchmal Angst macht. Das Schreiben ist eine Art Möglichkeit, mich zu entscheiden, was möchte ich davon festhalten, was möchte ich nochmal erzählen, was möchte ich insoweit festhalten, weil es mir wichtig ist? Wie kann ich es noch besser beschreiben?
Das Schlimme am Schreiben ist bei jedem Roman, bei jeder Kurzgeschichte: was lasse ich weg? Und das tut mir manchmal sehr weh. Die ersten paar Jahre habe ich den Fehler gemacht, dass ich immer alles, was ich weiß, in jeder Geschichte erzählen wollte. Ich wollte alle meine Weisheit, die ich bis dahin, so mit 25, 27, 32 angehäuft hatte, in jede Geschichte verpacken, bis ich dann irgendwann einmal gemerkt habe, so funktioniert das Schreiben nicht. Das Schwierige ist das Entscheiden. Ja.

Hast Du einen bestimmten Schreibrhythmus und brauchst Du eine bestimmte Umgebung dafür?

Ich bin sehr gerne alleine, ich möchte, dass man mein Gesicht nicht sieht, während ich schreibe, weil ich mich erinnere, weil ich mich dann auch erinnere an Sachen, die nicht schön sind, die nicht harmonisch sind, an Liebeskummer, an Lügen, an Betrügereien, an sehr traurige Sachen, an Dramen, an Krieg, an Mord und Totschlag, an Sex, an Abgründe. Ich möchte nicht, dass man mich dabei beobachtet, wie ich all diese Dinge nochmal durchdenke und wie ich sie kühl versuche, in Worte zu fassen. Ich schreibe jeden Tag, bis auf die Zeit meiner Krankheitsphase. Der Arbeitsablauf ist ganz einfach: ich stehe auf, ich schmeiß die Kaffeemaschine an oder mache mir einen Bohnenkaffee. Früher habe ich mir eine Zigarette angezündet, die erste von ungefähr 50 am Tag, heute mache ich das nicht, sondern lese erst mal ein bisschen Internetzeitung, und wenn der erste Kaffee durchgelaufen ist, setze ich mich mal ran und kuck mal, was ich heute mache. Ich habe sehr viele journalistische Kunden, dadurch ist bereits ein ungefährer Wochenplan vorgeben.

Und was tust Du, wenn es mal nicht so gut läuft?

Dann gehe ich schwimmen, dann gehe ich raus oder ich lege mich hin und schlafe. Schreibblockaden als solches weiß ich, wie man sie überwindet. Es gibt vielleicht auch nicht unbedingt Blockaden, es gibt vielleicht Momente, die ich auch kenne, wo ich leer geschrieben war, einfach leer, wo mich nichts mehr auf der Welt je reizte festzuhalten oder anderen Menschen nochmal neu nachzuerzählen.
Es gibt so ein paar Tricks, um mich wieder ans Schreiben zu bringen, vielleicht nützt es dem einen oder anderen, wenn er merkt: Uahh, weißes Blatt, es schaut mich an. Uahh, mir fällt nix ein. Ich fange an zu beschreiben. Ich nehme mir ein schönes Bild und fange an es zu beschreiben, oder wie es wohl zu der Situation auf diesem Bild kam. Da kann ich eine x-beliebige Postkarte, einen x-beliebigen Fotoband aus meiner Bibliothek nehmen, ich schlage eine x-beliebige Seite auf, sehe ein Paar, das zum Beispiel Tango tanzt und erdenke mir, wie kam es dazu? Und dann fange ich an, einfach mal zu dokumentieren, was haben die an, wie sehen die aus, und plötzlich merke ich: Ach so, ach, geht doch noch, du musst dich jetzt nicht aus dem Fenster rollen oder arbeitslos melden.
Oder ich nehme mir ein ausgesprochen schlechtes Buch und danach bin ich dann so empört, dass so etwas gedruckt wird und davon überzeugt, dass, wenn so etwas gedruckt wird, hey!, dann kann ich auch schreiben. Und das kann ganz wunderbar gegen Selbstzweifel oder Kreativleere helfen. Also liebe Kollegen: bitte nicht jedes schlechte Buch wegschmeißen, es hilft über eine Schreibblockade. (kichert)

Hast Du dazu extra einen Stapel angelegt?

Der Stapel schlechter Motivationsbücher? Nein, aber ich kenne die Bücher ganz genau. Ich werde jetzt keine Titel nennen, sonst werde ich geteert und gefedert. Ich habe einmal den Fehler gemacht, mich geschmäcklerisch abfällig über Autoren zu äußern, die noch leben. Das macht man nicht.

Welche Phase eines Buches oder einer Kurzgeschichte ist für Dich die anstrengendste?

Das Schreiben! Wenn ich eine Geschichte durchdenke, das ist schon ein sehr großer Teil, der dauert extrem lang, bis ich weiß, wo beginne ich die Geschichte und wie endet sie. Diese Phase dauert sehr lang, aber wenigstens kann ich das überall machen. Es tut nicht weh und ich kann drum herum denken, ich geh aufs Klo und denk da ein bisschen oder beim Einschlafen denke ich ein bisschen, oder im Bus denke ich ein bisschen, ich denke ständig darüber nach, aber das ist vergleichsweise einfach. Die schwierigste Phase ist, das, was ich dann im Kopf habe – wenn ich zum Beispiel genau weiß, das muss sich so oder so anfühlen –, das dann in Worte umzusetzen. Es ist ein bisschen so wie beim Shoppen. Du hast ein bestimmtes Kleid, einen bestimmten Fummel, bestimmte Jeans vor Augen, und man rast durch jeden verdammten Laden und findet es nicht! Manchmal ist genau das auch beim Schreiben so: ich habe ein bestimmtes Gefühl, ein bestimmtes Bild, eine bestimmte Nachricht, eine bestimmte Vorstellung einer Figur, die ich vermitteln möchte – aber ich schaffe es nicht. Das macht mich rasend. Das sind solche Momente, da überlege ich mir das mit dem Gärtnern oder Kellnern doch wieder sehr genau, weil da habe ich endlich meine Ruhe und muss mich nicht damit herumquälen, dass ich es trotz meiner 20-jährigen Berufserfahrung mal nicht schaffe, eine verdammte Situation so zu erklären, dass sie perfekt erzählt ist.

Du bist ja sehr vielseitig. Aber gibt es noch ein Genre, in dem Du noch nicht geschrieben hast, das Du aber gerne mal ausprobieren möchtest? Und was hält Dich davon ab, es zu tun?

Drei Genres habe ich noch, die ich unbedingt gerne schreiben will. Das erste ist Fantasy, ich habe eine Idee, die würde für eine… hmm… Septologie reichen. Minimum. Ich habe ebenfalls noch ein paar Ideen für historische Romane, hauptsächlich 18. Jahrhundert, Vorabend der Revolution. Und ich möchte auch noch ein erzählendes Sachbuch über Schmerz schreiben.
Was hält mich davon ab? Schiss. Ich bin seit 12 Jahren selbständig und habe eine ganze Zeit von der Hand in den Mund gelebt, das heißt, das Geld kam rein, wurde für die Fixkosten und Steuern ausgegeben und Punkt. Ich hatte kein Sparkonto, kein Nichts, kein Garnichts. Jetzt habe ich seit geraumen Jahren ein kleines Sparkonto, hab eine Altersvorsorge, und ein Sicherheitsteil von mir sagt: Du musst auch leben, und zwar im Kopf frei leben können, um zu schreiben, das heißt, ich halte zum Beispiel nichts von dem armen Poeten, der nur deshalb kreativ sein kann, weil er arm ist und sich bloß nicht mit so etwas Schmutzigem wie Geld abgibt.
Es hält mich davon ab, dass ich Schiss habe, einen Teil meines journalistischen Einkommens aufzugeben, um Zeit und Kraft zu haben für die anderen Projekte. Um genau zu sein: es genau das, womit ich mich seit zwei, drei Jahren in Gedanken beschäftige, diesen Mut zu haben, zu springen. Und Marianne, die Figur aus der Mondspielerin, hat mir das vorgemacht, sie ist gesprungen. Auf der anderen Seite hat sie auch gar nichts mit mir zu tun. Aber dieser Mut, zu springen, mehr und mehr von Büchern zu leben – ich nehme immer noch Anlauf.

Welches Genre liest Du selbst gerne und hast Du einen Lieblingsautor oder ein literarisches Vorbild?

Ich lese alles, was mich interessiert. Ich bin überhaupt nicht genrefixiert, ich war sogar sehr erstaunt, als ich irgendwann im Laufe der Jahrzehnte feststellen musste: hö, Bücher werden ja in Genres aufgeteilt, und wenn ich einen Liebesroman habe, da kann nicht noch ein Toter drin vorkommen und auch keine Zeitreise, sonst finden die das alle doof. “Die” heißt: die Verlage, die Agenten, es hat sich so ein unglaubliches Schubladendenken festgesetzt die letzten 15 Jahre.
Ich lese alles, ich habe einige Lieblingsautoren, die sich seitdem ich in der Pubertät war kaum geändert haben. Es ist vielleicht wie mit Liedern, wie ich sozialisiert oder geprägt wurde mit Songs aus den Achtzigern, bin ich auch mit Autoren dieser Zeit aufgewachsen, und sie haben mich quasi in einer Lebensphase erreicht, wo ich noch ganz formbar war, wo meine Gefühlslandschaft sich geformt hat, und die haben sich in mich hineingefurcht und hineingedübelt. Sie haben dort ihren Platz bis heute. Das ist zum Beispiel Stephen King, das ist John Irving, das ist die gute Elizabeth Dunkel, die kein Mensch mehr kennt, – sie hat Der Fisch ohne Fahrrad geschrieben, die Mutter der Frauenromane, der intelligenten Frauenromane.
Ich hatte außerdem immer ein Faible für Sagen und Fabeln, Krimis sind relativ spät dazu gekommen, heute lese ich sehr, sehr viele Krimis, auch sehr gerne von deutschsprachigen Autoren, die werden immer besser, vor allen Dingen die Frauen, Holladiewaldfee. Skandinavier kann ich durch die Bank nicht leiden, Isländer auch nicht, weil ich sie nicht verstehe, ich mag britische und amerikanische zeitgenössische Literatur, Biografien, Bildbände, alles rund um Frauenrecht, Frauen, Frauen, Frauen, immer wieder Frauen – ach, verdammt, ich befürchte, ich lese alles. Ich bin so ein Allesfresser, ich bin wie eine Möwe, die alles frisst, und so picke ich mich durch die Bücherlandschaft wie ein Flugsaurier.

Du hast gerade schon von Songs gesprochen, die Dich geformt haben. Lässt Du Dich von Musik beim Schreiben inspirieren? Und welche Musik hörst Du auch sonst gerne?

Ich habe das mal probiert, Schreiben und Musik, und habe feststellen müssen, das ist wie Schreiben und Alkohol, das funktioniert mit einem Song oder mit einem Glas, und dann komme ich durcheinander, dann höre ich meine Gedanken nicht mehr, dann kann ich mich nicht konzentrieren, dann ist mein Sandkasten oder mein mentaler, literarischer Spielgarten, der ist dann auch vollgemüllt mit zu vielen Informationen. Es reicht, wenn meine eigenen Gedanken in meinem Spielgarten sind, meine Gefühle, aus denen ich dann schöpfe und etwas Neues erschaffe. Wenn dann auch noch ein Lied dabei ist und auch noch Alkohol, das wird zu voll im “Blumenbeet”, das wird eine Riesengartenparty, da kann kein Mensch mehr was mit anfangen.
Das bedeutet praktisch, Musik höre ich ganz unabhängig von allem anderen. Ich spiel selber auch Klavier, nie vor Zuhörern, aber ich bin sehr glücklich dabei.
Aber Musik zum Schreiben? Ich erinnere mich an zwei, drei Mal, wo ich das Gefühl von Musik versucht habe in einen Roman zu übertragen, was sehr schwierig ist. Musik sagt Dinge, die Wörter niemals ausdrücken können. Bei der Mondspielerin habe ich das gemacht, indem ich ein und dasselbe Lied immer wieder gehört habe, Piazollas Libertango, um diese Bilder und Emotionen, die dann in mir entstehen und wohl auch in anderen, zu übersetzen. Das mache ich nicht unbedingt wieder. Musik sollte Musik bleiben, und die Musik der Worte unabhängig davon sein.

Du warst ja mal Opernstatistin. Hat es Dich nie auf die Bühne gezogen?

Es hat mich einst immer auf die Bühne gezogen, ich war mir sicher, dass ich Schauspielerin werde, seit ich wusste, was Schauspieler so machen. Wobei, wenn ich Schauspielerin sage, dann meine ich tatsächlich Theater, nicht Fernsehen! Fernsehen, das habe ich mir schon mal so als junges Mädchen von acht, neun Jahren … Ich habe Laientheater gespielt und habe dann mit 18, 19 angefangen, mich bei den Schauspielschulen zu bewerben. Und musste unfassbar scheitern. Offenbar war ich nicht gut genug oder war in dem Jahr nicht der Typ. Das war das Jahr, wo die Generation Hübsch sehr viele blonde Mädchen produziert hatte und ich bin nunmal dunkel und knubbelig. Ich weiß nicht, woran es außerdem lag, vermutlich war ich einfach nicht gut genug. Als ich kurz in Augsburg lebte und hörte, dass dort am Theater Statisten gesucht seien, bin ich mit Herzklopfen hin. Es war ganz einfach, Komparsin zu werden, es kam einfach nur darauf an, genügend Zeit zu haben, nicht Talent. Zeit hatte ich, vormittags habe ich gearbeitet in einer Männerzeitschrift-Redaktion in München, und so konnte ich bei den Opern entweder unter einem Bett mal hervorkriechen und so tun als sei ich eine Schabe, oder ich spielte Teil eines wütenden Mobs. Einmal durfte ich sogar etwas sagen. Weiß ich das noch? Nein, so eine große Rolle war es nicht. “In ihr steckt der Teufel, in ihr steckt der Teufel”. Jaja, großes Tennis.

Beim Theaterspielen hat man ja eine relativ direkte Interaktion mit dem Publikum, die ja einem Autor irgendwie fehlt. Hast Du das vermisst?

Nein, denn obgleich ich unglaublich gerne Theater spielen wollte, litt ich unter entsetzlichem Lampenfieber. Man musste mir eigentlich nur das Wort Bühne zeigen, da sass ich schon auf dem Klo. Obwohl, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, während des Laientheaters, da hatte ich kein Lampenfieber, da war ich ein bisschen aufgeregt, klar, wer kuckt und so und mache ich das alles ordentlich, aber erst nachdem ich so bei den Vorsprechen gescheitert war, hatte ich Lampenfieber. Und die Interaktion wurde mir eigentlich auch vergällt, dadurch, dass dort Juroren saßen in den Schauspielschulen, die mir hauptsächlich Ablehnung entgegengebracht haben. Dieter Bohlen ist dagegen geradezu kuschelig! Und ich war jung, 18, 19, und ihre Urteile haben mich so beeindruckt, dass ich manchmal noch heute, wenn ich eine Lesung habe, Sorge habe, dass einer aufsteht, mit dem Finger auf mich zeigt und sagt: “Die kann doch gar nicht schreiben! Die kann doch gar nicht lesen! Und warum trägt sie ne Hose? Ist doch ne Frauenrolle, die sie gerade vorliest! Die soll man was anderes machen was auch mit “Sch” anfängt, wie wärs mit Scheibenwischerin!” Aber dann nehme ich mein verschrecktes 19-jähriges Mädchen innerlich an die Hand und sage: und wenn schon. Wär doch ne lustige Sache, wenn da jemand aufsteht!
Heute genieße ich Lesungen sehr, denn die Aufmerksamkeit, die Begeisterung, die Zuneigung, die ich vom Publikum erhalte, lässt mich immer besser lesen und manchmal geradezu bühnenhaft agieren. Ich habe dann wieder in meine ureigene Spielfreude gefunden. Mein Lesungspublikum die letzten 10, 12, 15 Jahre, das hat mir geholfen, diese heißgeliebte und so verunsicherte Spielfreude zu reanimieren. Und eigentlich gefällt mir das Lesen aus eigenen Erzählungen besser. Ich habe meine Texte, meine Figuren, und ich muss mich nicht mit so einem naiven Gretchen rumplagen oder mit so einer Kuh aus Nachtasyl, die wie blöde so einem Heini nachgloint, der sie verlässt. Also es ist mir lieber, wenn ich meine Figuren vortragen und leiden lassen kann, dann weiß ich wenigstens, was die Autorin uns damit sagen wollte ….

Dein Mann ist auch Schriftsteller. Lest ihr gegenseitig Test und er ist er Dein größter Kritiker und umgekehrt?

Wir sind einander die größten Fans. Wir lesen nicht gegen und sagen: Kuck mal, da ist eine Länge, oder: Kuck mal, das ist aber doof, sondern wir loben das Gute, und reden vorher ganz viel darüber. Dieser Prozess des Redens, des Planens und des Entscheidens ist ja ein wahnsinnig großer Prozess. Das Schreiben besteht ja nicht nur aus Hinsetzen und Tippen, sondern aus dem Denkprozess. Wir reden sehr, sehr, sehr viel über Ideen, über Plots, über Figuren, über Stimmungen, die wir erzeugen wollen, aber haben auch beide festgestellt, Jens hat einen komplett anderen Erzählton als ich, und ich kann ihn nicht kopieren und er nicht mich. Das ist merkwürdig, weil wir sehr viel kopieren können, also manchmal machen wir uns den Scherz zu schreiben wie … xy. Das gelingt ganz gut, manchmal für eine halbe Seite oder eine Seite, gar kein Problem. Ich glaube sogar, 50 Prozent aller Autoren könnte ich kopieren im Ton, aber meinen Mann nicht, ich weiß nicht, wie er das macht, der Sauhund. (lacht) Jens ist allerdings für mich ein guter Scriptdoctor. Wenn ich mal nicht weiter weiß, dann schicke ich ihm das, er schaut drauf und meistens sagt er, “Süße, kuck doch mal, Du hast doch schon alles angelegt, Du kannst da den Faden weiterziehen oder dort.” Mein Mann ist mein drittes Auge, wenn ich blind für meinen Text geworden bin. Und umgekehrt bin ich ihm eine gute Figurenhilfe. Ich kann Figuren gut machen – und er kann gut plotten. So ergänzen wir uns.

Du hast letztes Jahr den DeLia-Preis für den besten Liebesroman mit der Mondspielerin gewonnen. Hat sich seitdem etwas geändert für Dich?

Nein, glaube ich nicht. Nein. Außer dass ich viele neue hinreißende KollegInnen aus dieser DeLiA-Autorengruppe kennengelernt habe. Das ist ein großer Gewinn.

Du hast vorhin gesagt, Du liebst Hamburg. Gibt es auch eine andere Stadt, in der Du leben könntest, oder willst Du hier nicht mehr weg?

Hach, im Sommer habe ich ja eine kennengelernt. Sie ist dreckig, sie ist laut, sie ist brutal, sie ist unglaublich sexy, sie ist viel zu anstrengend, sie heißt New York. Ich glaube, nicht, dass ich dort leben möchte im Sinne von 10, 20, 30 Jahre, für immer, aber ich würde gerne ein Zeitlang dort sein. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Stadt so eine Wirkung hat, ich dachte immer, das sei daher geschriebener Marketingscheiß, aber in der Tat, in New York hatte ich immer das Gefühl, es kann was passieren, Abenteuer, es kann sich was bewegen, ich kann hier alles machen! Natürlich kann man nicht alles machen, es gibt z.B. selten unhöflichere Polizisten als die in New York, aber dennoch, dieses Gefühl von: mach doch, mach doch was Du willst, das war unglaublich viril und vibrierend, ich habe das selten. Ich habe das, glaube ich, noch nie bei einer Stadt so erlebt. Aber ansonsten, in Hamburg werde ich leben, werde ich alt werden, werde ich lieben, werde ich bleiben, aber ich werde immer mal wieder kleine Ausflüge machen.

Wie hoch ist dein aktueller SUB?

Ich rechne in Breite. Ich glaube 60 Zentimeter breit, die stehen so, tackatackatack, dann habe ich noch so einen Stapel daneben, das sind vielleicht 5 Bücher, das sind, ohh, das sind jede Menge, lass es 40 Bücher sein.

Nicht viel.

Nein, ich lese ja ständig alles weg. Wenn der SUB zu feist wird, dann besteht die Gefahr, dass der Berg mich voruwrfsvoll anstarrt, na, das kann ich ja ab! So einen wachsenden Bücherbaum? Nee, dann wird es einsortiert und wenn ein Buch erst einmal in meiner Bibliothek einsortiert ist, dann ist es weg, einfach verschwunden.

Kannst Du uns schon etwas über Dein aktuelles Projekt sagen?

Nein, ich habe alles auf Eis gelegt, nachdem ich einen Bandscheibenvorfall hatte und mein Vater gestorben ist, so dass ich auch zurückrudern muss von der Absicht, einen Provenceroman zu schreiben. Die Hauptfigur dadrin trauerte nämlich einer Liebe hinterher, die schon vor langen Jahren gestorben ist und er lebt immer noch in dem Damals und macht sich erst heute auf den Weg, wieder sein eigenes Leben zu finden. Aber ich konnte die Vorstellung nicht aushalten, darüber zu schreiben, wie es ist, jemanden zu verlieren, den man mehr geliebt hat als alles. Das möchte ich nicht schreiben. Nicht jetzt, vielleicht in ein paar Jahren. Deswegen bin ich im Moment vorsichtig im Herumdenken, ich bin mir noch nicht sicher. Ich möchte Geschichten erzählen über ein sehr starkes Gefühl, das jeder von uns schon einmal hatte, das lebensverändernd ist, das schmerzt, das einen dazu bringt, das ganze Leben nochmal neu zu überdenken, die Vergangenheit und die Zukunft. Dieses starke Gefühl, was so eine Art Vorwegnahme des eigenen Todes ist, hat einen sehr beknackten Namen: Liebeskummer. Aber Liebeskummer bringt Dich um bei lebendigem Leibe. Und ich möchte um dieses Gefühl herum eine Geschichte schreiben. Ich weiß nicht, warum das unbedingt, es erscheint mir nötig!
Aber im Moment bin ich auf der Suche nach meiner Heldin, ich weiß nur, wie sie in dieses Liebeskummerloch gestoßen wird, und ich habe neulich ein paar Zeilen notiert, wie es endet, aber dazwischen liegen noch 300 Seiten! Ich habe noch nicht mal einen Namen für sie, ich habe schon zwei Freundinnen für sie, ja, und ich habe auch ihren Ex, den sie in verrückten Minuten immer noch liebt, obwohl er ihr so weh getan hat, aber ich bin noch nicht viel weiter.
Ich will außerdem ein Buch über Schmerz schreiben. Über Schmerz und wie er die Welt verkleinert. Körperlicher Schmerz, der auch Deine Seele verändert. Und wie man da wieder raus kommt. Ich habe mir Schmerzgeschichten angehört im Rückenzentrum am Michel, wo ich mich versucht habe, wieder aufzurichten, und es ist erstaunlich, wie viel Schmerz in der Welt ist und wie unsichtbar er ist! Wie viele Menschen Schmerzen haben. Manche rollen ihn auf wie einen Faden, um ihn in den Griff zu kriegen, manche stellen sich eine Kugel vor, machen sie ganz klein und stecken ihn in die Tasche, damit er nicht so viel Raum einnimmt. Ich habe auch einen Weg gefunden, mit meinem Schmerz umzugehen. Und darüber möchte ich gerne schreiben, um jenen, die keinen haben, aber Menschen an der Seite haben mit Schmerzen, mit denen anders umzugehen, besser umzugehen, aber auch, um sich selber zu schützen, weil wir Schmerzgeplagten – ach, wir sind auch unglaublich vereinnahmend. Und wir sind ungeduldig. Sehr. Und wir sind innerlich furchtbar einsam. Darüber würde ich gerne schreiben. Ich werde ein Konzept machen, ich werd schauen, mit welchem Verlag ich drüber rede, denn ich halte es für wichtig, darüber zu sprechen, denn jetzt kann ich es. Es ist eine Welt hinter dieser Welt, die Welt des Schmerzes. Davon möchte ich erzählen.

Du bist eine erfolgreiche Autorin. Was ist das Beste daran und was das Nervigste?

Das Beste daran … obwohl, muss ich zurückstellen, muss ich mal kurz im Hinterkopf überlegen. Das Schlechteste daran ist, dass Erfolg rein gar nichts bringt für die innere Ruhe oder das innere Glück oder für das Lebensglück oder für das Verhältnis zwischen den Menschen, die mir etwas bedeuten. Also es ist völlig egal, ob ich erfolgreich bin oder nicht! Es ist so etwas von schnuppe, dass man sich manchmal fragen muss, warum streben Menschen nach Erfolg? Weil im Grunde ist es wurscht für eine gewisse Form des lebenswichtigen Glücks. Erfolg heißt nicht, dass Du besser lieben kannst, mehr geliebt wirst, dass Du kreativer bist oder weniger kreativ, es heißt noch nicht mal, dass Du besser die Welt verändern kannst, nur weil man Dir eher zuhört. Das ist das Blöde am Erfolg, dass an ihn so viel gehangen wird, das das Leben angeblich glücklich macht – und Überraschung! Es ist nicht so.
Was das Schöne daran ist. Ich vergesse es manchmal, aber jetzt, wo ich drüber nachgedacht habe, das Schöne an meiner Sorte Erfolg ist – ich kann machen, was ich will. Weitestgehend. Ich habe meine Verpflichtungen, aber ich kann zu einem unglaublich großen Teil machen, was ich will. Und das ist ein unfassbar tolles Gefühl. Das Allerschönste an dieser Selbstständigkeit und einem wie auch immer Erfolg, ob nun finanziell oder inhaltlich: ich kann ausschlafen. Ich habe es schon immer gehasst, das Geräusch des Weckers. Immer. Ich kann bis nachts eins, zwei, drei bestens arbeiten, aber ich kann es nicht leiden, wenn ich vor elf irgendwo sein muss. Oder aufstehen muss. Womöglich kämmen! Das ist das Beste am Erfolg: ich kann ausschlafen!

Erzählst Du uns noch eine Anekdote aus Deinem Autorenleben? Oder auch zwei?

Mein Pseudonym Anne West sorgt immer dafür, dass sich Menschen anders benehmen. Männer wollen gerne mit mir recherchieren oder behaupten: Ich hab das alles gar nicht nötig, ohne dass sie überhaupt wissen, über was ich schreibe, oder wie ich schreibe oder was meine Prinzipien sind. Ich verkaufe ja zum Beispiel keine Gelinggarantien für Sex, weil ich das einfach albern finde, total albern. Dass alle auch so tun, als ob Sex nichts mit der Persönlichkeit zu tun hat, nervt mich total. Aber Leute wissen halt nicht, dass ich sehr bei Verstand bin, wenn ich meine Sexbücher schreibe und reagieren, als ob sie mit jemandem sprechen, der als Arbeitskleidung nur irgendwie einen Bindfaden durch den Schritt und zwei Briefmarken vornerum trägt. Sie reagieren seltsam. Es hat mir ja auch noch nie jemand vorgeworfen, dass ich so viele Leichenberge angehäuft habe, warum regt sich keiner über meine Leichenberge auf, über Mord und Totschlag und Gemeinheit, ich hab so gemeine Geschichten geschrieben? Nein, mir wird vorgeworfen, wenn sich mal irgendwie zwei liebhaben. Ist jetzt nicht so richtig eine Anekdote, seh ich ein ….
Jetzt aber: eine Anekdote: im Rahmen des Krimifestivals “Mord am Hellweg” mache ich ab und zu neben Lesungen auch Moderationen, und eine Krimilese-Moderation wurde mal in Unna gemacht. In einem gewissen Etablissement, kurz gesagt, in einem Puff. Der Chef kam nach der Show – wir hatten drei Schriftsteller, wir hatten einen Striptease, wir hatten eine Vorführung einer Domina – auf mich zu, zeigte sich sehr begeistert und meinte: “Du Mädel, Du kannst ja echt toll schreiben, und wenn das mal nichts mehr mit dem Schreiben wird – (zwinker, zwinker) – kannste bei mir anfangen. Tolle Beine hast Du ja schon mal.” Frechheit!
Wie konnte er nur übersehen, dass ich auch tolle Hände habe!

Gibt es eine Frage, die Du schon immer mal beantworten wolltest, die aber noch keiner gestellt hat?

Träumst Du Geschichten? Ja ich träume Geschichten. Wenn ich nachts träume, dann habe ich manchmal das Gefühl, das ist mein anderes, mein zweites Leben. Und manchmal träume ich Geschichten und schreibe sie auf. Weil sie gute Geschichten sind. Ja, manchmal träume ich Romane …

Herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast!

Ich danke Dir, liebe Corinna!

Die Schriftstellerin und Journalistin Nina George, geboren 1973 in Bielefeld, schreibt Romane, Krimis, Science-Thriller, Kurzgeschichten, Kolumnen, Reportagen.
Zu ihren Kunden gehören und gehörten u.a. TV Movie, Das Hamburger Abendblatt, die JOY, Der Hamburger, die Bild am Sonntag, Für Sie, Fit for Fun, und etwa ein Dutzend weiterer Magazine. Georges Pseudonym Anne West gilt mit zwölf Sachbüchern und Kurzgeschichtenbänden als erfolgreichste deutschsprachige Erotika-Autorin, die u.a. vom Papst verboten wurde (Weltbild-Affäre 2011). Unter ihrem zweiten Pen-Name Nina Kramer veröffentlichte George 2008 den ersten deutschen Thriller, der sich mit den ethischen Verbrechen der Reproduktionsmedizin auseinander setzt: Nina Kramer und “Ein Leben ohne mich”. Für ihren Roman “Die Mondspielerin” wurde George mit der DeLiA 2011, dem Literaturpreis für den besten Liebesroman des Jahres, ausgezeichnet. Mit “Das Licht von Dahme” war George 2010/2011 für den renommierten Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte ‘Kurzgeschichte’ nominiert, mit “Das Spiel ihres Lebens” (Aus: Scharf geschossen, kbv) ist sie 2012 nominiert. Bisher erschienen rund 80 (Nicht nur Krimi-)Kurzgeschichten.
Nina George lebt im Hamburger Grindelviertel, ist eine nicht sehr strenge-Nicht-Mehr-Raucherin und zudem gern verheiratet. Sie engagiert sich für den Schutz des geltenden Urheberrechtes auf der Site https://www.facebook.com/pages/AutorInnen-und-Verlage-für-Urheberrechte/197507973665930
 https://www.facebook.com/NinaGeorge.Schriftstellerin, http://www.ninageorge.de

Foto © Marion Losse

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Il Corsaro, 19.02.2012, Staatstheater Nürnberg

Mit einer Aufführungsserie von sechs konzertanten Vorstellungen bot das Opernhaus Nürnberg eine Rarität: die 1848 in Triest uraufgeführte Oper Il Corsaro – Der Korsar, Melodramma Tragico in drei Akten, des jungen Giuseppe Verdi (1813-1901).
Vor der Aufführung nutzte ich das Angebot der Oper Nürnberg, die Einführung im Gluck-Saal zu besuchen. Der Dramaturg Kai Weßler informierte das Publikum über die Entstehungszeit des Werkes und die kleinen Veränderungen, die Verdi und sein Librettist Francesco Maria Piave gegenüber der Vorlage, dem Poem The Corsair von Lord Byron, gemacht haben.
Ein Opernhaus braucht schon ein Belcanto-geschultes Ensemble, um dieses Stück auf die Bühne zu bringen. Nürnberg hat diese Möglichkeit: David Yim in der Rolle des Corrado, Kapitän der Korsaren, lässt da keinen Zweifel aufkommen. Der südkoreanische Tenor verfügt über alle Mittel, seine Stimme in den Mittelpunkt der Aufführung zu stellen. Dicht gefolgt von den beiden Sopranistinnen Leah Gordon als Medora, die junge Geliebte Corrados, und Hrachuhí Bassénz, die Lieblingssklavin des Seid, Pascha von Koroni. Dieser wurde von Mikolaj Zalasinski mit imposantem Bariton gesungen. Nicolai Karnolsky bestach in der Rolle des Giovanni, ein Korsar mit einer schönen Bass-Stimme.
Auch die Sänger in den kleineren Rollen (aus dem Chor besetzt) konnten überzeugen. Da waren: Gor Harutyunyan als Aga Selimo, Luzuko Mahlaba als Eunuch, sowie Han-Bo Jeon. Der Chor des Staatstheaters machte seine Aufgaben gut, nur an kleinen Stellen wackelte die Intonation.
Großes Glück hat das Haus mit dem Dirigenten Guido Johannes Rumstadt, der die Staatsphilharmonie Nürnberg zu einer großen Leistung anspornt. Das Orchester hielt in jeder Minute die Spannung, fand ein schönes Klangbild und die genaue Dosis an Rhythmik, die bei Verdi so wichtig ist.
Für mich war es eine schöne Gelegenheit, das Nürnberger Haus sowie Ensemble näher kennenzulernen und ich bin in Zukunft öfter zu Besuch.

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Schwedischer Liederabend mit Martin Nyvall, 19.02.2012, Staatstheater Nürnberg

Ein Liederabend mit Werken schwedischer Komponisten bildete das Programm des LiedGut 8, im Gluck-Saal des Opernhauses in Nürnberg. Zum Einstieg des Abends gab es ein kleines Gespräch zwischen dem schwedischen Tenor Martin Nyvall und dem Dramaturg Kai Weßler. Herr Nyvall sprach über seinen Werdegang, die große Chortradition in seinem Heimatland, die schwedischen Komponisten (von denen viele in Deutschland studiert haben) und den Einzug des Kunstliedes in Schweden.

Nach einer kurzen Pause begann der erste Block mit Liedern von Wilhelm Peterson-Berger (1867-1942): “Intet är som Väntanstider” (Nichts ist wie die Zeiten des Erwartens), Text von Erik Axel Karlfeldt. Bei den “Vier Weisen im schwedischen Volkston” op.5 wurde nicht nur die Musik, sondern auch der Text vom Komponisten verfasst. Der sehr schöne Böljeby-Walzer, wieder mit dem Text von Erik Axel Karlfeldt, bildete den Abschluß der Peterson-Berger Kompositionen. Zeitlich später ist der Komponist Gunnar de Frumerie (1908-1987) einzuordnen. Sechs Lieder mit der Bezeichnung “Hjärtats Sanger” (Lieder des Herzens) waren bei Martin Nyvall und seinem immer präsenten Begleiter am Flügel, Andreas Frese, in den besten Händen. Sie gestalteten die Lieder mit sehr viel Emotionalität.

Nach der Pause ging es weiter mit Emil Sjögren (1853-1818): Sechs Lieder aus Julius Wolffs “Tannhäuser” op. 12. Drei Lieder von Ture Rangström (1884-1947) und Gustav Nordqvist (1886-1949) bildeten den Abschluß des Abends. “Vingar i Natten” (Flügel in der Nacht), “Serenad” (Serenade) und “Pan”, Text Bo Bergman. Sipporna (Windröschen), Text: Karl Gustav Ossiannilsson, “Jag ville vara tarar” (Ich wollte, ich wäre Tränen), Text: Erik Blomberg und “Till havs” (Zum Meer), Text: Jonatan Reuter. Es war ein eindrucksvoller und sehr stimmungsvoller Liederabend, mit einem sympathischen Ensemblemitglied der Oper Nürnberg. Herzlichen Dank dem lyrischen Tenor Martin Nyvall und seinem Pianisten Andreas Frese.

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Faschingskonzert, 21.02.2012, Gärtnerplatztheater

Andreas Kowalewitz und das Orchester eröffneten den Abend mit dem Hauptthema des Te Deums in D-Dur von Marc-Antoine Charpentier, weithin bekannt als sogenannte Eurovisionsmelodie. Danach gab es ein Uraufführung eines Werkes von Charles Kalman, der anwesend war. La Parisienne hieß der Walzer und lies tatsächlich so etwas wie Pariser Frühlingsluft durch das schönste Theater Münchens wehen.
Danach folgte das fast schon obligate Musikquiz, diesmal allerdings in neuer Form: Nationalhymnen sollten erkannt werden, ganz ehrlich, ich hätte keine einzige gewusst. Erschreckt haben mich allerdings die Leute, die um mich rum sassen. Da wurde debattiert und sich unterhalten, als würde man sich im Café befinden und im Hintergrund klimpert einer auf dem Klavier. Ich finde so ein Verhalten respektlos gegenüber denjenigen, die vielleicht viel Arbeit in so einen Abend gesteckt haben und auch in diesem Moment arbeiten.
Ähnlich wie mir ging es wohl den Kandidaten. Bei der Auflösung kamen teilweise die Botschaftsvertreter des jeweiligen Landes auf die Bühne und Marianne Larsen sang die Hymne ihres Heimatlandes Dänemark. Sozusagen außer Konkurrenz sang Cornel Frey dann noch den Schweizer Psalm, ziemlich anspruchsvoll für eine Nationalhymne. Nachdem es einen Gleichstand bei den Punkten der Kandidaten gab – oder auch nicht, ich bin da nicht so ganz durchgestiegen – sollte passend zum Thema Fußball EM ein Torwandschießen das Quiz entscheiden. Hier bekam Andreas Kowalewitz neben seinen beiden bezaubernden Assistentinnen prominente Unterstützung: Sepp Maier, die Katze von Anzing, stand ihm zur Seite und versorgte die Kandidaten mit Profitipps. Nicht nur ein toller Fußballer, sondern auch ein begnadeter Entertainer. Ich habe bisher nicht gewusst, dass Torwandschießen so unterhaltsam sein kann. Nachdem er dann auch mal dirigieren durfte, natürlich den Bayerischen Defiliermarsch, ging es nach einer unterhaltsamen ersten Hälfte in die Pause.
Den zweiten Teil eröffneten die beiden reizenden Assistentinnen, die sich als Geigerinnen entpuppten. Danach spielte eine Putzfrau mit fesche Wadln auf einer roten Posaune und Rita Kapfhammer sang eine herrliche Parodie der Schönheitskönigin von Schneizlreuth. Es folgten weitere Musikstücke wie das Katzenduett von Rossini, Casta Diva aus Norma von Cornel Frey, die Arie von Frau Fluth aus den Lustigen Weibern von Windsor von Stefanie Kunschke und das Couplet der Herzogin von Gerolstein von Rita Kapfhammer. Geleitet wurde das Orchester in diesem Teil von Lukas Beikircher, die Solisten begleitete teilweise Martin Steinlein am Flügel. Das war ein herrlicher Spaß, am Ende gab es viel Applaus und eine Zugabe, den Galop Infernal aus “Orpheus in der Unterwelt”, das man ja diese Spielzeit leider nur noch außerhalb Bayerns zu Gesicht bekommt.
Leider war dies auf absehbare Zeit das letzte Faschingskonzert im schönsten Theater Münchens. Aus is und gor is, und schad is, daß wor is!

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Auftakt Joseph Süß, 19.02.2012, Gärtnerplatztheater

Die nächste und zugleich letzte (I stand corrected: vorletzte) Premiere im Gärtnerplatztheater vor dem großen Umbau ist eine Oper von Detlev Glanert mit einem Libretto von Werner Fritsch und Uta Ackermann. Sie handelt von Joseph Süß Oppenheimer, Geheimer Finanzrat am Hofe des württembergischen Herzogs Karl Alexander, wurde 1999 in Bremen uraufgeführt. Die Premiere wird die 6. Inszenierung dieses Stückes sein, was für eine moderne Oper schon ganz beachtlich ist.

Hört man den Namen des Protagonisten, so muss man fast unweigerlich an den unsäglichen Propagandafilm von Veit Harlan denken. Doch nicht erst im 3. Reich ist der markanten Figur Unrecht getan worden. Er fiel einem Justizmord zum Opfer, ausgelöst durch Intrigen und seine Prunksucht und dem Wunsch, geadelt zu werden. Glanert und seine Librettisten versuchen nicht, ihn zu idealisieren, sondern ihn als Menschen mit Licht- und Schattenseiten zu zeigen. Die Oper beginnt mit der Kerkerszene, zu der sie auch immer wieder zurückkehrt. Dazwischen gibt es Rückblicke ins Leben Joseph Süß’. Dies greift auch das Bühnenbild des bekannten Bühnenbildners Peter Sykora auf. Er unterteilt die Bühne mit Stelen, die die verschiedenen Räume begrenzen und gleichzeitig aber Durchblicke erlauben. So soll man, auch wenn die Handlung zum Beispiel in der Wunderkammer von Süß spielt, immer an den Kerker erinnert werden. Das Bühnenbild ist wohl eher zeitlos, während die ebenfalls von Sykora stammenden Kostüme eindeutig der Zeit des Geschehens zuzuordnen sind. Der Regisseur Guy Montavon, gebürtiger Schweizer und derzeit Intendant in Erfurt, kann sicher als die beste Wahl angesehen werden. Einerseits kann er als Nichtdeutscher unbefangener an den Stoff gehen, andererseits wird in seinem Opernhaus seit 10 Jahren jedes Jahr ein Werk uraufgeführt, er ist also mit neuer Musik bestens vertraut. Trotzdem habe er gezögert, berichtete er, nicht wegen Glanert, den er als einen der größten lebenden Komponisten bezeichnet hat, sondern wegen der schwierigen Thematik. Er zeigte sich begeistert von Komposition und Libretto, insbesondere die Chorteile hob er hervor. Aber auch Joseph Süß, der inmitten all der Hektik lyrisch und nobel seinem Ende entgegen gehe. Gary Martin, der die Partie übernommen hat, sang begleitet von Anke Schwabe am Flügel, zwei wirklich sehr schöne Beispiele. Ein weiterer musikalischer Beitrag kam von Karolina Andersson, die die Graziella singt. Montavon bezeichnete sie als comic relief, als Hofopernsängerin zeige sie die Relation zum Theater. Bezüge zum 3. Reich habe er weitgehend vermieden, die Ausgrenzung wegen Religionszugehörigkeit sei nicht zeitgebunden. Deutlich werde dieser Bezug allerdings beim Blick in den Orchestergraben, dort fehlen ganze Instrumentengruppen wie Hörner oder Streicher. Dies war nach 1933 ein häufiges Bild, da die Musiker jüdischer Abstammung Berufsverbot hatten und deshalb im Graben fehlten.

Der Komponist Detlev Glanert wird die Endproben begleiten und auch zur Premiere anwesend sein. Nach anfänglicher Skepsis hat mich dieser Vormittag überzeugt, dass es ein spannender Theaterabend wird. Die Vorstellung dauert rund 90 Minuten, außer bei der Premiere gibt es eine halbe Stunde vor Beginn eine Einführung, die man wohl nicht versäumen sollte.

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Die lustigen Nibelungen, 20.02.2012, Kammeroper München im Künstlerhaus

Gestern war die wohl leider letzte Wiederaufnahme der schönen Inszenierung dieses selten gespielten Stückes. Ich habe drüben bei mucbook drüber berichtet.

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Interview mit Henrik Nánási

[singlepic id=1132 w=240 h=320 float=left]Herr Nánási, vielen Dank, dass Sie Zeit gefunden haben, uns ein Interview zu geben. Würden Sie uns als Erstes etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?

Ja. Ich komme aus Ungarn, bin in Pécs geboren. Ich habe zuerst in Budapest studiert, anschließend in Wien an der Musikhochschule: Komposition, Klavier und Dirigieren. Mein erstes Engagement war am Stadttheater Klagenfurt als Korrepetitor, daraufhin wurde ich Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung. Als Nächstes wurde ich dort zum Zweiten, schließlich zum Ersten Kapellmeister. Danach ging ich nach Deutschland, nach Augsburg, für zwei Jahre, anschließend ans Gärtnerplatztheater in München, für drei Jahre. Zur Zeit bin ich freiberuflich tätig, und in Kürze geht dann mein Leben in Berlin weiter.

Wie war überhaupt der Sprung von Klagenfurt über Augsburg nach München? Wie verlief das?

Ja, ich wollte etwas anderes ausprobieren. In Klagenfurt war ich relativ lange, sechs Jahre, und das war toll, denn ich habe dort sehr, sehr viel gelernt. Als Korrepetitor habe ich eigentlich das ganze Repertoire durchgespielt und durchgearbeitet mit den Sängern, und dann auch später sehr viel nachdirigiert. Dann wollte ich aber ein bisschen mehr und auch Deutschland und deutsche Theater kennenlernen. So kam es eigentlich, dass ich dann nach Augsburg ging. Der Intendant dort, Ulrich Peters, hat mich dann gefragt, ob ich mit ihm nach München ans Gärtnerplatztheater gehen möchte. Ja, und dann ergibt sich das eine aus dem anderen irgendwie, nicht?

Sie haben ja am Gärtnerplatztheater auch immer Operette dirigiert. Aus der Sicht des Dirigenten – wie sind die Unterschiede zwischen Oper und Operette?

Man sagt ja immer, Operette ist besonders schwierig. Und das stimmt. Es ist kein Zufall, dass das gesagt wird. Ich glaube, der größte Unterschied ist, dass in der Operette … Erstens einmal, was die Darsteller betrifft: die Darsteller müssen ja alles können. Sie müssen singen können, sie müssen gut spielen können, besonders toll sprechen können und bestenfalls auch toll tanzen können … also sie müssen wirklich ein komplettes Paket sein, nicht? Was das Dirigieren betrifft, ist ganz schwierig zu finden diese – es kommt natürlich auch auf die Richtung an, um welche Operettenrichtung es gerade geht, aber – grundsätzlich ist eben ganz schwierig zu finden die Balance zwischen sehr scharfer, prägnanter Rhythmik und der Leichtigkeit und Duftigkeit, die die Operette braucht. Eben, dass das gut ausbalanciert ist. Und auch, dass das Scharfe und Prägnante trotzdem nicht zu aggressiv wird und das Leichte und Duftige aber auch nicht seine rhythmische Prägnanz verliert. Das ist wirklich schwierig.

Sie haben ja viele italienische Opern im Repertoire – bevorzugen Sie das italienische Fach, oder hat sich das eher zufällig entwickelt?

Ja und nein. Es hat sich eher zufällig entwickelt. Mein Vater hat italienische Opern sehr gern gehabt, das heißt, zu Hause habe ich sie als Kind schon mal sehr häufig gehört, Schallplatten und so. Es hat sich dann auch so ergeben, zum Beispiel auch in Klagenfurt, dass wir sehr viele Sänger aus Italien hatten – das hing natürlich auch zusammen mit der Italien-Nähe dort – junge italienische Sänger, und wir haben sehr viele italienische Opern gespielt. Dort war eben das Repertoire überwiegend diese Richtung, auch viel Operette, andere Richtungen weniger. Es hat sich dann automatisch so ergeben, dass ich meistens diese Stücke dirigiert, korrepetiert und einstudiert habe.

Haben Sie in dem Bereich einen Lieblingskomponisten oder eine Lieblingsoper?

Italienisch? – Also, mein Lieblingskomponist, italienischer Opernkomponist, ist Verdi, das ist für mich eindeutig, aber unter den Verdi-Opern eine Lieblingsoper zu wählen, das ist schwierig.

Eine heikle Sache.

Es ist meistens so: die Verdi-Oper, mit der ich mich gerade beschäftige, wird zur Lieblingsoper, und wenn jetzt eine nächste drankommt zum Studieren, dann wird diese zur Lieblingsoper. Es ist ähnlich wie bei Mozart, jede Oper von Verdi ist so individuell, so eine eigene Welt auch. Obwohl natürlich ein gemeinsamer Stil alle verbindet, trotzdem sind alle Opern von ihm so individuell und so für sich stehend, da könnte ich jetzt keine herauspicken, keine spezielle.

Also auch nicht von der Entwicklung her, von den frühen Verdi-Opern zu den späten?

Natürlich sind Otello und Falstaff solche Meisterwerke, die weder früher noch später übertroffen werden konnten. Aber ich mag viele frühe Verdi-Opern auch sehr sehr gerne, denn ich bin der Meinung: In vielen dieser Opern, mit der Palette, die dem jungen Verdi damals zur Verfügung stand, mit den Ausdrucksmitteln, mit denen geht er perfekt um, er kann perfekt zeigen, was er will. Nur ist natürlich ganz klar: Im Falstaff hat er einfach schon eine viel breitere und farbigere Palette von Möglichkeiten.

Sie haben I Masnadieri an der Oper in Frankfurt und am Gärtnerplatztheater dirigiert. Ich habe auch beide Produktionen gesehen, es gab große Unterschiede in der Regie. Können Sie uns dazu etwas erzählen?

Ja, die zwei Produktionen waren komplett unterschiedlich, man kann sie auch nicht wirklich vergleichen. Die in München war für mich natürlich sehr bedeutend, denn das war eine Neuproduktion und ich habe sie musikalisch einstudiert. Wir haben das mit Thomas Wünsch, dem Regisseur, gemeinsam entwickelt, und das ist natürlich eine ganz andere Erfahrung als wenn man eine Wiederaufnahme betreut, wie es in Frankfurt der Fall war. Das waren auch zwei völlig verschiedene Sichtweisen vom Stück. Ich habe das Stück anhand der ersten, also der Neuproduktion, kennengelernt und mich damit auf die Weise identifiziert. Dann heißt es immer, wie man mit dieser bestimmten Vorstellung vom Stück dann, wenn man das in einer anderen Produktion macht, umgeht, wie man eine Balance findet, denn es ist selbstverständlich, dass in einer anderen Inszenierung andere Schwerpunkte und Aspekte sind. Aber ich glaube, das ist uns sehr gut gelungen in Frankfurt.

Wobei es in Frankfurt ja auch so war, dass Elemente umgestellt waren.

Ja, das war das Originalkonzept des Regisseurs, zwei Szenenblocks wurden sozusagen vertauscht. Es ist natürlich von Verdi ursprünglich nicht so geschrieben, aber es war in dem Konzept sehr logisch und konsequent und das hat sich auf die Intensität des Stückes in keiner Weise negativ ausgewirkt.

Sie dirigieren jetzt an der Bayerischen Staatsoper La Traviata . Wie ist das an diesem Haus?

Ja, das ist mein Debüt hier. Man kann ja auch zurückkehren zu der Frage nach der Lieblingsoper: Die Traviata ist eine meiner Lieblingsopern. Ich freue mich darauf sehr. Auch nach München zurückzukehren, nach zwei Jahren wieder hier in der Stadt zu sein. Auf die Arbeit mit den Künstlern. Neue Menschen und ein neues Haus, ein für mich neues Orchester, neuer Chor undsoweiter. Es ist immer sehr sehr spannend, in so einem relativ kurzen Zeitraum, dass wir alle in dieser kurzen Zeit sozusagen zusammenreifen zu einem gelungenen Abend, das ist immer eine große Herausforderung für alle.

Das ist ja nur eine kurze Zeit, die Sie da für die Proben haben. Wenn man die Produktion noch nicht kennt, ist das mit Sicherheit auch schwierig.

Ja, wobei ich muss sagen, die Inszenierung ist sehr ästhetisch, harmonisch und atmosphärisch. Sie wirkt auch sehr organisch. Ich glaube, sie ist sehr leicht zu verstehen und es fällt einem auch leicht, sich damit zu identifizieren.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Sängern am meisten?

Ich habe einen ungeheuren Respekt vor diesem Beruf, den ich schon immer als eine unglaubliche Herausforderung für ein menschliches Wesen empfunden habe. Denn was ein Sänger können muss – vor allen Dingen am Abend, wenn er auftritt, – das ist etwas, was sehr wenig Menschen wirklich begreifen: Was das für eine Leistung ist. Man muss sich jetzt ja vorstellen, dass in Kostümen – viele Leute wissen zum Beispiel gar nicht, wie unglaublich heiß auf einer Bühne durch die ganzen Scheinwerfer werden kann; das merke ich selber immer wenn ich am Ende der Vorstellung zum Verbeugen auf die Bühne muss!– also allein schon dort zu stehen in Kostümen. Und dann eben diese Leistung zu erbringen, wo Sänger auf so viele Sachen achten müssen: Sie müssen schön singen, sie müssen den Text deutlich singen, das alles natürlich auswendig, sie müssen auf den Dirigenten schauen, sie müssen auf die Kollegen reagieren, und und und. Ich könnte jetzt keine besondere Eigenschaft herauspicken, sondern ich bewundere Sänger als komplette Künstler, vor allem wenn jemand diesen Beruf wirklich professionell und für lange Zeit ausüben kann. Und man darf auch nicht vergessen, welchem Druck man da die ganze Zeit ausgesetzt ist. Den Abend drei,vier oder fünf Stunden lang, je nachdem, wirklich gut und spannend zu gestalten und zu präsentieren, mit all den Facetten und all dem, was so ein Abend braucht, verdient höchsten Respekt.

Was ist eigentlich die schwierigste Arbeit dann für Sie als Dirigent?

Für mich ist die schwierigste Arbeit – und das ist dann auch der Großteil der Arbeit letzten Endes – das Studium der Partitur. Das ist, wo alles anfängt, und das ist, wo alles passiert. Wo das Kennenlernen mit dem Komponisten, das Kennenlernen mit dem Stück, die Identifikation mit dem Stück und mit dem Komponisten, stattfindet. Das verlangt sehr viel Konzentration. Ich finde, das ist das Schwierigste und gleichzeitig auch das Wunderbarste. Es gibt natürlich unterschiedliche Schwierigkeitsgrade bei den Stücken. Manche Komponisten sind leichter zu verstehen, manche Stücke sind schneller lernbar als andere. Wenn man einfach alleine ist mit dem Stück und alleine mit dem Material. Das ist das Schönste. Und alles, was später dazu kommt, ist sehr unterschiedlich, die Einstudierung, die Arbeit mit den Kollegen etc.

Vielleicht sprechen wir dafür eben über die Neuproduktion in Frankfurt, die Sie vor kurzem dirigiert haben. Dass Sie anhand dieses Stücks noch einmal diese ganze Arbeit, die da hineingesteckt wurde, kurz erläutern … Das war ja eine tolle Produktion.

Vielen Dank! Ja, das war eben Chabriers L’etoile, “Der Stern“, eine Operette, eigentlich, aber eigentlich auch nicht. Da fängt es schon mal an: Es gibt manchmal Stücke, wo man das nicht eindeutig kategorisieren kann. Wobei, ich hüte mich sowieso generell davor, zu kategorisieren. Dadurch, dass Chabrier ein relativ unbekannter Komponist ist – bzw. für mich war er eher unbekannt, besonders, was seine Theaterstücke oder Bühnenstücke angeht – einige Orchesterwerke kennt man – ist er zum Beispiel ein Komponist, wo ich sehr lange gebraucht habe, um ihn zu verstehen, ihm ein bisschen näherzukommen und zu empfinden, was er gemeint haben könnte. Denn das ist so ein besonderer Stil.

Ja, das ist so eine spezielle Mischung, diese Musik.

Sehr speziell. Es gibt Komponisten, die man oft hört, wo man ein bisschen mehr Gefühl von vornherein für den Stil hat, aber Chabrier kennt man nicht so gut. Man muss dann sehr viel suchen, sehr viel herausfinden und sehr viel vergleichen. Was ist das, ist das jetzt ähnlich wie Offenbach? Aber dann hört man plötzlich auch Wagner heraus … Es ist eine Mischung von Stilen, gleichzeitig aber sehr individuell. Das macht es auch spannend und schwierig gleichzeitig. Das ist ein gutes Beispiel, wo das Studium der Partitur eigentlich für mich die schwierigste Phase der Produktion war. Und wenn man das dann lernt, und kennenlernt, ist das natürlich … Das Schöne ist zum Beispiel an einer neuen Opernproduktion: Jeder kommt ja vorbereitet – im Glücksfall – zum Probenbeginn, und jeder hat natürlich seine eigene Vorstellung von dem Stück, nicht? Die Sänger haben ihre eigene Interpretation von ihren Rollen. Das Schöne ist dann, diese ganzen Richtungen mit dem Regisseuren gemeinsam zusammenzubringen. Diese ganz verschiedenen Aspekte reifen dann irgendwie zusammen zu einem Gesamtbild und einem Gesamtziel auch, das wir alle zusammen anstreben. Das Bild, das man von einem Stück hat, wenn man zu Probenbeginn kommt, verändert sich unter Umständen ganz stark bis zur Premiere. Denn diese ganz vielen Aspekte, die auch die anderen Kollegen mitbringen, mit einbringen, die formen dann auch das eigene Bild vom Stück.

Sie sind ab Sommer GMD der Komischen Oper Berlin bei dem neuen Intendanten Barrie Kosky. Können Sie uns da schon einen kleinen Ausblick geben?

Ja, ich freue mich sehr darauf. Es ist eine große Herausforderung, eine tolle Aufgabe. Ich freue mich auf das Haus mit seiner großen Tradition und auch auf die Stadt Berlin sehr, ich wollte immer gerne mit Berlin zu tun haben. Ich fand diese Stadt schon immer ganz faszinierend, sowohl kulturell als auch geschichtlich. Ich glaube, wir freuen uns alle, das ganze Team, darauf, tolles Musiktheater machen zu können und dem Haus ein scharfes Profil zu geben. Ich beginne mit einer Neuproduktion von der Zauberflöte, mit dem Intendanten Barrie Kosky als Regisseur. Wir beide freuen uns sehr darauf.

Zum Schluss die Frage: Ist man als Dirigent geboren, oder kann man das auch lernen?

Ich glaube, was man relativ früh spüren kann, ist, dass gewisse Möglichkeiten nicht ausreichen, um das auszudrücken, was man möchte. Zum Beispiel, wenn jemand Pianist ist und nie die Etüden übt, nie die Mozart-Sonaten übt, sondern ständig Opern-Klavierauszüge spielt, dann liegt zumindest die Vermutung nahe, dass er einfach vom Spektrum her breiter interessiert ist als einfach nur Klavierspielen. Und dann muss man halt sehen: Was für Möglichkeiten gibt es für diesen Musiker, um sich im musikalischen Sinne so vielseitig wie möglich ausdrücken zu können? Ich glaube, das ist oft der Grund, warum ein Musiker dann Dirigent wird: Dass es einfach nicht genug ist für ihn, Klavier zu spielen oder Geige zu spielen oder zu komponieren oder so, sondern er will mehr. Dirigieren ist eine sehr umfassende Tätigkeit, die eigentlich wirklich die Musik als Ganzes in sich trägt und umfasst. Ich glaube, das ist, was die meisten, die dann Dirigenten werden, fasziniert.

Vielen Dank für das Gespräch, und alles Gute für La Traviata an der Staatsoper. Danke!

Ich danke auch!

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Der Mikado, 16.02.2012, Gärtnerplatztheater

[singlepic id=1078 w=320 h=240 float=left]Dieser Abend zeigte mal wieder deutlich, dass auch die elfte Vorstellung eines Stückes noch viel Neues bringen kann. In diesem Fall war es ein ungewöhnliches Rollendebüt. Innerhalb eines Tages arbeitete sich Sebastian Campione in die Partie des Mikado ein, normalerweise singt er die Rolle des Ministers für alles Andere Pooh-Bah in diesem Stück. Ohne ihn hätte die Vorstellung ausfallen müssen, wurde in der Ansage mitgeteilt. Da sieht man mal wieder einen der Vorteile des Ensembletheaters. Die Solisten sind mit Leib und Seele dabei und tun alles, damit Stücke gespielt werden können. Hätte die Besetzung nur aus Gästen bestanden, wäre das sicher nicht der Fall gewesen.

Und Sebastian Campione hat es richtig gut gemacht. Bis hin zur Choreografie gab er einen fast perfekten Mikado, das ist in Anbetracht der Kürze der Vorbereitungszeit wirklich bewundernswert. Ich hoffe, die Theaterleitung hat sich ihm gegenüber erkenntlich gezeigt. Auch das restliche Ensemble war bis auf eine Ausnahme wunderbar, lediglich Ko-Ko kiekste sich durch den Abend wie ein pubertierender Oberschüler im Stimmbruch, das sollte vielleicht witzig sein, passt aber überhaupt nicht zu der Rolle. Frances Lucey sang die Arie der Yum Yum The Moon and I an diesem Abend besonders innig, Robert Sellier überzeugte als Nanki-Poo mit Spielwitz und schönem Tenor. Rita Kapfhammer begeisterte wie immer als resolute Katisha, sie spielt und singt, was das Zeug hält und doch trieb ihr Alone and yet alive die Tränen in die Augen. Franziska Rabl und Milica Jovanovic bezauberten als Pitti-Sing und Peep-Bo, Holger Ohlmann und Daniel Fiolka als Pooh-Bahh und Pish-Tush ergänzten das bestens aufgelegte Ensemble hervorragend und Thomas Peters glänzte in der undankbaren Rolle des Erzählers.

Der Chor zeigte, wie immer, Spielfreude kombiniert mit präzisem Gesang und Benjamin Reiners kitzelte aus dem Orchester noch ein bisschen mehr Schwung heraus und unterstützte die Sänger wo es ging.

Ein schöner Abend, Danke an alle Beteiligten!

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5. Kammerkonzert – Unbekannt klassisch, 12.02.2012, Gärtnerplatztheater

Die fünfte Veranstaltung der Kammermusik im Foyer lockte das Publikum mit dem Titel UNBEKANNT KLASSISCH. Bei dem ersten Beitrag des Konzertes, dem Divertimento für drei Bassethörner KV 439b Nr.3 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), in einer Bearbeitung für Violine, Viola und Cello, begeisterten die Musiker. Das Zusammenspiel war sehr homogen und die Freude am gemeinschaftlichen Musizieren hörte und sah man Franziska Pertler (Violine), Dorothea Galler (Viola) und Franz Lichtenstern (Cello) an. Maurice Duruflé (1902-1986), Prelude, Recitatif et Variations op. 3 für Flöte, Viola und Klavier, erklang in der Besetzung Heinz Hennen (Flöte), Ann Marie Schneidt (Viola) und Anke Schwabe (Klavier). Dieses Stück fordert einiges von den Interpreten; dies wurde von Flöte und Viola gut umgesetzt, und Anke Schwabe am Klavier ist immer eine Klasse für sich.

Nach der Pause stand ein heute leider weitestgehend unbekannter Komponist auf dem Programm. Sigismund von Neukomm wurde 1778 in Salzburg geboren und starb 1858 in Paris, beigesetzt wurde er auf dem Friedhof Montmartre. Er galt als eine der schillerndsten und vielseitigsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Seine Begeisterung für die Musik Mozarts und Haydns ließ ihn zu einem Botschafter der Wiener Klassik werden. Das Quintett trägt den Namen Une fete de village en suisse, Quintetto dramatique für 2 Violinen, 2 Violen und Violoncello. Auch bei diesem Stück beeindruckte wieder das gute Zusammenspiel der Musiker, in der Zusammensetzung: Katja Lämmermann, Susanne Kabel (Violine), Dorothea Galler, Rainhard Lutter (Viola) und wieder Franz Lichtenstern (Cello). Das vielschichtige und interessante Werk war in guten Händen bei den Interpreten des Gärtnerplatztheaters. Überhaupt ist es immer wieder schön, die Musiker auch außerhalb des großen Orchesters des Musiktheaters zu hören.

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