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Uraufführung Gefährliche Liebschaften, 22.02.2015, Gärtnerplatztheater (im Cuvilliéstheater)

[singlepic id=2072 w=320 h=240 float=left]Eine berühmte Romanvorlage und bekannte Adaptionen machen eine Neuinterpretation schwierig. Das Team um Regisseur Josef Köpplinger konnte mit der Uraufführung des Musicals Gefährliche Liebschaften trotzdem neue Akzente setzen.

Die Marquise de Merteuil ist eine Meisterin im Intrigenspiel um Macht und Sex. Sie möchte, dass der Vicomte de Valmont eine ehemalige Klosterschülerin verführt, die kurz vor der Heirat mit einem Grafen steht. Dieser war einst der Liebhaber der Marquise und hatte sie verlassen, das hat sie ihm nicht verziehen. Doch Valmont ist hinter der prüde-verschlossenen Madame de Tourvel her, ihre Eroberung sieht er als sein Meisterstück. Sollte ihm dies gelingen, winkt ihm als Belohnung eine Liebesnacht mit der Marquise, die gegen ihn gewettet hat. Anfangs läuft alles nach Plan, aber als Valmont sich in Madame de Tourvelle verliebt, wenden sich die Intrigen der Marquise gegen sie selbst.

[singlepic id=2073 w=320 h=240 float=right]Dass das Stammhaus am Gärtnerplatz mittlerweile seit fast drei Jahren geschlossen ist, bedeutet Unannehmlichkeiten, aber auch Chancen. Die Musicaluraufführung von Gefährliche Liebschaften im wundervollen Rokokoambiente des Cuvilliéstheaters spielen zu können, ist definitiv eine. Die aufwendigen Kostüme von Alfred Mayerhofer passen perfekt in die Zeit und lassen ein Gefühl für die Zeit aufkommen. Die Bühne von Rainer Sinell ist schon fast sensationell in ihrem raffnierten Understatement: eine Treppe, ein Podest, ein riesiger Spiegel und ein paar wechselnde Möbel auf einer Drehbühne lassen vom Opernhaus über ein intimes Bouduoir bis hin zum Nonnenkloster alles entstehen. Das Podest ist wirklich genial: der Boden wechselt immer wieder, schachbrettartige Fliesen, fließender Stoff, Blätter und rinnendes Blut werden passend zur jeweiligen Handlung angezeigt. Zusammen mit dem Spiegel, der beweglich ist und in verschiedene Höhen und Neigungswinkel gefahren werden kann, ergeben sich je nach Sitzposition des Betrachters verschiedene faszinierende Einblicke. Das Licht von Michael Heidinger und Regisseur Josef Köpplinger ist sehr athmosphärisch.

[singlepic id=2056 w=320 h=240 float=left]Zusammen mit seinem Co-Regisseur und Choreograf Adam Cooper gelingt letzterem eine überzeugende Umsetzung des bekannten Stoffes. Es passiert sehr viel auf der Bühne, so dass man schon sehr genau oder am Besten mehrfach hinschauen muss, um alles mitzubekommen. Manches passiert sogar gleichzeitig, da wird ein Brief geschrieben und gelesen, in einem Zug oder nahtlos ineinander übergehend. Briefe spielen natürlich eine große Rolle, ist doch die literarische Vorlage von Choderlos de Laclos ein Briefroman. Als besonders beeindruckend empfand ich die Szene, als die Briefe der Marquise vom Himmel fallen und einer mit ein bisschen Verzögerung schon fast majestätisch zu Boden schwebte. Die Regie arbeitet die Figuren sehr gut heraus, vor allem der Wandel der Madame de Tourvel von der zurückhaltenden, fast schon vergeistigten Prüden zur rückhaltlos verfallenen Liebenden war gut nachvollziehbar. Und ja, es gibt einigen Sex in diesem Stück, schließlich gehts ja darum. Aber er ist immer mit Gefühlen verbunden – Gier, Liebe, Hass – so dass man das Gefühl hat, die Darstellung gehört

[singlepic id=2049 w=320 h=240 float=right]Das Libretto von Wolfgang Adenberg bietet eine ansprechende Umsetzung des Stoffes, er hält die Spannung den ganzen Abend. Die Musik von Marc Schubring erschließt sich so richtig leider erst beim mehrfachen Hören. Sein Anspruch, sie von Parfüm zu Gift zu verwandeln, hat zur Folge, dass bis kurz vor der Pause kein einziger wirklich eingängiger Song dabei ist, allerdings dreht er dann mit Valmonts Allmächtig auch mächtig auf. Nach der Pause beginnt das Gift zu wirken und das Erzähltempo wird schneller und die Melodien eingängiger. Das Orchester unter Andreas Kowalewitz arbeitete feinste Klangnuancen heraus, die dem Stück Tiefe verliehen. Die Sänger überzeugten in ihren jeweiligen Rollen, sie spielten sehr expressivund leidenschaftlich und sangen auch ganz hervorragend.

Standing Ovation für eine gelungene Uraufführung eines Musicals, das die deutsche Musiktheaterlandschaft bereichert.

Musik von Marc Schubring, Buch und Liedtexte von Wolfgang Adenberg. Nach dem Roman von Choderlos de Laclos. Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz, Regie Josef E. Köpplinger, Choreografie u. Co-Regie Adam Cooper, Bühne Rainer Sinell, Kostüme Alfred Mayerhofer,Licht Michael Heidinger / Josef E. Köpplinger, Video Raphael Kurig / Thomas Mahnecke, Dramaturgie Michael Otto

Marquise de Merteuil Anna Montanaro, Vicomte de Valmont Armin Kahl, Madame de Tourvel Julia Klotz, Cécile de Volanges Anja Haeseli, Chévalier de Danceny Florian Peters, Madame de Rosemonde Gisela Ehrensperger, Madame de Volanges Carin Filipčić, Azolan Erwin Windegger, Joséfine de Fontillac / Madame Gérard u. a. Anna Thorén, Émilie / Nonne u. a. Nazide Aylin, Julie u. a. Evita Komp, Christine / Opernsängerin u. a. Eva Aasgaard, Victoire u. a. Johanna Zett, Prévan u. a. Carl van Wegberg, Belleroche / Gérard u. a. Peter Neustifter, Jean / Comte de Gercourt u. a. Jörn Linnenbröker, Steuereintreiber / Priester u. a. Florian Hackspiel, Statisterie und Kinderstatisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Dauer 2 Stunden 45 Minuten, Altersempfehlung ab 15 Jahre

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Premiere Cabaret, 21.02.2013, Gärtnerplatztheater (in der Reithalle) – Nachtkritik

[singlepic id=1466 w=320 h=240 float=left]Der Interpretationsansatz von Regisseur Werner Sobotka konnte mich trotz einiger sehr starker Szenen nicht immer überzeugen, aber eine fantastische Nadine Zeintl in der Rolle der Sally Bowles und Münchner Publikumslieblinge Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner als Fräulein Schneider und Herr Schultz machen den Abend zu einem Erlebnis.

Als das Musical Cabaret am 20.11.1966 am New Yorker Broadhurst Theatre Premiere feierte, stellte es etwas Besonderes dar. Die Geschichte war anspruchsvoll und die dafür geschriebene Musik war spezifisch, in diesem Fall repräsentierte sie die frühen Dreißiger Jahre in Berlin. Anders als in den restlichen Großstädten Europas tobte hier das pralle Leben, man genoss den Augenblick und dachte nicht an den Morgen. Nachtclubs schossen aus dem Boden und verschwanden wieder, die Prostitution blühte und das Erstarken der Nazis überzog alles mit einem dunklen Schatten.

Christopher Isherwoods Novelle Goodbye to Berlin wurde von John Van Druten in das Theaterstück I am a camera adaptiert, auf dem wiederum das Musical beruht. Der Titel des Theaterstück trifft die Erzählweise sehr gut, denn es sind nur Momentaufnahmen, die hier präsentiert werden, es wird nur registriert und nicht kommentiert. Der Produzent Harold Prince kaufte die Rechte an Isherwoods und Van Drutens Werken und beauftragte Joe Masteroff mit der Umsetzung, später kamen noch John Kander und Fred Ebb dazu, die heute allgemein als Schöpfer des Musicals gelten. Vor allem das 1987er Broadway Revival brachte einige Änderungen mit, so kam der weltbekannte Song Money dazu. Der gleichnamige Film von 1972, der allerdings nur lose auf dem Musical beruht,  machte die junge Liza Minelli weltberühmt.

Clifford Bradshaw ist ein junger amerikanischer Schriftsteller, der nach Berlin auf der Suche nach Inspiration kommt. Im Zug aus Paris trifft er auf Ernst Ludwig, der ihm hilft, ein billiges Zimmer zu finden und ihm für den bevorstehenden Silvesterabend den Kit-Kat-Club empfiehlt. Clifford bekommt tatsächlich ein Zimmer in der Pension von Fräulein Schneider, einer ältlichen Jungfer, die Zimmer vermieten muss, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Herr Schultz, ein älterer jüdischer Obsthändler und die Prostituierte Fräulein Kost wohnen ebenfalls dort. Den Abend verbringt er tatsächlich in dem Club und trifft dort auf Sally Bowles, eine junge Sängerin aus England. Die Nummern werden von einem Conférencier angesagt, der auch später immer wieder auftaucht. Am nächsten Tag erscheint Sally bei Cliff in der Pension, ihr Geliebter und Betreiber des Clubs Max hat sie hinausgeworfen, und zieht bei ihm ein. Monate später besteht dieses Arrangement immer noch, Sally und Cliff haben sich ineinander verliebt. ALs Sally bemerkt, dass sie schwanger ist aber nicht sicher sagen kann, ob Cliff der Vater ist, bestärkt dieser sie darin, das Baby zu bekommen und mit ihm eine Familie zu gründen. Herr Schultz macht Fräulein Schneider den Hof und wird von Fräulein Kost dabei erwischt, wie er das Zimmer seiner Vermieterin verlässt. Um den Schein zu wahren, erzählt er ihr, dass er und Fräulein Schneider bald heiraten werden. Die Vermieterin verbietet der Prostituierten, ihre Kunden mit aufs Zimmer zu nehmen und als Rache verrät diese Ernst Ludwig, der mittlerweile offen als Nazi auftritt, dass Herr Schultz Jude ist. Unter dem Druck der aufkommenden Herrschaft der Nazis sieht sich Fräulein Schneider gezwungen, die Verlobung wieder zu lösen. Cliff sieht die drohende Gefahr und möchte das Land verlassen, Sally möchte jedoch ihre Karriere im Nachtclub fortsetzen. Es kommt zum Bruch und Sally treibt das Kind ab. Sie singt im Club Life is a cabaret während Clifford im Zug sitzt und beginnt, seine Erinnerungen aufzuzeichnen.

[singlepic id=1465 w=320 h=240 float=right]Das Gärtnerplatztheater  präsentiert das Musical in der sogenannten Reithalle, ein Spielort, der leider zu wünschen übrig lässt. Der Vorraum ist sehr klein, bei ausverkauftem Haus staut sich das Publikum beim Verlassen über Treppen bis in den Zuschauerraum zurück. Es ist auch alles offen, bei ruhigen Szenen stört das Klirren der Flaschen von der Gastronomie. In der Halle ist es sehr warm und die unbequemen Plastikstühle tragen dazu bei, dass ich am Ende zumindest auf der Rückseite total nassgeschwitzt war. Zudem gibt bei den Stühlen bei einem Schwergewicht wie mir die Lehne nach, was zu einer sehr ungemütlichen Sitzposition führt. Mich lädt das nicht zu wiederholten Besuchen ein.

Die Bühne ist etwas zweistöckig mit der Band oberhalb der Spielfläche, davor sind versenkt Tische platziert, an denen Zuschauer sitzen können. Leider ist die Bühne nicht erhöht und die Zuschauerreihen steigen erst ab der vierten Reihe an, so dass ich in selbst in der zweiten Reihe keine freie Bühnensicht hatte. Das Bühnenbild (Amra Bergman-Buchbinder) ist spartanisch, aber sehr wandlungsfähig. Zwei Spiegelwände können mal geöffnet, mal geschlossen werden und zeigen mal den Kit-Kat-Club, mal Cliffs Zimmer oder die Eingangshalle in der Pension, mal den Obstladen von Herrn Schultz. Ein paar Stühle halten für alles her und werden schon mal zum Bett. Das engt die Fantasie nicht ein und passt in den zeitlichen Kontext ebenso wie die Kostüme von Elisabeth Gressel. Die Choreografie von Ramesh Nair ist schwungvoll und hat starke Momente. Das Licht (Michael Heidinger) besticht vor allem in den Clubszenen.

Der Kit-Kat-Club ist ein schäbiger Nachtclub und schäbig sind  auch seine Angestellten. Die Mädels treten in ausgeleierter Unterwäsche auf und auch die Jungs zeigen viel nackte Haut und Tattoos. Der Regisseur Werner Sobotka sagte in der Einführung, es soll ein Club sein, in den man nicht gerne geht, und das ist ihm wahrlich gut gelungen. Dieses ständige Betatschen männlicher und weiblicher Geschlechtsorgane und die stilisierten Geschlechtsakte sind weder antörnend noch erotisch, sondern einfach nur abstoßend. Das ist nicht lasziv, sondern schlicht ordinär. Ich kann zwar verstehen, was damit bezweckt werden soll, aber es gefällt mir nicht, und das wirkt sich leider auf das gesamte Stück aus. Und wenn sich der Conférencier bei „Gentlemen“ in den Schritt greift, hat das nach dem zweiten Mal jeden Reiz verloren. Ob das wirklich das Lebensgefühl der Zeit, in der Cabaret angesiedelt ist, wiederspiegelt, bezweifle ich. Hier wurde übers Ziel hinausgeschossen, ebenso wie bei der Figur der Sally Bowles. So aufgedreht kann man doch nur unter schweren Drogen sein, oder? Aber wenn ich das richtig gesehen habe, schnupft sie ja in einer Szene Kokain. Mir ging sie jedenfalls mächtig auf den Keks und ich konnte bis zum Schluss, in der sie eine wirklich berührende und sehr starke Szene hatte, kein Mitleid für sie haben. Auch Ernst Ludwig, den Nazi, fand ich zu keinem Zeitpunkt sympathisch. Gleich zu Anfang schiebt er seinem Mitreisenden gefährliches Gepäck unter, wie kann ich so jemanden sympathisch finden? Irgendwie war mir das alles zu überdreht, zu laut und damit meine ich nicht die Band, die unter Andreas Kowalewitz am Klavier wirklich hervorragend war. Bacchantisch sollte der Conférencier sein, für mich war er einfach nur eine traurige Gestalt. Dabei ist Markus Meyer, der durch eine Erkältung gehandicapt war, was man aber nicht hörte, sehr ausdrucksstark und könnte meiner Meinung nach der Figur noch mehr Tiefe geben. Er tritt in einer Szene als Sally-Double auf, das ist schon genial.

Stark war auch das Ende der Verlobungsfeier, hier fühlte ich wirklich die Bedrohung, die von den Nazis ausgeht und sich wie ein Schatten über die Menschen legt. In diesem Stück verwandelt sich vieles, vom bezaubernd vorgetragenen Der morgige Tag ist mein durch den Hitlerjungen (überragend Felix Nyncke) zum fast schon Kampflied, angeführt von Fräulein Kost und Ludwig Ernst. Da wird aus dem  leichten Tanztee ein stampfender Rhythmus und aus den Girls marschierende Soldaten. Absolut fantastisch war die letzte Szene der Sally Bowles, als sie frisch von der Abtreibung kommt. Nadine Zeintl spielt absolut grandios und sie singt, dass man die Tränen in ihrer Stimme hört. Die junge Österreicherin schafft die ganze Bandbreite von dem mädchenhaften, leider etwas zu überdrehten Sags nicht Mama über ein zackiges Mein Herr zu einem intensivem Maybe this time. Sie ist ein Ausnahmetalent, das ich gerne öfter auf Münchner Bühnen sehen würde. Mit Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner stehen ihr zwei in München wohlbekannte und beliebte Sänger zur Seite, die das zweite tragische Paar wirklich ganz bezaubernd verkörpern. Dominik Hees wirkt als Clifford Bradshaw sehr authentisch, kein Wunder, er ist ja auch erst 23 Jahre alt. Überhaupt passen die zwei Paare wirklich ganz ausgezeichnet zusammen. Julia Leinweber als Fräulein Kost, Jens Schnarre als Ernst Ludwig und Alex Frei in verschiedenen Rollen komplettierten das wirklich hervorragend besetzte Ensemble.

Ich habe mindestens einen weiteren Besuch geplant, ich glaube, es könnten auch noch mehr werden, der unschönen Spielstätte zum Trotz. Die abstoßenden Effekte werden sich abnutzen und was bleibt, ist ein großartiges musikalisches Erlebnis. Das Premierenpublikum feierte das Ensemble frenetisch und auch das Regieteam wurde heftig beklatscht. Wenn man nicht leicht zu schockieren ist, ein sehr sehenswerter Abend.

Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz / Regie Werner Sobotka / Choreografie Ramesh Nair / Bühne Amra Bergman-Buchbinder / Kostüme Elisabeth Gressel / Lichtdesign Michael Heidinger / Dramaturgie Judith Altmann / Conférencier Markus Meyer / Sally Bowles Nadine Zeintl /  Cliff Bradshaw Dominik Hees / Fräulein Schneider Gisela Ehrensperger / Herr Schultz Franz Wyzner / Ernst Ludwig Jens Schnarre / Fräulein Kost, Rosi Julia Leinweber / Fritzi Anita Holm / Helga Alixa Kalasz / Inge Maren Kern / Betti Maxi Neuwirth / Max, Hermann, Gorilla Alex Frei / Bobby Timo Radünz / Hans, Zollbeamter Thomas Zigon / Viktor Maximilian Widmann / Two Ladies Anita Holm, Timo Radünz / Hitlerjunge Felix Nyncke

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