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Heute hier, morgen dort – Abschiedsgala, 22.04.2012 (20.00 Uhr), Gärtnerplatztheater

[singlepic id=1308 w=320 h=240 float=left]Selten hat ein Songtext auf eine Situation besser gepasst als dieser. Es war ja nicht nur ein Abschied von einem liebgewordenen Haus, sondern auch von vielen liebgewordenen Menschen. Meine Theaterleidenschaft begann im Mai 2007 und so konnte ich an diesem Abend viele Stücke noch mal Revue passieren lassen. In diesem Haus habe ich gelernt zu sehen, zu hören, zu fühlen und Gefühle zuzulassen. Ich bin sehr dankbar, dass ich so viel Neues kennenlernen durfte. Ich werde sicher noch viele Jahre davon profitieren.

Die musikalische Leitung dieses Galaabends hatten Lukas Beikircher, Andreas Kowalewitz, Jörn Hinnerk Andresen und Liviu Petcu inne. Die meisten Stücke wurden vom Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz begleitet, das damit mal wieder seine Vielseitigkeit und Ausdauer unter Beweis stellte. Die Choreografie des TTM stammte von Hans Henning Paar, der Chor wurde von Jörn Hinnerk Andresen einstudiert, die wahrlich nicht leichte Aufgabe der Programmkoordination hatte Gabriele Brousek zu bewältigen. Für die szenische Einrichtung und Spielleitung zeichnete Thomas Schramm verantwortlich, am Inspizientenpult saß Andreas Ehlers. Rolf Essers beleuchtete ganz ausgezeichnet und Dirk Buttgereit und Daniel Ployer betreuten den Ton hervorragend.

Der Abend begann mit einem Stück, mit dem ich auch meine erste aktive Erinnerung an das schönste Theater Münchens verbinde. Irgendwann in den Neunzigern hatte ich hier eine MY FAIR LADY gesehen und bis heute ist es eines meiner Lieblingsstücke. Marianne Larsen, die die Rolle der Eliza lange hervorragend verkörpert hat, trat im Kostüm ihrer anderen Glanzrolle auf: Mrs Lovett aus SWEENEY TODD. In diesen beiden Partien konnte sie ihr großartiges Musicaltalent voll ausspielen, wollte man mehr davon sehen, musste man ziemlich weit nach Osten fahren. Sie bot ihrer würdigen Rollennachfolgerin Milica Jovanovic dann auch Pasteten an, die erste war voll Alkohol (was da wohl drin war 😉 ), die letzte war marode und das war natürlich ganz klar das Gärtnerplatztheater. Unterstützt wurden die beiden von Sebastian Campione, Cornel Frey, Hans Kittelmann, Holger Ohlmann und dem Herrenchor.

Nach einem Prolog von Thomas Peters ging es weiter mit dem Überraschungserfolg DIE PIRATEN VON PENZANCE von Gilbert & Sullivan. Diese Stück hat bei mir das Interesse für die Musik des genialen Duos geweckt und seitdem beschäftige ich mich intensiv damit. Wenn das Kampfsignal ertönt schmetterten Thérèse Wincent, Frances Lucey, Ulrike Dostal, Martin Hausberg, der Chor und die Bobbies tanzten ein letztes Mal dazu. Als Schmankerl folgte dann noch das beliebteste Terzett im G&S-Kanon, Als Du uns schnöd verlassen hast, wie immer hinreißend vorgetragen von Rita Kapfhammer, Holger Ohlmann und Robert Sellier.

Sandra Moon sang Tschaikowsky, begleitet von Andreas Kowalewitz, und Neel Jansen und David Valencia zeigten Twin Shadow aus AUGENBLICK VERWEILE. Und weil so ein Dirigent auch wieder von der Bühne in den Graben muss, suchten in der kleinen Pause bis zum nächsten Stück drei fesche Herren im Bademantel die Sauna.

Das Warten hatte sich gelohnt, denn als nächstes stand Gary Martin mit To dream the impossible Dream aus DER MANN VON LA MANCHA an. Schade, dass ich das Stück nie live gesehen habe. Sebastian Campione brachte danach das Haus zum Kochen mit einer extralangen Version seiner Beatbox aus VIVA LA MAMMA. Im Anschluss unterlegte er dann auch noch den etwas abgewandelten Küchenrap aus der OMAMA IM APFELBAUM rhythmisch. Thérèse Wincent und Susanne Heyng zeigten nochmals, dass sie es drauf haben.

Der Chor sang danach Universal Good aus CANDIDE, noch ein Stück, bei dem ich mich ärgere, es nicht gesehen zu haben. Der nächste Programmpunkt, angekündigt durch Hans Henning Paar und Ursula Pscherer, hatte einige interessante Komponenten: konzipiert und einstudiert wurde das Stück von Artemis Sacantanis, ehemalige Solotänzerin und nun Probenleiterin am Haus. Ihr zur Seite standen ehemalige Tänzer des Gärtnerplatztheaters, die jetzt in anderen Berufen am Haus, zum Beispiel Orchesterwart, Probenleiterin oder Leiterin der Kinderstatisterie beschäftigt sind. Ihre Wandlung von „Auf der Bühne“ zu „Hinter der Bühne“ drückte sich sehr schön im Titel inVISIBLEs aus.

Thomas Peters, der am Haus in vielen, vielen Rollen glänzte (unter anderem Freddie in MY FAIR LADY, Dirigent in ORCHESTERPROBE, Toby in SWEENEY TODD und ganz besonders Frosch in der FLEDERMAUS) erinnerte nochmal an sein bezauberndes Stück SHOCKHEADED PETER mit dem Song Der fliegende Robert. Leider habe ich es nur einmal gesehen, anfangs war ich noch nicht ganz so süchtig, zuletzt war ich ja durchschnittlich an vier Abenden in der Woche im Gärtnerplatztheater. Ursache dafür war die Vielfalt und das interessante Programm des Hauses – und das wunderbare Ensemble.

Sehr bewegend war auch der persönliche Abschied von Gunter Sonneson mit Hier im Grandhotel. Ich bin sehr froh, diesen Ausnahmekünstler noch fünfmal als John Styx in ORPHEUS IN DER UNTERWELT erleben zu dürfen. Halt nur leider nicht in München, sondern in Heilbronn.

Im letzten Stück vor der Pause hatten die drei Herren endlich die Sauna gefunden. Das Schiff aus der L’ITALIANA IN ALGERI ist zwar schon vor ein paar Wochen gesunken, aber die beliebteste Szene hatte man offensichtlich retten können. Für Publikumsliebling Stefan Sevenich natürlich ein Heimspiel, für seine beiden Begleiter Cornel Frey und Juan Fernando Gutiérrez hätte ich mir jedoch einen etwas „würdigeren“ Abschied gewünscht.

Zu Beginn des zweiten Teiles erinnerten das Preludio und die Arie Tu del mio Carlo al seno, wunderbar vorgetragen von Elaine Ortiz Arandes, an die sehr gelungene Inszenierung von I MASNADIERI. Das Schlussbild von HÄNSEL UND GRETEL gibt zwar einen wunderbaren Auftritt des Kinderchores her, aber die Solisten Rita Kapfhammer, Ann-Katrin Naidu, Thérèse Wincent und Gary Martin standen etwas verloren herum. Ich kann nur hoffen, dass diese zauberhafte Produktion wiederaufgenommen wird und nicht zu Gunsten einer Eurotrashregie in der Versenkung verschwindet. Das Balkon-Duett aus ROMEO UND JULIA wurde von Hsin-I HUANG und Marc Cloot sehr ansprechend getanzt, wenn mal keine Blätter auf der Bühne rascheln oder unaufhörlich Schnee fällt, gefällt mir moderner Tanz sogar fast.

Der scheidende Staatsintendant Dr. Ulrich Peters hielt eine persönlich gehaltene Abschiedsrede und ich kann mich seinen Worten nur anschließen: das Ensemble in Zeiten der Heimatlosigkeit aufzulösen ist in meinen Augen ein schwerer Fehler. Damit und mit der anscheinend unvermeidlichen Ablösung des im Stadtbild mittlerweile fest verankerten Logos nimmt man der Institution zumindest einen Teil ihrer Identität.

Im Anschluss sangen Franziska Rabl und Ella Tyran mit Unterstützung des Chores die Barcarole aus HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN, auch ein Stück, dass schon länger zurück liegt und das ich nicht gesehen habe. Im FREISCHÜTZ war ich trotz der schrecklichen Inszenierung ziemlich oft, was für die Qualität der Sänger spricht. Christina Gerstberger und Sandra Moon sangen das Duett Ännchen-Agathe vom Beginn des zweiten Aktes. Das Duett Hans-Kezal gehört zu meinen Lieblingsstücken aus DIE VERKAUFTE BRAUT und es war schön, Derrick Ballard und Tilmann Unger damit noch einmal zu hören. Es folgte das Quintett aus der ZAUBERFLÖTE, gesungen von Sandra Moon, Ann-Katrin Naidu, Franziska Rabl, Daniel Fiolka und Robert Sellier. Danach kam noch ein Ausschnitt aus AUGENBLICK VERWEILE und da war ich dann doch ganz froh, dass ich es nicht gesehen habe, denn bei so schnell vorbeihuschenden Szenerien wird’s mir immer schlecht, ganz abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, was im Kreis laufen mit modernem Tanz zu tun hat.

Im Anschluss gabs noch das schöne Duett Marie-Wenzel aus DIE VERKAUFTE BRAUT, Stefanie Kunschke und Hans Kittelmann wären auch ein prächtiges Paar gewesen, wenn sie sich nicht jeweils anders entschieden hätten. Der Weibermarsch aus DIE LUSTIGE WITWE machte nochmal so richtig Laune. Daniel Fiolka, Sebastian Campione, Mario Podrečnik, Robert Sellier, Gunter Sonneson, Tilmann Unger und Martin Hausberg mussten sich mit der geballten Weiblichkeit des Theaters zu einer schönen Choreographie von Fiona Copley auseinandersetzen. Thomas Peters hatte noch einen allerletzten Auftritt als Frosch, seine Paraderolle, bevor mit Tutto nel mondo è burla (Alles ist Spaß auf Erden) aus FALSTAFF ein positiver Schlusspunkt gesetzt wurde. Heike Susanne Daum, Sandra Moon, Christina Gerstberger, Ella Tyran, Ann-Katrin Naidu, Franziska Rabl, Gregor Dalal, Martin Hausberg, Hans Kittelmann, Gary Martin, Mario Podrečnik, Robert Sellier und der Chor machten Lust auf die nächste Premiere am 18.05., dann im Prinzregententheater. Am Ende winkten Publikum und Ensemble sich gegenseitig mit weißen Taschentüchern zu und nicht nur bei mir flossen ein paar Tränen.

Mir bleibt nur Danke zu sagen. Danke an alle Beschäftigten des schönsten Theaters Münchens, die für mich die letzten fünf Jahre zu etwas ganz Besonderem gemacht haben. Ich werde die Erinnerung an diese Zeit immer in einer ganz speziellen Stelle meines Herzens bewahren. Danke für viel Heiterkeit und viele Tränen. Danke für emotionale, aufwühlende Stunden und für Lehrreiches.

Danke für so viel Schönes, liebes Gärtnerplatztheater.

 

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Premiere Ein Maskenball, 20.04.2012, Südthüringisches Staatstheater Meiningen

Riccardo liebt Amelia, die Frau seines besten Freundes und Ratgebers. Die liebt ihn zwar auch, fühlt sich aber an ihr Eheversprechen gebunden. Um sich diese verbotene Liebe auszutreiben, sucht sie den Rat der Wahrsagerin Ulrica. Diese empfiehlt ihr ein bestimmtes Kraut, das um Mitternacht am Galgenberg gesammelt werden müsste. Die verängstigte Amelia macht sich auf und wird beim Pflücken des Krautes von Riccardo bedrängt. In diese Situation platzt Renato, der erst mal seine Frau für schuldig hält und sie umbringen will. Er überlegt es sich aber dann doch anders und verbündet sich mit Verschwörern, die Riccardo schon lange nach dem Leben trachten. Auf einem Maskenball sticht er Riccardo nieder, der inzwischen aber erkannt hat, dass es falsch ist, sich in die Ehe der beiden hineinzudrängen. Riccardo stirbt, nachdem er Renato davon überzeugt hat, dass sich Amelia nichts zu Schulden hat kommen lassen. Renato seinerseits wird von seinen Mitverschwörern als unliebsamer Zeuge ebenfalls getötet.

Verdi wollte ursprünglich das Attentat auf den schwedischen König Gustav III 1792 auf einem Maskenball in dieser Oper behandeln, dies wurde ihm jedoch weder in Neapel noch in Rom gestattet. Während die Zensur in Neapel die Oper komplett umschreiben wollte, begnügte man sich in Rom mit einer Umbenennung der Protagonisten und der Verlegung der Handlung von Stockholm nach Boston. In neuerer Zeit wird die Oper gerne wieder in ihrer ursprünglichen Fassung gespielt.

Regisseur Ansgar Haag entschied sich für die Bostoner Fassung. Mir erschien es etwas surreal, dass eine Oper von Verdi in Amerika spielt, aber es fühlte sich richtig an. Laut seiner Inhaltsangabe spielt das Stück 1862. Das prächtige Bühnenbild und die historischen Kostüme von Klaus Hellenstein verdeutlichen diese Zeitangabe, bei der Ausstattung sind jedoch ein paar kleine Fehler unterlaufen. So wies die Flagge Amerikas zu diesem Zeitpunkt erst 33 Sterne auf und damit deutlich weniger als die auf den verteilten Jubelfähnchen. Die Freiheitsstatue, die hier als Losurne benutzt wird, wurde erst 1886 eingeweiht. Solche Details mögen bedeutungslos erscheinen, lenken mich aber ab, weil ich dann während des Stückes darüber nachdenke. Ansonsten hat mir die Regie aber sehr gut gefallen, für mich war alles schlüssig. Besonders interessant fand ich den Einfall, den Pagen Oscar, normalerweise eine Hosenrolle für eine Sopranistin, als Frau zu konzipieren, die hoffnungslos in Riccardo verliebt ist.

Musikalisch war dieser Abend ein Hochgenuss. Xu Chang sang den Riccardo fabelhaft und überzeugte mich besonders in der Sterbeszene. Dae-Hee Shin als Renato klang fast überirdisch schön, ich kannte die Musik vorher zwar nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Arien inniger und berührender singen kann. Bettine Kampp ging ganz in der Rolle der Amalia auf und Sonja Freitag überzeugte als Oscar auf der ganzen Linie. Francis Bouyer (Silvano) und Stephanos Tsirakoglou (Samuel) fielen mir in ihren Partien positiv auf. Einen Glanzpunkt setzte, wie schon so oft, Rita Kapfhammer in der Rolle der Wahrsagerin Ulrica. Bei ihr kommen eine starke Bühnenpräsenz und eine Stimme mit großer Ausdruckskraft und schier unglaublichem Umfang zusammen. Gesungen wurde übrigens, trotz des deutschen Titels, in Italienisch. Der Chor sang und spielte ebenfalls hervorragend. Das Orchester unter Alexander Steinitz brachte Verdi zum Glänzen. Am Ende euphorischer Jubel für alle Beteiligten.

Ein Abend, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

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Von Frauen, Liebe und Leben, 15.04.2012, Gärtnerplatztheater

Robert Schumanns Liedzyklus Frauenliebe und -leben beschreibt ein für die Romantik wohl typisches Frauenleben von der ersten Liebe bis zum Tod des Ehemannes. Er erfordert von der Sängerin viel stimmliches Ausdrucksvermögen, um die verschiedenen Emotionen von Verliebtheit bis Trauer gut transportieren zu können. Wer jemals Rita Kapfhammer live auf der Bühne erlebt hat, weiß, dass ihr dieser Zyklus quasi auf den Leib geschrieben ist. Von Henning Kussel am Flügel wurde sie einfühlsam begleitet.

Danach sang Stefanie Kunschke Vier Lieder op. 2 von Arnold Schönberg. Ich bin ja nicht so der Experte im Liedgesang, also genauer gesagt eigentlich blutige Anfängerin, aber mir hat der klare Sopran von Frau Kunschke in diesen Liedern ausgesprochen gut gefallen. Weiter ging es nach der Pause mit Sechs deutsche Lieder op. 48 von Edvard Grieg, ebenfalls von Stefanie Kunschke gesungen. Auch hier überzeugte sie mich mit ihrem einfühlsamen und doch ausdrucksstarken Gesang.

Das Schmankerl des Abends hatten sich die beiden Sängerinnen jedoch bis zum Schluss aufgehoben: Duette von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Beide Stimmen harmonierten so wunderbar miteinander, dass man sich schon fragen muss, warum man diese Kombination nicht öfter gehört hat. Vor allem die Zugabe, das Herbstlied op. 63 Nr 4 nach einem Text von Karl Klingemann, rührte mich fast zu Tränen, nicht nur die Ausführung war sehr schön, sondern auch der Inhalt.

Ach, wie so bald verhallet der Reigen,
Wandelt sich Frühling in Winterzeit!
Ach, wie so bald in trauendes Schweigen
Wandelt sich alle die Fröhlichkeit!
Bald sind die letzten Klänge verflogen!
Bald sind die letzten Sänger gezogen!
Bald ist das letzte Grün dahin!
Alle sie wollen heimwärts zieh’n!

Wandelt sich Lust in sehnendes Leid!
War’t ihr ein Traum, ihr Liebesgedanken?
Süss wie der Lenz, und schnell verweht?
Eines, nur eines will nimmer wanken:
Es ist das Sehnen, das nimmer vergeht.

Karl Klingemann (1798-1862)

Kann es einen schöneren Abschied von den Foyerveranstaltungen geben?

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Faschingskonzert, 21.02.2012, Gärtnerplatztheater

Andreas Kowalewitz und das Orchester eröffneten den Abend mit dem Hauptthema des Te Deums in D-Dur von Marc-Antoine Charpentier, weithin bekannt als sogenannte Eurovisionsmelodie. Danach gab es ein Uraufführung eines Werkes von Charles Kalman, der anwesend war. La Parisienne hieß der Walzer und lies tatsächlich so etwas wie Pariser Frühlingsluft durch das schönste Theater Münchens wehen.
Danach folgte das fast schon obligate Musikquiz, diesmal allerdings in neuer Form: Nationalhymnen sollten erkannt werden, ganz ehrlich, ich hätte keine einzige gewusst. Erschreckt haben mich allerdings die Leute, die um mich rum sassen. Da wurde debattiert und sich unterhalten, als würde man sich im Café befinden und im Hintergrund klimpert einer auf dem Klavier. Ich finde so ein Verhalten respektlos gegenüber denjenigen, die vielleicht viel Arbeit in so einen Abend gesteckt haben und auch in diesem Moment arbeiten.
Ähnlich wie mir ging es wohl den Kandidaten. Bei der Auflösung kamen teilweise die Botschaftsvertreter des jeweiligen Landes auf die Bühne und Marianne Larsen sang die Hymne ihres Heimatlandes Dänemark. Sozusagen außer Konkurrenz sang Cornel Frey dann noch den Schweizer Psalm, ziemlich anspruchsvoll für eine Nationalhymne. Nachdem es einen Gleichstand bei den Punkten der Kandidaten gab – oder auch nicht, ich bin da nicht so ganz durchgestiegen – sollte passend zum Thema Fußball EM ein Torwandschießen das Quiz entscheiden. Hier bekam Andreas Kowalewitz neben seinen beiden bezaubernden Assistentinnen prominente Unterstützung: Sepp Maier, die Katze von Anzing, stand ihm zur Seite und versorgte die Kandidaten mit Profitipps. Nicht nur ein toller Fußballer, sondern auch ein begnadeter Entertainer. Ich habe bisher nicht gewusst, dass Torwandschießen so unterhaltsam sein kann. Nachdem er dann auch mal dirigieren durfte, natürlich den Bayerischen Defiliermarsch, ging es nach einer unterhaltsamen ersten Hälfte in die Pause.
Den zweiten Teil eröffneten die beiden reizenden Assistentinnen, die sich als Geigerinnen entpuppten. Danach spielte eine Putzfrau mit fesche Wadln auf einer roten Posaune und Rita Kapfhammer sang eine herrliche Parodie der Schönheitskönigin von Schneizlreuth. Es folgten weitere Musikstücke wie das Katzenduett von Rossini, Casta Diva aus Norma von Cornel Frey, die Arie von Frau Fluth aus den Lustigen Weibern von Windsor von Stefanie Kunschke und das Couplet der Herzogin von Gerolstein von Rita Kapfhammer. Geleitet wurde das Orchester in diesem Teil von Lukas Beikircher, die Solisten begleitete teilweise Martin Steinlein am Flügel. Das war ein herrlicher Spaß, am Ende gab es viel Applaus und eine Zugabe, den Galop Infernal aus “Orpheus in der Unterwelt”, das man ja diese Spielzeit leider nur noch außerhalb Bayerns zu Gesicht bekommt.
Leider war dies auf absehbare Zeit das letzte Faschingskonzert im schönsten Theater Münchens. Aus is und gor is, und schad is, daß wor is!

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Der Mikado, 16.02.2012, Gärtnerplatztheater

[singlepic id=1078 w=320 h=240 float=left]Dieser Abend zeigte mal wieder deutlich, dass auch die elfte Vorstellung eines Stückes noch viel Neues bringen kann. In diesem Fall war es ein ungewöhnliches Rollendebüt. Innerhalb eines Tages arbeitete sich Sebastian Campione in die Partie des Mikado ein, normalerweise singt er die Rolle des Ministers für alles Andere Pooh-Bah in diesem Stück. Ohne ihn hätte die Vorstellung ausfallen müssen, wurde in der Ansage mitgeteilt. Da sieht man mal wieder einen der Vorteile des Ensembletheaters. Die Solisten sind mit Leib und Seele dabei und tun alles, damit Stücke gespielt werden können. Hätte die Besetzung nur aus Gästen bestanden, wäre das sicher nicht der Fall gewesen.

Und Sebastian Campione hat es richtig gut gemacht. Bis hin zur Choreografie gab er einen fast perfekten Mikado, das ist in Anbetracht der Kürze der Vorbereitungszeit wirklich bewundernswert. Ich hoffe, die Theaterleitung hat sich ihm gegenüber erkenntlich gezeigt. Auch das restliche Ensemble war bis auf eine Ausnahme wunderbar, lediglich Ko-Ko kiekste sich durch den Abend wie ein pubertierender Oberschüler im Stimmbruch, das sollte vielleicht witzig sein, passt aber überhaupt nicht zu der Rolle. Frances Lucey sang die Arie der Yum Yum The Moon and I an diesem Abend besonders innig, Robert Sellier überzeugte als Nanki-Poo mit Spielwitz und schönem Tenor. Rita Kapfhammer begeisterte wie immer als resolute Katisha, sie spielt und singt, was das Zeug hält und doch trieb ihr Alone and yet alive die Tränen in die Augen. Franziska Rabl und Milica Jovanovic bezauberten als Pitti-Sing und Peep-Bo, Holger Ohlmann und Daniel Fiolka als Pooh-Bahh und Pish-Tush ergänzten das bestens aufgelegte Ensemble hervorragend und Thomas Peters glänzte in der undankbaren Rolle des Erzählers.

Der Chor zeigte, wie immer, Spielfreude kombiniert mit präzisem Gesang und Benjamin Reiners kitzelte aus dem Orchester noch ein bisschen mehr Schwung heraus und unterstützte die Sänger wo es ging.

Ein schöner Abend, Danke an alle Beteiligten!

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L’Italiana in Algeri, 05.02.2012, Gärtnerplatztheater

[singlepic id=1129 w=320 h=240 float=left]Ein Mann, der viele Frauen haben kann, aber die eine, die er will, die bekommt er nicht. Eine Story, wie aus dem Leben gegriffen. Sie ist zwar in diesem Fall schon etwas älter, nämlich knapp zweihundert Jahre, aber durchaus noch aktuell. Deshalb macht es auch Sinn, dass Regisseur Thomas Enzinger das Stück quasi in die Gegenwart verlegt, es spielt auf einem Kreuzfahrtschiff des Bey Mustafa. Verschiebbare Wände (Bühne und Kostüme Toto) schaffen intime Räume wie das Boudoir der Isabella genauso wie das Sonnendeck des Schiffes.

Die Inszenierung besticht vor allem durch witzige Einfälle und die totale Übereinstimmung mit der Musik. Dadurch gelingt es, die Geschichte auch ohne Worte zu erzählen. Das hilft ungemein, denn entgegen der Tradition des Gärtnerplatztheaters wird diese Oper von Gioachino Rossini in der Originalsprache mit deutschen Übertiteln, die leider teilweise sehr schlecht lesbar sind, aufgeführt. So, wie Thomas Enzinger das Stück auf die Bühne gebracht hat, könnte es auch in  Mandarin gesungen werden und man würde die Handlung trotzdem verstehen.

Bereits zu Beginn stellt sich der Zuschauer die Frage, warum der Bey eine so bezaubernde Elvira wie Ella Tyran links liegen lässt, mit zuweilen aufblitzendem strahlendem Lächeln und glockenhellem Sopran zieht sie jeden Zuschauer auf ihre Seite. Nach dem Willen von Mr Großkotz soll sie mit dem Sklaven Lindoro (hervorragend Cornel Frey) verheiratet und in dessen Heimat Italien abgeschoben werden. Der möchte da zwar gerne hin, allerdings nicht mit einer Frau im Schlepptau, wünscht er sich doch nichts sehnlicher als wieder mit seiner geliebten Isabella zusammen zu sein. Die ist allerdings eine Frau mit Tatkraft und Energie und macht sich selbst auf die Suche nach ihm und landet Mary-Poppins-Like just auf dem Schiff des Bey. Hier zieht sie alle Register und tanzt nicht nur dem verliebten Bey auf der Nase herum, sondern auch Taddeo, der sie verehrt, sie in die Ferne begleitet und sich durch Lindoros Abwesenheit Chancen bei ihr ausgerechnet hat. Der Schluss ist etwas überraschend, passt aber ausgezeichnet zur Deutung von Enzinger.

[singlepic id=1128 w=240 h=320 float=right]Besonders gut hat mir an diesem Abend Juan Fernando Gutiérrez gefallen. Seine Stimme ist im Vergleich zur letzten Spielzeit noch voller und runder geworden und sein Spielwitz passt genau zur Rolle. Wenn er eine klitzekleine Pause zwischen “Grazie” und “obbligato” macht, weiß man, was man von dem Dank zu halten hat. Gleichermaßen beliebt beim Publikum sind Stefan Sevenich als Bey und Rita Kapfhammer als Isabella. Bei der kultigen Saunaszene zeigt Herr Sevenich sein ganzes tänzerisches und akrobatisches Können. Bei allem Applaus dafür darf man aber nicht vergessen, dass er quasi nebenbei noch eine umfangreiche und schwierige Partie meistert.  Die Rolle des Mustafa ist mit ihm wirklich optimal besetzt. Das gleiche gilt für die Isabella von Rita Kapfhammer. Neben enormen Stimmumfang zeigt sie auch unglaubliche Bühnenpräsenz. Wer von den Herren im Zuschauerraum möchte da nicht mit dem Bey tauschen, wenn er sich mit ihr mit ihr zum “Kaffeetrinken” trifft, nachdem sie sich zuvor in lasziv-erotischer Weise für das Treffen fein gemacht hat.

Die Rollen des Haly und von Elviras Vertrauten Zulma sind mit Derrick Ballard und Carolin Neukamm luxuriös besetzt. Dem Herrenchor merkt man an, dass sie Spass an dieser Produktion haben, sie singen, tanzen und wirbeln über die Bühne, dass eine Lust ist. Das Orchester unter Lukas Beikircher lief zu gewohnter Höchstform auf und rundete diesen ausgezeichneten Opernabend ab.

Leider kommt diese hervorragende Produktion nur noch viermal, dann verschwindet sie wohl für immer. Also schnell los und Karten sichern!

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Hänsel und Gretel, 02.01.2012, Gärtnerplatztheater

[singlepic id=1114 w=240 h=320 float=left]Zum vorerst letzten Mal – hoffentlich! – fiel der Vorhang nach 486 Aufführungen für die beliebte und immer ausverkaufte Vorstellung von „Hänsel und Gretel“. Es wäre sehr schön, wenn die zwar sicher im wörtlichen, nicht im übertragenen Sinn schon etwas angestaubte Inszenierung von Peter Kertz den halben Tausender vollmachen könnte. Abschied nehmen muss ich jedenfalls vorläufig von der schönen Tradition, am 23.12. jeden Jahres eine Aufführung zu besuchen. Die Gerüchteküche besagt, dass es an der BSO 2013 eine Neuproduktion des Stückes geben soll, die Inszenierung ist noch etwas älter als die im schönsten Theater Münchens. Hoffentlich macht man nicht so einen Mist draus wie im Royal Opera House.

Wie es sich für eine Abschiedsvorstellung gehört, war es eine der besten der Serie, sieben von acht habe ich gesehen. Ann-Katrin Naidu bestach als Hänsel, es ist wirklich immer wieder erstaunlich, wie eine erwachsene Frau einen Knaben so überzeugend rüberbringen kann. Thérèse Wincent als Gretel mit ihrem hellen, aber gut hörbaren Sopran ist die Idealbesetzung für diese Rolle, kindlich, aber wenns drauf ankommt, schubst sie auch ne Hexe in den Ofen. Der Abendsegen war wieder so – hach. Seufz. Stefan Sevenich als Vater Peter hat mir an diesem Abend am Besten gefallen von seinen drei Vorstellungen, mit viel Sinn für Komik bei Rallalala, rallalala und einem Schuss Dämonik beim Hexenritt. Rita Kapfhammer in der Rolle der Mutter Gertrud stand ihm in nichts nach und sang, als ob sie eine ihrer Paraderollen Carmen oder Isabella interpretieren würde. Man merkt einfach, dass die Sänger dieses oft fälschlicherweise als Kinderstück angepriesene Werk ernst nehmen. Cornel Frey als Hexe hatte zur Feier des Tages eine extra-Warze im Gesicht und sang und spielte seine Rolle wie immer ganz hervorragend. Auch der Kinderchor war wieder eine helle Freude und am Ende hatte ich nicht nur eine Gänsehaut, sondern auch ein Tränchen im Augenwinkel. Last but not least trug das Orchester unter Oleg Ptashnikov einen erheblichen Teil zum Gelingen des Abends bei.

Mir bleibt nur zu hoffen, dass dieses wundervolle, mit der neueren Geschichte des Theaters eng verbundene Stück, nicht sang- und klanglos in der Versenkung verschwindet, sondern zu gegebener Zeit in neuem Glanz erstrahlt und noch viele kleine und große Herzen höher schlagen lässt.

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Der Mikado, 08.12.2011, Gärtnerplatztheater

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Das Staatstheater am Gärtnerplatz und der Regisseur Holger Seitz haben sich für eine deutsche Fassung des Stücks “Der Mikado” von Gilbert & Sullivan entschieden. Diese deutsche Fassung ist von Walter Brandin und Arno Assmann und hat einen Erzähler, diesen gibt es im englischen Original nicht. Am Gärtnertheater wird diese Rolle von Thomas Peters sehr eindrucksvoll gestaltet, aber die Dialoge sind an einigen Stellen zu lange. Es hätte gerne gekürzt werden können, und die Übergänge der Szenen Dialog-Musik wäre schneller auf den Punkt gekommen. Nun aber genug davon. Es gibt ja so viel Schönes an der Produktion: Das schlicht gestaltete Bühnenbild von Peter Engel, das von der gelungenen Lichtgestaltung von Hans Guba zum Leben erweckt wird und in jeder Minute eine ganz besondere Atmosphäre entstehen lässt. Schon wenn sich beim langsamen Satz der Ouvertüre der Vorhang öffnet und die roten Lampions leuchten. Kostümbildnerin Sandra Münchow hat zeitlose Kostüme gestaltet, Anzüge in verschiedenen Graustufen mit Zeitungsaufdrucken, beim großen Auftritt des Mikado schwarze Anzüge mit goldgelben Ärmeln und für den Frauenchor bunte blumenbedruckte Kleider mit Schleifen. Holger Seitz kann bei seiner Regie und der Entwicklung der Personenführung ganz auf das spielfreudige Ensemble des Theaters setzen. Ein Glücksgriff ist auch der Dirigent der Produktion Benjamin Reiners: mit dem gut gelaunten und spielfreudigen Orchester blühen die Melodien von Sullivan aus dem Orchestergraben; an dieser Stelle ein besonderes Lob an die Holzbläser.

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Yam-Yam, Mündel von Co-Co, und Nanki-Poo wurden an diesem Abend von Therese Wincent und Mario Podrecnik gespielt. Therese Wincent beeindruckte während der ganzen Aufführung mit ihrer Bühnenpräsenz. In Gesang, Spiel und Choreographie war sie ideal für die Rolle der Yam-Yam. Der gut geführte Tenor von Mario Podrecnik stand ihr in nichts nach. Einen gelungenen Auftritt hatte auch Derrick Ballard als Mikado, mit kräftigem Bass und enormer Autorität. Rita Kapfhammer als älteres Hoffräulein Katisha war voll in ihrem Element, ausgestattet mit kräftigem Mezzo und großer Bühnengeste. Der Scharfrichter von Titipu, Co-Co, der kein Blut sehen kann, mit der Vergangenheit eines Schneiders, wurde gelungen verkörpert von Hardy Rudolz. Dieser hatte an diesem Abend Glück und bekam viel sichere Unterstützung aus dem Orchestergraben. Sehr aufmerksam! Die restlichen Rollen waren rollendeckend und gut besetzt: Sebastian Campione (Pooh-Bah, Minister für alles), Carolin Neukamm (Pitti-Sing), Ulrike Dostal (Peep-Bo) und Gregor Dalal (Pish-Tush, ein Edelmann). Der Chor, in der Einstudierung von Inna Batyuk, sang an diesem Abend sehr klangschön, und auch die Darstellung war wieder sehr gelungen.
Es ist schön, dieses Stück von Gilbert & Sullivan am Staatstheater am Gärtnerplatz zu sehen und zu hören mit dem noch existierenden Ensemble.

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Der Mikado, 01.12.2011, Gärtnerplatztheater

Ich bin sehr zu haben für traditionelle Stücke im neuen Gewand, es muss nur passen. Das war so bei der Butterfly von Doris Dörrie, und auch die Orangen haben mir sehr, sehr, sehr gefallen. Hier jedoch passt nichts. Da ist zum einen die Fassung. Die Übersetzung ist lieblos, der feine Witz, für den Gilbert so bekannt ist, kommt nicht heraus. Der durch die Übersetzer eingeführte Erzähler gehört nicht ins Stück. Er bringt es weder voran, noch muss das Publikum von 2011 an die Hand genommen werden. Damit will ich nichts gegen Thomas Peters sagen, der in dieser Rolle das, was er tun muss, ganz hervorragend macht. Aber hier werden dem Librettisten Gilbert Worte in den Mund gelegt, die er nie geschrieben hat und die ihn, wie ich meine, in einem schlechten Licht erscheinen lassen. So ist zum Beispiel die Szene, in der Yum-Yum und Nanki-Po sich unsinnige und schlecht geschriebene Liebesschwüre an den Kopf werfen und der Erzähler gefühlte 35 Mal sagt: “…und dann sagt wieder er…und dann sagt wieder sie…”, im Original wirklich witzig und vor allem wesentlich kürzer:

NANK. Yum-Yum, at last we are alone! I have sought you
night and day for three weeks, in the belief that your guardian
was beheaded, and I find that you are about to be married to him
this afternoon!
YUM. Alas, yes!
NANK. But you do not love him?
YUM. Alas, no!
NANK. Modified rapture! But why do you not refuse him?
YUM. What good would that do? He’s my guardian, and he
wouldn’t let me marry you!
NANK. But I would wait until you were of age!
YUM. You forget that in Japan girls do not arrive at years
of discretion until they are fifty.
NANK. True; from seventeen to forty-nine are considered
years of indiscretion.
YUM. Besides—a wandering minstrel, who plays a wind
instrument outside tea-houses, is hardly a fitting husband for
the ward of a Lord High Executioner

Zitat aus “The complete plays of Gilbert & Sullivan”

Da fragt man sich dann schon, wie intensiv man sich mit dem Originallibretto beschäftigt hat. Oder mit den Wünschen Gilberts zur Umsetzung:

Gilbert told a journalist, “I cannot give you a good reason for our … piece being laid in Japan. It … afforded scope for picturesque treatment, scenery and costume,…

Gilbert, W. S. “The Evolution of The Mikado”, New York Daily Tribune, 9 August 1885

[singlepic id=1094 w=240 h=320 float=left]

Bühne und Kostüme sind irgendwie lieblos. Die bedruckten Anzüge der Männer sind von weiter weg nicht mehr zu erkennen, und auch von ihnen tragen manche weiß. Das mag zwar zu Ko-Ko als Farbe der Trauer passen, aber bei den Adeligen, die der Männerchor am Anfang ja darstellen soll, passt es nun mal überhaupt nicht. Ebenso wie die gelben Ärmel später, gelb ist die Farbe des Kaisers. Wenn man das Stück nicht im farbenprächtigen Originalsetting spielen lassen will, muss man vermutlich ganz weg von Japan. Die English National Opera hat eine relativ erfolgreiche Inszenierung in den Zwanzigern in einem englischen Badeort spielen lassen. Russland könnte ich mir auch gut vorstellen. Aber nicht dieses Japan, das so nicht existiert. Gilbert hatte den Ort möglicherweise zufällig ausgesucht, in der Umsetzung wollte er aber akkurat sein und hat unter anderem eine Japanerin damit beauftragt, den Sängern die richtigen Bewegungen beizubringen. Davon ist man hier leider meilenweit entfernt. Außerdem ist die Bühne nicht ungefährlich. Der rote “Teppich” wackelt wie ein Kuhschwanz, wenn sich zwei Menschen darauf bewegen, bietet wenig sichere Standfläche und ist bei der Premiere auch schon zur Seite gekippt. Die Kästen sind nicht standfest und rutschen, wenn die Sänger mit etwas Schwung darauf steigen.

Am allerschlimmsten ist aber die letzte Szene von Ko-Ko und Katisha. Wie man in diese Worte eine “perverse Sexualität” hinein interpretieren kann, ist mir ein absolutes Rätsel. Abgesehen davon, dass man vielleicht mal den Gebrauch des Wortes “pervers” überdenken sollte. Es gibt einige Stücke im G&S-Kanon, die sich unterschwellig mit Sexualität beschäftigen, DER MIKADO gehört jedoch nicht dazu. So wird man sicher keine Gilbert&Sullivan-Tradition in Deutschland wiederbeleben können.

Musikalisch war es mal wieder sehr, sehr gut. Mario Podrečnik als Nanki-Po und Thérèse Wincent als Yum-Yum ergänzten die Premierenbesetzung aufs Beste. Besonders Stefan Sevenich, der den Mikado mit ironischer Distanz und der Beweglichkeit singt und spielt, die die ihm zugeordnete Musik erfordert, und Rita Kapfhammer, die der Katisha mehr Tiefe verleiht, als der Übersetzer ihr zugebilligt hat. Wie schön wäre es, wenn sie ihr Schulterblatt selbst anpreisen dürfte! Gunter Sonneson ist eine Idealbesetzung für den Ko-Ko, das kann man sicher nicht besser machen. Aber auch die restlichen Solisten, Chor und Orchester waren an diesem Abend fast noch besser als bei der Premiere und tatsächlich sprang ein Funke auch schon vor der Pause zum Publikum über.

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Interview mit Rita Kapfhammer

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Liebe Frau Kapfhammer, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklären zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Würden Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?

Ich habe eigentlich Hotelfachfrau gelernt und mich erst nach ein paar Jahren durch Zufall oder durch äußere Einflüsse entschieden, ein Gesangsstudium als Solist zu beginnen. Ich habe dann in München an der Musikhochschule studiert, von 1988 bis 1993, und zwar Konzertfach, weil ich dachte, Oper und vielleicht auch längere Aufenthalte irgendwo, das würde sich nicht mit einer Familie vereinbaren lassen. Dann nach dem Studium hatte ich noch keine großen Engagements. Ich habe mich auch nicht sehr dafür eingesetzt. Dann habe ich mich an der Opernschule  der Hochschule, nicht im Opernstudio, angemeldet, um als Gast Opernliteratur mitzustudieren. Dort werden ja etliche Produktionen im Jahr gemacht, und da es in meinem Fach nicht ganz so viele gibt, konnte man mich ganz gut einsetzen und ich war eben durch meine erste Lehre schon ein bisschen älter. Unter Professor Kertz habe ich etliche Sachen dort gemacht: Poulenc zum Beispiel, „Gespräche der Karmelitinnen“. „Figaros Hochzeit“ mit Sir Colin Davis war auch damals auf dem Programm. Ich habe auch im Prinzregententheater unter ihm im „Rosenkavalier“ Alina gesungen. Dann natürlich auch viel mit zeitgenössischen Komponisten. Das hat mir wahnsinnig viel Spass gemacht, und ich war überrascht, dass ich eigentlich viel lieber spiele, beziehungsweise die Kombination so genieße von Spiel und Singen. Wobei ich schon mehr Wert auf Gesang lege, aber eben das Spiel eher als hilfreich, eher als Chance sehe und nicht als Hindernis, und mir deswegen die Kombination einfach zusagt. Mein erstes Engagement war in Ulm, und da war ich dann auch zehn Jahre. Das ging durch die ZAV-Künstlervermittlung der Agentur für Arbeit, die auch die Hochschulproduktionen immer angeschaut und betreut hatten. Die haben mich dort hingeschickt. Ich habe nur zwei, drei Vorsingen absolviert, und das hat geklappt, es war eine Schwangerschaftsvertretung. Und da dachte ich: “Naja, sowas kann man vielleicht schon mal annehmen, für ein halbes Jahr, das ist absehbar.” Mein Mann hat sich dem auch nicht in den Weg gestellt sondern gesagt: „Ja, mach nur!“ Daraus sind zehn Jahre geworden, dort habe ich Rollen wie Santuzza in „Cavalleria Rusticana“, Adalcisa in „Norma“, Amneris in “Aida”, Dalila in “Samson und Dalila”, sowie die Jane Seymour in “Anna Bolena” gesungen. Während des Studiums habe ich immer im Hotelfach gearbeitet, und das Studium immer als Auszeit betrachtet, weil ich nie gedacht hätte, dass man gerade auf mich warten würde. Ich hatte wahnsinnig Spaß daran, und das habe ich heute noch. Es hat sich einfach so ergeben. Der Herrgott hat ein bisschen dazu beigetragen und ein bisschen Glück, und vielleicht auch die Gelassenheit, die man braucht, wenn man nicht muss, sondern auch andere Alternativen sieht. Diese Kombination hat mich vielleicht auch jetzt hier an den Gärtnerplatz gebracht.

Das Können haben Sie noch vergessen!

Okay, das Können, aber das müssen dann vielleicht auch andere beurteilen. Ich glaube, das Können können viele. Aber man braucht schon auch mehr. Ja, Liebe dazu, die Bereitschaft, auch viele Ungelegenheiten in Kauf zu nehmen. Gelassenheit. Auch viel Zuspruch von der Familie, einfach, dass man keine Klötze ans Bein gelegt bekommt oder irgendwelche anderen „Bremserer“. Ja.

Sie haben vorhin von äußeren Umständen gesprochen, die Sie dann dazu bewogen haben, das Studium aufzunehmen. Was waren diese äußeren Umstände?

Ganz konkret hatte ich bei Dietrich Schneider Gesangsunterricht. Der hat damals den Kirchenchor betreut. Dann baute er seine Gesangsschule auf, und da hatte ich Unterricht bei ihm. Der war ziemlich schnell dahinter, dass ich unbedingt studieren muss. Ich verdanke ihm den Schritt, dass ich es gemacht habe. Ihm auf alle Fälle.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Das ist eine gute Frage, aber es ergibt sich, ich bin Bayerin. Ich habe viel Schlager gehört, so nebenbei eigentlich nur, aber mein Liebling war bayerische Musik, das heißt, Dreigesang habe ich gemacht als Kind, mit meiner Schwester und meinem Bruder, ich habe Stubnmusi gespielt, ich habe Hackbrett gespielt und bin einfach mit bayerischer Musik groß geworden. Mein Vater war nur an Blasmusik interessiert, das hat mich jetzt weniger erfreut, das war mir einfach zu martialisch, aber die Richtung war bayerische Musik. Volksmusik, also richtige, ursprüngliche Volksmusik.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein. – Das heißt, ich stelle fest, dass ich natürlich, wenn man sich viel mit Musik beschäftigt und tagtäglich ja nur singt und Musik hört oder halt auch sich zurechtfinden muss in verschiedenen Tonlagen, dass das Gehör sich natürlich verbessert. Aber das absolute Gehör habe ich nicht, nein.

Spielen Sie ein Instrument?

Leidlich Klavier. Ich habe nie viel Spaß daran gehabt, aber es hilft ungemein. Hackbrett eben, aber sonst nichts.

Sie haben gerade schon gesagt, Sie haben als Kind viel bayerische Volksmusik gehört. Mögen Sie auch noch andere Musikrichtungen?

Hmm. Da bin ich wahrscheinlich ziemlich einschlägig. Ich höre also privat gar nicht mehr so viel Musik. Zuhause, wenn ich nichts zu tun habe, habe ich es eigentlich eher still und ruhig. Also, ich habe ja Familie, meinen Mann und meinen Sohn, die haben natürlich ihre Musikrichtungen. Es läuft immer irgendwas, aber wenn ich allein bin, bin ich ganz froh, wenn eben nichts läuft. Ich höre schon ganz gerne moderne Musik, aber ich kann Ihnen nicht mal sagen, was das für eine Richtung ist, weil ich dann nicht jetzt speziell irgendwas mir anschalte, sondern am Radio herumdrehe, und dann gefällt mir etwas, oder es gefällt mir eben nicht, und dann mache ich aus. Aber generell habe ich es lieber ohne Hintergrund.

Welche Sprachen sprechen Sie, und in welchen Sprachen singen Sie?

Ich kann einigermaßen Englisch und auch Italienisch, leider nie so gut, wie ich es gerne hätte. Ich habe in Französisch gesungen. Ich habe mal einen Kurs belegt, das Wichtigste verstehe ich, aber auch viel zu wenig. Ich habe einen Traum, dass ich mir noch mal die Zeit nehme, um einfach mal nach Italien oder nach Frankreich zu fahren, um diese Sprachen besser auch im Alltag zu benutzen, weil ich sie einfach schön finde. Ich habe auch schon auf Tschechisch Lieder gemacht und werde wahrscheinlich um das russische Programm nicht herumkommen, das finde ich total schön, aber ich kann natürlich kein Wort Russisch oder Tschechisch, keine Frage. Aber viele Sachen gehen auch phonetisch. Man muss sich halt dann viel mehr Zeit nehmen, um die Texte übersetzen zu lassen oder auch mit einem Coach direkt durchzugehen. Damit man weiß, was es bedeutet. Es kommt oft auf Worte, auf Wortwendungen an, und es ist schon sehr wichtig, dass man weiß, was man spricht. Es dauert halt dann einfach länger, wenn man die Sprache nicht wirklich versteht oder kennt.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ganz aktuell habe ich, ich glaube vor zwei Jahren war das, die Frau Damrau gehört, das erste Mal eigentlich ganz bewußt, in diesem Neujahrskonzert, und das hat mich schwer beeindruckt. Also diese Beweglichkeit und dann diese Power von dieser Frau. Das fand ich ganz genial. Deswegen hätte ich mir so gewünscht, in „Hoffmanns Erzählungen“ zu gehen, aber das ist ja ausverkauft, und ich weiß nicht, ob ich da irgendwie an gute Karten herankomme. Sonst gibt es verschiedene. Kerstin Ferrier fand ich auf den Aufnahmen immer so gut. Oder auch Marilyn Horne ist nicht schlecht, aber da ist niemand, wo ich einfach alles gut finde, sondern es gibt immer irgendwas, was mir nicht gefällt. Aber ich finde es auch ganz gut, wenn man mehr Sachen vergleicht, anhört, und dann einfach sagt: Das gefällt mir bei dieser Person, und das bei der anderen, oder auch mal sagt: „Okay, das ist schön, aber ich kann es vielleicht gar nicht so, oder: das würde ich anders machen.“ Und musikalisch – wie meinen Sie das noch?

Personen, die Sie geprägt haben, zum Beispiel in der Ausbildung.

In der Ausbildung? Ich hatte ja Unterricht bei Frau Reri Christ, und diese Frau ist schon sehr beeindruckend, wie sie so selber auf der Bühne steht. Ich habe sie ja nicht mehr live gehört, wie sie noch Auftritte hatte, aber wenn sie etwas vorgemacht oder gezeigt hat, das ist schon – das ist eine richtige Persönlichkeit. Ich hatte dann auch bei Jan Henrik Rotering Unterricht. Ich habe ganz, ganz viel bei ihm auch technisch gelernt. Bei Professor Hellmann war ich im Oratorienfach. Der Mann hat mir nie was vorgesungen, aber was er mir an Interpretation und an Ideen für diese Darstellung gegeben hat, fand ich immer ganz großartig. Ich glaube, generell ist es ganz wichtig, dass man selber so selbstständig und auch mündig, wenn ich das so sagen darf, ist und selber herausfindet, was einem gut tut, was die Stimme betrifft, und auch gut tut in Bezug auf die Musikalität – oder was einem gefällt. Es geht dann gar nicht so darum, ob man irgendetwas nachmacht, denn das, glaube ich, wird niemals so identisch oder authentisch sein. Wenn man sich also zuerst einen Überblick verschafft oder einfach eine Idee davon hat, wie man etwas machen möchte oder wie man etwas singt und sich auch mal etwas anhört, aber dann seinen eigenen Weg damit findet, das ist das Wichtigste für mich.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Noch nicht allzuviele. Aber ich war mit „Musica Mallorca“ schon vier Mal in Palma de Mallorca und habe konzertant „Cavalleria“ gesungen. Ich habe die „Carmen“ dort gemacht und auch Rossini, „Stabat Mater“. Dann war ich in Danzig, das ist schon ein paar Jahre her, habe dort die Premiere gesungen in „Anna Bolena“ und habe dann hier auch gastiert mit einem Tourneetheater. Danzig war schon eine sehr spezielle Erfahrung und hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich mache Galas in der Toskana, seit ein paar Jahren immer wieder, aber eher in kleinem Rahmen. Ich finde das einfach schön, wenn man näher an den Leuten dran ist. Ich glaube, das war’s. Sonst war ich noch nicht allzuviel im Ausland, als Musiker.

Sie haben vorhin erwähnt, Sie haben Familie. Was für Komplikationen ergeben sich aus dem speziellen Arbeitsrhythmus eines Opernsängers?

Mit Komplikationen möchte ich das gar nicht jetzt in Verbindung bringen. Es ist halt so: Ich habe wenigstens das Glück, dass ich einen Mann an der Seite habe, der das gutheißt, was ich mache. Er will jetzt nicht unbedingt immer dabei sein, aber er findet das gut. Und dann ist mein Sohn die meiste Zeit natürlich auch abends betreut, weil er einen „anständigen“ Beruf hat. Es gibt natürlich immer Komplikationen, weil ich als Mutter und Hausfrau, das bin ich natürlich auch – und die Rollenverteilung ist bei uns auch ziemlich klar – auch irgendwie immer einen Spagat machen und erleben muss, aber ich habe das in Kauf genommen. Das klingt jetzt ganz blöd, aber ich finde das gar nicht so schlimm. Ich mache mein Ding, und ich darf diesen Traum als Opernsängerin – und das ist auch ein Traum für mich – leben. Und dafür ist es manchmal einfach so, dass man zu hause mal schnell diese Welt draußen lässt und ganz normal wie jede andere Hausfrau diese Sachen erledigen muss, und das ist manchmal mühsam oder dauert einfach, dass man da den richtigen Drall findet, dass es halt auch schnell gehen muss.. Dass man die Prioritäten setzt, ob jetzt mein Sohn die Hausaufgaben und das alles auch geregelt kriegt, und ich bin auch ziemlich streng, aber das funktioniert ganz gut. Wie gesagt, ich glaube, dieser Spagat ist in allen Berufen nicht einfach und als Sängerin vielleicht noch schwieriger, denn im normalen Alltagsleben hat man auch einen regelmäßigen Tagesablauf. Der ist bei der Sängerin eben unregelmäßig. Da geht es einfach darum, dass man das organisiert und diese Logistik auch den Beteiligten, eben meinem Sohn oder meinem Mann, gut mitteilt, und dann ist es ganz okay.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was mag sie überhaupt nicht?

Singen tut meiner Stimme gut. Ich hatte noch nie Probleme damit, auch wenn es ein bisschen mehr ist. Was nicht gut ist, ist, wenn ich kalte Füße bekomme, wenn ich wirklich in den Regen komme oder einfach mich friert: komischerweise schlägt sich das auf die Stimme. Was auch nicht gut ist: Wenn ich in einem Raum, wo es ziemlich laut ist, immer über die anderen darüber reden muss, also wenn man ziemlich laut immer am Anschlag sprechen muss. Das mag ich nicht, das macht mir auch keinen Spaß, und da merke ich, dass auch die Stimme sehr anfällig dafür ist. Singen tut ihr sehr gut, und sonst mache ich keine großen Umstände damit. Das ist ja ein Instrument, sage ich jetzt mal, das man auch immer braucht, das ist einfach da, und wenn man sie gut hält, dann ist alles okay.

Tun Sie etwas für Ihre Kondition?

Ja. Früher dachte ich, ich bin total unsportlich und hatte nie wirklich Lust am Sport. Aber seit ein paar Jahren merke ich, dass mir das von der Kondition und vom Atem her einfach gut tut. Ich gehe walken, zweimal die Woche, oder auch joggen. Wobei ich Joggen zwar viel schlimmer finde, aber ich danach einfach mehr das Gefühl habe, ich habe wirklich etwas für mich getan. Es geht natürlich immer ums Gewicht, aber das hat sich noch nie verändert, bzw. also ist nicht viel weniger geworden, aber das ist ein Problem, das viele Frauen haben. Solange ich es noch einigermaßen im Griff habe, und das, glaube ich, ist so, ist es okay. Also, ich schwimme sehr gern, aber dieses Walken und das Joggen mache ich regelmäßig.

Wie diszipliniert müssen Sie leben?

Wie gesagt, ich mache keine großen Umstände wegen meiner Stimme, dass ich deswegen diszipliniert wäre, aber ich merke wohl, dass ich mich gegenüber früher verändert habe. Gerade, was meinen Freundeskreis betrifft, meine Geschwister, die gehen teilweise auch viel aus, sie trinken auch gern mal was, denen ist es jetzt auch egal, ob sie eine Jacke mitgenommen haben oder nicht. Ich habe einen anderen Rhythmus bekommen, auch durch meine Arbeit, weil es oft spät wird, so dass ich länger schlafe, als ich es früher getan habe. Das bedeutet nicht an Stunden länger, aber eben morgens ein bisschen länger, weil ich abends später ins Bett gehe. Ich glaube, als Künstler oder Darsteller wird man einfach ein bisschen feinfühliger und ein bisschen empfindlicher – empfindlicher in dem Sinne, dass man auch Empfindungen mehr spürt, was den anderen betrifft oder was den Umkreis, wo man sich befindet, angeht. Das hat sich verändert. Dass ich da einfach rücksichtsvoller bin oder einfach oftmals Schwingungen spüre, die der Normalbürger jetzt nicht unbedingt wahrnimmt.

Dann kommen wir zur Neuproduktion DER MIKADO. Sie werden die Rolle der Katisha übernehmen. Wenn ich so an die Carmen zurückdenke: Neben einer wirklich tollen Stimme beeindrucken Sie ja auch immer durch ein sehr ausdrucksvolles Spiel. Wie haben Sie sich denn auf die Rolle der Katisha vorbereitet?

Das ist ein bisschen verfänglich, natürlich lese ich den Hintergrund ein bisschen, von Gilbert und Sullivan, ich lese mir die Geschichte durch. Aber ich mache mir erst mal nicht so ein großes Bild, wie ich es anlegen möchte, sondern wenn ich zum Beispiel die Musik erst einmal lerne – zum Probenbeginn muss man einfach die Musik auswendig kennen – habe ich mir einen vagen, einen ganz vagen Faden durch dieses Stück gestrickt. Aber ich möchte mich eigentlich nicht so festlegen, weil ich einfach noch offen sein will für den Regisseur, was der eigentlich von mir will, um dann auch umschwenken zu können, wenn ich denke: “Das muss jetzt gar nicht so sein”, oder ich habe mir das so zurechtgelegt, aber der will eigentlich ganz was anderes. Und dieser Faden zurrt sich eigentlich mit jeder Probe, die ich dann in der szenischen Arbeit mache, fest. Das macht mir Spaß, dass es eben nicht nur ist, wenn ich auf der Bühne bin, sondern auch der Rest von Szene zu Szene, die ich dann habe, wenn zwischendrin auch Löcher passieren, dass dieser Faden weitergeht. Das finde ich so spannend, und darum sind diese sechs Wochen, die ohnehin immer meistens zu kurz sind, wirklich sehr wichtig, und in der Zeit prägt sich mein Bild von der Rolle. Vielleicht macht es auch etwas aus, dass man so eigentlich immer frisch bleibt oder ich mich wohlfühle, weil ich dann nicht so festgefahren bin in irgendeiner Richtung, die ich mir ausgedacht habe. Das macht man natürlich, aber man muss natürlich auch beweglich bleiben. Ein Satz, der ist gegeben, und den kann man in fünf verschiedenen Varianten sich dann auch ausdenken. Man muss nur wollen, oder man muss nur einfach den Tipp oder den Anstoß dazu haben, und das finde ich spannend.

Erzählen Sie uns ein bisschen von der Partie der Katisha.

Die Katisha ist eigentlich eine alternde Jungfrau, denke ich mal, in diesem asiatischen Umfeld, die den jungen Nanki-Poo heiraten soll, oder darf, also sie ist ganz glücklich darüber, und er will sie natürlich nicht heiraten. Er ist ein junger, hübscher Bursche, und die Katisha soll sogar hässlich sein, also ganz unakzeptabel. Es ist ja jetzt nicht so, dass ich hässlich bin, wobei ich da nichts dagegen gehabt hätte, aber das war von der Maskenbildnerin und der Kostümbildnerin nicht so angelegt. Aber ich glaube, es ist auf alle Fälle eine Frau, die Männer erschreckt. Es muss jemand sein, die stark ist, die selbstbewusst ist und sich den Mann auch selber aussucht und mit dieser Härte und mit dieser Strenge die Männer einfach eher verschreckt und deswegen ungeliebt ist, sage ich jetzt mal, so haben wir das auch angelegt. Und in unserem Fall, wenn ich das verraten darf, ist es dann auch eher diese erotische Schiene, Sado-Maso oder wie auch immer. Ganz so schlimm ist es nicht, aber so ein bisschen auf das angelegt. Am Schluss kriegt sie eben dann ihresgleichen, mehr oder weniger, mit vielen Verwirrungen. Ich habe jetzt heute den ersten Durchlauf auch gesehen, und dabei vieles, was ich vorher gar nicht mitbekommen habe, weil ich eben in diesen Szenen nicht dabei bin. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, und ich glaube, das geht auch auf.

Wird Katisha glücklich mit Koko?

Ich denke ja! Die zwei haben sich dann doch gefunden. Ich meine, es war am Anfang eher so eine Zufallsbeziehung oder Zufallstreffer, weil der Koko den Auftrag hatte, diese Katisha wegzuräumen: Er soll sie heiraten, damit Nanki-Poo frei wird für Yum-Yum. Und somit ist aber eigentlich jedem gedient. Doch, ich glaube, die werden glücklich.

Was ist das Schönste an Ihrer Partie, und was ist das Nervigste?

Also, das Schönste an der Partie ist, dass diese Rolle doch wirklich gesungen werden muss. Da kann man jetzt nicht säuseln. Ich will nicht sagen Wagner, denn dafür ist einfach die Musik nicht so genial wie bei Wagner. Aber man kann das auf keinen Fall als leichten lyrischen Mezzo betrachten, da braucht man eine dicke Stimme. Da ist die Kunst, dass man nicht so viel reingibt, dass nicht dadurch sich irgendwie stimmliche Probleme ergeben. Das fordert mich schon heraus, das macht Spass. Ich mag auch diesen Witz der Katisha. Ich habe einfach Spaß am Spielen und an dieser Komik. Und was mich nervt, kann ich jetzt gar nicht sagen. Da ist mir noch gar nichts aufgefallen.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation der Rolle?

Ja, die Freiheiten hat man ja schon. Die wenigsten Regisseure legen das ganz knallhart fest, was man da jetzt denkt. Ich meine, die Gedanken sind frei, das ist so, und solange ich mir meine Gedanken gesponnen oder meinen Faden gesponnen habe, und der Regisseur aber das sieht, was er sehen will, ist es vollkommen egal, was ich jeweils dazu denke. Es ist mir überlassen, wie ich zu dem Urteil oder zu dem Ergebnis komme. Wenn es hakt oder wenn der Regisseur sagt: Nein, das will ich lieber anders haben, dann ist auch oft der Gedanke wirklich falsch, aber das ist ja eben dieser Spaß, den ich dann habe, das umzustellen oder das zu suchen, mit meinen Gedanken eben unterlegt.

Waren Sie schon mal in Japan?

Nein! Leider. (Lacht.)

Beim MIKADO ist ja die Kritik an der damaligen britischen Gesellschaft in das Japanische verpackt, durch diesen sogenannten Exotismus. Sehen Sie da aktuelle Bezüge?

Ich glaube, dass in allem schon auch hier und heute immer noch Wahrheiten dabei sind. Vielleicht nicht so überzogen, und vielleicht sind manche Sachen auch wirklich extrem dargestellt. Aber ich glaube, das kann man ganz gut auch heutzutage so nehmen. Ja.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen, denn ich kenne eigentlich nur die PIRATEN und MIKADO, wobei MIKADO das bessere Stück ist.

Was für Gemeinsamkeiten gibt es mit den PIRATEN, und was sind die grundlegenden Unterschiede?

Also, Gemeinsamkeiten – ich weiß, nicht nur von diesen beiden Stücken, weil ich mir das auch angelesen habe – Gilbert und Sullivan, die haben sich immer praktisch die gleichen Personagen zurecht gestrickt. Es ist immer die gleiche Anzahl, und eben diese komische Alte, und ein Liebespaar, und dann die Mädels – diese Grundpersonage ist eigentlich immer gleich, und dann strickt Gilbert halt irgendeine Geschichte dazu.

Ist es eine traditionelle Inszenierung?

Hm. Gute Frage. Auf alle Fälle ist es mehr oder weniger eine Fortführung der PIRATEN für mich. Das ist wie PIRATEN zweiter Teil, nur besser. Glaube ich. Ich hoffe es. (Lacht).

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Ich glaube, wenn jemand sagt, er hätte kein Lampenfieber, der lügt! Ich habe Lampenfieber, aber ich finde es eher angenehm. Es ist niemals etwas gewesen, was mich hindert, oder dass ich panisch bin oder Angst habe, sondern das ist eher so was wie: „Ha, und jetzt raus da!“ oder irgendwie so eine Motivation und ein Spaß. Und das ist glaube ich eher das gute Lampenfieber, das habe ich auch immer so empfunden. Ganz, ganz selten, wenn ich mir nicht sicher war oder wenn Sachen vielleicht noch zu früh waren, also stimmlich, dass man wirklich ein bisschen fast – überfordert will ich nicht sagen, aber einfach an die Grenzen geht, dass man natürlich da Angst hat zu versagen, das gibt es, gerade bei Premieren. Aber es war nie irgendwie ein Hindernis. Und ich tue nichts Großartiges. Ich beschäftige mich einfach vorher, ich nehme mir die Zeit, dass ich nicht nur eine halbe Stunde oder Stunde vorher da bin, wenn die Maske beginnt, sondern ich bin oft zwei Stunden vorher da, ich singe mich in Ruhe ein, ich gehe auch noch mal einen Kaffee trinken. Also einfach keinen Stress aufkommen zu lassen vorher. Leider plappere ich auch viel, das mag auch Nervosität ausdrücken, was vielleicht auch mal die Kollegen nicht so schätzen. Aber sonst ist, glaube ich, alles ganz normal.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Beste ist, dass man eigentlich Sachen darstellen oder spielen oder sein kann, Personen sein kann, die man ja sonst niemals irgendwie erreicht, oder auch Kleider tragen kann, auch Sachen ausprobieren kann, die man im Alltag so mit Sicherheit niemals für sich finden würde. Natürlich auch, dass man einfach den Zuhörer so mitnehmen kann, dass man etwas bewirkt im Zuhörer. Bei einer Opernvorstellungen ist es ein bisschen schwieriger, eine Rückmeldung zu bekommen, weil man die Zuhörer danach nicht mehr sieht. Es ist bei Konzerten leichter, wenn man Liederabende gibt, denn die Leute warten dann, und man bekommt richtig hautnah mit, dass sie einfach entweder einen schönen Abend hatten oder irgendwie durch die Musik etwas im Herzen mit nach Hause nehmen, und nicht nur an dem Abend, sondern auch später noch Erinnerungen haben an solche Abende. Und das, finde ich, ist eine ganz tolle Variante. Das ist eigentlich ein Geschenk, dass man sowas kann oder dass man das darf. – Nervig? Also, ich kann Ihnen das nicht sagen, da fällt mir jetzt nichts ein.

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Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ich bin ja mehr oder weniger durch Zufall, wie gesagt, zur Oper an sich gekommen und hatte vorher gar nicht so viele Berührungspunkte. Deswegen ist mein Wissen, was es an Partien für mich speziell gibt, fast zu wenig. Denn man muss auch sagen – mit Oper habe ich mich vorher nicht beschäftigt, nur mit Konzert. Ich war auch, dadurch dass ich Hotelfach gelernt habe und die ganze Studienzeit gearbeitet habe, nicht viel in anderen Inszenierungen oder in Opern. Dann ist es auch eine Frage: Wie schätze ich mich selber ein? Ich hatte einfach immer sehr viel Spaß an Vielfalt. Ich mag Operette, ich mag Musical. Und große Oper – ich habe inzwischen auch Spaß an Wagner, muss ich gestehen. Ich hatte immer gedacht: „Nein, Wagner verstehe ich nicht, das ist mir zu hoch, und auch die Sprache finde ich nicht mehr so zeitgemäß“, und das hat sich total geändert, ich finde die Sprache wunderschön. Man kann wirklich an einem Satz, wenn man fünf Mal den gleichen Satz spricht, fünf andere Varianten finden oder zehn. Was man mit Sprache alles machen kann, gerade im Deutschen finde ich das spannend. Ich habe immer vertraut, dass die Intendanten mir die richtigen Partien geben. Und ich habe eigentlich dann Spaß. Ich mache mir den Spaß an dem und suche an jedem Stück irgendetwas anderes. Natürlich werde ich mich bei Operette nicht nur verzetteln in schönem Singen, denn das ist nicht der Hauptpunkt. Natürlich ist es bei Wagner wieder anders als bei Musical; Musical macht auch viel Schauspiel aus. Da muss man für sich selber den richtigen Weg dazu finden. Was ich immer noch gerne möchte, ist: einfach noch mal „Samson und Dalilah“, diese Dalilah noch mal wirklich als Produktion zu singen, nicht nur einzuspringen, und ich würde wahnsinnig gerne noch mal diese Belcanto-Opern machen: Ich habe gesungen „Maria Stewart“, diese Jane Seymour,  in „Anna Bolena“ noch mal – ja, und für Elisabetta eben. Das würde mich sehr interessieren.

Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Zukunft geben?

Nein, leider noch nicht so viel. Wir sind ja alle gekündigt, das ist nun mal so. Natürlich gibt es ein paar Anfragen, aber konkret habe ich für die nächste Spielzeit noch nichts. Ich habe auch jetzt eigentlich noch wirklich viel zu tun, so dass ich auch gar nicht so richtig auf den Gedanken komme, irgendwie panisch zu werden. Ich glaube, das kommt dann so im neuen Jahr, wenn man dann noch immer nichts haben sollte. Ich hoffe jetzt schon, dass es irgendwie weitergeht, und – mal sehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, und Toi-toi-toi für die Premiere!

Danke schön!

Interview vom 10.11.2011

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