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Premiere Anything Goes, 28.02.2013, Gärtnerplatztheater (im Deutschen Theater) – Nachtkritik

[singlepic id=1470 w=320 h=240 float=left]Mit der zweiten Musicalpremiere innerhalb einer Woche setzt das Team des Gärtnerplatztheaters neue Maßstäbe in der Unterhaltungsmusiktheaterlandschaft in München. Obwohl beide Stücke in der gleichen Zeit spielen, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Während in Cabaret eher eine düstere Grundstimmung vorherrscht, regiert hier die Fröhlichkeit und die Lebenslust. Natürlich ist Anything Goes kein Stück mit Tiefgang, aber darf Musiktheater auch nicht einfach nur unterhalten? Natürlich darf es das, vor allem, wenn die Unterhaltung so gut gemacht ist wie an diesem Abend.

Ausgangspunkt für die Entstehung des Musicals war der Produzent Vinton Freedly, dem die Idee dazu auf einem Schiff kam, mit dem er sich vor seinen Gläubigern aus dem Staub machte. Er beauftragte Guy Bolton und P.G. Wodehouse damit, das Buch dazu zu schreiben, letzterer vor allem bekannt durch seine köstlichen Romane, unter anderem die Jeeves & Wooster-Serie, genial verfilmt mit Stephen Fry und Hugh Laurie. Die Story beinhaltete eine Bombendrohung und einen Schiffbruch und muss ziemlich chaotisch gewesen sein. Als wenige Wochen vor der Premiere vor der Küste New Jerseys ein Feuer auf einem Luxusliner 138 Menschen das Leben kostete, musste die Geschichte schnellstmöglich umgeschrieben werden. Da die originalen Autoren gerade nicht verfügbar waren, stammt das Libretto, so wie wir es heute kennen, von Howard Lindsay und Russell Crouse, die hier erstmals zusammenarbeiteten. Die Musik stammt von Cole Porter, der nach Roger Hammerstein und George Gershwin eigentlich nur die dritte Wahl war, und so ist es nur natürlich, dass sie sofort ins Ohr geht und sich da festsetzt. Praktisch jeden Song hat man schon mal in der ein oder anderen Version gehört, der Wiedererkennungseffekt ist beträchtlich und das Publikum ist von der ersten Minute voll dabei.

Das Gärtnerplatztheater hat sich entschieden, nur die Dialoge auf Deutsch zu bringen und die Songs im Original zu belassen. Das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn man die Dialoge immer gut verstehen könnte, was insbesondere am Anfang ein bisschen schwierig ist. Überhaupt kommt das Stück erst langsam auf Touren und zu Beginn ist man etwas überwältigt von dem schieren Überangebot an visuellen Reizen. Sieht man einer kleinen Detailhandlung rechts zu, verpasst man links was. Sehr geschickt, so muss man sich das Stück mehrfach ansehen. Es lohnt sich aber wirklich, denn es ist wirklich alles perfekt erarbeitet, die Choreografien sitzen, die Bewegungen erfolgen exakt im Takt der Musik, man wird absolut mitgerissen von der prallen Lebensfreude.

Um was geht’s, wenn alles geht? Billy Crocker ist ein kleiner Wallstreetbroker, der sich in ein Mädchen verliebt. Als er seinen Boss Elisha Whitney zum Schiff bringt, das in Kürze nach England ablegen soll, sieht er das bezaubernde Wesen wieder. Er erfährt, dass sie Hope Harcourt heißt und mitsamt ihrer überdrehten Mutter und dem stinkreichenVerlobten Lord Evelyn Oakleigh, der die Familienfinanzen sanieren soll, in die neue Heimat fährt. Mit von der Partie ist auch noch seine Bekannte Reno Sweeney, eine Nachtclubsängerin, die zur Predigerin mutiert ist, sowie der Staatsfeind Nummer 13, der so gerne die Nummer 1 wäre und dessen Freundin Erma. Billy schleicht sich an Bord, um die Heirat zu verhindern und Hope für sich zu erobern. Um an sein Ziel zu kommen, muss er in die verschiedensten Rollen schlüpfen. Für die Uraufführung 1934 war diese Rolle dem Komiker William Gaxton auf den Leib geschrieben, der berühmt für seine Verwandlungskünste war. Es kommt zu den absurdesten Situationen, befeuert durch viel Wortwitz und exzellente Darsteller auf der Bühne. Und weil nicht nur der Titel, sondern auch das Motto Anything goes heißt, werden die Paare bis zum Ende schön durcheinandergewürfelt.

[singlepic id=1469 w=320 h=240 float=right]Obwohl das Stück als Screwballcomedy daher kommt, schwingen auch sozialkritische Untertöne mit. Geschrieben kurz nach dem Ende der Prohibition und unter dem Eindruck der gerade überstandenen Weltwirtschaftskrise, sind die Gangsterverherrlichung und Bußprediger ein Thema, ist das Schiff mit Trinkern, Spielern und Betrügern bevölkert. So kann man schon darüber nachdenken, wenn Billy feststellt, dass er als kleiner Börsenmakler in das Gefängnis geworfen werden würde und man ihm als Gangster Nummer 1 den roten Teppich ausrollt. Auch wenn man darüber lacht, dass der Mann von Mutter Harcourt wie ein Gentleman gefallen ist nach dem Sprung aus dem Fenster, weil man beim Börsencrash alles verloren hat, ist das doch eine tragische Geschichte. Das Musical hat sich mit den Jahren beständig verändert, es wurden Songs umgestellt und Cole-Porter-Schlager aus anderen Stücken eingebaut. Auch Regisseur Josef E. Köpplinger hat eine Szene hinzugefügt und einige aktuelle Bezüge aufgenommen, die sehr gut ankamen beim Publikum. Zu lachen gibt es viel an diesem Abend, Köpplinger setzt auf Tempo und exakt getimte Abläufe. Rainer Sinell, der auch für die zeitlich passenden Kostüme verantwortlich ist, nutzt eine Drehscheibe, um das Vorderdeck des zweistöckigen Schiffes in intime Kabinen zu verwandeln. Das Schiff nimmt im ersten Teil langsam an Fahrt auf und ist dann kaum mehr zu stoppen. Ähnlich wie in Cabaret gibt es auch hier leicht bekleidete Menschen, aber anders als in der Reithalle wirkt es hier nicht ordinär, sondern lustig. Das Ende kommt etwas abrupt, aber nach einem so temporeichen Abend verzeiht man das gerne.

Viel zu dem schwungvollen, temporeichen Abend trägt auch die Choreografie von Ricarda Regina Ludigkeit bei. Sie lässt das Ensemble sich die Seele aus dem Hals steppen und es gleichzeitig so leicht aussehen, dass es auch noch Spaß machen könnte. Sie gibt den Akteuren eine tolle Körpersprache von lasziv bis Czardas. Bei diesem Musical ist wirklich alles gefragt, die Akteure müssen singen, steppen und darstellen können. Fällt nur eines unter den Tisch, geht ein Teil des Zaubers verloren. Ganz hinreißend waren auch die Projektionen von Raphael Kurig und Thomas Mahnecke. Sie beschwörten zahlreiche Stimmungen herauf und schafften es, ein Schiff, dass sich nicht vom Fleck bewegt, mal in New York, mal auf hoher See zu zeigen.

Die Rollen sind mit ziemlicher Sicherheit für diese Münchner Erstaufführung 79 Jahre nach der Uraufführung am Broadway optimal besetzt. Anna Montanaro gibt der Reno Drive, aber auch besinnliche Momente. Sigrid Hauser ist eine herrlich überdrehte und dabei immer absolut süße Erma. Die Figur könnte einem auf die Nerven gehen, aber in der Interpretation von Sigrid Hauser möchte man sie eher mal fest in den Arm nehmen. Milica Jovanovic singt und spielt die Hope Harcourt mit sehr viel mädchenhaften Charme, kein Wunder, dass Billy ihr zu Füßen liegt. Es ist wirklich sehr schön, sie mal wieder auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters erleben zu dürfen. Dagmar Hellberg als ihre Mutter konnte mich anfangs nicht überzeugen, aber bei Birds do it, bees do it drehte sie dermaßen auf, dass es eine reine Freude war. Komplettiert wurde die sehr gute Frauenriege durch die tanzfreudigen Angels und Ulrike Dostal als Frieda, die hervorragende Akzente setzte.

[singlepic id=1468 w=320 h=240 float=left]Bei den Männern ist natürlich Billy Crocker der unbestrittene Chef im Ring. Daniel Prohaska spielt alle Facetten der Rolle aus und singt und tanzt dabei noch wie ein junger Gott. Naja, fast. Die Auftritte von Hannes Muik als Lord Evelyn Oakleigh zählten für mich zu den Highlights des Abends. Er strahlte bis in den kleinen Zeh Aristokratie aus und hat doch Paprika im Blut. Erwin Windegger als Elisha Whitney ist lustig und tiefgehend zugleich, und Boris Pfeifer als Moonface Martin verkörpert den etwas schmierigen Gangster perfekt. Besonders beeindruckend ist die Stimme von Previn Moore, der den Kapitän auf diesem Tollhaus namens M.S. Amerika mimt und Night and Day wirklich ganz wundervoll interpretiert. Frank Berg als Steward und neben anderen die drei Matrosen Maurice Klemm, Stefan Bischoff und Christian Schleinzer sowie eine engagierte Statisterie komplettieren das praktisch perfekte Ensemble. Der Hund Chuseok erwies sich als nervenstark und zeigte sich unbeeindruckt von seiner Rolle als Benjamin Franklin. Das kleine Orchester mit großer Rhythmusgruppe unter Michael Brandstätter kreierte den perfekten Bigbandsound passend zum Stück, und der hauseigene Chor zeigte sich zum wiederholten Male bewegungsfreudig und sehr gut einstudiert von Jörn Hinnerk Andresen.

Am Ende wurden die Beteiligten frenetisch mit Standing Ovations gefeiert, damit waren sicher auch die vielen unsichtbaren Helfer gemeint, die Werkstätten, die diese schier unglaubliche Anstrengung zweier Premieren in einer Woche gemeistert haben, die Technik, die Kostümabteilung, die zwei Spielstätten gleichzeitig betreuen muss, die Maske, Souffleuse und Inspizient. Ein Stück zum Wiedersehen, ich bin mir sicher, auch beim dritten Besuch lassen sich noch weitere Details entdecken. Weitere Vorstellungen bis 22.03. jeweils Dienstag bis Sonntag, Karten von 25 – 60 € bei den bekannten Vorverkaufsstellen.

 

Musikalische Leitung Michael Brandstätter / Regie Josef E. Köpplinger / Choreografie Ricarda Regina Ludigkeit / Bühne und Kostüme Rainer Sinell / Dramaturgie Michael Otto / Reno Sweeney Anna Montanaro / Billy Crocker Daniel Prohaska / Elisha Whitney Erwin Windegger / Evangeline Harcourt Dagmar Hellberg / Hope Harcourt Milica Jovanović / Lord Evelyn Oakleigh Hannes Muik / Moonface Martin Boris Pfeifer / Erma Sigrid Hauser / Kapitän Previn Moore / Steward Frank Berg / 1. Matrose Alexander Moitzi / Reporter, 2. Matrose Christoph Graf /Reverend Henry Swiss Dobson, 3. Matrose Maurice Klemm / 4. Matrose Nicola Gravante / Chinese Luke, 5. Matrose Stefan Bischoff / Chinese John, 6. Matrose Christian Schleinzer / Reinhild Reinheit, Angel Susanne Seimel / Kirsten Keuschheit, Angel Katharina Lochmann / Niki Nächstenliebe, Angel Kenia Bernal Gonzàles / Trude Tugend, Angel Stéphanie Signer / Frieda, Whitneys Sekretärin Ulrike Dostal / Benjamin Franklin, Hund Chuseok

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Linksammlung “Cabaret”, Gärtnerplatztheater

Trailer
Interessanter Einführungsfilm
Kritik in der Abendzeitung, dem Münchner Merkur, BR Online und mucbook.

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Premiere Cabaret, 21.02.2013, Gärtnerplatztheater (in der Reithalle) – Nachtkritik

[singlepic id=1466 w=320 h=240 float=left]Der Interpretationsansatz von Regisseur Werner Sobotka konnte mich trotz einiger sehr starker Szenen nicht immer überzeugen, aber eine fantastische Nadine Zeintl in der Rolle der Sally Bowles und Münchner Publikumslieblinge Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner als Fräulein Schneider und Herr Schultz machen den Abend zu einem Erlebnis.

Als das Musical Cabaret am 20.11.1966 am New Yorker Broadhurst Theatre Premiere feierte, stellte es etwas Besonderes dar. Die Geschichte war anspruchsvoll und die dafür geschriebene Musik war spezifisch, in diesem Fall repräsentierte sie die frühen Dreißiger Jahre in Berlin. Anders als in den restlichen Großstädten Europas tobte hier das pralle Leben, man genoss den Augenblick und dachte nicht an den Morgen. Nachtclubs schossen aus dem Boden und verschwanden wieder, die Prostitution blühte und das Erstarken der Nazis überzog alles mit einem dunklen Schatten.

Christopher Isherwoods Novelle Goodbye to Berlin wurde von John Van Druten in das Theaterstück I am a camera adaptiert, auf dem wiederum das Musical beruht. Der Titel des Theaterstück trifft die Erzählweise sehr gut, denn es sind nur Momentaufnahmen, die hier präsentiert werden, es wird nur registriert und nicht kommentiert. Der Produzent Harold Prince kaufte die Rechte an Isherwoods und Van Drutens Werken und beauftragte Joe Masteroff mit der Umsetzung, später kamen noch John Kander und Fred Ebb dazu, die heute allgemein als Schöpfer des Musicals gelten. Vor allem das 1987er Broadway Revival brachte einige Änderungen mit, so kam der weltbekannte Song Money dazu. Der gleichnamige Film von 1972, der allerdings nur lose auf dem Musical beruht,  machte die junge Liza Minelli weltberühmt.

Clifford Bradshaw ist ein junger amerikanischer Schriftsteller, der nach Berlin auf der Suche nach Inspiration kommt. Im Zug aus Paris trifft er auf Ernst Ludwig, der ihm hilft, ein billiges Zimmer zu finden und ihm für den bevorstehenden Silvesterabend den Kit-Kat-Club empfiehlt. Clifford bekommt tatsächlich ein Zimmer in der Pension von Fräulein Schneider, einer ältlichen Jungfer, die Zimmer vermieten muss, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Herr Schultz, ein älterer jüdischer Obsthändler und die Prostituierte Fräulein Kost wohnen ebenfalls dort. Den Abend verbringt er tatsächlich in dem Club und trifft dort auf Sally Bowles, eine junge Sängerin aus England. Die Nummern werden von einem Conférencier angesagt, der auch später immer wieder auftaucht. Am nächsten Tag erscheint Sally bei Cliff in der Pension, ihr Geliebter und Betreiber des Clubs Max hat sie hinausgeworfen, und zieht bei ihm ein. Monate später besteht dieses Arrangement immer noch, Sally und Cliff haben sich ineinander verliebt. ALs Sally bemerkt, dass sie schwanger ist aber nicht sicher sagen kann, ob Cliff der Vater ist, bestärkt dieser sie darin, das Baby zu bekommen und mit ihm eine Familie zu gründen. Herr Schultz macht Fräulein Schneider den Hof und wird von Fräulein Kost dabei erwischt, wie er das Zimmer seiner Vermieterin verlässt. Um den Schein zu wahren, erzählt er ihr, dass er und Fräulein Schneider bald heiraten werden. Die Vermieterin verbietet der Prostituierten, ihre Kunden mit aufs Zimmer zu nehmen und als Rache verrät diese Ernst Ludwig, der mittlerweile offen als Nazi auftritt, dass Herr Schultz Jude ist. Unter dem Druck der aufkommenden Herrschaft der Nazis sieht sich Fräulein Schneider gezwungen, die Verlobung wieder zu lösen. Cliff sieht die drohende Gefahr und möchte das Land verlassen, Sally möchte jedoch ihre Karriere im Nachtclub fortsetzen. Es kommt zum Bruch und Sally treibt das Kind ab. Sie singt im Club Life is a cabaret während Clifford im Zug sitzt und beginnt, seine Erinnerungen aufzuzeichnen.

[singlepic id=1465 w=320 h=240 float=right]Das Gärtnerplatztheater  präsentiert das Musical in der sogenannten Reithalle, ein Spielort, der leider zu wünschen übrig lässt. Der Vorraum ist sehr klein, bei ausverkauftem Haus staut sich das Publikum beim Verlassen über Treppen bis in den Zuschauerraum zurück. Es ist auch alles offen, bei ruhigen Szenen stört das Klirren der Flaschen von der Gastronomie. In der Halle ist es sehr warm und die unbequemen Plastikstühle tragen dazu bei, dass ich am Ende zumindest auf der Rückseite total nassgeschwitzt war. Zudem gibt bei den Stühlen bei einem Schwergewicht wie mir die Lehne nach, was zu einer sehr ungemütlichen Sitzposition führt. Mich lädt das nicht zu wiederholten Besuchen ein.

Die Bühne ist etwas zweistöckig mit der Band oberhalb der Spielfläche, davor sind versenkt Tische platziert, an denen Zuschauer sitzen können. Leider ist die Bühne nicht erhöht und die Zuschauerreihen steigen erst ab der vierten Reihe an, so dass ich in selbst in der zweiten Reihe keine freie Bühnensicht hatte. Das Bühnenbild (Amra Bergman-Buchbinder) ist spartanisch, aber sehr wandlungsfähig. Zwei Spiegelwände können mal geöffnet, mal geschlossen werden und zeigen mal den Kit-Kat-Club, mal Cliffs Zimmer oder die Eingangshalle in der Pension, mal den Obstladen von Herrn Schultz. Ein paar Stühle halten für alles her und werden schon mal zum Bett. Das engt die Fantasie nicht ein und passt in den zeitlichen Kontext ebenso wie die Kostüme von Elisabeth Gressel. Die Choreografie von Ramesh Nair ist schwungvoll und hat starke Momente. Das Licht (Michael Heidinger) besticht vor allem in den Clubszenen.

Der Kit-Kat-Club ist ein schäbiger Nachtclub und schäbig sind  auch seine Angestellten. Die Mädels treten in ausgeleierter Unterwäsche auf und auch die Jungs zeigen viel nackte Haut und Tattoos. Der Regisseur Werner Sobotka sagte in der Einführung, es soll ein Club sein, in den man nicht gerne geht, und das ist ihm wahrlich gut gelungen. Dieses ständige Betatschen männlicher und weiblicher Geschlechtsorgane und die stilisierten Geschlechtsakte sind weder antörnend noch erotisch, sondern einfach nur abstoßend. Das ist nicht lasziv, sondern schlicht ordinär. Ich kann zwar verstehen, was damit bezweckt werden soll, aber es gefällt mir nicht, und das wirkt sich leider auf das gesamte Stück aus. Und wenn sich der Conférencier bei „Gentlemen“ in den Schritt greift, hat das nach dem zweiten Mal jeden Reiz verloren. Ob das wirklich das Lebensgefühl der Zeit, in der Cabaret angesiedelt ist, wiederspiegelt, bezweifle ich. Hier wurde übers Ziel hinausgeschossen, ebenso wie bei der Figur der Sally Bowles. So aufgedreht kann man doch nur unter schweren Drogen sein, oder? Aber wenn ich das richtig gesehen habe, schnupft sie ja in einer Szene Kokain. Mir ging sie jedenfalls mächtig auf den Keks und ich konnte bis zum Schluss, in der sie eine wirklich berührende und sehr starke Szene hatte, kein Mitleid für sie haben. Auch Ernst Ludwig, den Nazi, fand ich zu keinem Zeitpunkt sympathisch. Gleich zu Anfang schiebt er seinem Mitreisenden gefährliches Gepäck unter, wie kann ich so jemanden sympathisch finden? Irgendwie war mir das alles zu überdreht, zu laut und damit meine ich nicht die Band, die unter Andreas Kowalewitz am Klavier wirklich hervorragend war. Bacchantisch sollte der Conférencier sein, für mich war er einfach nur eine traurige Gestalt. Dabei ist Markus Meyer, der durch eine Erkältung gehandicapt war, was man aber nicht hörte, sehr ausdrucksstark und könnte meiner Meinung nach der Figur noch mehr Tiefe geben. Er tritt in einer Szene als Sally-Double auf, das ist schon genial.

Stark war auch das Ende der Verlobungsfeier, hier fühlte ich wirklich die Bedrohung, die von den Nazis ausgeht und sich wie ein Schatten über die Menschen legt. In diesem Stück verwandelt sich vieles, vom bezaubernd vorgetragenen Der morgige Tag ist mein durch den Hitlerjungen (überragend Felix Nyncke) zum fast schon Kampflied, angeführt von Fräulein Kost und Ludwig Ernst. Da wird aus dem  leichten Tanztee ein stampfender Rhythmus und aus den Girls marschierende Soldaten. Absolut fantastisch war die letzte Szene der Sally Bowles, als sie frisch von der Abtreibung kommt. Nadine Zeintl spielt absolut grandios und sie singt, dass man die Tränen in ihrer Stimme hört. Die junge Österreicherin schafft die ganze Bandbreite von dem mädchenhaften, leider etwas zu überdrehten Sags nicht Mama über ein zackiges Mein Herr zu einem intensivem Maybe this time. Sie ist ein Ausnahmetalent, das ich gerne öfter auf Münchner Bühnen sehen würde. Mit Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner stehen ihr zwei in München wohlbekannte und beliebte Sänger zur Seite, die das zweite tragische Paar wirklich ganz bezaubernd verkörpern. Dominik Hees wirkt als Clifford Bradshaw sehr authentisch, kein Wunder, er ist ja auch erst 23 Jahre alt. Überhaupt passen die zwei Paare wirklich ganz ausgezeichnet zusammen. Julia Leinweber als Fräulein Kost, Jens Schnarre als Ernst Ludwig und Alex Frei in verschiedenen Rollen komplettierten das wirklich hervorragend besetzte Ensemble.

Ich habe mindestens einen weiteren Besuch geplant, ich glaube, es könnten auch noch mehr werden, der unschönen Spielstätte zum Trotz. Die abstoßenden Effekte werden sich abnutzen und was bleibt, ist ein großartiges musikalisches Erlebnis. Das Premierenpublikum feierte das Ensemble frenetisch und auch das Regieteam wurde heftig beklatscht. Wenn man nicht leicht zu schockieren ist, ein sehr sehenswerter Abend.

Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz / Regie Werner Sobotka / Choreografie Ramesh Nair / Bühne Amra Bergman-Buchbinder / Kostüme Elisabeth Gressel / Lichtdesign Michael Heidinger / Dramaturgie Judith Altmann / Conférencier Markus Meyer / Sally Bowles Nadine Zeintl /  Cliff Bradshaw Dominik Hees / Fräulein Schneider Gisela Ehrensperger / Herr Schultz Franz Wyzner / Ernst Ludwig Jens Schnarre / Fräulein Kost, Rosi Julia Leinweber / Fritzi Anita Holm / Helga Alixa Kalasz / Inge Maren Kern / Betti Maxi Neuwirth / Max, Hermann, Gorilla Alex Frei / Bobby Timo Radünz / Hans, Zollbeamter Thomas Zigon / Viktor Maximilian Widmann / Two Ladies Anita Holm, Timo Radünz / Hitlerjunge Felix Nyncke

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Vorschau: Janet Clark – Sei lieb und büße

Das Spiel ist aus. Die Maus ist tot. Die Katze hat gewonnen. Sina ist untröstlich. Weshalb musste ihre Familie ausgerechnet von Berlin nach Kranbach ziehen? Der einzige Lichtblick: Die angesagtesten Mädchen der Schule freunden sich mit ihr an und sogar ihr Schwarm Frederik scheint in sie verliebt zu sein. Aber kurz nach ihrem ersten Kuss verunglückt Rik und fällt ins Koma. Sina findet Halt bei ihren neuen Freundinnen doch sie weiß nicht, dass hinter deren strahlender Fassade ein tiefer, grausamer Abgrund lauert. Plötzlich nimmt ein übles Spiel seinen Lauf, das Sinas schlimmste Albträume wahr werden lässt. Und ein Ende ist nicht abzusehen …
Neuigkeiten von Janet Clark finden sich zum Beispiel auf ihrer Facebook-Seite. So liest sie zum Beispiel am 27.02.2013 in der Gemeindebücherei Ismaning im Rahmen der Ladies Crime Night.

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Einführungsmatinee Anything Goes, 17.02.2013, Gärtnerplatztheater (im Akademietheater)

[singlepic id=1463 w=320 h=240 float=left]Unterhaltsam, sehr informativ und mit großem Aufwand – die Einführungsmatineen entwickeln sich zum echten Renner.

Diesmal ging es um die nächste Musicalpremiere, die Münchner Erstaufführung von Anything Goes. Was geht? Alles! Ist derzeit in München des Öfteren zu lesen. Nur eine Woche nach der Premiere des Musicals Cabaret in der Reithalle folgt schon der nächste Streich im Zelt des Deutschen Theaters in Fröttmaning. Michael Otto stellte in mittlerweile gewohnt souverän-charmanter Art das Stück vor und Regisseur Josef. E. Köpplinger – den Intendanten hatte er zu Hause gelassen – erläuterte nicht nur seine Sicht auf das Stück, sondern steuerte auch erheiternde Anekdoten von der Probenzeit in Klagenfurt bei, wo er 2001 das Stück zum ersten Mal inszeniert hat. Interessierte Besucher können ja mal nach der bleibenden Erinnerung am Stadttheater Klagenfurt suchen 😉

Die erste musikalische Einlage kam von Milica Jovanovic und Daniel Prohaska, sie zeigten wirklich ganz bezaubernd It’s delightful mit voller Choreografie und Teilen des Bühnenbildes. Das ist es, was den Reiz der Einführungen in dieser Spielzeit ausmacht: man bekommt nicht nur musikalische Kostproben, sondern tatsächlich schon szenische Eindrücke. Natürlich wäre so etwas in den beengten Platzverhältnissen des oberen Foyers im Stammhauses nicht möglich gewesen, aber trotzdem wird hier schon ein Aufwand getrieben, der einen Besuch unbedingt empfehlenswert macht. Wenn ich richtig gezählt habe, waren bei dieser Einführung allein 25 Personen auf der Bühne, von den “unsichtbaren” Mitarbeitern der Technik, Beleuchtung, Requisite, Möbler ganz zu schweigen. Der Zuschauer bekommt wirklich einen tiefen Einblick in die Produktion und die dazugehörige Probenarbeit, das hilft auch, die unglaubliche Anstrengung, die in einem Stück von der ersten Korrepetition bis zur Premiere stecken zu würdigen.

Anna Montanaro als Reno Sweeney riss das Publikum mit ihrer temperamentvollen Darbietung quasi von den Sitzen. Sowohl mit Boris Pfeifer als Moonface Martin wie auch mit Hannes Muik als Lord Evelyn Oakleigh als Partner rockt die sympathische Musicaldarstellerin, die es als dritte Deutsche nach Hildegard Knef und Ute Lemper an den Broadway geschafft hat, das Haus.Begleitet wurden die Solisten von Anke Schwabe.  Ein weiterer Höhepunkt dieses Vormittags war die ziemlich umfangreiche Einführung in die Kunst des Steptanzes durch die Choreografin Ricarda Regina Ludigkeit. Wirklich sehr beeindruckend, und in den musikalischen Teilen dieser Matinee konnte man schon einen guten Eindruck ihrer schönen Choreografie gewinnen. Michael Brandstätter als musikalischer Leiter ging  auf die Besonderheiten des Stückes ein. So gehen die Songs von Cole Porter vom Wort aus. Das und die vielen feinen Wortspiele hat wohl das Produktionsteam dazu bewogen, die Songs auf Englisch zu belassen und nur die Dialoge aus Deutsch zu bringen. Ob es eine Übertitelung gibt, blieb offen. Am Ende ging Regisseur Josef E. Köpplinger noch auf die tierische Hauptrolle, die erst ein paar Tage zuvor vergeben worden war, ein. Damit hat er einen PR-Coup gelandet, selbst überregionale Zeitungen wie Die Welt berichteten darüber. Vier kleine Hunde werden dann in den Vorstellungen alternierend als “Benjamin Franklin” über die Bühne getragen. Sie steigen erst ab den Proben im Zelt des Deutschen Theaters ein, damit sie sich nicht an verschiedenen Spielorte gewöhnen müssen.

Diese Matinee war wirklich außerordentlich gut dazu geeignet, Lust auf die Premiere am 28.02. im Zelt des Deutschen Theaters in Fröttmaning zu machen. Weiter Vorstellungen bis 22.03. jeweils Dienstag bis Sonntag, Karten von 25 – 60 € bei den bekannten Vorverkaufsstellen.

 

 

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Faschingskonzert, 10. und 12.02.2013, Gärtnerplatztheater (in der Alten Kongresshalle)

[singlepic id=1461 w=320 h=240 float=left]Kann man ein Orchester vermissen? Oder einen Chor? Solisten sowieso? Ja man kann. Also ich zumindest. Ganze zwei Monate ist es her, bei der Premiere von Johanna auf dem Scheiterhaufen, dass ich die meisten der Mitwirkenden zuletzt gesehen habe. Menschen, die ich früher dreimal in der Woche und mehr gesehen und gesprochen habe. An diesen Abenden ist mir wieder bewusst geworden, was für ein großes Loch bei mir klafft, auch wenn es im Alltagschaos meistens nicht so scheint. Schon allein deshalb haben sich diese beiden Abende gelohnt.

Es waren schöne Konzerte, eine feine Musikauswahl, sehr gut musiziert – aber es deckte sich nicht ganz mit meiner Vorstellung eines Faschingskonzertes. Ich bin zwar ein ausgemachter Faschingsmuffel, aber die Konzerte des Gärtnerplatztheaters waren immer die große Ausnahme. Fasching, das ist für mich Kostüme, närrisches Treiben, lachen und fröhlich sein. Und warum sollten sich die Zuschauer verkleiden, wenn auf der Bühne Frack und Abendkleid vorherrschen? Natürlich gab es auch was zu lachen, zum Beispiel bei A grand grand Overture op. 57 für 3 Staubsauger, 1 Bodenpolierer, 4 Gewehre und Sinfonieorchester von Malcolm Arnold mit den wunderbaren solistischen Leistungen von Marco Comin, Max Wagner, Josef E. Köpplinger und Michael Otto an den Haushaltsgeräten. Oder beim Final de la Neige aus der Operette Le Voyage de la Lune von Jacques Offenbach, bei dem die Fröhlichkeit der Solisten Snejinka Avramova, Frances Lucey, Holger Ohlmann, Elaine Ortiz Arandes und Stefan Thomas ansteckend wirkte und der Funke zum Publikum übersprang. Oder bei dem wirklich exzellent gesungenen und mit ein paar kleinen szenischen Details aufgepeppten Volkslied Als wir jüngst zu Regensburg waren des wie immer fantastischen Chors des Gärtnerplatztheaters unter der Leitung von Felix Schuler-Meybier. Oder das schwungvolle Abba-Medley des Kinderchores unter der Leitung von Verena Sarré und begleitet von Anke Schwabe am Klavier mit einem tollen Solo einer leider nicht genannten jungen Sängerin. Und natürlich The Typewriter mit Markus Steiner am Schreibmaschinensolo. Beim altbekannten Duetto buffo di due gatti von Gioacchino Rossini konnte man sehr gut die ausgeprägten komischen Talente von Ann-Katrin Naidu und Elaine Ortiz-Arandes beobachten, genauso wie die von Susanne Heyng und Snejinka Avramova in O Theophil aus der Operette Frau Luna von Paul Linke.

Ansonsten war es wie gesagt sehr fein musiziert, aber nicht wirklich faschingsmäßig. Pedro Velázquez Diaz sang mit strahlender Höhe Dein ist mein ganzes Herz und Nessun dorma, der Summchor aus Madama Butterfly war wunderschön und hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Temperamentvoll der Auftritt von Elaine Ortiz Arandes mit einem Lied aus einer Zarzuela, dem spanischen Pendant einer Operette. Holger Ohlmann ließ mit Some enchanted evening Herzen schmelzen und das Orchester sowohl unter Marco Comin als auch unter Michael Brandstätter zeigten ihr ganzes Können bei der Ouvertüre zu La gazza ladra, dem Ballsirenen-Walzer von Franz Lehár, der aus der letzten Fledermaus-Inszenierung bekannten Polka Ohne Sorgen von Josef Strauß und bei der Begleitung der Solisten quer durch alle Genres. Das Finale des 3. Aktes der Operette Pariser Leben war mir persönlich ein bisschen zu lang, aber vielleicht hab ich mich auch einfach geärgert, dass mein Französisch so eingerostet ist, dass ich nicht alles verstanden habe.

Alles in allem ein schöner Abend, nur halt nicht so ganz ein Faschingskonzert.

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Einführungsmatinee Cabaret, 10.02.2012, Gärtnerplatztheater (im Akademietheater)

[singlepic id=1457 w=320 h=240 float=left]Einem breiten Publikum bekannt ist das Musical Cabaret durch die Verfilmung von 1972 mit Liza Minelli und Joel Grey in den Hauptrollen. Am Gärtnerplatztheater kommt das Stück nun zum zweiten Mal nach 1988 auf die Bühne, gespielt wird in der Ausweichspielstätte Reithalle.

Der kommissarische Chefdramaturg Michael Otto stellte nach einem Ausschnitt aus dem oben genannten Film das Musical ausführlich vor. Unterstützt wurde er dabei von Regisseur Werner Sobotka, der in München vor allem durch seine Regie von Into the Woods im Prinzregententheater 2005 bekannt sein dürfte und zum ersten Mal am Gärtnerplatztheater inszeniert. Seine Interpretation des Musicals war schon 2010 an den Wiener Kammerspielen zu sehen und wird nun für das Gärtnerplatztheater adaptiert. Mit von der Partie war damals schon Ramesh Nair, der auch in München für die Choreographie verantwortlich zeichnet. Das Lieblingswort dieses Vormittags war „abgewrackt“ (oder war es doch „abgefuckt“? Manchmal bin ich etwas schwerhörig) und bezeichnete den Kit-Kat-Club, in dem die Sängerin Sally Bowles auftritt. Man wird also keine plüschige Atmosphäre erwarten dürfen und was der Regisseur damit meinte, dass sich sein Ensemble als Erstes „überall anfassen“ musste, um die Scheu voreinander zu verlieren, wird sich zeigen. Anders als bei der letzten Premiere an dem etwas unglücklichen Spielort Reithalle (er ist schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, was vor allem die älteren Stammbesucher vor nicht unerhebliche Probleme stellt) wird es diesmal eine Bühne geben, die aus zwei Ebenen besteht, die Band ist darin integriert. Der musicalerfahrene Andreas Kowalewitz übernimmt die musikalische Leitung.

Besonders beeindruckt an diesem Vormittag hat mich Nadine Zeintl. Die junge Oberösterreicherin, die in der Rolle der Sally Bowles ihr Deutschlanddebüt gibt, sang zwei Lieder, Cabaret und Maybe this time, mit einer wirklich unglaublichen Stimme, expressiv, sanft, fordernd. Wenn sie bei der Premiere nur halb so gut drauf ist wie an diesem Sonntagvormittag wird sie München im Sturm erobern. Immerhin sein Musicaldebüt gibt der Burgschauspieler Markus Meyer, der zusammen mit Timo Radünz und Anita Holm ebenfalls eine im wahrsten Sinne des Wortes Nummer zeigte, begleitet wurden die Solisten jeweils von Liviu Petcu. Im Anschluss plauderte man noch ein bisschen, es gesellten sich noch Publikumsliebling Gisela Ehrensberger und Franz Wyzner, der erst vor kurzem noch als Kaiser im Weißen Rössl zu sehen war, dazu. Frau Ehrensberger spielte schon in der Inszenierung von 1988 das Fräulein Schneider. Insgesamt eine sehr lockere, fast schon intime Runde, in der sehr viel gelacht wurde. Das Publikum lernte so das Team auch ein wenig von der privaten Seite kennen.

Die knappen zwei Stunden vergingen wie im Flug und gaben einen wirklich guten Einblick in die Entstehung der Inszenierung. Premiere ist am 21.02.2013 um 19:30 Uhr in der Reithalle, Heßstraße 132. Es gibt noch wenige Restkarten, weitere Vorstellungen bis 10.03. und vom 18. bis 27.07.2013.

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Tosca, 06.02.2013, Pasinger Fabrik – Zweite Rezension

[singlepic id=1455 w=320 h=240 float=left]Ich arbeite beruflich mit einem Programm, das so wie diese Oper heißt. Das ist keine Abkürzung wie “Elster”, weil der Erfinder des Testtools diese Oper so liebt. So ähnlich geht es mir auch, nur hab ich leider keine Erfindung gemacht, die ich nach der Oper benennen könnte.

Die Tosca-Version in Münchens kleinstem Opernhaus, der Pasinger Fabrik gefällt mir ausgesprochen gut. Die Idee von Regisseur Nilufar K. Münzing, den Angelotti von einer Frau singen zu lassen, hat mir ausgesprochen gut gefallen. Besonders, wenn die Rolle dann so bezaubernd gespielt und ausgesprochen gut gesungen wird wie von Stephanie Firnkes an diesem Abend. Allerdings stellt das auch die Motivation von Cavaradossi in Frage, denn zwischen den beiden knisterte es ganz gewaltig. So hatte Tosca doch Grund zur Eifersucht, weil ihr Mario halt doch in erster Linie Frauenheld und erst in zweiter ein Freiheitskämpfer ist. Das tat mir ein wenig leid um ihn. Das Bühnenbild von Uta Gruber-Ballehr nutzt den Raum optimal aus, ihre Kostüme versetzten die Handlung in eine Zeit nahe der Gegenwart, was aber ganz gut passte. Nicht gefallen hat mir allerdings ihr Kostüm ab dem zweiten Akt für die Tosca. Diese mörderischen High Heels schränkten Irina Solomatina Tissot zu sehr ein, sie konnte damit nur wenig Bühnenpräsenz entwickeln, was schade war, denn sie sang gut.

[singlepic id=1456 w=320 h=240 float=right]Das autoaggressive Verhalten von Scarpia sollte wohl zeigen, dass auch er letztlich nur ein Mensch ist, allerdings meine ich, dass Menschen, die sich so verhalten, eher nicht aggressiv bis sadistisch anderen gegenüber sind, insofern hat das für mich nicht wirklich Sinn gemacht. Tibor Brouwer gestaltete die Rolle mit kraftvollem Bariton trotzdem dämonisch und versprühte die prickelnde Erotik der Macht. Andreas Stauber liess als Cavaradossi nicht nur Toscas und Angelottis Herz höher schlagen, man könnte meinen, er würden jeden Tag “Vittoria” rufen. Adrian Sandu als ASpoletta und Philipp Gaiser unter anderem als Mesner ergänzten das tolle Ensemble sehr gut.

Das Arrangement von Maximilian Fraas und Andreas Pascal Heinzmann hat mir ausgezeichnet gefallen, die Grundstimmung der Oper war auch in der kammermusikalischen Besetzung spürbar und Tonio Shiga leitete Musiker und Sänger souverän. Ein sehr schöner Abend!

Tosca. Oper von Giacomo Puccini in einem Arrangement von Maximilian Fraas und Andreas Pascal Heinzmann. Regie und Textfassung: Nilufar K. Münzing. Bühnenbild und Kostüme: Uta Gruber-Ballehr. Licht: Jo Hübner. Dirigent: Tonio Shiga. Floria Tosca: Irina Solomatina Tissot. Cavaradossi: Andreas Stauber. Scarpia: Tibor Brouwer. Caecilia Angelotti: Stephanie Firnkes. Spoletta: Adrian Sandu. Mesner, Scarrione, Schliesser: Philipp Gaiser.

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Vorschau: Nicole C. Vosseler – In dieser ganz besonderen Nacht

Am 25.Februar erscheint der neuer Roman von Nicole C. Vosseler In dieser ganz besonderen Nacht. Ich bin schon sehr gespannt auf diese

hinreißende romantische Geistergeschichte

Und darum gehts:

Nach dem Tod ihrer Mutter muss Amber, die in einer deutschen Kleinstadt gelebt hat, nach San Francisco ziehen – zu ihrem Vater, den sie kaum kennt. Sie fühlt sich einsam und verlassen. Eines Abends begegnet sie dort in einem leer stehenden Haus Nathaniel, einem seltsam gekleideten Jungen. Er scheint der Einzige zu sein, der sie versteht. Aber er bleibt merkwürdig auf Distanz. Als Amber den Grund dafür erfährt, zieht es ihr den Boden unter den Füßen weg: Nathaniel stammt aus einer anderen Zeit und die beiden können niemals zusammenkommen. Doch in einer ganz besonderen Nacht versuchen die beiden das Unmögliche …

Hier gehts zur Leseprobe und einen schönen Trailer gibt es auch dazu

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Die Zauberflöte, 23.12.2012 19:00 Uhr, Staatsoper Hamburg

Die Zauberflöte TheaterzettelVier Zauberflöteninszenierungen habe ich bisher gesehen, und diese hier war mit Abstand die Schlechteste.
Ein Tamino, der auf Großwildjagd ist und mit seinem Gewehr gleich mal ins Publikum zielt. Das geht gar nicht, wirklich! Und warum erschießt er die Schlange dann nicht gleich, verdammt noch mal? Dann wäre uns der Rest dieses zumindest szenisch verschwendeten Abends erspart geblieben. Da wurde echt nichts ausgelassen, was an Geschmacklosigkeiten zu bieten war. Eine drei Meter hohe Königin der Nacht, die neckisch mit dem schlecht nachgebildeten Füßchen kokettiert. Ein noch größerer Sarastro, der so auf der Hinterbühne platziert war, das man ihn sicher aus dem zweiten Rang schon nicht mehr richtig sehen konnte. Was ich im vierten Rang erkennen konnte, war eine große, missgebildete Hand, in der offensichtlich ein Mensch steckte. Daumen und Zeigefinger sind nunmal nicht gleich lang, auch wenn sie von den Armen eines Menschen dargestellt werden. Ansonsten war das ganze sterbenslangweilig. Keine Komik, die ja durchaus in der Zauberflöte auch vorhanden ist. Nur Schenkelklopferhumor wie bei dem erwähnten Füßchen der Königin der Nacht. Einzig die schauspielerischen Leistungen der Sänger brachten Emotionen in das Stück. Der Regisseur Achim Freyer versuchte besser zu sein als die Musik, aber Mozart setzt sich halt überall durch. Warum man eine solche Geschmacksverirrung 30 Jahre auf dem Spielplan behält, verstehe ich nicht. Man kann nur hoffen, dass sich die Staatsoper Hamburg demnächst mal eine Neuinszenierung gönnt. Auf der Homepage der Staatsoper Hamburg steht bei dieser Vorstellung “Letzte Aufführung”, man darf also vielleicht hoffen.
Musikalisch war es ein hingegen ein guter Abend. Ich war ja eigentlich wegen Peter Sonn auf diese Zauberflöte aufmerksam geworden, der an diesem Abend den Tamino singen sollte und den ich noch aus seiner Zeit am Münchner Gärtnerplatztheater in guter Erinnerung hatte. Leider, es ist Winter, es ist kalt, musste er erkrankungsbedingt absagen. Martin Homrich vertrat ihn jedoch gut. Für mich die beste des ganzen Abends war Christiane Karg als Pamina. Eine wunderbare Innigkeit bei Ach, ich fühls und auch sonst glänzte sie in ihrer Rolle. Mandy Fredrich sang eine ganz ausgezeichnete Königin der Nacht und der Sarastro von Wilhelm Schwinghammer gefiel mir gut – die Stimme, nicht das sogenannte Kostüm, wohlgemerkt. Positiv durch seine Textverständlichkeit ist mir auch Chris Lysack als Monostatos aufgefallen. Gregor Bühl leitete das Orchester souverän und mit guter Rücksichtnahme auf die Sänger.
Szenisch zum Davonlaufen, Musikalisch gut – nach der altbackenen Traviata in 2008 konnte mich die Staatsoper Hamburg wieder nicht überzeugen.

Musikalische Leitung Gregor Bühl; Chor Christian Günther; Sarastro Wilhelm Schwinghammer; Tamino Martin Homrich; Pamina Christiane Karg; Sprecher Jan Buchwald; Priester Manuel Günther; Königin der Nacht Mandy Fredrich; Erste Dame Katja Pieweck; Zweite Dame Maria Markina; Dritte Dame Renate Spingler; Papageno Moritz Gogg; Papagena Solen Mainguené; Monostatos Chris Lysack; Erster Geharnischter Jürgen Sacher; Zweiter Geharnischter Szymon Kobylinski; Drei Knaben Solisten des Tölzer Knabenchors; Orchester Philharmoniker Hamburg

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