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Lesung Ulf Schiewe, 11.01.2013, Galerie49

[singlepic id=1446 w=320 h=240 float=left]Ich habe ja schon einige ungewöhnliche Lesungsorte, vor allem im Rahmen der Leipziger Buchmesse erlebt, aber die Vernissage einer Ausstellung war noch nicht dabei.

Drei Zimmer einer Altbauwohnung in Schwabing umfassen die Räume der Galerie49 in der Agnesstraße 49 in München-Schwabing. Diese waren bis zum Bersten mit Zuhörern gefüllt, es wurden Stühle ohne Ende herangeschleppt und trotzdem reichten sie nicht für die große Zahl der Zuschauer. Ulf Schiewe las dann schließlich in der Mitte der Zimmerflucht, stehend, weil einfach keine Sitzgelegenheit mehr frei war. Er begann mit einer kleinen Einführung in seine Trilogie, stellte jeden Band kurz vor und ging dann ausführlich auf Die Hure Babylon ein. Er las die erste Szene, in der Ermengarda in ihrer Kammer erwacht und sich fragt, wo zum Teufel denn Edessa eigentlich liege.

Diese Frage beantwortete er ebenso wie diejenigen zu Bernard de Clairvaux, dessen erste Unterredung mit Ermengarda er sich in der nächsten Szene widmete. Dazwischen gab es immer wieder mit einer Präsentation unterstütze Information zum Roman und den einzelnen Figuren. So erzählte Ulf seinen Zuhörern, dass er sich gerne konkrete Gesichter zu seinen Figuren vorstelle, so komme Arnaut das Bildnis von Sebastian del Piombo Junger Mann in Rüstung und Ermengarda einem Portrait der Beatrice d’Este von Leonardo da Vinci nahe.

Als letztes las er noch eine Szene von der Überfahrt und der Ankunft von Arnaut in Outremer. Hier bekam man einen schönen Eindruck von der Dimension eines Kreuzfahrerheers. Im Anschluss konnte man bei Wein und Käse noch mit Ulf über seine Romane diskutieren oder mit der Künstlerin Ursula Fuchs über ihre Werke sprechen. Ein sehr interessanter Abend!

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Interview mit Zoë Beck

[singlepic id=1431 w=240 h=320 float=left]Zoë, herzlichen Dank, dass Du Dich bereiterklärt hast zu einem Interview für den Blog Nachtgedanken. Stellst Du Dich uns kurz vor bitte?

Mein Name ist Zoë Beck, ich bin 1975 geboren, habe sehr früh angefangen, Klavier zu spielen. Das war lange Zeit mein großer Traum. Ich hab dann noch alle möglichen anderen Sachen gemacht, Theater, Film, Fernsehen, ich habe Literatur studiert, und bin jetzt seit 2004 ziemlich konstant dabei, dass ich mich nur an eine Sache halte, nämlich in erster Linie Bücher zu schreiben. Ich übersetze auch und bearbeite auch Texte redaktionell, aber in erster Linie bin ich Autorin.

Du hast bereits sehr früh als Pianistin Erfolge gefeiert, was gab den Ausschlag, die musikalische Karriere nicht weiterzuverfolgen?

Oh, da kamen mehrere Sachen zusammen. Einmal fanden meine Eltern es nie besonders toll, dass ich das wirklich professionalisieren wollte, da hatten sie dann schon ziemliche Angst davor, Stichwort „brotlose Kunst“. Nicht dass ich jetzt etwas machen würde, was auf sehr viel Gegenliebe stößt, aber jetzt bin ich ja auch ein bisschen älter. Ich glaube, dadurch, dass mir der Rückhalt von zuhause gefehlt hat, fing das irgendwann an, dass ich die Nerven nicht mehr hatte, und dann kam eine ganz schlimme Auftrittsangst dazu bis hin zu einem Blackout bei einem öffentlichen Auftritt, dass ich einfach nicht mehr weiterspielen konnte, und danach ging es mir einfach wahnsinnig schlecht, nervlich, so dass ich große Schwierigkeiten hatte, wieder in das Klavierspielen hineinzufinden. Ich habe das dann noch eine Zeitlang gemacht, aber es ist wirklich eine reine Nervensache gewesen. Ich musste mir danach wirklich etwas anderes suchen und mich noch einmal neu definieren, um wieder Fuß zu fassen, für mich selbst.

Und wie fühlst Du Dich jetzt bei Lesungen?

Ja, das war eine spannende Sache. Als ich nämlich meine erste Lesung hatte, da dachte ich vorher, ich werde bestimmt sterben oder auf der Bühne ohnmächtig zusammenbrechen, ich dachte, vielleicht ist vorher sterben die bessere Variante (lacht). Ich weiß noch aus Studienzeiten, dass ich bei Livesachen natürlich eine gewisse Aufregung dabei hatte, ich habe das aber relativ zeitig schon trainiert, indem ich zum Beispiel Theater auch mal gespielt habe, Verhaltenstraining gemacht habe. Gut, bei den Lesungen ganz am Anfang, da war das immer noch ein bisschen was anderes. Es gibt auch immer noch die Situation, dass ich vorher wirklich Nervenflattern kriege, aber grundsätzlich ist das jetzt, toitoitoi, eine wirklich stabile Sache, dass ich raus auf die Bühne kann und vor allen Dingen, dass ich es auch wahnsinnig gerne mache. Ich merke, dass ich sehr viel lieber Lesungen mache als ich damals öffentlich Klavier gespielt habe. Und das hat, glaube ich, auch damit zu tun, da könnte man jetzt einen Psychologen fragen, sehr viel damit zu tun, wie ist die eigene Wertschätzung der Sache und wie ist die eigene Selbstsicherheit. Da macht dann das Alter und die Erfahrung auch nochmal viel aus, und vielleicht war es das Klavier einfach nicht. Dieses Interpretieren von Sachen, von was Fremdem, und dann dieser Druck, der natürlich im Klassikbereich dann auch da ist, wo alles perfekt sein muss und keine Fehler verziehen werden, was ja jetzt, wenn man auf der Bühne steht und etwas Eigenes vorliest, nicht so zwingend ist. Da kann einem ja keiner sagen, ja, das haste jetzt aber falsch, weil das Wort steht doch da anders rum. Dann könnte ich sagen, ich bin die Autorin, ich les das jetzt aber so rum. Da ist doch eine deutlich lockerere Atmosphäre, und diese Sachen machen dann sehr viel aus und helfen mir sehr, und deshalb bin ich jetzt deutlich lieber auf der Bühne als früher.

Und hattest Du schon ganz lange einen Roman in der Schublade liegen?

Ich hatte nicht mal eine Kurzgeschichte in der Schublade liegen. Ich hatte eine vollkommen wahnsinnige Freundin, ich liebe sie übrigens heiß und innig, wir waren Kolleginnen bei einer Filmproduktionsfirma, und sie ist dann gewechselt als Filmagentin in eine Literaturagentur, also als Agentin für Filmstoffe. Ich hatte zu dem Zeitpunkt eine Stelle als festangestellte Autorin für so eine Fernsehserie, und das hat mir nicht besonders viel Spaß gemacht. Meine Freundin rief mich eines Tages an und sagte, Du, hier war grad jemand bei der Literaturagentin und sucht Krimis, setz Dich doch mal hin und schreib was. Das hab ich dann auch getan, ich dachte, das wird sowieso nix, aber gut, bevor ich mich langweile. Mein Job war, wie gesagt, nicht wirklich toll, und ich hatte auch einfach vor, etwas anderes zu machen, und ich dachte, das kostet mich ja jetzt nix außer Zeit und mal den Versuch. Ja, und kurz darauf hatte ich dann einen Drei-Buch-Vertrag für eine Krimireihe, die in Rostock angesiedelt ist. Das habe ich dann noch unter einem anderen Namen geschrieben. Ich saß dann erstmal sehr konsterniert zu Hause und dachte, verdammt, was habe ich getan, jetzt muss ich auch noch Bücher schreiben. So kam das, ja.

Findest Du Deine Geschichten oder finden Sie Dich?

Wir finden uns, wir begegnen uns. Wenn ich merke, dass mich ein Thema sehr berührt und ich dann Charaktere vor mir sehe und dass es sofort anfängt, in mir zu arbeiten. Ich habe mich gestern mit jemandem unterhalten, das war eher so eine Zufallsunterhaltung, und ich bin heute Morgen wach geworden und dachte mir: oh, das ist so eine interessante Figur, das kann ich einbauen. Es kann sein, dass es die Hauptfigur für den nächsten Roman wird, es kann sein, dass es eine Nebenfigur ist, es kann sein, dass eine Kurzgeschichte draus wird oder überhaupt nichts, aber dieses Gefühl, das stellt sich dann manchmal eben ein.

Hast Du einen Schreibrhythmus und brauchst Du bestimmte Bedingungen zum Schreiben?

Ja, ich bin nicht so ein Tagsübermensch. Das passt ja zum Blog, ich bin mehr so der nachtgedankliche Mensch (lacht). In der Nacht ist es ruhig, da ruft niemand an, naja, manchmal rufen auch Leute an, die eben auch nachts arbeiten, aber es ist insgesamt deutlich ruhiger, es kommen weniger Mails, und auf Facebook wird ja dann auch nicht so viel gepostet. Wenn ich schreibe, mache ich in der Zeit nichts anderes, also da kann ich nicht sagen, jetzt schreib ich mal zwei Tage und dann habe ich noch einen Tag für einen Artikel, dann mache ich mal morgens die Übersetzung und abends das Schreiben, das geht nicht. Ich schließ mich dann wirklich weg zum Schreiben. Manchmal wechsle ich dann auch den Ort, dass ich mich irgendwo zurückziehe, etwas miete und sage, ok, jetzt bin ich hier zwei Monate. Natürlich hilft es am meisten, wenn man kein Internet hat. Ganz ehrlich. Und sich Notizen macht, was man gerne recherchieren möchte, und dann geht man für eine Stunde am Tag ins Netz und recherchiert das schnell durch. Das hatte ich in St. Andrews, das war total spannend. Da hatte ich mir ein Häuschen gemietet, es gab weder Telefon noch Internet, und ich musste mich dann jeden Tag mit meinem Bibliotheksausweis irgendwo hinten anstellen und warten, dass ich dann endlich dran kam. Und es gab dann nur eine halbe Stunde oder eine Stunde, länger durfte man nicht am Tag. Und ich dachte erst so: was, nur eine Stunde Internet am Tag, oh ist das furchtbar, das geht ja gar nicht, das kann ich nicht, das halte ich nicht aus. In der zweiten Woche habe ich mich nach einer halben Stunde gefragt, so, was mache ich hier jetzt noch, weil ich mich dann wirklich nur auf die Recherche beschränkt habe, und auch so dieses viele Kommunizieren, dieses, naja sinnlos ist jetzt ein blödes Wort, dieses müßig-vor-sich-hin-kommunizieren, dieses, ach ja, da kuck ich noch mal, och, was mach denn der gerade, das fällt dann natürlich alles weg. Und da hatte ich mich so auf die Arbeit konzentriert, ach, ich muss wieder nach St. Andrews. So sieht das Schreiben aus. Wegsperren, nachts, alles gut.

Was tust Du, wenn es mal nicht so gut läuft?

Den Plot noch mal überdenken, meistens liegt es daran, dass ich mir nicht ganz sicher bin, wie es mit den Figuren weitergeht, wo sie hin wollen, was ich über die Figuren erzählen will. Wenn es klemmt, ist es meistens, das habe ich jetzt festgestellt, wirklich ein Fehler im Plot oder dass mir noch Puzzleteile fehlen. Oder dass ich etwas an der Figur nicht richtig durchdacht habe. Und das löst sich dann am besten durch Spazieren gehen, Sport machen, das Gehirn mal ausschalten, mit Leuten drüber reden, mal einen Film kucken, mal ein ganz anderes Buch lesen, das möglichst nicht zum Thema ist, damit die Gedanken mal wieder etwas freier werden. Aber Verzweifeln hilft nicht.

Welche Musik hörst Du am liebsten, und lässt Du Dich durch Musik beim Schreiben inspirieren?

Das ist sehr stimmungsabhängig, das kann von Ravels Klaviermusik bis Dead Can Dance und P.J. Harvey gehen. Ich habe verschiedene Playlists gemacht, es gibt auch zu verschiedenen Figuren verschiedene Playlisten. Da es mittlerweile so schöne Sachen wie Spotify online gibt, kann man da auch teilweise reinkucken, ich weiß gar nicht, welche ich öffentlich habe und welche nicht. Ich komme ja eher trotz des Klavierspielens, oder wegen des Klavierspielens, aus der alternativeren Ecke, was man früher Indie genannt hat, ich mag auch die etwas härtere Musik. Ja, das ist dann sehr abhängig davon, was ich gerade schreib, was dazu passt, und manchmal passt überhaupt keine Musik, da muss ich ausschalten. Da muss es ganz, ganz, ganz still sein.

Welche Phase eines Buches oder einer Kurzgeschichte ist die anstrengendste für Dich?

Ich glaube die Überarbeitungsphase, aber das sage ich nur, weil ich gerade etwas überarbeiten muss und es ganz, ganz furchtbar finde. Ich hasse es zu überarbeiten. Ich hasse es noch mal, wenn ich dann sehe, dass die Lektorin recht hatte. Das finde ich so doof, aber sie hat leider recht. Überarbeiten ist grausam. Aber, es ist ja alles eine sehr handwerkliche Sache, und jeder Part ist auf seine Art und Weise schwer. Aber Ideen suchen und finden, das macht ja Spaß, die Figuren zu konzipieren macht Spaß, selbst das Schreiben macht Spaß, und ich glaub wirklich, das Überarbeiten ist nicht so mein Lieblingsthema.

Du bist bereits Glauser-Preisträgerin für die beste Kurzgeschichte 2010, 2011 folgte eine weitere Nominierung, Du warst dieses Jahr für den DeLiA-Preis nominiert, mit Das zerbrochene Fenster bist Du im September auf der KrimiZEITbestenliste in den Top Ten unter den Größten des Genres. Spornen Dich die Preise und Nominierungen an oder ist es eine nette Beigabe zum Schreiben?

Da müsste ich jetzt lügen, wenn ich sagen würde, ach, das ist mir egal, ob ich Preise kriege. Letztendlich, ob man jetzt gewinnt oder nicht, das ist dann sehr situativ. Aber allein in Betracht gezogen zu werden, allein, so eine Wertschätzung von einer Jury zu bekommen, das finde ich ganz, ganz toll. Ich hab auch letztens irgendwo jemanden getroffen – ich darf auch keine Namen nennen, nicht dass die Dame Ärger kriegt – und die meinte, ja, Dein Buch xy hab ich ja mal für die Blabla-Jury gelesen und mir hat das so gut gefallen, leider ist es nicht auf die Shortlist gekommen. Ich find das natürlich toll, weil ich dann das Gefühl habe, es findet sich langsam das Publikum. Publikum finden finde ich wahnsinnig schwer. Da gibt es ja diese Diskussion, wie sollen die Cover aussehen und was soll vorne draufstehen, und dann steht Thriller drauf, und dann denken die Leute, das ist jetzt so ein blutiges Gemetzel, und sie sind natürlich enttäuscht und sagen, das ist ein langweiliges, blödes Buch, und was will ich denn mit dem ganzen Familiengeschichtenscheiß, und da soll doch jetzt mal bitte jemand tot umfallen und ausgeweidet werden, dann hat man einfach sein Publikum nicht gefunden. Aber wenn jemand sagt, das fand ich super, so super, dass ich sagen kann, es hat mir am besten gefallen von soundso vielen Büchern, weil es genau meinen Geschmack getroffen hat und dann auch noch diese handwerkliche Wertschätzung dazu, weil ich dann doch denke, dass Juroren auf so was kucken, ist es sauber geplottet, ist es gut durchgezogen, das ist toll, ja, das gibt natürlich einen Boost. Mit gibt es, sehr zum Leidwesen der Verlage sicherlich, mehr Schwung als gute Verkaufszahlen (lacht).

Du hast schon in verschiedenen Genres veröffentlicht, zuletzt einen Jugendroman, Edvard, und wieder einen Thriller. Gibt es noch ein Genre, in dem Du unbedingt noch ein Buch schreiben möchtest?

Vielleicht ein Buch, das nicht genregebunden ist. Also einfach eine Geschichte schreiben und kucken, wo sie hingeht. Ich weiß ziemlich genau, was ich alles nicht so kann, ich wäre glaube ich nicht besonders gut in historischen Romanen, weil ich faul bin. Was muss man da recherchieren! Das ist ja bewundernswert, was die da alle sowohl sprachlich als auch inhaltlich leisten, und die sitzen den ganzen Tag in den Bibliotheken, das muss man wollen. Mich interessieren da eher so diese menschlichen, diese inneren Abgründe und Beweggründe, müssen ja nicht nur Abgründe sein. Die neuere Geschichte, das interessiert mich auch, aber so dieses Zurückgehen in zurückliegende Jahrhunderte, wo es keine Zeitzeugen mehr gibt, das wär nicht meins. Erotik kann ich nicht, zum Beispiel. Science Fiction können auch andere sehr viel besser, auch wenn ich Science Fiction ganz klasse finde. Ich muss auch weiter kucken, was ich kann, und ich weiß nicht, ob das dann weiterhin genregebunden sein wird oder sein muss. Man wirft mir ja auch jetzt gerne beim Krimi vor, dass ich da zu sehr in andere Richtungen ausufere oder zu wenig den Krimi bediene, manche wollen halt die Rätselgeschichte haben und manche wollen, wie gesagt, das blutige Ausweiden mit dem Psychopathen. Ich sag jetzt nicht, ok, damit verkaufe ich besonders viel oder das ist ein Genre, das super läuft, deshalb will ich das jetzt auch mal mitnehmen, sondern, was will ich eigentlich erzählen, und vor allem auch, was kann ich. Und da bin ich immer ganz froh, wenn Leute mir da auch in der Richtung helfen und sagen, ok, das ist jetzt nicht so Deins, aber so und so musst Du weitermachen. Krimi oder alles, was so sehr dunkel, abgründig, düster, mysteriös ist, mit psychisch kranken Menschen, was auch immer das über mich sagen mag, aus irgend einem Grund gefällt mir das. Edvard hat ja auch eine deutliche Persönlichkeitsstörung, natürlich ist es irgendwo ein normaler Teenager, aber irgendwo ist er dann wieder auch nicht normal, er hat vielleicht noch nicht so eine richtige Störung, aber er ist auf dem Weg, er könnte, wenn die Eltern weiterhin alles glauben richtig zu machen, auch ganz schön einen an der Klatsche behalten. Es kann auch sein, dass er sich fängt und völlig normal wird und irgendwo auf der Behörde seinen Job findet und total glücklich wird. Leute, die ein bisschen oder auch sehr weit neben sich stehen, das interessiert mich. Was sie für Probleme haben und warum sie einfach nicht wie jeder andere durch den Tag kommen.

Welches Genre liest Du gern selbst? Hast Du einen Lieblingsautor?

Ich habe eine ganze Menge Lieblingsautoren, ich lese gerne im Kriminalromanbereich, ich les auch gerne, was man so die „normale“ Literatur nennt, da gibt es sehr viele sehr unterhaltsame, sehr gut geschriebene, sehr abgründige, sehr schräge Sachen. Es muss nicht immer jemand sterben, es darf lustig sein, ich lese einfach gerne gute Bücher. Und dann ist es mir auch egal, was vorne drauf steht als Genre.

Hast Du literarische Vorbilder?

Es gibt Texte, die mich inspirieren, wenn ich sie lese. Nicht, weil ich genauso schreiben möchte, sondern weil ich denke, kuck mal, wie der oder die mit Sprache umgeht und die Sätze baut, die Figuren einführt, die Szenen baut. Das dann schon. Alles was mich wirklich zum Nachdenken bringt. Ich finde Ian Rankin oder Denise Mina sehr inspirierend, das sind beides schottische Krimiautoren. Die nenne ich glaube ich immer, das wird langsam langweilig. Was mich total begeistert hat, war, als ich zum ersten Mal Don Winslow gelesen habe, weil der so anders war und mal endlich wirklich eine neue und ungewöhnliche Stimme. Es gibt schon Gründe, warum er so einen Riesenerfolg hat. Jetzt fällt mir auf Anhieb natürlich nichts ein, aber in letzter Zeit gab es schon einiges, wo ich die erste Seite gelesen und gedacht habe, Mensch, da kann aber jemand schreiben. So muss es sein. Wen ich als Kind gerne gelesen habe, das war aber eher eine inhaltliche, weniger eine sprachliche Sache, da habe ich, und da bediene ich jetzt sicher auch wieder Klischees, Edgar Allan Poe und E.T.A. Hoffmann sehr geliebt. Auch da die Abgründe, der Wahn, dieses Nichtwissen, was ist jetzt Realität und was ist nur in meinem Kopf. Im Moment lese ich gerade mit großer Begeisterung Rocking Horse Road von Carl Nixon. Das ist aus der Wir-Perspektive geschrieben, ganz ungewöhnlich, ganz spannend. Ich habe schon einmal ein anderes Buch aus der Wir-Perspektive gelesen, And Then We Came to the End von Joshua Ferris, solche Sachen lese ich einfach wahnsinnig gern, dieses etwas Experimentellere. Deshalb sage ich Vorbilder, das sind weniger eine Person, sondern ich versuche mich eher davon leiten zu lassen, was man alles mit der Sprache machen kann und wie man Geschichten erzählen kann.

Du pendelst zwischen Berlin und Edinburgh. Gibt es noch eine weitere Stadt, in der Du gerne leben möchtest?

Ich habe schon in so vielen Städten gelebt. Ich bin ja auch sehr viel in München. München ist hier in Deutschland sicherlich meine zweite Heimat nach Berlin. Berlin ist ja eine relativ neue Heimat. Ich möchte mit Sicherheit irgendwann mal wieder eine längere Zeit in London sein, ich habe Dublin noch auf dem Plan stehen. Und ich meine das jetzt alles nicht für Wochenendausflüge, das mache ich ja oft genug, sondern einfach für länger. Und dann muss ich halt kucken, wie es sich finanziell ausgeht und wo mich das alles so hintreibt, aber ich bin schon eher im englischprachigen Raum unterwegs. Hat ganz egoistische Gründe, da kenne ich wenigstens die Sprache, da habe ich nicht so Angst, das ich etwas Falsches auf der Speisekarte bestelle oder nicht weiß, wo ich lang laufen muss, da bin ich ein bisschen schüchtern.

Wie hoch ist Dein aktueller SUB?

Das S steht bei mir nicht für Stapel, sondern eher für Schrank. Ich habe den Überblick schon lange verloren. Ich sortiere dann auch immer mal wieder ein paar von den ungelesenen Büchern aus und denke so, ok, ich komme eh nicht mehr dazu, sie zu lesen, dann kann ich sie jetzt auch verschenken. Ich verschenke oder ich setze sehr viele Bücher aus, weil ich sonst untergehe. Es gibt so viele tolle Sachen, ich bin so froh über Leseproben und so froh über den Kindle. Jetzt kotzen die Buchhändler wieder, aber es tut mir leid, ich unterstütze den Buchhandel, ich kaufe so viele Bücher, ehrlich, aber manchmal hole ich mir auch gerade die englischsprachigen Sachen auf den Kindle. Die hassen mich jetzt, die Buchhändler, aber nein, ich liebe Euch!

Kannst Du uns schon etwas über Dein nächstes Projekt sagen?

Nein, weil ich es diese Woche erst besprechen werde. Ich wechsle gerade den Verlag, das ist glaube ich mittlerweile kein Geheimnis mehr, ich werde mir da jetzt natürlich überlegen, ob ich Figuren mitnehme, ob ich die Landschaft mitnehme oder einen Schauplatz mitnehme, im Moment bin ich da erstmal ganz offen und werde mir in diesen Tagen mit Sicherheit noch ein paar Notizen machen und dann noch weiter überlegen. So gegen Ende des Jahres werde ich Entscheidungen getroffen haben.

Also dürfen wir hoffen, noch etwas von Ben und Cedric zu lesen?

Wollt ihr das denn?

Also ich schon.

Aber die hatten wir doch jetzt schon so oft.

Es sind aber sehr interessante Figuren und es sind ja auch noch einige Fragen offen.

Ja, ich habe mir schon überlegt, ob ich das nicht irgendwie so als Goodie mache, also falls ich mit den Figuren nicht weiter mache, dass ich einfach Cedrics Geschichte noch mal zusammenschreibe, gerade die Geschichte mit seinem Vater. Ich mach das Ding auf 50 Seiten und haue es als kostenloses ebook raus. Habe ich mir auch schon überlegt. Ich meine, warum nicht? Ich habe das Gefühl, vielleicht ist Cedric auserzählt. Wir kennen ihn ja schon, und natürlich könnte ich jetzt noch weitermachen. Jetzt hat er den Halbbruder und wie geht denn das weiter, aber Cedric ist jetzt in Behandlung, er hat seinen Therapeuten, er nimmt seine Tabletten, wir wissen, dass er Probleme hat. Ich möchte dann auch nicht, wie andere, diesen Fluch der Serie, dass ich dann irgendwie nach 17 Büchern immer noch dieselben Geschichten erzähle oder mich dann selber mit denen langweile. Keine Ahnung, ich muss es überlegen.

Was ist das Beste daran, eine erfolgreiche Autorin zu sein und was ist das Nervigste?

Da müssen wir mal erfolgreiche Autorinnen fragen.

Hier sitzt eine vor mir.

Ich darf das machen, was im am Großartigsten finde, ich darf Bücher schreiben. Und das ist das Tollste daran. Und kann davon auch leben. Ich hoffe, dass es so weitergeht. Das Nervigste ist die Angst davor, wie sich das nächste Buch verkauft und ob es weitergeht. Das sind wirklich rein existenzielle Sachen, ansonsten nervt überhaupt nichts. Und ich glaube, was mich nervt ist das, was jeder in seinem Job hat, jeder Selbständige hat. Gerade so als Freiberufler macht man ja meistens etwas, das einem Spaß macht. Sollte man. Weil man da so viel Zeit investiert. Aber wenn man nicht weiß, wie es weitergeht, und das wissen ja viele Freiberufler nicht so ganz genau, mittlerweile auch viele Angestellte nicht mehr so genau, das ist halt einfach das Nervige daran. Und natürlich würde gerne jeder von uns pauschal seine 100.000 im Jahr kriegen, oder vielleicht auch nur 50.000, keine Ahnung, aber einen Haufen Geld dafür überwiesen kriegen, dafür, dass er oder sie das macht, was man am liebsten tut. Es hat leider sehr viel mit Geld verdienen und sehr wenig mit Hobby zu tun, es ist ein Beruf, es ist ein Handwerk, man muss es ordentlich machen und sich weiterbilden und dann noch kucken, wie man damit weiterkommt. Das ist genauso anstrengend wie ne Kneipe zu führen und wie als Kindergärtnerin zu arbeiten und wie Arzt zu sein oder sonst was. Es ist einfach anstrengend.

Erzählst Du uns noch eine Anekdote aus Deinem Schriftstellerleben?

Anekdote, hmm. Ach ja, das erzähle ich ganz gerne, die hängt zwar nicht direkt, sondern eher indirekt mit mir zusammen. Ich stand in einer Buchhandlung, zwei Mädels um die Zwanzig kucken in dem Bereich Krimis. Da steht ja meistens immer nur „Krimi“. Dann sagt die eine: Ah ist das blöd hier, kuck mal, da steht Krimis und hier sind aber überall Thriller, also das finde ich ja echt nicht in Ordnung, dass die das alles so zusammen werfen. Sagt ihre Freundin: Was ist denn der Unterschied? Sagt die erste wieder: Naja, Thriller sind halt einfach besser. Also, das ist einfach eine nicht besonders trennscharfe Geschichte, weil man ja auch darüber diskutieren müsste, was bedeutet jetzt eigentlich Thriller, was bedeutet Kriminalroman und wo sind die Grenzen und wie fließend sind sie, aber das hat halt auch viel damit zu tun, was von Buchhandelsketten durch ihre Etikettierung gelenkt wurde. Und dann sprachen sie weiter, nämlich über meinen sehr lieben und sehr geschätzten Kollegen und Freund Sebastian Fitzek: Fitzek ist ja total geil, spannende Bücher, haste den schon gelesen? – Jaja, total geil und spannend und voll krass und so. – Der hat ja auch eine Tochter, da habe ich gehört, der liest ihr abends immer seine Geschichten vor, und die ist ja noch ganz klein, noch ein echtes Kleinkind. – Boah, krass, solche Leute sollten echt keine Kinder haben. Und ich steh direkt daneben und denk so, das tut er doch nicht! Ich wusste nicht, ob ich etwas sagen sollte, ich dachte nur, oh Gott, das tut er doch gar nicht! Das stimmt doch nicht. Aber wenn man sieht, was sich da für Legenden bilden, kaum, dass man etwas veröffentlicht. Und Sebastian hat ja eine Riesenfangemeinde auf Facebook und Twitter und ein sehr lebhaftes Profil, und so entstehen einfach die unglaublichsten Gerüchte. Sebastian Fitzek sitzt da und liest nachts seiner Tochter seine Geschichten vor. Was dachten die denn, wie alt das Mädchen ist? Wahrscheinlich irgendwas zwischen zwei und fünf, und er liest ihr ganz grausame Geschichten vor? Völliger Unsinn. Und eine Anekdote, die mit mir direkt zu tun hat: Ich geh in eine Buchhandlung, die ein Schaufenster mit meinem neuesten Buch dekoriert hatte. Ich hab mich so wahnsinnig gefreut, dass die das gemacht haben. Ich geh also rein und sage: Hallo, ich bin Zoë Beck, ich freue mich so über das Schaufenster! Und die Frau schaute mich an und sagte: Was? Sie wusste von nichts. Und dann hab ich sofort die Ohren hängen lassen und bin wieder rausgeschlichen (lacht). Das hat ein bisschen wehgetan, weil ich mich vorher so gefreut hatte und dachte, die wissen jetzt alle Bescheid, wenn ich reinkomme und meinen Namen sage. Und diese Frau hat mich einfach so glasig angekuckt, weil sie halt mit der Schaufensterdeko nichts zu tun hat. Natürlich ist es so. Das ist das harte Geschäft.

Ganz herzlichen Dank für dieses tolle Interview und alles Gute!

Ja, dankeschön!

Foto Victoria Tomaschko

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(Text Blogg dein Buch)

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Der Trailer ist jedenfalls schon filmreif 😉

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Ulf Schiewe – Die Comtessa

Eine Frau in Männerkleidern, die sich in einem typisch männlichen Metier behaupten will – also alle Zutaten vorhanden für eine typische -in Schmonzette? Ganz und gar nicht!
Ermengarda weiß zwar was sie will, meistens, aber sie denkt nach, nimmt männliche Hilfe in Anspruch, reflektiert das Erlebte. Durch ihre Augen sehen wir die Lebenswirklichkeit im Südfrankreich des 12. Jahrhunderts: sei es der der gräfliche Palast oder die Aussätzigenhütte, die Burg oder das Kloster, jeder ihrer Aufenthaltsorte scheint sehr real zu sein und entsteht farbenprächtig und detailreich vor meinem inneren Auge. Die männliche Sichtweise steuern Arnaut und Felipe bei und so ergibt sich ein dicht gewebter Teppich mit ausdrucksstarken Bildern. Auch die Nebenfiguren sind liebevoll gezeichnet, der Bettlerjunge Jori und Arnauts Mutter Adela sind die besten Beispiele dafür. Die Handlung ist spannend erzählt, ich habe mit der kleinen Reisegruppe von Beginn an mitgefiebert. Der historische und politische Kontext wird verständlich dargelegt, so dass die Handlungen der Protagonisten nachvollziehbar bleiben.
Sehr empfehlenswert!

Ulf Schiewe, Die Comtessa, Droemer, ISBN 3426198878, 560 Seiten

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Interview mit Rita Hampp

[singlepic id=1324 w=240 h=320 float=left]Liebe Rita, herzlichen Dank, dass du dich bereiterklärt hast zu einem Interview für den Blog „Nacht-Gedanken“. Stellst du dich uns kurz vor?

Ich bin Autorin von Krimis und Romanen, die in Baden-Baden spielen. Dies ist seit meinem 50. Lebensjahr – also seit nunmehr sieben, fast acht Jahren, ganz offiziell meine zweite Karriere; ich war vorher Journalistin.

Wie kam das? Du hast vorher als Journalistin gearbeitet – wie kamst du dann zu den Romanen?

Das ist relativ einfach. Ich muss sagen, Journalistin, das war mein Leib- und Magen-Beruf. Das habe ich sehr, sehr gerne gemacht. Ich war für die Main-Post in Würzburg als Rechts- und Gerichts-Berichterstatterin tätig Als ich meinen Mann kennenlernte, bekam er gerade einen Auftrag in die USA. Da bin ich natürlich mit fliegenden Fahnen mitgegangen: Drei Jahre New York, das kann man sich nicht entgehen lassen – und habe dort festgestellt, dass ich natürlich in meinem Beruf nicht mehr arbeiten kann, weil ich so gut Englisch nicht kann. Gerade im Journalismus kommt es ja auf jede Nuance an, und das ging nicht mehr. Daraufhin habe ich mich besonnen, dass ich eigentlich schon immer gerne ein Buch hätte schreiben wollen, was allerdings als Journalistin nicht geht. Wenn du den ganzen Tag zuhörst, mitschreibst, Formulierungen im Kopf hast und dann Artikel schreibst, dann setzt du dich abends nicht noch mal hin und schreibst. Da bist du abends leer. In den USA habe ich mich an der New York Universität eingeschrieben und mich unter anderem im kreativen Schreiben weitergebildet und mir irgendwann gesagt: „So, und jetzt fängst du an.“ Das ging gleich ganz schief.

Wie das?

Ich habe gedacht, ich setze mich an den Computer und schreibe los, schreibe einen Liebesroman. Also habe ich angefangen, einfach angefangen. Nach einer halben Seite habe ich festgestellt: „So geht das nicht, meine Liebe.“ Weil ich ja als Redakteurin gelernt hatte, mich sehr, sehr kurz zu fassen. Ich durfte mir nichts ausdenken, ich konnte keine Dialoge schreiben, keine inneren Monologe. Und plötzlich stand ich vor der Frage: Wie geht das überhaupt? Wie schreibt man frei? Wie schreibe ich Emotionen nieder? Das ist für mich ganz schwierig gewesen. Oder – ein anderes Problem: Ich dachte, ich hätte überhaupt keine Phantasie, ich könne mir gar nichts ausdenken! Das ist natürlich im Laufe meines Lebens schon anders geworden. Aber in der ersten Zeit war das für mich ein großes Problem. Daraufhin habe ich mich besonnen, das zu schreiben, was ich am besten kann: über das Gericht. Über eine Gerichtsverhandlung, die mir auch nach Jahren noch durch den Kopf ging, weil ich insgeheim überzeugt war: In diesem einen bestimmten Mordfall war der Angeklagte nicht der Mörder. Es kann nicht gewesen sein. Der kann seine Ehefrau nicht im Beisein seines kleinen Kindes erschlagen haben, das macht der nicht. Das habe ich dann noch mal aufgearbeitet, und bin der Frage nachgegangen, was eigentlich passieren würde, wenn dieser Mann irgendwann aus dem Gefängnis entlassen wird. Wie geht er mit dem Misstrauen seiner Umwelt um, was empfindet sein Sohn? Das war dann mein erster Gerichtsroman – von mehreren unveröffentlichten übrigens. Den habe ich noch in den USA angefangen und hier in Deutschland zu Ende geschrieben und dann hoffnungsvoll an große Verlage geschickt. Eine Lektorin von einem sehr großen Verlag hat mir tatsächlich zurückgeschrieben, sie hätte das Manuskript an einem Wochenende durchgelesen, weil es so spannend war. Aber sie könnten es leider nicht veröffentlichen, weil es nicht marktgerecht sei, weil es in Deutschland bei den Buchhandlungen kein Regal gab für deutsche Gerichtsromane. Man muss dazu sagen, das ist ein paar Jahre her, ich weiß nicht, ob es heute anders ist. Aber ich hatte drei Jahre daran geschrieben! Und dann sagte sie: “Schreiben Sie doch einfach etwas Neues, schreiben Sie etwas Marktgerechtes!”

Schlummert der jetzt noch bei dir in der Schublade?

Ganz, ganz tief, und den werde ich auch nie mehr in meinem Leben herausholen, weil ich mich ja von Buch zu Buch weiterentwickle. Das Gerichtsding stammt also noch aus meinem – würde ich vom heutigen Stand sagen – „Kaulquappenstadium“. Nicht zu retten. Wahrscheinlich fliegt er beim nächsten Umzug weg.

Wie findest du deine Geschichten – oder finden sie dich?

Beides. Die Baden-Baden-Krimis konstruiere ich. Ich bin im Jahr 2000 nach Baden-Baden gezogen. Eines Abends, als ich im Herbst bei uns in der Nachbarschaft die Umgebung erkundet habe und es immer dunkler wurde, war für mich klar: das ist es! Ich schreibe die Baden-Baden-Krimis. Das ist marktgerecht, ich habe hier weltberühmte Schauplätze und kann jeden einzelnen mörderisch beleuchten. In meiner Nachbarschaft gibt es die romantische Wasserkunstanlage „Paradies“, damit habe ich angefangen. Der Titel war so herrlich zweideutig: Die Leiche im Paradies. Zweiter Krimi war Tod auf der Rennbahn, über die Pferderennen in Iffezheim, dann kam Mord im Grandhotel, das im Brenners Parkhotel spielt, und jetzt zum Schluss natürlich das Casino Baden-Baden. Die Geschichten konstruiere ich mit fester Hand. Da sage ich mir: Hier ist der Schauplatz. Wo könnte die Leiche liegen? Wer ist diese Leiche? Wer könnte einen Grund haben, sie zu hassen oder sogar umzubringen? Da wird nichts dem Zufall überlassen. Ganz anders ist das mit meinem Ausreißer, nennen wir ihn mal so, Das Rosenhaus am Merkur gewesen.

Da hat die Geschichte dich gefunden.

Richtig. Am Küchentisch. Ich koche sehr gerne für meine Freunde, und dann sitzen wir auch wirklich sehr lange, wir haben einen sehr gemütlichen Tisch in der Küche. Spät abends hat damals ein Freund sinniert: „Mensch, ich war immer so – (das genaue Wort kann ich natürlich jetzt nicht verraten in diesem Interview) – etwas Besonderes in der Familie, und ich habe mir immer ausgemalt, dass ich aus diesem einen bestimmten Grund so anders gewesen war.“ Sofort hatte mich diese Idee so gepackt, dass ich sie zum Kern der neuen Geschichte gemacht habe. Ich wusste plötzlich: Das möchte ich gerne schreiben. Ich habe sehr schnell festgestellt, dass diese Geschichte nicht als Krimi funktioniert (auch wenn es auch hier wieder einen ungeklärten Todesfall gibt), sondern nur als Familienroman. Zum gleichen Zeitpunkt – das hat sich ganz gut ergeben- hatte ich mir sowieso überlegt: Ich würde gerne mal das Genre wechseln. In den Baden-Baden-Krimis stecke ich ja immer in den Köpfen von drei Ermittlern und stelle meine Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln dar. Das ist ganz lustig, auch was die drei so alles erleben, aber ich bin nie richtig in der Tiefe. Ich wollte einmal eine Geschichte in nur einem Kopf durchschreiben und durchleiden und durchlachen und durchweinen.

Sitzen deine Protagonisten mit dir am Frühstückstisch?

Am Frühstückstisch? Nie. Nein. Nein. Da sitzt mein Ratgeber, mein Mann, dem erzähle ich, wie meine Nacht gelaufen ist und was mir alles eingefallen ist und wo es vielleicht haken könnte und manchmal findet er einen Ausweg, weil er ja weiter entfernt ist von der Geschichte. Oftmals habe ich damals beim Rosenhaus am Frühstückstisch gesagt: Ich kriege es nicht zu Ende geschrieben. Ich finde es nicht gut.“ Ich bin sehr selbstkritisch. Ja – es war mir sehr unheimlich. Und mein Mann hatte die erste Version – er liest immer nur die Rohfassung, leider, er weiß eigentlich gar nicht, wie schön das Buch nachher, nach all den stilistischen Überarbeitungsdurchgängen geworden ist. Also – damals hat er die Rohfassung gelesen und hat das Manuskript dann, glaube ich, drei oder vier Mal aus der Papiertonne wieder herausgeholt und gesagt: Das ist so gut, das schmeißt du nicht weg, da bleibst du dran. Aber abends, nach dem Tagespensum, da bringe ich meine Helden mit an den Tisch, das stimmt schon.

Wie viel von dir steckt in deinen Protagonisten?

Hm, in jeder Figur steckt etwas von mir. Ich bin die Frau Campenhausen, ich bin der Max. Am wenigsten bin ich eigentlich Lea oder in dem Rosenhaus-Fall Clara, das muss ich ganz ehrlich sagen. Gerade im Rosenhaus habe ich sehr viele eigene Erlebnisse verarbeitet. Natürlich erlebt man Dinge im Leben. Ich habe zum Beispiel – das Rosenhaus ist ihm ja auch gewidmet – einen ganz, ganz lieben alten Onkel gehabt, den Onkel Fritz, der ist 94 geworden. Ihn hab ich wirklich unglaublich geliebt. Ein sehr gütiger und gebildeter, nur körperlich gebrechlicher, aber ansonsten ein wunderbarer Mann, der in meinen Armen gestorben ist. Das sind Dinge, die ich in diesem Buch verarbeitet habe. Genauso wie den Tod meiner Tante. Kürzlich kam in einer Leserunde für das Rosenhaus die Frage auf, was denn das wohl für eine Krankheit gewesen sei, die Claras Mutter durchlitten hat? Dazu kann ich nichts sagen, denn hier habe ich die Wirklichkeit mitschreiben lassen. Genau so ist meine Tante gestorben, und die Ärzte haben bis zum Schluss nicht gewusst, was sie hatte. Ich wollte thematisieren, dass es das eben auch gibt: Dass man im Angesicht des rätselhaften Sterbens dasitzt und relativ schnell Entscheidungen treffen muss. Meine Tante lag drei Monate auf der Intensivstation. Sie trug mir auf, wem ich ihre Kleidung, welches Schmuckstück ich wem schenken sollte. Es war klar, dass sie abgeschlossen hatte, und ich habe dann irgendwann die Ärzte bitten müssen: „Jetzt quält sie doch nicht weiter.“ Aber das habe ich die Clara dann doch nicht bis ins letzte Detail durchleiden lassen.

Hast du einen bestimmten Schreibrhythmus, und was tust du, wenn es mal nicht so gut läuft?

Die ersten Baden-Baden-Krimis habe ich eher nachts geschrieben. Da bin ich um vier aufgewacht, habe die nächste Szene im Kopf gehabt, sie ließ mich nicht mehr einschlafen, und um fünf habe ich mich an den Computer gesetzt. Schreibblockaden, wenn du jetzt vielleicht darauf hinauswillst, habe ich nicht, weil ich ja mein ganzes Leben lang geschrieben habe. Ich konnte doch nicht nach einer Gerichtsverhandlung in die Redaktion spazieren und verkünden: „So, jetzt habe ich eine Schreibblockade, ihr kriegt für morgen nichts.“ Das geht nicht. Natürlich gibt es bei den Büchern – die sind sehr komplex – oft Momente, in denen es fürchterlich hakt. Ich bin gerade dabei, den fünften Baden-Baden-Krimi zu konstruieren und ich kam jetzt zwei, drei Wochen nicht weiter. Irgendetwas stimmte nicht, etwas hatte ich falsch gemacht in meinen Vorbereitungen, Ich habe dann mein altes Lehrbuch vorgeholt und festgestellt: Beim Lebenslauf und bei der charakterlichen Ausarbeitung des Mörders oder der Mörderin – das verrate ich jetzt nicht – war ich nicht gründlich genug gewesen, die Figur war nicht ausgereift genug.

Wie und wo schreibst du am liebsten? Brauchst du bestimmte Bedingungen zum Schreiben?

In meinem Dachstudio, weg von allem. Ich brauche absolute Ruhe. Und ich muss alles erledigt haben, was für den Tag zu erledigen ist. Das ist für mich sehr, sehr schwierig, da sage ich manchmal: Ich wäre manchmal lieber ein Mann, da hätte ich keinen Haushalt, keine Wäsche, Garten sowieso nicht, sondern könnte gleich morgens um acht mit einer Tasse Kaffee, die mein Schatz mir an den Schreibtisch bringt, anfangen zu schreiben. So ist das Leben aber nicht. Inzwischen habe ich mich damit arrangiert. Ich habe Haupt-Schreib-Stunden, in denen es besonders gut läuft. Viele Dinge muss ich mir vorab überlegen und konstruieren, außerdem das Geschriebene vom Vortag überarbeiten, das erledige ich in der Nicht-Schreib-Zeit. So gegen vier lege ich dann richtig los.

Also ab vier Uhr nachmittags.

Vier Uhr nachmittags, genau.

Und dann in die Nacht rein?

Nein, alles, was ich nach dem Abendessen schreibe, lässt mich nicht schlafen. Das habe ich mir abgewöhnt. Das geht nicht. Nach dem Abendessen ist Schluss.

Welche Phase eines Buches ist für dich die anstrengendste?

Das ist eine sehr gute Frage. Es ist am Anfang eine Phase, in der man nicht weiß – ich vergleiche mich oft mit einem Bildhauer – was aus diesem Stein, den ich da vor mir habe, wird … wie ich das wohl schaffe, eine Figur oder eine Aussage herauszumeißeln. Die anstrengendste Phase ist, das wird aber jeder Autor so sehen, wenn man ganz am Ende die Druckfahne zurückbekommt, weil man dann nicht sehr viel Zeit hat, drei, vier Tage vielleicht, um das ganze Buch noch einmal durchzulesen und weil man die absolute Endkontrolle hat. Alles, was danach noch an Fehlern drin ist, gehört einem selbst, und man kann nichts mehr auf einen anderen abwälzen. Da verzweifele ich oft. Ja.

Du hast jetzt gerade, wie du uns vorhin erzählt hast, das Genre gewechselt. Gibt es noch ein Genre, in dem du gerne schreiben möchtest?

Ich weiß jetzt nicht, ob das als eigenes Genre gilt. Wenn man Krimis noch mal unterteilen könnte, habe ich also erst Regionalkrimis verfasst, dann das Rosenhaus im Bereich Familienroman, und nun ist das nächste, was übrigens bereits fertig geschrieben ist, ein – ich nenne es Psychokrimi. Psychothriller wäre mir zu reißerisch, da wären die Erwartungen eventuell übertrieben hoch. Also ein Psychokrimi ohne Polizeiarbeit, etwas Gruseliges, das Menschen im Alltag passiert und ihnen so viel Angst macht, dass …. Mehr darf ich nicht verraten.

Aber zum Beispiel ein historischer Roman oder so?

Auf gar keinen Fall. Auf gar keinen Fall! Ich bewundere die Kolleginnen und Kollegen, die sich dieses Fach herausgesucht haben. Wenn man kein Historiker ist, wie macht man das? Ich bin da immer fassungslos. Das könnte ich nicht, und die Geduld hätte ich auch nicht, mich in diese ganzen Kleinigkeiten einzuarbeiten. Es kommt ja wirklich auf alles an: Hatte man in dem Jahr schon Tomaten angebaut, oder Kartoffeln auf dem Tisch? Nein, das könnte ich nicht. Absolut nicht. Hat mich auch nie gereizt, obwohl ich historische Bücher sehr, sehr gerne lese. Lieber als Krimis.

Du hast uns vorher erzählt, dass du drei Jahre in New York gelebt hast. Deine Romane haben bisher alle in Baden-Baden gespielt. Kannst du dir vorstellen, auch mal über einen anderen Schauplatz zu schreiben?

Die Frage habe ich mir am Anfang gestellt, aber ich habe mir dann gedacht: Irgendwo müssen ja meine Romane oder Krimis spielen. Ja, warum denn nicht in Baden-Baden? Es ist eine wunderschöne Stadt, die ich sehr liebe, die ich kenne, die es wert ist, immer wieder genannt zu werden, die viele Menschen kennen – warum soll ich jetzt in irgendeine fremde Stadt gehen oder mir vielleicht sogar eine ausdenken?

Aber dadurch bist du natürlich jetzt in die Regionalkrimi-Ecke gerutscht, sage ich mal. Ist das problematisch?

Am Anfang habe ich damit gehadert. Man kommt sich ja erst mal etwas piefig vor. Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich mehr Bücher verkaufe als manche Kolleginnen und Kollegen, die bei einem sehr großen Publikumsverlag ein Buch veröffentlichen, aber nicht entsprechend promoted werden, wo ihr Buch einfach eine Saison – zwar bundesweit – in den Buchhandlungen liegt, sie dann vielleicht tausend Exemplare verkauft haben, und das war’s, und dann werden sie verramscht, und werden irgendwann gar nicht mehr gefragt, ob sie noch ein weiteres Buch für diesen großen Verlag schreiben wollen. Oder sie müssen sich den inhaltlichen Vorgaben des Verlags beugen und sich regelrecht verbiegen. Das Regionale birgt hingegen unglaublich erfüllende Momente, weil ich in Baden-Baden zum Beispiel bekannt bin wie ein bunter Hund. Es macht einfach Spaß, hier Premierenlesungen zu haben und die Begeisterung der Leute zu spüren. Die sprechen mich auf der Straße an oder sie schreiben mir, wie viel Freude ich ihnen bereite. Das ist fantastisch. So klein ist mein Publikum gar nicht. Ich bin inzwischen sehr zufrieden damit. Außerdem gibt es Unterschiede: Ich schreibe einerseits die reinen Regionalkrimis, in denen Baden-Baden die „Hauptrolle“ spielt. Beim „Rosenhaus“ ist diese Rolle schon kleiner, und ich habe die Rückmeldung vom Verlag, dass es sich nicht nur in der Stadt sondern Baden-Württemberg-weit hervorragend verkauft. Damit ist die Schwelle der Regionalität überschritten. Bei meinem Psycho-Krimi, in dem natürlich auch wieder ein Handlungsstrang in Baden-Baden spielen wird, wird es noch mal einen weiteren Schritt in die breite Öffentlichkeit geben. Man kann gar nicht sagen, dass ein Buch, das in Baden-Baden spielt, „nur“ Regionalliteratur ist. Es hängt immer auch mit der Aussage und Tragweite des Themas zusammen.

Kannst du uns schon etwas über deinen Psycho-Krimi erzählen?

Darf ich nicht. Ich würde gerne, aber ich darf es nicht.

Und über den nächsten Baden-Baden-Krimi?

Ja, wie gesagt, der ist gerade im Entstehen. Es sind wieder meine drei Ermittler, das kann ich schon mal verraten (lacht). Ich habe jetzt noch überlegt, ob ich vielleicht wieder eine vierte Person hinzunehme. Im Roulette war es ein Mörder, jetzt beim fünften Baden-Baden-Krimi könnte ich vielleicht die russische Putzfrau von Marie Luise Campenhausen noch mit ins Boot nehmen, aber es hat sich jetzt herausgestellt, dass es zuviel wäre. Oh, ich muss gestehen, da hakt es gerade gewaltig.

Gibt es da schon eine Zeitschiene?

Nein, ich habe den Luxus, mir Zeit lassen zu können. Ich werde mich auf jeden Fall nicht kannibalisieren und zwei Bücher in einem Jahr auf den Markt bringen wollen.

Das heißt, wenn der Psycho-Krimi nächstes Jahr kommt, dann kommt das andere Buch erst übernächstes Jahr?

Ja.

Du hast vorhin gesagt, du liest gerne historische Romane. Hast du einen Lieblingsautor, und welches Genre liest du sonst noch gerne?

Also, ganz besonders begeistert hat mich Jonathan Frantzen mit den Korrekturen. Ansonsten kann ich nicht sagen, dass ich einen besonderen Lieblingsautor habe. Eine ganze Zeitlang war mein Lieblingsbuch Die Säulen der Erde von Ken Follett. Aber die Nachfolger haben mich dann nicht mehr so vom Hocker gerissen. Vielleicht sollte man das in einem Interview nicht sagen – aber manchmal denke ich mir, man sollte vielleicht von jedem Autor nur ein Buch lesen: Das beste. Aber welches ist das? Ansonsten muss ich sagen, dadurch, dass ich mich ja sehr mit dem Genre Kriminalroman beschäftige, habe ich leider die Unschuld des Lesens von Kriminalromanen verloren und lese sie sehr ungern.

Hast du literarische Vorbilder?

Nein. Nein. Möchte ich auch gar nicht, ich möchte einfach ich sein.

Welche Musik hörst du am liebsten?

Ganz schwere Frage. Ganz schwere Frage. Ich höre sehr gerne Klassik, die Traviata kann ich auswendig. Wie fast jedes Mädchen musste ich als Kind Klavier spielen, klassische Stücke natürlich. Mein berühmter Onkel Fritz hat mich oft in die Oper in Köln mitgenommen, das fand ich sehr schön. Ansonsten ist es wechselnd, Oldies, Phil Collins … Bei mir läuft kein Radio, kein CD-Player. Ich brauche einfach Stille. Ich bin nicht der Mensch, der immer Musik um sich haben muss.

Also du lässt dich dann auch nicht von Musik beim Schreiben inspirieren?

Nein, ich beneide die Kollegen, bei denen das funktioniert. Ich kann es gar nicht.

Möchtest du noch einmal in einer anderen Stadt als Baden-Baden leben?

Nein. Auf gar keinen Fall. Wir haben das lange geprüft, ich bin sehr oft umgezogen. Nein, auf gar keinen Fall. Baden-Baden ist in meinen Augen eine perfekte Umgebung für mich. Die Stadt ist klein, sie hat ein großes Kulturangebot. Ich kann alle meine Bedürfnisse erfüllen, das heißt, ich wandere sehr gerne, ich habe viele Freunde in der Stadt. Die Nahrungsbeschaffung ist relativ einfach und auf kurzen Wegen zu erledigen. Ja, da passt einfach alles. Und ich habe in der Stadt mein Publikum und meine Heimat gefunden.

Wie hoch ist dein aktueller SUB?

Okay… Ich komme selten an einer Buchhandlung vorbei, ohne ein Buch zu kaufen. Aber oftmals habe ich, bis ich endlich dazu komme, dieses Buch zu lesen, irgendwie keine Lust mehr, weil ich schon sehr viel darüber gehört oder gelesen habe. Zum Glück liest mein Mann sehr gerne, mehr als ich, insofern baut er oft meinen SUB ab. Wenn ich in der Schreibphase bin, dann lese ich nicht. Muss ich ganz ehrlich sagen. Es gibt ja viele Kollegen, die sagen: Man muss lesen, lesen, lesen, um schreiben, schreiben, schreiben zu können. Das ist bei mir ein bisschen anders.

Was ist das Beste daran, eine erfolgreiche Autorin zu sein, und was ist das Nervigste?

Das Beste daran sind die Leserreaktionen und natürlich meine Lesungen. Die liebe ich, in denen kann ich mein Buch mit Haut und Haaren vorstellen. Es ist so toll, wenn man dabei spürt, wie das Publikum mitgeht. Ja, wie soll ich sagen: Das ist mein Lohn. Mein Lohn für viele einsame Stunden der Selbstdisziplin und der Selbstüberwindung. Man hat ja nicht immer Lust, zu schreiben. Das Gehirn möchte eigentlich nicht arbeiten, es möchte lieber irgendetwas anderes tun, aber sich nicht hinsetzen und sich mit einem anstrengenden Stoff beschäftigen. Es ist auch, gerade in der Anfangsphase von Büchern, sehr anstrengend, einen Stoff im Kopf hin- und herzuwälzen und nichts zu verlieren. Das Nervigste ist, dass ich nie Feierabend habe. Dass ich diese Geschichte immer, immer mit mir herumtrage, und selbst wenn ich sie dann weggeschickt habe zum Lektorat – sie kommt ja wieder zurück zu mir, mehrmals. Bis es endlich in Druck geht, sitze ich schon am nächsten Projekt. So hört die Arbeit nie auf. Ich gönne mir keinen Urlaub, ich habe am „Feierabend“ ein schlechtes Gewissen. Ja. Das ist die Kehrseite des Berufs.

Ist es dann, weil du schreiben möchtest, also, weil es aus dir herausdrängt?

Ja. Absolut. Jeder Moment, in dem ich nicht schreibe, oder in irgendeiner Weise an einem Buchprojekt arbeite, fehlt mir dann. Jede Stunde, in der ich nicht schreibe, möchte ich wieder einholen. Das ist mir das Wichtigste, dass ich immer schreiben kann und immer die Möglichkeit dazu hätte. Da teile ich, glaube ich, mit vielen Kollegen eine tiefe Sehnsucht nach einer einsamen Almhütte. Aber das gilt nur für die ganz intensive Schreibphase des ersten Rohentwurfs. Das sind ungefähr drei Monate. Danach bin ich wieder normal.

Erzählst du uns noch eine Anekdote aus deinem Autorenleben?

Es war bei meiner Premierenlesung vom Baden-Badener Roulette. Da kamen 150 Leute, eine Riesenschlange stand im Anschluss zum Signieren an. Ein Ehepaar kam, schlug das Buch auf und bat, ich möge es „Für Herbert und Marianne“ signieren. Gesagt, getan. Nach einer halben Stunde standen die beiden wieder mit dem Buch vor mir und drucksten verlegen: „Herbert ist doch gar nicht mehr mit Marianne zusammen. Können Sie aus der Marianne eine Silvia machen?“

Und meine allerletzte Frage an dich: Welche Frage wolltest du schon immer mal gerne beantworten, aber es hat sie noch keiner gestellt?

Da fällt mir nichts ein. Es gibt auch nichts, was ich vermisst hätte in unserem Gespräch. Doch. Vielleicht kannst du mich fragen, ob ich glücklich bin. Dann sage ich Ja.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Interview!

Ich danke auch!

Im Anschluss an dieses Interview hat Rita Hampp übrigens ihr Projekt “Fünfter Baden-Baden-Krimi” vorerst auf Eis gelegt und widmet sich nun mit Feuereifer einer ganz neuen belletristischen Romanidee, die sie überfallen und nicht mehr losgelassen hat.

(Das Interview wurde geführt am 25. April 2012 in Olsberg.)

 

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Schon die Leseprobe dieses ungewöhnlichen Romanes hat mich in ihren Bann gezogen. In kurzen Abschnitten wechseln die zwei Erzählstränge, einer spielt im 14. Jahrhundert, einer in der Gegenwart, ab. Beide repräsentieren sehr schön die Handlungszeit, sowohl in den historischen Details als auch in der Dynamik der Sprache. Trotzdem sind beide Stränge eng miteinander verwoben, nicht zuletzt durch die handelnden Personen, die mit vielschichtig gezeichnet sind und in ihrer Entwicklung glaubhaft dargestellt werden. Besonders interessant fand ich die Darstellung des Engels und seine Wandlung zum Menschen. Vieles, was für uns selbstverständlich ist, entwickelt sich bei ihm erst langsam. Als Nebenfigur hatte ich von Anfang an Sofie ins Herz geschlossen. Aber nicht nur die Handlungszeit, auch das Genre bewegt sich auf mehreren Ebenen. Der historische Roman vermischt sich mit Krimielementen in der Gegenwart, dazu eine ordentliche Portion Mystik, herausgekommen ist ein vielschichtiger Roman, der mich mit seinen Protagonisten mitfiebern lies.
Besonders spannend war für mich, dass ich den Roman während eines Aufenthalts in Köln gelesen habe. So hatte ich die Möglichkeit, mir die kenntnisreich beschriebenen Örtlichkeiten sofort anzusehen, dem Glockenengel und der Hl. Barbara einen Besuch abzustatten, die mächtige Replik der Kreuzblume zu bewundern und den Geschehnissen im Roman nachzuspüren.

Elke Pistor, Das Portal, Emons Verlag, ISBN 3897058340, 235 Seiten

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