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Die Bajadere, 14.02.2014, Philharmonie Köln

[singlepic id=1782 w=320 h=240 float=left]Die Bajadere dürfte den meisten Kulturbegeisterten als Ballett begegnet sein, es gibt aber auch eine Operette von Emmerich Kálmán, die zwar nicht durch eine stringente Handlung besticht, dafür aber zauberhafte Melodien bereithält.
Der indische Prinz Radjami ist ein rechter Macho und sehr von sich überzeugt. Als er sich in die Sängerin Odette Darimonde verliebt, ist er davon überzeugt, diese alleine durch seinen Willen von sich zu überzeugen. Odette, die als Bajadere, eine indische Tempeltänzerin, in einem Pariser Theater auftritt, lässt sich als emanzipierte Frau aber nicht so leicht um den Finger wickeln und spielt dem Prinzen ihre Liebe nur vor, um ihn kurz vor der Hochzeit sitzen zu lassen. Nun ist der Prinz in argen Nöten, weil er eigentlich schon längst hätte heiraten sollen und ihm nun die Braut abhanden gekommen ist, die ihn eigentlich so ganz insgeheim ja auch liebt, aber halt erobert werden will. Nachdem sich das Paar 90 Vorstellungen lang angeschmachtet hat, sie auf der Bühne und er in der Loge, erbarmt sich der Theaterdirektor und schmuggelt den Prinzen in den dritten Akt, wo sich das Paar glücklich in die Arme fällt. Und wenn sie nicht gestorben sind usw usw.

Ein weiterer Strang ist der oberflächlichen Marietta gewidmet, die mit dem Schokoladenfabrikant La Tourette verheiratet ist. Der gefällt ihr aber nicht mehr, denn eigentlich steht si ja auf knackige Männer. Nach einigem Zieren lässt sie sich auf Napoleon St. Cloche ein, der gut aussieht und ihr anscheinend ein Leben in Luxus bieten kann. Ihr Exmann erholt sich von seiner anstrengenden Frau und erreicht binnen kürzester Zeit wieder Idealgewicht. Damit ist er für Marietta wieder attraktiv und St. Cloche wird sie gerne wieder los.
So weit, so schlecht das Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald. Regisseurin Sabine Müller hat daraus das Beste gemacht. Die Musik von Emmerich Kálmán reißt die eher flache Geschichte doch raus. Andererseits könnte ich mir diese Operette als opulente Ausstattungsrevue auch sehr gut szenisch vorstellen. Die Musik ist eine Mischung von ungarischem Feuer mit amerikanischem Jazz, garniert mit einem Tüpfelchen exotischen Flair. Die Melodien sind schwungvoll und mitreissend und haben Ohrwurmqualitäten. Zu den bekanntesten zählen sicher Fräulein, bitte woll’n Sie Shimmy tanzen (ironischerweise wird dazu aber gerade kein Shimmy getanzt) und Oh Bajadere, wenn Dein Bild mich berauscht.

Die Besetzung dieser konzertanten Aufführung war auf höchstem Niveau. Heike Susanne Daum sang die schwierige, weil sehr viel im Passaggio liegende und auch hohe Koloraturen erfordernde, Titelpartie mit enormem Ausdruck. Besonders ihr Auftrittslied, das sie von einer Empore sang, war beeindruckend. Die temperamentvolle Sängerin verlieh der Partie den nötigen Biss, um die Odette glaubwürdig darzustellen. Dabei verstand sie es aber auch, den Zuschauer mit weichen Tönen zu berühren.
Rainer Trost, der kurzfristig die Partie des Prinzen Radjami übernommen hatte, war ihr ein kongenialer Partner. Er meisterte die Partie scheinbar mühelos. Auch Anke Vondung als Marietta sowie Stephan Genz als St. Cloche und Miljenko Turk als La Tourette glänzten in ihren Rollen. Bei allen kam aber auch die Komik nicht zu kurz, so dass sich das Publikum knapp drei Stunden lang köstlich amüsierte. Richard Bonynge leitete das WDR Rundfunkorchester mit leichter Hand und auch der WDR Rundfunkchor Köln war glänzend einstudiert von Robert Blank.
Wer jetzt Lust bekommen hat auf die mitreißende Musik kann sich selbst ein Bild machen, denn ein Mitschnitt des Abends wird am 26.4.2014 um 20.05 Uhr auf WDR 4 gesendet.

Heike Susanne Daum Sopran (Odette Darimonde), Rainer Trost Tenor (Prinz Radjami von Lahore), Stephan Genz Bass (Napoleon St. Cloche), Miljenko Turk Bariton (Louis-Phillip La Tourette), Anke Vondung Alt (Marietta, seine Frau), Christian Sturm Tenor (Graf Armand/Oberst Parker), Ulrich Hielscher Erzähler, Gesang, Yvonne Kálmán Sprechrolle (Frau des Theaterdirektors), WDR Rundfunkchor Köln, Robert Blank Einstudierung, WDR Rundfunkorchester Köln, Richard Bonynge Dirigent, Sabine Müller Regie
Emmerich Kálmán Die Bajadere (1921)
Operette in drei Akten. Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald

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Wiederaufnahme Im weißen Rössl, 06.10.2013, Staatstheater Nürnberg

[singlepic id=1618 w=320 h=240 float=left]Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück der Tür – wer denkt da nicht an kitschige Operettenseligkeit mit Peter Alexander. Das es auch anders geht, zeigte das Staatstheater Nürnberg bei der Wiederaufnahme des Erfolgsstückes.

Leopold, Oberkellner im weißen Rössl, liebt seine Chefin, die Josepha Vogelhuber, aber die ist in einen Stammgast aus Berlin, einen Dr. Siedler, verschossen. Der wiederum verliebt sich auf den ersten Blick in Ottilie, die Tochter von Wilhelm Giesecke. Dieser grantelnde Berliner mag den Dr. Siedler ja gar nicht, vertritt er doch die Gegenseite in einem Patentstreit mit Papa Sülzheimer aus Sangershausen. Lange wähnt er seine Tochter auf eine Verlobung mit dem Sohn Sülzheimer zusteuernd, der aber ein Auge auf Klärchen, die Tochter des Privatgelehrten Hinzelmann geworfen hat. Um das Chaos komplett zu machen, steigt auch noch der Kaiser im Rössl ab, und er ist es, der Josepha den Schubs in die richtige Richtung gibt.

Die Bühne von Toto besteht aus zwei verschiedenen Elementen: ein sehr schön gerahmtes Gemälde vom Wolfgangsee, vor dem sich einige Szenen abspielen und dahinter ein Kubus, der vorne Wirtschaft und hinten Kuhstall ist, aber irgendwie sieht beides gleich aus. Und obendrauf wahlweise ein Berggipfel oder das ominöse Balkonzimmer. Dazu noch ein paar Fenster von oben, die je nach Bedarf nach unten gefahren werden können, fertig ist die Idylle am See. Dazu Kostüme, die durchaus als passend angesehen werden können, wenn man auf Tüllrüschen unterm Dirndl steht. Also beides weder zu realistisch noch zu entfremdet.

Thomas Enzingers Regie setzt auf viele kleine komische Elemente, ohne in den Klamauk abzurutschen. Da muss man schon genau hinsehen, um alles mitzubekommen. Wie die Postbotin die zweite Maß Bier auf ex trinkt zum Beispiel. Oder man dem wackligen Kaiser (sehr souverän Richard Kindley) vom Pferd helfen will und ihn dabei erst mal in Schieflage bringt. Überhaupt: das Pferd! Und die Kühe! Und die steppenden Schwimmer! Und überhaupt. Das sprüht geradezu vor guter Laune. Lediglich mit der Jodlerin und dem Hahn und ihrem überzogenen Gekreische konnte ich mich nicht anfreunden, aber das ist sicher eine Gewöhnungssache. Er lässt aber genauso die leisen Elemente zu, etwa wenn Josepha mit dem Kaiser spricht.

[singlepic id=1619 w=320 h=240 float=right]Das Staatstheater Nürnberg spielt eine Rekonstruktion der Originalfassung, die erst 2009 in Zagreb wieder aufgetaucht war. Da wechselt sich die Zither mit jazzigen Elementen ab, Slowfox, Walzer, Watschentanz beleben nicht nur die Bühne, sondern auch den Graben. Gábor Káli findet sich in diesem musikalischen Dschungel bestens zurecht und hält Orchester und Bühne immer schön in Einklang. Das ist bei dieser Revueoperette von Ralph Benatzky besonders wichtig, denn sie bezieht viel Komik aus dem exakten Timing. Der Chor zeigt sich spielfreudig und ist gut einstudiert von Tarmo Vaask.

Ein besonderer Coup gelungen ist dem Staatstheater bei der Verpflichtung von Volker Heißmann als Leopold. Der weit über die fränkischen Grenzen hinaus bekannte Kabarettist ist der Publikumsliebling dieser Vorstellung, kein Wunder, er singt nicht nur, sondern wirft auch noch immer wieder scheinbar mühelos tagesaktuelle Pointen in den Raum. Lediglich beim schönsten Liebeslied des Abends Es muss was wunderbares sein lässt er ein bisschen den Schmelz vermissen, den dieses Lied braucht, um authentisch zu sein. An seiner Seite spielt und singt Heike Susanne Daum die Josepha mit Bravour, sie zeigt die empfindliche Seite der resoluten Wirtin, dass es mich fast zu Tränen gerührt hat. Ein besonderes Highlight ist auch Uwe Schönbeck als Giesecke, der polternde Berliner hat das Herz auf dem rechten Fleck. Ein schönes Paar sind Martin Platz als Siedler und Isabel Blechschmidt als Ottilie, rührend schüchtern Monika Reinhard als Klärchen und passend galant-schlüpfrig Wolfgang Gratschmaier als Sigismund. Bis in die kleinste Nebenrolle wurde sehr genau auf den Typ geachtet und so zeigt sich ein homogenes Ganzes, das einen ganzen Abend voller Spaß verschafft. Am Ende verlässt man pfeifend oder summend das Opernhaus.

Musikalische Leitung Gábor Káli, Inszenierung Thomas Enzinger, Bühne und Kostüme Toto, Choreographie Markus Buehlmann, Chor Tarmo Vaask, Dramaturgie Sonja Westerbeck
Heike Susanne Daum (Josepha Vogelhuber, Wirtin zum “Weißen Rößl”), Volker Heißmann (Leopold Brandmeyer, Zahlkellner), Uwe Schönbeck (Wilhelm Giesecke, Fabrikant), Isabel Blechschmidt (Ottilie, seine Tochter), Martin Platz (Dr. Otto Siedler, Rechtsanwalt), Wolfgang Gratschmaier (Sigismund Sülzheimer), Richard Kindley (Kaiser Franz Joseph I), Erik Raskopf (Professor Dr. Hinzelmann), Monika Reinhard (Klärchen, seine Tochter), André Sultan-Sade (Piccolo Gustl), Stefanie Gröschel-Unterbäumer (Kathi), Andrea Jörg (Jodlerin), Tobias Link (Fremdenführer), Adolf Pivernetz (Bergführer)

Weitere Vorstellungen: Sonntag, 13.10.2013 19:00 Uhr • Samstag, 09.11.2013 19:30 Uhr • Montag, 11.11.2013 20:00 Uhr • Freitag, 06.12.2013 20:00 Uhr

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Premiere Die Csárdásfürstin, 12.01.2013, Theater Dortmund

[singlepic id=1445 w=240 h=320 float=left]Die Csárdásfürstin ist ein gern gespieltes Werk und Emmerich Kálmáns erfolgreichste Operette. An der Oper Dortmund hatte jetzt eine umjubelte Neuproduktion mit der fabelhaften Heike Susanne Daum in der Titelrolle Premiere.

Das Theater Dortmund ist in vieler Hinsicht ein ungewöhnliches Haus. Der typische Bau der Sechziger Jahre bietet fast 1200 Zuschauern Platz. Die Sessel mit stärker zurück geneigter Lehne als üblich sind gewöhnungsbedürftig, aber auf die Dauer doch erstaunlich bequem. Es war nur, sowohl im Foyer wie auch im Zuschauerraum, über weite Strecken viel zu kalt. Dass die Zuschauer dies gewöhnt sind, konnte man an den vielen Schals und Jacken erkennen, die auch im Zuschauerraum getragen wurden. Ebenfalls ungewöhnlich sind die Garderobenschränke wie im Freibad. Dieses System hat sicher auch Vorteile, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig für Stammbesucher ein vertrautes Gesicht an der Garderobe ist. Das Programmheft, eigentlich nur ein Flyer, ist sehr dürftig ausgefallen. Man findet weder die Biografien der Beteiligten noch eine über einen kurzen Artikel und die Inhaltsangabe hinausgehende Beschäftigung mit dem Werk.

Die Csárdásfürstin ist eine Operette über Standesunterschiede und die Überwindung derselben durch die wahrhaftige Liebe. Obwohl, hätte sich Edwin wirklich am Ende gegen seinen Vater gestellt, wenn der ihm die Heirat nicht doch noch erlaubt hätte? Der hatte Standesdünkel ohne Ende und knickt erst ein, als er erkennen muss, dass er selbst schon seit langem mit einer Varietéhure, wie er die Chansonette Sylva Varescu mal abfällig genannt hat, verheiratet ist. Sein Sohn Edwin liebt Sylva zwar, aber er ist schwach und kann das Heiratsversprechen nicht einlösen, dass er ihr gegeben hatte. Da müssen halt wieder die Frauen die Sache in die Hand nehmen und so erzwingt Anhilte, seine Mutter, die Einwilligung des Vaters zur Heirat. Dazwischen gibt es sehr schöne, weit über diese Operette hinaus bekannt gewordene, Melodien. Kálmán spannt den musikalischen Bogen von Budapest nach Wien, von Csárdás bis Walzer, ohne in Operettenseligkeit zu versinken. Vielmehr spiegelt sein Werk ebenso wie das Libretto von Leo Stein und Béla Jenbach die Entstehungszeit 1914/15 wieder.

Die Inszenierung von Ricarda Regina Ludigkeit nach einem Regiekonzept von Josef Ernst Köpplinger (eine Übernahme vom Staatstheater Nürnberg) greift diese Zeit auf, da marschieren am Ende die Soldaten in eine ungewisse Zukunft. Die Hinterbühne des Orpheums, der Salon der Lippert-Weilersheims, Edwins Eltern, selbst die Hotellobby, in dem der letzte Akt spielt, alles besteht aus den gleichen Mauern, von denen der Putz abblättert, mit mal mehr, mal weniger luxuriösem Interieur (Bühne Rainer Sinnell). Wenig Sinn habe ich in den Tanzeinlagen gesehen. Was sollten uns schwarz maskierte Edwin/Sylva-Doubles sagen? Ober Clowns, die die Sänger bewegen wie Puppen? Ohne diese hätte man den Fokus noch mehr auf die ganz ausgezeichneten Sängerdarsteller legen können und noch ein bisschen mehr Temperament rauskitzeln können. Die Kostüme von Marie-Luise Walek sind sehr schön und passend zur Zeit, vor allem die Kleider der Damen.

Musikalisch und szenisch blieben keine Wünsche offen. Hier hat man wirklich nur die besten verpflichtet. Heike Susanne Daum ist die Rolle der Sylva Varescu auf den Leib geschneidert. Mit ihrer ebenso temperamentvollen wie anrührenden Darstellung und mit makellosem Gesang feierte sie eine umjubelte Rückkehr an ihr früheres Stammhaus. Die Duette mit Edwin waren die Höhepunkte des Abends, denn in Peter Bording fand sich ein kongenialer Partner. Aber auch die anderen zwei Paare, Stasi und Boni und Edwins Eltern, waren echte Traumpaare. Tamara Weimerich und Philippe Clark Hall sowie Johanna Schoppa und Andreas Ksienzyk zeichneten tolle Rollenportraits, ebenso Hannes Brock als Feri Bácsi. Der Chor bestach durch Spielfreude und war von Granville Walker sehr gut einstudiert. Philipp Armbruster leitete die Dortmunder Philharmoniker mit genau der richtigen Mischung von Temperament und Zurückhaltung. Am Ende großer Jubel für alle Beteiligten.

Choreinstudierung: Granville Walker, Leopold Maria, Fürst von und zu Lipper-Weylersheim: Andreas Ksienzyk, Anhilte, seine Gemahlin: Johanna Schoppa, Edwin, beider Sohn: Peter Bording, Stasi, seine Cousine: Tamara Weimerich, Graf Boni Káncsiánu: Philippe Clark Hall, Sylva Varescu, Varieté Sängerin: Heike Susanne Daum, Feri von Kerekes, genant Feri Bácsi: Ks. Hannes Brock, Eugen von Rohnsdorff: Bastian Thurner, Musikalische Leitung: Philipp Armbruster, Inszenierung und Choreografie: Ricarda Regina Ludigkeit, Regiekonzeption: Josef Ernst Köpplinger, Bühne: Rainer Sinell, Kostüme: Marie-Luise Walek

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Falstaff, 27.05.2012, Gärtnerplatztheater (im Prinzregententheater)

[singlepic id=1316 w=320 h=240 float=left]Empfand ich den Falstaff nach der Premiere noch als zu trocken, so hat sich dies im Laufe von fünf Vorstellungen doch gewandelt. Mittlerweile ignoriere ich die Übertitel komplett und konzentriere mich auf das Bühnengeschehen. So fallen mir auch viele kleine Gesten auf, die dem Ganzen mehr Biss geben. Meiner Meinung nach hätte ein bisschen mehr Komik bei den Frauen dem Stück ganz gut getan, dass der Regisseur Ulrich Peters dieses Genre gut beherrscht, hat er ja mit Fra Diavolo, Boccaccio und der Fledermaus hinreichend bewiesen. So aber bleibt es dabei, dass ich Die lustigen Weiber von Windsor dem Falstaff vorziehen würde, was die Umsetzung des Stoffes von Shakespeare betrifft. Dazu kommt noch, dass mir einfach keine Melodien im Kopf bleiben. Bei Nicolais Oper habe ich mich schwer damit getan, sie wieder aus meinem Kopf zu verbannen, aber hier bleibt nichts. Ich kann zwar, sobald ein Stück anfängt, zum Beispiel die wunderbare Arie des Fenton, genau sagen, wie es weitergeht, aber schon auf dem Nachhauseweg habe ich die Melodie vergessen. Naja, vielleicht schaffe ich es noch bis zur letzten Vorstellung, mir wenigstens ein bisschen was zu merken.

[singlepic id=1320 w=240 h=320 float=right]In der Besetzung gab es zwei Änderungen gegenüber der Premiere: Heike Susanne Daum sang bereits zum zweiten Mal die Alice, sie singt zwar fabelhaft, ist mir aber ansonsten ein bisschen zu bieder. Wer weiß, wieviel Schwung sie dem Stück hätte geben können, wenn man sie nicht so offensichtlich ausgebremst hätte. Ella Tyran darf als Nannetta ihre ganze Natürlichkeit zeigen, ihr bezauberndes Lächeln und sie kann ihre wunderbare Stimme fließen lassen, so dass selbst die Spitzentöne klar und rein klingen.

Auch die restlichen Protagonisten überzeugten wieder voll und ganz: Franziska Rabl und Ann Katrin Naidu scheinen die Partien der Meg bzw. der Mrs Quickly (wo ist eigentlich Mr Quickly, wenn sie am Ende mit Falstaff anbandelt?) auf den Leib geschrieben zu sein. Hans Kittelmann, Martin Hausberg und Mario Podrečnik sind ein köstliches Terzett, wobei besonders letzterer mit burleskem Spiel heraussticht. Robert Sellier singt den Fenton einfach klasse, ein Wunder, dass Nannetta nicht ständig in Ohnmacht fällt, wenn er für sie singt. Gary Martin ist stimmlich und szenisch ein sehr überzeugender Ford. Die Wandlungsfähigkeit dieses Ausnahmetalents ist wirklich ganz erstaunlich, immerhin war seine letzte Premiere im März der Joseph Süß in der gleichnamigen Oper von Detlev Glanert. Es gibt sicher nicht sehr viele Sänger, die beide Partien in einer Spielzeit so ausgezeichnet gesungen haben. Der Star des Abends ist aber, wie jeden Abend, Gregor Dalal als Falstaff. Er meistert diese große Rolle wirklich bravourös und lässt sich nicht mal ein Handicap anmerken, wegen dem es am Vorabend eine Ansage gab. Tolle Leistung!

Der Chor spielt wie immer ganz hervorragend mit und das Orchester unter Lukas Beikircher zeigt sein ganzes Können. Eine sehr schöne Vorstellung! Leider kommt das Stück nur noch drei Mal in München, am 31.5. und am 2. und 4.6.

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Heute hier, morgen dort – Abschiedsgala, 22.04.2012 (20.00 Uhr), Gärtnerplatztheater

[singlepic id=1308 w=320 h=240 float=left]Selten hat ein Songtext auf eine Situation besser gepasst als dieser. Es war ja nicht nur ein Abschied von einem liebgewordenen Haus, sondern auch von vielen liebgewordenen Menschen. Meine Theaterleidenschaft begann im Mai 2007 und so konnte ich an diesem Abend viele Stücke noch mal Revue passieren lassen. In diesem Haus habe ich gelernt zu sehen, zu hören, zu fühlen und Gefühle zuzulassen. Ich bin sehr dankbar, dass ich so viel Neues kennenlernen durfte. Ich werde sicher noch viele Jahre davon profitieren.

Die musikalische Leitung dieses Galaabends hatten Lukas Beikircher, Andreas Kowalewitz, Jörn Hinnerk Andresen und Liviu Petcu inne. Die meisten Stücke wurden vom Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz begleitet, das damit mal wieder seine Vielseitigkeit und Ausdauer unter Beweis stellte. Die Choreografie des TTM stammte von Hans Henning Paar, der Chor wurde von Jörn Hinnerk Andresen einstudiert, die wahrlich nicht leichte Aufgabe der Programmkoordination hatte Gabriele Brousek zu bewältigen. Für die szenische Einrichtung und Spielleitung zeichnete Thomas Schramm verantwortlich, am Inspizientenpult saß Andreas Ehlers. Rolf Essers beleuchtete ganz ausgezeichnet und Dirk Buttgereit und Daniel Ployer betreuten den Ton hervorragend.

Der Abend begann mit einem Stück, mit dem ich auch meine erste aktive Erinnerung an das schönste Theater Münchens verbinde. Irgendwann in den Neunzigern hatte ich hier eine MY FAIR LADY gesehen und bis heute ist es eines meiner Lieblingsstücke. Marianne Larsen, die die Rolle der Eliza lange hervorragend verkörpert hat, trat im Kostüm ihrer anderen Glanzrolle auf: Mrs Lovett aus SWEENEY TODD. In diesen beiden Partien konnte sie ihr großartiges Musicaltalent voll ausspielen, wollte man mehr davon sehen, musste man ziemlich weit nach Osten fahren. Sie bot ihrer würdigen Rollennachfolgerin Milica Jovanovic dann auch Pasteten an, die erste war voll Alkohol (was da wohl drin war 😉 ), die letzte war marode und das war natürlich ganz klar das Gärtnerplatztheater. Unterstützt wurden die beiden von Sebastian Campione, Cornel Frey, Hans Kittelmann, Holger Ohlmann und dem Herrenchor.

Nach einem Prolog von Thomas Peters ging es weiter mit dem Überraschungserfolg DIE PIRATEN VON PENZANCE von Gilbert & Sullivan. Diese Stück hat bei mir das Interesse für die Musik des genialen Duos geweckt und seitdem beschäftige ich mich intensiv damit. Wenn das Kampfsignal ertönt schmetterten Thérèse Wincent, Frances Lucey, Ulrike Dostal, Martin Hausberg, der Chor und die Bobbies tanzten ein letztes Mal dazu. Als Schmankerl folgte dann noch das beliebteste Terzett im G&S-Kanon, Als Du uns schnöd verlassen hast, wie immer hinreißend vorgetragen von Rita Kapfhammer, Holger Ohlmann und Robert Sellier.

Sandra Moon sang Tschaikowsky, begleitet von Andreas Kowalewitz, und Neel Jansen und David Valencia zeigten Twin Shadow aus AUGENBLICK VERWEILE. Und weil so ein Dirigent auch wieder von der Bühne in den Graben muss, suchten in der kleinen Pause bis zum nächsten Stück drei fesche Herren im Bademantel die Sauna.

Das Warten hatte sich gelohnt, denn als nächstes stand Gary Martin mit To dream the impossible Dream aus DER MANN VON LA MANCHA an. Schade, dass ich das Stück nie live gesehen habe. Sebastian Campione brachte danach das Haus zum Kochen mit einer extralangen Version seiner Beatbox aus VIVA LA MAMMA. Im Anschluss unterlegte er dann auch noch den etwas abgewandelten Küchenrap aus der OMAMA IM APFELBAUM rhythmisch. Thérèse Wincent und Susanne Heyng zeigten nochmals, dass sie es drauf haben.

Der Chor sang danach Universal Good aus CANDIDE, noch ein Stück, bei dem ich mich ärgere, es nicht gesehen zu haben. Der nächste Programmpunkt, angekündigt durch Hans Henning Paar und Ursula Pscherer, hatte einige interessante Komponenten: konzipiert und einstudiert wurde das Stück von Artemis Sacantanis, ehemalige Solotänzerin und nun Probenleiterin am Haus. Ihr zur Seite standen ehemalige Tänzer des Gärtnerplatztheaters, die jetzt in anderen Berufen am Haus, zum Beispiel Orchesterwart, Probenleiterin oder Leiterin der Kinderstatisterie beschäftigt sind. Ihre Wandlung von „Auf der Bühne“ zu „Hinter der Bühne“ drückte sich sehr schön im Titel inVISIBLEs aus.

Thomas Peters, der am Haus in vielen, vielen Rollen glänzte (unter anderem Freddie in MY FAIR LADY, Dirigent in ORCHESTERPROBE, Toby in SWEENEY TODD und ganz besonders Frosch in der FLEDERMAUS) erinnerte nochmal an sein bezauberndes Stück SHOCKHEADED PETER mit dem Song Der fliegende Robert. Leider habe ich es nur einmal gesehen, anfangs war ich noch nicht ganz so süchtig, zuletzt war ich ja durchschnittlich an vier Abenden in der Woche im Gärtnerplatztheater. Ursache dafür war die Vielfalt und das interessante Programm des Hauses – und das wunderbare Ensemble.

Sehr bewegend war auch der persönliche Abschied von Gunter Sonneson mit Hier im Grandhotel. Ich bin sehr froh, diesen Ausnahmekünstler noch fünfmal als John Styx in ORPHEUS IN DER UNTERWELT erleben zu dürfen. Halt nur leider nicht in München, sondern in Heilbronn.

Im letzten Stück vor der Pause hatten die drei Herren endlich die Sauna gefunden. Das Schiff aus der L’ITALIANA IN ALGERI ist zwar schon vor ein paar Wochen gesunken, aber die beliebteste Szene hatte man offensichtlich retten können. Für Publikumsliebling Stefan Sevenich natürlich ein Heimspiel, für seine beiden Begleiter Cornel Frey und Juan Fernando Gutiérrez hätte ich mir jedoch einen etwas „würdigeren“ Abschied gewünscht.

Zu Beginn des zweiten Teiles erinnerten das Preludio und die Arie Tu del mio Carlo al seno, wunderbar vorgetragen von Elaine Ortiz Arandes, an die sehr gelungene Inszenierung von I MASNADIERI. Das Schlussbild von HÄNSEL UND GRETEL gibt zwar einen wunderbaren Auftritt des Kinderchores her, aber die Solisten Rita Kapfhammer, Ann-Katrin Naidu, Thérèse Wincent und Gary Martin standen etwas verloren herum. Ich kann nur hoffen, dass diese zauberhafte Produktion wiederaufgenommen wird und nicht zu Gunsten einer Eurotrashregie in der Versenkung verschwindet. Das Balkon-Duett aus ROMEO UND JULIA wurde von Hsin-I HUANG und Marc Cloot sehr ansprechend getanzt, wenn mal keine Blätter auf der Bühne rascheln oder unaufhörlich Schnee fällt, gefällt mir moderner Tanz sogar fast.

Der scheidende Staatsintendant Dr. Ulrich Peters hielt eine persönlich gehaltene Abschiedsrede und ich kann mich seinen Worten nur anschließen: das Ensemble in Zeiten der Heimatlosigkeit aufzulösen ist in meinen Augen ein schwerer Fehler. Damit und mit der anscheinend unvermeidlichen Ablösung des im Stadtbild mittlerweile fest verankerten Logos nimmt man der Institution zumindest einen Teil ihrer Identität.

Im Anschluss sangen Franziska Rabl und Ella Tyran mit Unterstützung des Chores die Barcarole aus HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN, auch ein Stück, dass schon länger zurück liegt und das ich nicht gesehen habe. Im FREISCHÜTZ war ich trotz der schrecklichen Inszenierung ziemlich oft, was für die Qualität der Sänger spricht. Christina Gerstberger und Sandra Moon sangen das Duett Ännchen-Agathe vom Beginn des zweiten Aktes. Das Duett Hans-Kezal gehört zu meinen Lieblingsstücken aus DIE VERKAUFTE BRAUT und es war schön, Derrick Ballard und Tilmann Unger damit noch einmal zu hören. Es folgte das Quintett aus der ZAUBERFLÖTE, gesungen von Sandra Moon, Ann-Katrin Naidu, Franziska Rabl, Daniel Fiolka und Robert Sellier. Danach kam noch ein Ausschnitt aus AUGENBLICK VERWEILE und da war ich dann doch ganz froh, dass ich es nicht gesehen habe, denn bei so schnell vorbeihuschenden Szenerien wird’s mir immer schlecht, ganz abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, was im Kreis laufen mit modernem Tanz zu tun hat.

Im Anschluss gabs noch das schöne Duett Marie-Wenzel aus DIE VERKAUFTE BRAUT, Stefanie Kunschke und Hans Kittelmann wären auch ein prächtiges Paar gewesen, wenn sie sich nicht jeweils anders entschieden hätten. Der Weibermarsch aus DIE LUSTIGE WITWE machte nochmal so richtig Laune. Daniel Fiolka, Sebastian Campione, Mario Podrečnik, Robert Sellier, Gunter Sonneson, Tilmann Unger und Martin Hausberg mussten sich mit der geballten Weiblichkeit des Theaters zu einer schönen Choreographie von Fiona Copley auseinandersetzen. Thomas Peters hatte noch einen allerletzten Auftritt als Frosch, seine Paraderolle, bevor mit Tutto nel mondo è burla (Alles ist Spaß auf Erden) aus FALSTAFF ein positiver Schlusspunkt gesetzt wurde. Heike Susanne Daum, Sandra Moon, Christina Gerstberger, Ella Tyran, Ann-Katrin Naidu, Franziska Rabl, Gregor Dalal, Martin Hausberg, Hans Kittelmann, Gary Martin, Mario Podrečnik, Robert Sellier und der Chor machten Lust auf die nächste Premiere am 18.05., dann im Prinzregententheater. Am Ende winkten Publikum und Ensemble sich gegenseitig mit weißen Taschentüchern zu und nicht nur bei mir flossen ein paar Tränen.

Mir bleibt nur Danke zu sagen. Danke an alle Beschäftigten des schönsten Theaters Münchens, die für mich die letzten fünf Jahre zu etwas ganz Besonderem gemacht haben. Ich werde die Erinnerung an diese Zeit immer in einer ganz speziellen Stelle meines Herzens bewahren. Danke für viel Heiterkeit und viele Tränen. Danke für emotionale, aufwühlende Stunden und für Lehrreiches.

Danke für so viel Schönes, liebes Gärtnerplatztheater.

 

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Die Fledermaus, 20.02.2012, Gärtnerplatztheater

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Die Fledermaus am Rosenmontag mit einem bestens aufgelegten Ensemble und ein ausverkauftes Gärtnerplatztheater – was braucht man mehr!

In der Inszenierung von (Noch-) Intendant Ulrich Peters tummelten sich die Ensemblemitglieder des Theaters. Heike Susanne Daum und Tilmann Unger standen als Ehepaar Eisenstein auf der Bühne. Tilmann Ungers Tenor passt sehr gut zum Eisenstein, und Heike Susanne Daum beeindruckte nicht nur schauspielerisch: sehr schön gelang den beiden das Uhrenduett. Mit ausdrucksstarker Stimme interpretierte Frau Daum die Rosalinde und bot auf dem Ball des Prinzen einen feurigen Csardas. In weiteren Rollen Ella Tyran als quicklebendige Adele und Ulrike Dostal als Ida. Torsten Frisch verlieh dem Dr. Falke seinen Bariton und Spielfreude. Mit schönem sattem Mezzo sang Franziska Rabl den Prinzen Orlowsky. Robert Sellier als Gesanglehrer Alfred und Hans Kittelmann in der Rolle des Advokaten Dr. Blind brachten die Figuren überzeugend auf die Bühne. Auch immer wieder schön: der Gefängnisdirektor Frank, von Dirk Lohr verkörpert. Mit Thomas Peters hat das Haus einen ausgezeichneten Gefängniswärter Frosch gefunden. Es kommen keine Längen, wenn er zu den alten Gags den Bezug auf die Politik und aktuelle Themen aufnimmt.  Einfach super!

Der Chor war wie gewohnt in dieser Produktion gut und hatte an diesem Tag besonders viel Spaß. Auch das Orchester war in Champagner-Laune: Dirigent Andreas Puhani entlockte dem Orchester mit leichter Hand schmissige Rhythmen, schnelle Tempi, und die Funken sprühten. Danke!

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Kurzinterview mit Heike Susanne Daum

[singlepic id=1130 w=240 h=320 float=left]Frau Daum, herzlichen Dank, dass Sie uns zur Wiederaufnahme von “Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” am Gärtnerplatztheater ein kurzes Interview geben. Wie sehen Sie die Jenny?

Jenny ist in die Prostitution hineingeboren, die Mutter war auch Prostituierte, das erzählt sie ja ganz am Anfang in ihrem “ach bedenken Sie, Herr Jack O’Brian” und sieht in dieser Profession überhaupt nichts Schlimmes. Die Jenny ist nicht die Intelligenteste, nicht die Liebevollste, sie ist ein Kind dieses Milieus. So sehe ich sie.

Und wie ist ihr Charakter?

Sie ist das, was man in ihr sehen möchte, wie bei der Lulu auch, ist sie eine Projektionsfläche für Männerwünsche. Und ich denke, für sie zählt nur noch das eigene Vergnügen. Sie säuft gerne und und verdient gerne Geld mit ihrem Körper, denn Geld zu haben ist ihr ein Vergnügen. Aber ich denke, sonst hat sie nicht viel Charakter.

Sie haben gerade schon die Männerwünsche angesprochen. Jim Mahoney fragt sie nach ihren Wünschen, und Jenny antwortet: “Dafür ist es noch zu früh”. Hätte das die große Liebe werden können zwischen Jim und Jenny?

Das hätte Jenny nie zugelassen, weil sie in Männern immer nur Kunden sieht und nie eine verwandte Seele oder einen Menschen. Jenny trennt zwischen Männern, die sind Kunden, und Privatem, was sie wahrscheinlich gar nicht hat, höchstens ihre Mädchen.

Deswegen wäre es Jim auch nie gelungen, sie zu überreden, ihm zu helfen?

Nein. Einer der sie kauft, der sagt, “vielleicht nehme ich sie” – das würde für sie nie in Frage kommen, dass da ihr Herz mitspielt.

Aber Jim war verliebt in Jenny, oder?

Weil ihm sonstige Wärme gefehlt hat und Männer ja oft genug Sex mit Wärme, ja mit Liebe verwechseln.

Aber sie sagt ihm, dass sie ihn vermissen wird.

Nein, sagt sie nicht. Sie sagt nur: ja, ich bin Deine Witwe und nie werde ich Dich vergessen, wenn ich jetzt zurückkehre zu den Mädchen. Sie sagt nicht, dass sie ihn vermissen wird. Nichts davon, gar nichts.

Gegen Ende gibt es einen Song, “Where is the telephone?”, der den Eindruck macht, als ob er nicht ganz dazugehören würde. Wie kommt das?

Das ist der Benares-Song. Unsere Mahagonny-Fassung ist relativ zusammengestrichen worden. Es fehlt ja auch “Gott kam nach Mahagonny”, aber dieser Benares-Song ist ein Ausdruck für die Hilflosigkeit, die die Jenny dann im Endeffekt doch noch befällt angesichts dessen, dass Jim in der herrschenden Gesellschaftsordnung zum Tode verurteilt ist. Ich denke nicht, dass sie so um ihn trauert und deshalb letztendlich die Gedanken umkippen und dann in dieses etwas traurige Lied einfließen. “There is no money in this land, there is no boy to shake with hands”, und dieses “where is the telephone” ist wahrscheinlich der Hilfeschrei, wo ist die bessere Welt, wo ist der, der mir hilft, wo sind die Menschen, die bereit sind, mir zu helfen. Das Telefon als Kommunikationsmittel nach außen. Und diese bessere Welt, Benares, gibt es auch nicht mehr – ein Erdbeben hat es zerstört! Es ist, wie es ist –keine Hoffnung in Sicht. So sehe ich es, und vielleicht ist das völlig falsch gedacht. Und Jenny denkt eigentlich auch gar nicht so sehr an Jim, sondern sie sieht sich und die ganze Gesellschaft in der Geschichte und am Ende steht auch sie auf und sagt: können uns und Euch und niemand helfen.

Können Sie sich mit der Inszenierung identifizieren?

Ja, absolut. Der Regisseur Thomas Schulte-Michels hat uns jegliche Freiheit gelassen, die Figuren passend zu dem, was wir für die Figuren empfinden und wie wir sie körperlich ausdrücken können, zu spielen. Die Alternativbesetzung für die Jenny, Elaine Ortiz Arandes, spielt vollkommen anders, sieht sie auch vollkommen anders, das war für den Regisseur genauso gut und genauso richtig, solange es so empfunden wurde. Und weil ich es halt so spielen darf, wie ich es sehe, wie ich die Jenny für mich zurechtgelegt habe, kann ich mich absolut damit identifizieren. Jetzt bin ich natürlich keine Prostituierte und ich sehe die Welt auch nicht so wie sie, aber ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie sich ein Mensch fühlt, der nie etwas anderes war als Ware.

Sie waren letztes Jahr auf Gastspiel mit Mahagonny in Istanbul. Wie hat das türkische Publikum reagiert auf ihre doch recht freizügige Art und Kleidung?

Ich habe gedacht, dass ich vielleicht Buhs bekommen könnte oder dass die Frauen mich böse anschauen würden. Es war genau anders herum. Sie konnten absolut zwischen der Künstlerin Heike Susanne Daum und der Rolle, die ich verkörpere, unterscheiden. Ich habe in keinster Weise irgendwelche Anfeindungen gespürt oder habe mich schämen müssen für wie freizügig ich da sitze, breitbeinig, jeder kann den Slip sehen. Da dachte ich schon, oje, das könnte vielleicht schwierig werden, war es aber in keinster Weise. Das Publikum war sehr, sehr offen und hat, fand ich, auch noch etwas mehr mitgelebt in dem Stück, weil sie den Text mitgelesen haben. Bei uns in München gibt es ja keine Übertitel, und wenn dann mehrere gleichzeitig singen, versteht man auch nicht immer unbedingt den Text. Das türkische Publikum konnte richtig mitlesen und hat dann auch an vielen Stellen reagiert, wo unser Publikum am Gärtnerplatz nicht reagiert, also für uns hörbar und spürbar reagiert. Ich fand es ganz großartig, wie das Publikum in Istanbul Mahagonny aufgenommen hat. Und sie haben ja auch in der Kritik geschrieben, ein sehr, sehr aktuelles Stück. Das größte Verbrechen auf dieser Welt ist, kein Geld zu haben. Dann ist man nichts und niemand mehr.

Herzlichen Dank und Toi Toi Toi für die Wiederaufnahme!

Herzlichen Dank, ich freu mich schon drauf!

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Der geduldige Sokrates, 21.10.2011, Gärtnerplatztheater

Dieser Abend bestärkte mich mal wieder in meiner Auffassung, dass ein Wochentagsabo nichts für mich ist. Wenn ich mir vorstelle, dass ich jede Vorstellung mit den Menschen, die gestern Abend um ich herumsassen, verbringen müsste, hätte ich vermutlich schnell die Lust am Theater verloren. Ich konnte gar nicht so viele böse Blicke in alle Richtungen verteilen, wie sich in normaler Lautstärke unterhalten wurde. Und wenn es dann doch mal einigermaßen erträglich war, hörte man das Schnarchen des Herren hinter mir. Und am Ende dann dieses wirklich absolut unmögliche, despektierliche Hinausrennen, sobald sich der Vorhang geschlossen hat. Die Herrschaften, durch die Bank älteren Semesters,  waren alle mit dem Auto angereist, die Ausrede der unbedingt noch zu erwischenden Bahn zog also nicht. Sicher ist die Oper lang, aber wenn man sich nicht mal die Zeit nehmen will, den Akteuren des Abends den wohlverdienten Applaus zu spenden, sollte man besser zu Hause bleiben und seine Chips vor dem Fernseher in sich reinstopfen.

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Jetzt hab ich mir Luft verschafft, es wird Zeit, zum Wesentlichen zu kommen: Barockmusik kann Spaß machen! Ich hab ja insgesamt fünf Vorstellungen dieser hervorragend gemachten Inszenierung von Axel Köhler gesehen und ich kann mich nicht erinnern, in einer der anderen so viel geschmunzelt zu haben. Besonders die Szene, in der dem geduldigen Sokrates dann doch mal der Geduldsfaden reißt, war köstlich. Stefan Sevenich konnte hier sein komödiantisches Talent voll ausspielen. Und so ganz nebenbei sang er noch prächtig. Leider, leider wechselt er zur nächsten Spielzeit an die Komische Oper Berlin. Gut für Berlin, schlecht für München.

Vier ausgezeichnete Soprane braucht man für diese Beziehungskomödie und das schönste Theater Münchens kann sie mal eben aus dem Ensemble besetzen. Und dann auch noch doppelt. Das muss man erst mal nachmachen können. Heike Susanne Daum und Elaine Ortiz Arandes als die streitbaren Ehefrauen des geplagten Philosophen ebenso wie Ella Tyran und Christina Gerstberger als die leidenden und leidenschaftlichen Prinzessinnen bewiesen eindrucksvoll, dass die Qualität der Sänger an diesem Haus enorm hoch ist. Robert Sellier als Melitto und Gregor Dalal komplettierten den Reigen der sehr guten Sänger. Ebenfalls für das Haus spricht, dass die Partien der Schüler des Sokrates mit Chorsolisten besetzt werden können, mit Ausnahme des Pitho, gesungen vom dem jungen Talent Mauro Peter. Diesen Namen sollte man sich merken. Der Chor machte seine Sache wie immer sehr gut und dass mir eine Balletteinlage an diesem Haus mal uneingeschränkt gefallen würde, hätte ich vor fünf Monaten noch nicht gedacht. Denys Mogylyov als Adonis schafft das schier Unmögliche 😉

Ein sehr schöner Abend, leider war das mein letzter Sokrates, die Dernière am 29.10.2011, für die noch Karten vorhanden sind, verpasse ich leider. Wer das Stück noch nicht gesehen hat, sollte sich diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen.

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Die Piraten von Penzance, 23.07.2011, Gärtnerplatztheater

Wenn ich richtig mitgezählt habe, war das die 25. Vorstellung dieser Inszenierung, die ich besucht habe. Und ich habe keine Minute bereut.

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Das auffälligste an dem Gesamtkunstwerk “Die Piraten von Penzance” ist die unglaublich positive Energie, die davon ausgegangen ist. Ob es nun an den Melodien, dem Ensemble, der Regie, der Bühne, den Kostümen, dem Licht lag? Vermutlich an allem zusammen. Das schönste Theater Münchens bot aber auch ideale Bedingungen für eine gelungene Inszenierung: gute Sänger, das waren an diesem Abend Stefan Sevenich, der dem Piratenkönig noch ein Hauch mehr komische Durchschlagskraft verlieh als sonst, Heike Susanne Daum, die die Mabel resolut spielte und fein sang und Robert Sellier, dessen Frederic einfach unglaublich schön gesungen und unglaublich komisch gespielt war. Den drein ein nichts nach standen Sebastian Campione als Samuel, Gunter Sonneson als Generalmajor,  Martin Hausberg als Sergeant und Frances Lucey, Carolin Neukamm und Ulrike Dostal als die Leading Ladies der Töchterschar, nur Susanne Heyng war mir persönlich etwas zu sehr zurückhaltend.

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Ihnen allen ist eines gemein: ein unglaublich komisches Talent, dass auch der wunderbare, zwitschernde Damenchor und der Piraten und Bobbies hervorragend repräsentierende Herrenchor besitzt. Ohne dieses Talent, ohne die wirklich gute Übersetzung und ohne ein Orchester, das den feinen, britisch-ironischen Ton von Arthur Sullivan so gut trifft, wäre das Stück sicher nicht so ein Erfolg geworden.

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Ich bin sehr gespannt, ob die Neuinszenierung von “Der Mikado” in der nächsten Spielzeit wieder diese Leichtigkeit, diesen Witz und diese ironische Überzeichnung schafft, die das Münchner Publikum so ins Herz geschlossen hat. Das wäre ja dann zumindest ein Trostpflaster. So bleibt mir nur zu sagen: ByeBye Piraten, Bobbies, Mädchen, Generalmajor und Ruth (sind die beiden nicht ein allerliebstes Paar?), Sergeant und Edith, Samuel und Kate, Frederic und Mabel, Piratenkönig! Ich hab Euch in mein Herz geschlossen.

 

alle Bilder © Lioba Schöneck

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Interview mit Heike Susanne Daum

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Liebe Frau Daum, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben zu einem Interview.
Gerne!

Können Sie uns ein bisschen was zu Ihrem Werdegang erzählen?
Ich habe Abitur gemacht. Danach bin ich an die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart gegangen. Da habe ich sieben Jahre studiert, zuerst Diplom-Studiengang Musikpädagogin, und dann noch das Aufbaustudium für Konzert- und Opernsängerin. Danach wurde ich zum Glück gleich nach Pforzheim engagiert. Das war mein erstes Engagement, am Stadttheater dort war ich vier Jahre, dann war ich fünf Jahre in Dortmund am Stadttheater, und jetzt ist meine vierte Spielzeit am Gärtnerplatz.

Wie kamen Sie zum Singen?
Ich habe schon immer gerne gesungen. Mit fünf habe ich schon gesagt, entweder werde ich Sängerin, Schauspielerin oder Hausfrau: Jetzt bin ich alles drei, alles zu seiner Zeit. Es war eigentlich immer schon ein großer Wunsch, und meine Eltern haben dem nichts in den Weg gestellt.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Dschinghis Khan. Nena. Udo Lindenberg. Supertramp. Heavy Metal viel. Wenig Klassik. Selbst Musik habe ich im Musikverein gemacht mit Klarinette und Bariton-Horn. Ich habe auch mit meiner Schwester zusammen im Duo gesungen, so Oberkrainer-Zeugs. Ja, ich bin eigentlich eher mit der Volksmusik aufgewachsen. Durch meine Gesangslehrerin an der Jugendmusikschule Bruchsal bin ich dann langsam an die Klassik herangeführt worden – Barock, Moderne, das habe ich dann alles kennen und lieben gelernt

Machen Sie heute noch andere Musik außer Klassik?
Ja. Chanson und Jazz.

Aber nicht mehr Volksmusik.
Nein, Volksmusik nicht mehr. Könnte ich aber auch noch machen, wenn es gewünscht wird.

Haben Sie das absolute Gehör?
Nein, habe ich nicht.

Was ist das eigentlich, das absolute Gehör?
Man hat ganz genau den Kammerton a – 440 Hertz – den hat man im Ohr, und man kann alles, was man in Notenschrift geschrieben sieht, sofort in der richtigen Tonhöhe umsetzen. Das kann ich nicht. Wenn ich eingesungen bin, spüre ich, wo ein c3 oder c2 liegt. Da liege ich allerhöchstens mal einen Halbton zu hoch oder zu tief. Aber das absolute Gehör habe ich nicht. Das kann man scheinbar trainieren, oder man wird damit geboren. Aber ich habe es weder trainiert, noch wurde ich damit geboren. Ist aber auch kein Problem. Braucht man nicht.

Sie haben vorhin schon gesagt, Sie spielen Bariton-Horn und Klavier …
Bariton-Horn, Klarinette. Klavier kam dann später dazu, für die Aufnahmeprüfung für Stuttgart. Oder überhaupt, für die Aufnahmeprüfung Gesang muss man ja auch Klavier vorspielen. Das sind die drei Instrumente. Klarinette bin ich, denke ich, nicht mehr so gut, Klavier konnte ich nie so wahnsinnig toll spielen, macht mir aber Spass. Das Baritonhorn habe ich ganz aufgegeben. Das habe ich nur bei den Oberkrainern gespielt.

Welche Sprachen sprechen Sie? Und in welchen Sprachen singen Sie?
Ich spreche Badisch, in erster Linie. Dann natürlich auch Hochdeutsch, wenn es gewünscht ist. Dann Englisch, Französisch, und das war es auch schon. Aber ich verstehe gut Italienisch, ich kann es auch sehr gut lesen. Ich kann auch sehr gut Spanisch lesen, oder auch Türkisch lesen, habe aber beim Türkischen keine Ahnung, was es bedeutet. Italienisch und Spanisch erschließt sich mir, weil ich Latein hatte in der Schule bis zum Abitur. Ich singe hauptsächlich auf Deutsch hier am Gärtnerplatz. Auch Italienisch und Französisch habe ich schon gesungen, aber noch keine slawische Sprache. Ich habe auch schon spanische Lieder gesungen und türkische Lieder, alles mögliche schon.

Apropos Türkisch: Freuen Sie sich auf das Gastspiel des Gärtnerplatztheaters in Istanbul?
Da freue ich mich sehr darauf. Es wird bestimmt sehr anstrengend. Ich habe jetzt schon den Probenplan gesehen. Wir werden wahrscheinlich den ganzen Tag oben auf der Festung verbringen. Da muss man sehen, dass man sich mit genügend Wasser eindeckt und dass einem die Sonne nicht einen Strich durch die Stimm-Rechnung zieht.

Haben Sie Vorbilder, musikalisch oder auch szenisch?
Ich bin ein absoluter Callas-Fan, denn die Intensität, mit der sie gesungen hat, hat mich immer berührt. Wenn ich sie höre, fange ich an zu weinen, egal, was sie singt. Das ist eigentlich mein Vorbild, was das angeht. Sie war auch sehr intelligent. Sie war unglaublich schnell beim Partien-Lernen. Ich mochte ihren ganz eigenen Stimmklang. Manche finden ihn hässlich, aber in solchen Kategorien denke ich nicht. Für mich ist wichtig, dass eine Emotion transportiert wird, und das hat sie großartig gemacht. Und das möchte ich auch. Ich möchte auch die Emotion ausdrücken. Wenn ich eine hässliche Aussage habe, möchte ich auch, dass die Stimme nicht immer nur schön und weich klingt, dann darf sie ruhig einmal hart und hässlich sein. Wenn ich eine schöne Aussage habe, oder eine liebevolle, dann soll die Stimme liebevoll und schön klingen. Das ist so mein Ding.

Und szenisch? Sie haben auch Schauspielunterricht gehabt, oder?
Sehr wenig an der Hochschule. Da hatten wir nur zwei Semester so ein bisserl Bewegungstraining. Aber als Frau ist man sowieso die geborene Schauspielerin. Ich habe schon immer gerne geschauspielert. Das muss man ja im täglichen Leben. Jeder von uns muss das ja immer. Und ich habe keine Hemmungen. Ich denke, das ist das größte Hindernis für manche – dass sie Hemmungen haben, ihre Emotionen auch körperlich darzustellen – und da habe ich absolut keine, insofern bin ich ein Naturtalent (lacht).

Hatten Sie schon internationale Auftritte?
Ja. In Montpellier, in Frankreich, habe ich gesungen, in der Schweiz habe ich gesungen, und in Holland, in Amsterdam, habe ich auch schon gesungen. Das sind so meine kleinen internationalen Sachen.

Und jetzt kommt ja noch Istanbul dazu.
Ja, noch die Türkei.

Würden Sie sagen, Sie haben eine 38-Stunden-Woche?
Das kommt darauf an. Manchmal ist es viel mehr, vor allem, weil man nicht abschalten kann. Dann liege ich im Bett, und drei Stunden lang geht dann die neue Partie im Kopf herum. Denn es hört ja nicht damit auf, dass man aus dem Theater rausgeht und so. Man muss ja auch zu Hause üben, lernen, immer wieder in die Noten gucken. Die neuen Partien studieren, die alten wieder aufwärmen. Es kann sein, dass ich mal nur eine 20-Stunden-Woche habe, von meinem Gefühl her, es kann aber auch sein, dass ich mal eine 70-Stunden-Woche habe. Es hängt davon ab, wieviel gerade zu tun ist.

Gibt es Komplikationen, die sich aus dem besonderen Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben?
Schwierig ist es halt teilweise mit Familie. Mein Lebensgefährte wohnt in Dortmund und hat da seinen festen Job. Ich weiß ja nicht, wo ich landen werde, oder wo man überhaupt landet als Sänger, mit diesen ständig befristeten Verträgen, beziehungsweise Nicht-Verlängerungen, die auf einen zukommen oder auch nicht, so dass das sehr schwierig ist, dann eine Beziehung gut zu leben. Und sonst eigentlich beschneide ich mich nicht. Ich kann natürlich nicht mittags in der Sonne liegen oder mich an den See legen, wenn ich abends Vorstellung habe. Dann ist die Stimme ausgetrocknet, dann kommt da nichts. Dann muss ich halt in der Wohnung bleiben. Keinen Rotwein trinken, den ich ohnehin nicht mag, denn davon werde ich heiser, darauf kann ich gut verzichten. Und ich kann vor einer Vorstellung auch nichts essen. Mit vollem Magen geht bei mir nichts. Aber dafür dann danach um so mehr.

Wenn wir gerade bei der Stimme sind: Braucht Ihre Stimme ihren Schlaf? Und was verträgt Ihre Stimme überhaupt nicht? Rotwein haben Sie schon gesagt.
Nur Rotwein und vor allem hohe Ozon-Werte. Also, am Meer geht es, mit der Meeresluft habe ich noch nie Probleme gehabt. Aber wenn die Ozonwerte hoch sind und ich mich bewege in der Zeit, dann kann es sein, dass ich heiser werde und dann eine Allergietablette nehmen muss – Cetrizin wirkt da ganz gut, habe ich schon festgestellt. Es ist wirklich einmal passiert, bei einer Freilichtaufführung, dass ich plötzlich keine Stimme mehr hatte. Das war sehr unangenehm. Und ansonsten – Schlaf brauche ich schon. Beziehungsweise, ich muss einfach schon eine Zeitlang wach sein. Ich kann auch mal nur vier Stunden schlafen. Wenn ich dann aber nach den vier Stunden Schlaf drei oder vier Stunden zum Aufwärmen habe, dann läuft die Stimme genauso, wie wenn ich zwölf Stunden geschlafen habe. Aber natürlich ist es mir angenehmer, ich muss nicht allzu früh aufstehen, wenn ich abends Vorstellung habe. Weil dann der ganze Körper ausgeruhter ist, die Muskeln. Die Stimme auch, die ganze Muskulatur am ganzen Körper ist miteinander verbunden. Und da sollte man eigentlich einfach schon wach und fit sein. Da hat jeder seinen eigenen Rhythmus.

Verändert sich Ihre Stimme, wenn Sie im Urlaub sind?
Im Urlaub singe ich so gut wie gar nicht. Da denke ich nicht nach über die Singerei. Da singe ich vor mich hin, zum Spass, aber da achte ich nicht darauf: Wie klingt die Stimme heute, und habe ich heute ein hohes e oder habe ich es nicht? Das interessiert mich da weniger. Aber danach ist sie immer schön ausgeruht. Da ist sie immer ganz frisch, wenn ich dann wieder nach der Spielpause antrete. Das ist das Schöne.

Was tun Sie für Ihre Kondition?
Viel singen. Also, jeden Tag eigentlich auch immer wieder schön die Stimme „belasten“, also richtig, wie wenn ich vor Publikum stünde. Ansonsten Fahrrad fahren und viel zu Fuß gehen. Und das reicht eigentlich aus. Ich bin kein sportlicher Mensch, ich brauche das nicht so.

Aber so eine Opern-Aufführung oder Operetten-Aufführung – gerade Operette, wo man ja auch tanzen muss, das ist doch ziemlich anstrengend.
Ja, das ist es, aber es macht wahnsinnig viel Spaß. Ich bewege mich ja gerne. Ich bin zwar ein Sportmuffel, das heißt, Fitness-Studio kommt für mich überhaupt nicht in Frage, aber ich bewege mich gerne. Auf der Bühne hat man einen höheren Muskeltonus, durch die Aufregung auch, die man verspürt. Durch das Adrenalin, das einem durch die Adern schießt. Dadurch, dass der Muskeltonus höher ist, spürt man diese Anstrengung gar nicht so stark. Erst hinterher. Meistens am nächsten Tag dann.

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Dann kommen wir zu Ihrer nächsten Premiere: „Der geduldige Sokrates“.
Von Georg Philipp Telemann.

Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Ich habe den Klavierauszug relativ früh bekommen, zum Glück, schon Ende Dezember. Immer wenn ich Zeit hatte, habe ich mich hingesetzt, habe ich mir die ziemlich schwierigen Harmonien der Rezitative herausgeschrieben, damit ich mich am Klavier damit schnell begleiten kann und habe damit halt immer geübt, hauptsächlich ohne jetzt laut zu singen, sondern erst mal nur die Noten angesehen und die Texte natürlich.Ich übe nicht auf Lalala und dann kommt der Text dazu, sondern immer gleichzeitig mit Text. Dann lege ich das Buch weg und versuche, das zu memorieren, ohne Klavier, ohne Buch. So habe ich mich darauf vorbereitet. Ich habe bis heute keine Aufnahme. Ich mache ohnehin gerne mein eigenes Ding. Und dann habe ich halt ein paar Repetitionen gehabt, wie das immer so ist am Theater. Ein Pianist spielt für dich, und dann versucht man, das alles zusammenzusetzen.

Haben Sie sich auch mit der Geschichte an sich beschäftigt?
Also, die Xanthippe, die ist ja geschichtlich verbürgt, das ist meine Rolle im Sokrates. Eine zweite Ehefrau, Amitta, hat er wohl nie gehabt. Es gab zu der Zeit keine Bigamie, es war eine monogame Gesellschaft, zu Sokrates’ Zeiten. Warum ihm die Amitta angedichtet wird, weiss man nicht, aber historisch verbürgt ist sie nicht. Und er war wohl auch ein sehr obrigkeitshöriger Mensch, so dass er garantiert keine zwei Ehefrauen hatte. Aber dem Stück zuliebe hat man sie halt mit hinein genommen, weil die sich immer fetzen, und weil es lustig ist und Witz in die ganze Sache bringt. Ich habe mich immer für die Antike interessiert, für das alte Griechenland und das alte Rom, insofern ist mir das gar nicht so unvertraut.

Können Sie uns kurz erzählen, was passiert im „geduldigen Sokrates“?
Es gibt drei Handlungsstränge. Einmal Sokrates und seine Schüler, die er immer zum Fleiß antreibt. Dann gibt es den nächsten Handlungsstrang mit dem Prinzen Melito, der auch öfters zu Sokrates geht, der von zwei Frauen umschwärmt wird, von Rodisette und Edronica, die er eigentlich beide jetzt nicht so prickelnd findet. Am Ende entschließt er sich aber für eine von beiden. Die andere geht auch nicht leer aus, die kriegt dann einen anderen ab, den sie eigentlich auch nicht will, aber besser einen als keinen. Das ist eigentlich am Ende ganz witzig. Dann eben den Handlungsstrang Sokrates und seine beiden Ehefrauen, die sich ständig um die Vorherrschaft streiten, wer jetzt mehr zu sagen hat und wer jetzt bevorzugt wird von Sokrates, oder auch nicht. Und daraufhin entstehen ständig Streitigkeiten, die der Sokrates zu schlichten versucht. Immer: „Geduld, Geduld“, das sagt er am liebsten, deshalb auch „Der geduldige Sokrates“. Die Ziwstigkeiten – da geht es um Mahlzeiten, da geht es um die Schönheit, wer zuerst vor dem Spiegel steht, eigentlich so klischeemässige Frauenthemen. Ziemlich frauenfeindlich finde ich das teilweise.

Unterstützt die Inszenierung das?
Nein. Der Herr Köhler ist ein sehr, sehr guter Regisseur. Das Stück ist schwierig zu inszenieren. Auch die Musik ist sehr schön, aber so nach einer Stunde hat man sich sehr reingehört, und es kommt eigentlich nichts wirklich Neues mehr, wo man überrascht ist und dann noch einmal mit grosser Aufmerksamkeit zuhört. Insofern ist schon gut, dass es diese verschiedenen Handlungsstränge gibt, die einem immer wieder neue Aufmerksamkeit abfordern. Ich bin ja als Xanippe die Heftigere noch von beiden, die Amitta ist ein bisschen sanfter. Ich darf auch mal weinen, und zwar nicht so ein übertriebenes Weinen, dass es die absolut schreckliche Witzfigur ist, sondern dass man auch wirklich Mitleid mit der Frau bekommt, die wirklich ein Problem damit hat, dass da eine andere Frau an ihrer Seite ist. Also er versucht uns Frauen nicht zu denunzieren. In keinster Weise. Nein, er unterstützt das so nicht. – Schon ein bisschen das weibische Gehabe, vor dem Spiegel herumstehen. Die eine Arie geht darum: Ich bin so schön, ich bin so reizend – bella, vaga, vaga, bella – was durchaus auch viele Frauen tun, aber es wird nicht so dargestellt, dass man sich diffamiert fühlt.

Haben Sie Freiheiten bei der Interpretation Ihrer Partie?
Ja. Ich darf das mit meiner Körperlichkeit machen, mit meiner Art und mit meinem Temperament. Ich bin ja doppelbesetzt mit Sandra Moon, die das wiederum auch mit ihrer Körperlichkeit macht, die eine ganz andere als die meine ist. Die Gänge sind natürlich die gleichen, die Freiheit hat man nicht, denn die Kollegen müssen ja auch wissen: Wenn ich rechts stehe, stehe ich rechts, wenn ich links stehe, stehe ich links. Das muss man schon gleich machen, aber der Herr Köhler überlässt die Rezitative auch jeweils meiner Interpretation.

Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Partie?
Ich glaube, die Perücke (lacht). – Was mir am besten an der Partie gefällt, ist, dass ich zwei sehr schöne Duette habe mit meiner wunderbaren Kollegin Thérèse Wincent. Ich finde es sehr schön, zwei Soprane miteinander. Das macht wahnsinnig viel Spaß, die Musik zusammen zu singen, nicht immer nur Solo-Arien zu haben. Das gefällt mir sehr gut an der Partie. Es ist fast wie bei der Königin der Nacht, du kommst raus, der erste Auftritt: (singt) „Du Missgeburt!“ Als allererstes schreiend, die andere an den Haaren herbeiziehend. Du musst von Null auf 180 in null Sekunden sein, und das macht mir Spaß.

Und was ist das Schwierigste an Ihrer Partie?
Dass man von Null auf 180 in null Sekunden sein muss, das ist anstrengend und schwierig, wenn man sich immer sofort hochputschen muss. Und dann aufpassen, dass die Stimme dabei trotzdem noch gut klingt.

Die Musik des Sokrates wird hoch gelobt. Es ist die Rede von „leichten Verweisen auf Mozart“ oder „es klingt so, als hätte Bach Opern geschrieben“. Da drängt sich fast die Frage auf: Muss man Barockmusik mögen, um diese Oper zu mögen?
Nein. Muss man nicht mögen. Die Musik ist sehr gefällig. Ich habe bis jetzt keine Mozart-Anklänge gefunden. Aber ich kenne jetzt auch nicht die ganze Musik, weil ich ja mit den anderen Handlungssträngen so gut wie nichts zu tun habe und noch nicht viel davon gehört habe, aber – nein, man muss kein Barockmusik-Fan sein, um das zu mögen. Es ist wirklich sehr gefällig, sehr angenehm. Und auch auf Italienisch und auf Deutsch. Was ich auch sehr schön finde: Die Rezitative sind alle auf Deutsch, man versteht immer, worum es geht. Und die Regie unterstützt dann in den italienisch gesungenen Phasen auch wieder das, was man sagt.

Ist es schwierig, umzuschalten zwischen Italienisch und Deutsch?
Nein, überhaupt nicht. In keinster Weise.

Weil die Musik einfach mit den Worten verbunden ist.
Ja. Es ist überhaupt nicht schwer, umzuschalten.

Dann habe ich noch eine Frage an Sie als Xantippe: Zwei Frauen sind ja offensichtlich zu viel für einen Mann.
Ja.

Finden Sie, ein halber Mann ist zuwenig?
Zwei Männer wäre besser. Für eine Frau (lacht). Ich würde es so herum sagen. Obwohl, eigentlich ist er ja kein halber Mann. Schwierig zu sagen. Also ich hätte keinen Spaß daran, mir einen Mann zu teilen.

Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Spielzeit 2011/2012 geben?
Es wird meine letzte Spielzeit sein, worüber ich sehr traurig bin. Um so mehr werde ich die nächste Spielzeit genießen. Ich freue mich irgendwie auch auf das Umziehen und den Falstaff im Prinzregententheater. Da darf ich noch einmal unter Herrn Dr. Peters Regie die Alice Ford spielen und singen. Und zu Beginn der Spielzeit werde ich zusammen mit Stefanie Kunschke die Marie in einer Neuinszenierung von Smetanas „Verkaufter Braut“ geben.

Herzlichen Dank für das Gespräch.
Gern geschehen.

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