Maria Stuart von Friedrich Schiller ist quasi Pflichtlektüre in jedem Deutschunterricht und das war im Grundkurs anno 1986 auch nicht anders. Wären wir doch damals in so eine einfühlsame und gleichzeitig eindringliche Vorstellung wie diejenige des Münchner Galerietheater, die immer mal wieder im Pepper Theater in Neuperlach aufgeführt wird, gegangen, hätten wir das Stück sicher mit anderen Augen betrachtet.
Es ist immer wieder faszinierend, was man auch mit wenigen Mitteln erreichen kann. Selbst um zwei Teile des gleichen Aktes auf einer Bühne spielen zu lassen, reicht geschickte Beleuchtung. Das Bühnenbild lässt viel Platz für Assoziationen, symbolisiert aber gleichzeitig perfekt die verschiedenen Handlungsorte. Ebenso die Kostüme. Die Männer im Anzug, die beiden Rivalinnen in exakt der gleichen Kleidung in zwei verschiedenen Farben, das hieß für mich zwei gleichberechtigte Königinnen. Um aber aus einem Sessel und ein paar Stoffstreifen als Baldachin einen Thronsaal zu machen, bedarf es vor allem starker Bühnenpräsenz.
Und die zeigten alle Protagonisten an diesem Abend ohne Ausnahme. Fantastisch waren die beiden leading ladies, Ulrike Dostal als Maria und Raphaela Zick als Elisabeth. Sowohl einzeln wie auch in der Szene, in der sich beide begegnen, rissen mich beide mit und überzeugten mit präzisem, leidenschaftlichem Spiel. Sabine Heckmann gab der Amme Hanna Profil. Die Männer waren rollengerecht besetzt, Peter von Fontano (Talbot), Amadeus Bodis (Cecil), Andreas Berner (Davison) und Momi von Fintel (Mortimer) zeigten in der ausgezeichneten Personenregie von Ingmar Thilo die unterschiedlichen Facetten der Berater und Freunde der beiden Königinnen. Herausragend war Johannes Schindlbeck als Dudley, der die Zwiespältigkeit und Zerrissenheit besonders im letzten Monolog herausragend interpretierte.
Ein sehr dichter, leidenschaftlicher, sehr sehenswerter Theaterabend.
Kurzbeschreibung: (von der Verlagsseite)
Deutschlands beste Kurzkrimiautoren haben zugeschlagen: in der Nordstadt, in der Südstadt, op der schäl Sick. Einfach überall. Und jetzt hat unsere schöne Domstadt ein paar Leichen mehr.
Die Bestsellerautoren Jacques Berndorf und Gisbert Haefs haben die Messer gewetzt, die Friedrich-Glauser-Preisträger Norbert Horst, Jürgen Ehlers und Sabina Naber die Pumpgun durchgeladen, die Krimispezialisten Ralf Kramp, Brigitte Glaser, Carsten Sebastian Henn die Axt geschwungen, und die Kölner Killer Helmut Frangenberg, Sibylle Spittler und Hartwig Liedtke im Giftschränkchen gewühlt. Der Träger des Deutschen Kurzkrimipreises, Kai Hensel, hat zusammen mit Sir-Walter-Scott-Preisträger Andreas Izquierdo und Thrillerspezialist U.A.O. Heinlein die Lunten gelegt. Und zum Schluss haben Angela Eßer und Julius Moll sie alle beerdigt.
Illustrationen: Antje Stockmann, mit einem Vorwort von Frank Schätzing
Das schöne an Kurzgeschichten ist, dass man sie mal eben zwischen rein schieben kann. So findet man auf wenige Seiten verdichtet eine ganze Romanhandlung. Gemeinsam ist allen Geschichten, dass sie die Kölner Mentalität und Eigenheiten gut widerspiegeln, jedenfalls so weit ich das beurteilen kann. Das Vorwort von Frank Schätzing weist mit der Tünnes und Schäl-Anekdote den Weg und alle Autoren schaffen es, den besonderen Kölner Flair einzufangen und ihm ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Und wenn man dann noch am Ort der Handlung liest, misst man die Länge am Besten in Kölsch.
Nur ein Kölsch dauerte Jacques Berndorfs Brunkowski, diese Geschichte war nämlich so spannend und gut erzählt, dass ich darüber das Kölsch trinken vergaß. Sie macht auf jeden Fall Lust auf mehr und ich habe mir gleich mal den ersten Eifelkrimi auf die Wunschliste gesetzt. Ebenfalls spannend und in einem sehr direkten, zur Geschichte hervorragend passendem, Erzählstil gehalten ist Nulllinie von Andreas Izquierdo. Beklemmend und sehr realistisch wirkte der Briefstil von Kai Hensels Ermahnungen für Sandra und am Ende von Angela Eßers Opas Geheimnis verzichtet man gerne für eine Weile auf Himmel un Ääd.
Es sind 16 sehr unterschiedliche Geschichten, alle haben mir gut bis sehr gut gefallen. Die Illustrationen von Antje Stockmann werten den Band noch zusätzlich auf.
Für Leute die Krimikurzgeschichten oder Köln mögen, sehr zu empfehlen, für Liebhaber von Beidem ein Muss.
Auch beim vierten Ansehen hat dieses Stück nichts von seiner Faszination verloren. Es gehört für mich auf jeden Fall zu den Top 3 der Neuproduktionen der letzten fünf Jahre. Die Gefühle, die Musik und Szene in mir auslösen, sind schwer zu toppen.
An den Reaktionen meiner Mitzuschauer kann ich ablesen, dass es ihnen ähnlich geht. Selbst das manchmal etwas schwerfällige Abopublikum geizt nicht mit Beifallsbekundungen. Leider haben anscheinend so viele Angst vor dem Thema und vielleicht auch vor neuer Musik, dass sie lieber fernbleiben als sich damit auseinanderzusetzen. Denen möchte ich zurufen: Wagt es! Es ist ein unvergesslicher Abend. Der Trailer kann zwar kaum das rauschhafte Gefühl vermitteln, das die Produktion bei mir bewirkt, aber vielleicht hilft er, ein paar Ängste abzubauen:
Die Besetzung ist wirklich vom Allerfeinsten: Gary Martin zeichnet ein vielschichtiges Porträt von Joseph Süß, dem Mann der hoch hinaus wollte und sehr tief fiel, weil er zufällig Jude war. Seine Bühnenpräsenz und seine tolle Stimme lassen einen mitjubeln und mitleiden. Besser geht es eigentlich nicht. Das kann man im Grunde von allen Akteuren sagen. Ich habe zwar keinen Vergleich, weil ich diese Oper noch nirgendwo anders gesehen habe, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man noch tiefer eindringen kann in Musik und Darstellung. Thérèse Wincent als Magdalena, die zu Joseph Süß steht, obwohl sie sich hätte retten können. Carolin Neukamm als engelsgleiche Naemi, die eines grausamen Todes stirbt. Was aber wohl nicht jeder mitbekommt, wie man einer Kritik entnehmen konnte. Karolina Andersson als Graziella, das Sängerpüppchen, das aber ganz schön durchtrieben ist. Mark Bowman-Hester als Weissensee, der auf dem Weg zur Macht seine Tochter und den Herzog opfert. Juan Gernando Gutiérrez als Magus, der Joseph Süß vor seinem Schicksal zu bewahren sucht. Thomas Peters, der nicht nur die Schlinge für Joseph knüpft, sondern ihn auch mit Worten seziert. Und schließlich Stefan Sevenich, der sich auch nicht von den Nachwehen eines grippalen Infektes abhalten ließ, den Herzog vor viriler Kraft strotzend zu geben.
Nicht genug loben kann man den Chor. Aufpeitschend, präzise in den Bewegungen, steigert er die Spannung bis zum unvermeidlichen Ende. Daran müssen sich größere Häuser messen lassen. Das Orchester unter Roger Epple agierte wie auch schon an den Abenden vorher konzentriert und trug seinen Teil zum Gesamterlebnis bei.
Eine Lesung von Kerstin Gier zu besuchen gehört zu den 100 Dingen im Leben, die man einmal gemacht haben sollte. Es ist einfach ein unglaubliches Erlebnis, wie sie mit verschiedenen Stimmen spricht, den eigenen Roman ironisch kommentiert und auch drumherum lauter witzige Sachen sagt.
So wie wir dachten viele und im Katalog zur Buchmesse war leider nicht vermerkt, dass man sich für die Lesung vorher Karten besorgen muss. Aber von dem Schild “Ausverkauft, kein Einlass mehr” am Eingang des Karstadt ließen wir uns nicht abschrecken und fuhren einfach trotzdem mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Hier trafen wir auf eine Menge Leute, denen es genauso ging wie uns. Keiner hatte etwas von dem Vorverkauf gewusst, man hatte zum Teil andere Lesungen vorzeitig verlassen, es wurde sogar gemunkelt, dort drin säße nur das Personal von Karstadt. Aber Beharrlichkeit zahlt sich aus: Sekunden vor der Lesung wurden von irgendwoher noch Karten und Stühle gezaubert, und so konnten wir am Ende doch dieses besondere Erlebnis genießen.
Der Raum war rappelvoll, sicher 150 Personen hatten sich eingefunden. Und von dem Moment, in dem Kerstin Gier die Bühne betrat, nahm sie uns gefangen. Sie las aus ihrem neuesten Buch Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner mit so viel Witz und Esprit, dass wir aus dem Lachen nicht mehr herauskamen. Köstlich, wie sie jeder Person eine eigene Stimme gab, und sogar verschiedene Dialekte wie Pfälzisch streute sie zur Erheiterung der Zuschauer ein. Das muss man einfach mal erlebt haben. Das von ihr selbst eingelesene Hörbuch lässt einen das Vergnügen zwar schon ahnen, aber live ist es halt doch noch mal ein ganz anderes Erlebnis. Viel zu schnell ging die Zeit mit dieser sympathischen Autorin vorbei. Am Ende erfüllte sie trotz sehr vorgerückter Stunde noch alle Signierwünsche und plauderte dabei noch mit den geduldig Anstehenden. Für mich war dieser Abend der Höhepunkt der diesjährigen Buchmesse in Leipzig. Die ist zwar noch nicht zu Ende, aber das ist kaum zu toppen.
[singlepic id=1037 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrter Herr Podrečnik, herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft, uns ein Interview zu geben, im Vorfeld des Familienmusicals Heimatlos, der letzten Premiere am Gärtnerplatztheater vor der großen Renovierung. Stellen Sie sich kurz vor?
Ich bin Mario Podrečnik, ich bin (noch) am Gärtnerplatztheater als Spieltenor engagiert und werde versuchen, in Zukunft dieses Fach weiter zu bedienen. Mal sehen, was in den nächsten Jahren auf mich zukommt, weil durch den Umbau und den Intendantenwechsel die ganzen Kollegen nicht verlängert worden sind, was mich natürlich sehr getroffen hat.
Erzählen Sie uns etwas über Ihren Werdegang?
Mein Werdegang? Das ist eigentlich ganz schnell erzählt. Ich habe nach dem Abitur in Kärnten am Anfang Pädagogik und Medienkommunikation studiert, was ich abgebrochen habe, weil ich an das Kärntener Landeskonservatorium gegangen bin und dort meine Lehrerausbildung zum Gesangslehrer gemacht habe, und später noch das künstlerische Diplom. Im Diplomstudium habe ich dann einen neuen Lehrer bekommen, das war Ronald Pries, der hier in München dreizehn Jahre lang an der Staatsoper gesungen hat. Der hat mein Talent erkannt und mich zum Vorsingen nach München geschickt, damals noch zu der ZBF. Die haben mich dann weitervermittelt, und ich kam im Jahr 2000 an das Stadttheater in Regensburg. Dort habe ich zwei Jahre gearbeitet und als Anfänger viele Produktionen gemacht. 2002 bin ich dann an das Pfalztheater nach Kaiserslautern gegangen, wo ich fünf Jahre lang gearbeitet habe, und nach dieser Zeit an das Gärtnerplatztheater.
Was wären Sie in einem anderen Leben geworden?
Also ich hätte schon mehrere Möglichkeiten gehabt. Da mein Vater ja bei der Post gearbeitet hat, und ich damals als Ferialpraktikant auch bei der Post als Briefträger gearbeitet habe, hatte ich schon eigentlich relativ weit meinen Fuß drin, und die hätten mich auch mit Handkuß genommen. Dann habe ich mir gesagt: “Nein, das ist nichts für mich.” Dann habe ich, wie gesagt, Medienpädagogik und Medienkommunikation studiert. Eigentlich hat mich nur die Medienkommunikation interessiert, weil ich damals auch schon bei einer privaten Firma in Kärnten gearbeitet hatte, als Kameraassistent, eine Firma, die im Auftrag des österreichischen Rundfunks Beiträge gefilmt hat. Da waren wir einige Studenten, und diese Studenten, mit denen ich damals diesen Job geteilt habe, sind heute bei der Firma als Kameraleute angestellt, und ich bin Sänger geworden. (Lacht.)
Wie kam dieser Schwenk von der Medienkommunikation zur Musik?
In unserer Familie wurde schon immer gesungen. Meine Eltern haben in einem großen Chor in Kärnten gesungen, haben im Kirchenchor gesungen. Als Kind und Jugendlicher habe ich natürlich im Kinderchor gesungen, im Jugendchor, im Schulchor. Später die erste Schulband, danach noch die zweite Schulband. Sogar Oberkrainer-Musik habe ich fünf Jahre lang gemacht, mit einem Kollegen, was auch eine interessante Erfahrung war. Aufgrunddessen kann ich relativ gut auch Musical bedienen, weil man einfach damit groß geworden ist.
Da möchte ich gleich einhaken: Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Als Kind? Eigentlich alles. Vom Hardrock bis zu den Schnulzen. Aber auch Oberkrainer, Volksmusik, Chorstücke, etcetera. Alles, eigentlich.
Haben Sie das absolute Gehör?
Nein. Aber man muss es nicht unbedingt haben. Man sagt zwar immer wieder, wenn man mal ein Stück gut einstudiert hat, dann trifft man komischerweise die Töne so, wie sie sein sollten, in der richtigen Tonlage, obwohl kein Orchester oder Klavier dich begleitet. Das ist eigentlich ganz interessant. Ob das das absolute Gehör wäre, weiß ich nicht. Aber es ist besser, es nicht zu haben.
Spielen Sie ein Instrument?
Ich habe früher ein paar Jahre Klavier und dann noch Kirchenorgel gelernt; da war ich aber nicht so ein großer Meister. Das war eigentlich ausschlaggebend, dass ich dann angefangen habe zu singen, also, auch professioneller Art.
Hören Sie auch heute noch andere Musikrichtungen?
Ja, ich höre relativ viel. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, habe ich halt immer die gängigen Sender an. Ich habe auch von kroatischer Popmusik bis hin zu Rockmusik, auch Klassik. Es ist total gemischt bei mir.
Sie gehören der slowenischen Volksgruppe in Kärnten an. Sie sprechen also Slowenisch, Sie sprechen Deutsch. Welche Sprachen sprechen Sie noch, und in welchen Sprachen singen Sie auch?
Ich singe relativ viel in Italienisch, obwohl ich des Italienischen leider Gottes nicht so mächtig bin. Ich habe es zwar ein bisschen gelernt, aber einfach nie Zeit gehabt, es richtig zu lernen. Natürlich, Englisch geht auch noch, so das Gängige, dass man überleben kann. Aber sonst, im Slowenischen und Deutschen, da bin ich eigentlich zuhause.
Haben Sie musikalische Vorbilder?
Musikalische Vorbilder gibt es natürlich irrsinnig viele, speziell auch Sänger, die man einfach bewundern kann. Für mich ist einer der besten Tenöre des letzten Jahrhunderts auf alle Fälle Pavarotti gewesen: Eine wunderbare Stimme. Wenn man mal als Sänger eine Krise hat – es war immer für mich: “Hör dir mal wieder Pavarotti an.” Diese befreite Art des Singens, die er einfach gehabt hat. Ich sage immer dazu: Wenn er den Mund aufgemacht hat, da hat man so das Gefühl, wie der Hals bei ihm eigentlich offen ist, so als ob man hineinschauen könnte: Was hat er eigentlich zu Mittag gegessen? Und es tut einfach der Seele des Sängers gut, so etwas zu hören, und man gesundet seelisch wieder daran.
Haben Sie eine Lieblings-Opernaufnahme?
Naja, Aufnahme – eigentlich nicht. Ich bevorzuge da eher mal das Live-Erlebnis der Oper. Und da ich ja Darsteller und Sänger bin, fühle ich mich eher auf der Bühne wohler als im Zuschauerraum. Ich probiere es ja immer wieder mal, den Kollegen zuzuschauen. Aber irgendwie habe ich den Drang, einfach auch selber auf der Bühne zu stehen, und der ist so entsetzlich stark in mir, dass wenn ich da im Zuschauerraum sitze und zusehe es einfach sowas von zu kribbeln in mir anfängt, und eigentlich will ich mitmachen.
Gibt es eine Lieblingsoper?
Oh, da gibt es einige. Für mich auf alle Fälle ist die Traviata eine meiner Lieblingsopern. Da hatte ich ja auch das große Vergnügen, in Klagenfurt nach dem Umbau des Stadttheaters noch als Student im Extrachor mitsingen zu dürfen. Damals war die Wiedereröffnung des Hauses mit Traviata in einer Inszenierung von Dietmar Pfleger, wo sogar der schlimmste Kritiker Österreichs, das war dieser Karl Löbl vom ORF, gesagt hat: Die schönste Traviata seines Lebens. – Und in dieser Produktion durfte ich damals mitmachen. Auch wenn ich nur ein kleiner Chorsänger war, aber das hat riesig viel Spass gemacht. Weil es einfach eine wunderbare, schöne Inszenierung war. Die Leute haben geweint bei Violettas Tod. Das glaubt man einfach nicht, dass eine Oper solche Emotionen auslösen kann, bei alt und jung. – Da war ich dabei. (Lacht.)
Sie sind in Deutschland und Österreich zu Hause. Hatten Sie auch noch andere internationale Auftritte?
Ich habe auch schon in Slowenien gesungen, weil meine Frau aus Slowenien kommt und ich da drüben einen relativ großen Bekanntenkreis habe, auch in der Musikbranche. Zwar jetzt nicht in der klassischen Musikbranche, sondern eher im Pop- und Rock-Gewerbe. Da wurde ich schon einigermaßen oft eingeladen, auch bei Veranstaltungen mitmachen zu dürfen.
Sie stecken jetzt gerade mitten in den Proben zu Heimatlos; die Premiere ist in etwas über einer Woche. – Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben? Zum Beispiel, wenn morgens eine Probe ist und abends eine Probe, oder eben abends die Vorstellungen. Das ist ja doch ganz etwas anderes als ein Nine-to-five-Bürojob.
Ja, es ist bekannt, dass wir in diesem Beruf vormittags proben und abends auch proben. Das ist halt eine besondere Belastung, die wir haben. Ab und zu denkt man, dass wir alle nur Spass machen. Aber wenn man dann so zusammenzählt, wie viele Stunden man eigentlich täglich unterwegs ist – nach Hause fährt, sich mal niederlegen nach der Vormittagsprobe, dann wieder hereinfährt, ins Theater kommt und wieder probt oder eine Vorstellung hat. Man kommt da schon mal auf über acht Stunden Arbeitszeit. Und das ist relativ viel, das kann auch sehr belastend werden. Speziell, wenn man in so einem Fach ist, wie ich am Gärtnerplatztheater bin, wo man ständig in irgendeiner Produktion drinhängt. Entweder Neuproduktionen oder auch Wiederaufnahmen, die wir ja en masse an diesem Hause haben. Das ist schon eine riesengroße Belastung. Natürlich hat man dadurch halt dann auch das Problem, wenn man einen neuen Job suchen muss, eine neue Arbeit suchen muss: Man geht im Endeffekt nicht ausgeruht zu den Vorsingen. Und das kann problematisch werden, das habe ich heuer selbst miterlebt. Das heißt, ich bin zu Vorsingen gefahren für Festengagements, und einfach aufgrund dessen, wo ich dann beim Vorsingen merke: Eigentlich dürfte ich gar nicht vorsingen, ich bin zu müde dazu. Jetzt habe ich aber zum Glück für Herbst eine Lösung gefunden, wie ich das jetzt mal als Übergang machen werde. Weil ich auch in diesen zwölf Jahren, die ich jetzt in diesem Berufsleben bin, sehr, sehr viel gearbeitet habe. Eigentlich zu viel, wenn man denkt: Zwölf Jahre, an die 900 Vorstellungen und über 50 Partien. Das heißt, so schon irrsinnig viel, und wo sind dann noch die Probenzeiten? Man muss ja das alles einstudieren, man muss alles auswendig lernen. Da habe ich mir gedacht jetzt für die Zukunft: was mache ich? Werde ich das weiter so führen wie bisher, oder – schauen wir mal, was passiert. Und jetzt hat sich gottseidank eine Lösung gefunden, für ein halbes Jahr mal: Ich werde in Kaiserslautern in einer Produktion im Weißen Rößl mitspielen, den Zahlkellner Leopold, und werde einfach diese Zeit mal nutzen, dieses halbe Jahr, um herunterzukommen, mich neu zu orientieren, mich vorbereiten, bei Agenturen vorsingen, bei Theatern, aber dann: ausgeruht.
Was tut Ihrer Stimme gut, und was verträgt sie gar nicht?
Ich bin relativ belastbar. Das heißt, ich kann auch unter großer Belastung arbeiten, ohne dass ich stimmliche Probleme habe. Heuer war es leider Gottes so – ich vermute auch durch diese ganze Situation mit der Nichtverlängerung – da habe ich mir in diesem Winter zwei Infekte eingehandelt, die mir Probleme gemacht haben. War mal der eine Infekt weg, dann ging es wieder gut mit der Stimme, und plötzlich war der zweite da. Das hat wieder eineinhalb bis zwei Monate gedauert, bis man sich davon erholt hat. Ich bin jetzt zwar auch relativ müde, aber komischerweise: auf der Bühne macht der Körper so einen Energieschub, dass plötzlich Sachen gehen, wo man denkt: “Wow – dass das jetzt noch geht, trotz Müdigkeit, trotz leichter Krankheit, die man hat.” Und man kann auch nicht die ganze Zeit krank machen. Das geht halt nicht in unserem Beruf.
Brauchen Sie Kondition für Ihre Arbeit, und was tun Sie dafür?
Wer mich kennt, weiß genau, dass ich relativ viel mit dem Fahrrad unterwegs bin, mit meinem Mountainbike. In der letzten Saison, also im letzten Jahr, habe ich zusammen 3800 Kilometer mit dem Rad gemacht. Wo ich richtig auch anstrengende Touren gefahren bin in die Berge, und diese Kondition braucht man dann auch auf der Bühne, um durchzuhalten. Das wird man natürlich dann auch bei Heimatlos sehen. Und da denke ich mir jetzt schon, wo es jetzt langsam zum Ende hingeht, zur Premiere: Gottseidank habe ich was gemacht.
Sie legen sehr viel Wert auf die Darstellung. War Schauspielunterricht ein Bestandteil Ihrer Ausbildung?
Sagen wir mal so: Ich habe eigentlich schon vieles als Kind mitbekommen. Wenn man aber weiß, dass mein Großvater – den ich leider nie kennengelernt habe, weil er verstorben ist, bevor ich überhaupt auf die Welt gekommen bin – in der Gemeinde in Kärnten, wo er zuhause war, Theater gespielt hat, Regie geführt hat. Kulissen haben sie selber gebaut, die Kostüme selbst genäht, es wurde viel gesungen. Und komischerweise: dieses Talent ist über eine Generation rübergesprungen, und ich habe es wieder voll abgekriegt. Es steckt etwas in mir, was man teilweise einfach nicht erklären kann. Da war dann im Endeffekt die große Ausbildung zum Schauspieler eigentlich gar nicht mehr so gravierend. Ich wurde einfach gut geführt von den Leuten, mit denen ich im Studium gearbeitet habe. Die waren natürlich dankbar, dass da so vieles da ist. Woher das gekommen ist? Ich vermute mal, es ist vererbt.
Sie haben vorhin gesagt, Sie sind Spieltenor, aber Sie haben ein sehr großes Repertoire. Gibt es Unterschiede in der Weise, wie man an eine Buffo-Rolle herangeht oder aber an eine dramatische Rolle?
Erstens einmal ist auch wichtig das Konzept des Stücks: Was ist das für eine Partie, die man übernimmt? Ist es jetzt eine lustige Partie, ist es mehr eine tragische Partie, ist das jetzt eine böse Partie? Nach dem geht man dann auch an die Arbeit heran. Wenn ich sehe, wie jetzt der Harry in Heimatlos geworden ist – ich habe ja damals in Kaiserslautern die deutsche Erstaufführung dieses Stückes mitgemacht. Und dieser Harry ist diesmal ganz anders geworden als damals. Ich schätze, das kommt durch die Jahre, durch die Erfahrung. Man will halt nicht immer alles gleich machen. Man probiert einfach, neu an eine Partie heranzugehen, auch wenn man sie schon mal gemacht hat. Es ist dasselbe Thema mit dem Alfred in der Fledermaus, den ich auch hier am Gärtnerplatztheater singe: Der ist zwar, so wie man ihn kennt, immer gleich, aber im Endeffekt ist er hier ganz anders geworden als ich ihn schon mal gemacht habe.
Also, wenn Sie eine Partie noch mal wieder aufnehmen, sozusagen, in einer anderen Inszenierung, dann versuchen Sie eher, anders heranzugehen?
Einfach nur das Neue suchen, neue Akzente finden. Ich schätze mal, auch mit der Reife der Jahre sieht man plötzlich eine Partie ganz anders. Das hilft einem schon auch weiter, die Partie neu zu gestalten. Denn immer das gleiche machen, über Jahre einer Partie in verschiedenen Produktionen immer die gleiche Linie zu geben oder immer das gleiche Spiel, die gleiche Gestik zu geben, das ist uninteressant. Das wird langweilig. Lieber neu suchen, neu entdecken, neu spüren oder auch neu leben. Ich versuche ja, meine Partien nicht zu spielen, sondern zu leben. Und das ist vielleicht ein großer Vorteil, um authentischer zu wirken auf der Bühne.
Sie sind ja unglaublich vielseitig. Wenn ich mal ein paar Glanzlichter herausgreifen darf – der Pirelli in Sweeney Todd, der Prinz in Boccaccio, der Rolla in I Masnadieri – das sind ja drei ganz unterschiedliche Genres. Wie sehen Sie die Unterschiede, und auch die Herangehensweise?
Am Anfang kommt natürlich auch die Musik dazu: Was ist es für ein Genre, ist es Oper, ist es Operette, ist es Musical? Und dann schaut man aber auch an: Wo liegt die Schwierigkeit in den Partien, wo soll er hingehen, was sollen das für Figuren werden? Und natürlich, das freut mich ja, dass die Leute es sehen, dass ich vielseitig bin. Einen Pirelli zu spielen, der ein total durchgeknallter, falscher Italiener ist, in diesem Fall. Einfach auch diese Spielastik zu geben, die diese Partie einfach braucht. Diese komische, übertriebene Art des Spiels – wobei sich ja später herausstellt, dass es ja gar kein Italiener ist – und der dann nebenbei noch richtig schwer zu singen hat: die Partie besteht aus vier hohen C! Das weiß man gar nicht. Wo findet man sonst einen Spieltenor, der so etwas kann? Buffonesk zu sein, zu spielen, und trotzdem dann noch so sicher zu sein, um die vier C zu halten. Ist ein Wahnsinn. Gar nicht machbar. Wenn man aber wieder hernimmt: Die Musik von Verdi, I Masnadieri, der Rolla. Auch das Konzept des Regisseurs war so überzeugend für diesen Bösewicht – der Handlanger des Todes ist, der dann den Carlo verführt, damit er die Amalia umbringt. Das hat schon was. Da war immer der Hauch des Todes zu spüren, der über dem ganzen Stück schwebt. Es ist schwierig, Bösewichter zu spielen. Das ist gar nicht so einfach. Dabei trotzdem auch glaubwürdig zu bleiben. Aber das hat halt dann auch Spaß gemacht. Wenn man dann wieder zurückgeht zur Operette: in Boccaccio der Prinz. Das ist halt mehr diese lyrischere Partie, der Schönling, der auftritt, die Damen verführt. Oder sich auch verführen lässt, weil er etwas erleben will. Das macht Spaß. Darum macht dieser Beruf so viel Spaß: Man steckt halt nicht nur in einer einzigen Schublade. Man hat vieles zu machen. Man kann verschiedene Partien neu gestalten, anders gestalten, anstatt nur immer die gleiche Linie zu fahren.
Wie sehen Sie das Verhältnis von Schauspielkunst und Gesangskunst auf der Bühne – was dominiert?
Ich würde sagen: Es darf nichts dominierender sein, es muss beides ausgeglichen bleiben. Natürlich, was den Text in einer Operette betrifft – die Dialoge sollen ja die Musik im richtigen Moment auslösen. Dann ist aber auch wichtig, dass die Dialoge gearbeitet werden. Nur manchmal hat man halt auch Regisseure, die leider Gottes speziell Musiktheater nicht gut führen können. Es darf nicht Schauspiel werden, weil Schauspiel wieder etwas ganz anderes ist, aber man muss einen gewissen Rhythmus in der Sprache entwickeln, in den Dialogen, damit man dann zu einem Punkt kommt, wo die Musik ausgelöst wird. Ich hatte vor Jahren mal eine Produktion gemacht, das war zwar keine Operette, sondern eine Spieloper, Die Entführung aus dem Serail, wo die Regisseurin sehr bedacht war, Schauspieldialoge zu führen. Bei der Bühnenorchesterprobe hat der Chef des Hauses dirigiert, der GMD höchstpersönlich; der hat während so einer Probe mal im Orchestergraben gestanden und hat nicht eingesetzt mit dem Orchester, hat sich umgedreht zu der Regisseurin und gesagt: “Ich fühle jetzt keine Musik.” – Weil irgendetwas vorher nicht stimmt. – Er sagte: “Ich fühle jetzt nichts. Ich weiß nicht, was für ein Tempo ich machen soll, damit das fließend übergeht.” Das sind so diese Momente im Leben, wo man sagt: Ja, man muss halt auch das Genre Operette oder Spieloper beherrschen, auch die Dialoge richtig führen. Jetzt nicht schauspielhaft, aber jetzt auch nicht übertrieben sängertechnisch gesehen, sondern einfach die Hinführung zur Musik sollte es bleiben. Das ist aber auch die hohe Kunst des Musiktheaters, und daran scheitern viele Regisseure.
Müssen Sie als Sänger sehr diszipliniert leben?
Auf alle Fälle sollte man schon diszipliniert leben, aber ich sage immer: Man muss wissen, was man im richtigen Moment machen kann. Man muss seinen Körper kennen, man braucht auch genug Schlaf. Man kann sonst alles machen, aber nur nicht übertreiben.
Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?
Ich bin da eher einer, der aus dem Bauch heraus arbeitet. Ich stelle mir jetzt nicht irrsinnig viele Fragen: Was ist das für ein Typ, woher kommt er? Ich probiere die Musik zu spüren, ich lese mir die Dialoge durch, und dann lasse ich es einfach aus mir heraussprudeln, aber schon ein bisschen mehr geführter. Und da ist halt auch wichtig, dass der Regisseur sagt: Was will er eigentlich haben, wohin soll das Ding führen? Wenn es aber nicht kommt – natürlich, die Begabung des Spiels ist einfach da, dass man dann eine Partie auch selbst erarbeitet. Ich hatte mal vor Jahren eine Produktion, das war die Zauberflöte, da habe ich den Monostatos gesungen, einzeln besetzt, und da war die einzige Regieanweisung, die ich vom Regisseur bekommen habe, dass er sagte: “Der Monostatos ist schlecht. Er hat einen Defekt: linkes oder rechtes Knie. Such es dir aus.” Ich bin damals auf der Probebühne gewesen, es war aufgebaut, wie die Bühne sein würde, mit Stufen, Gängen und so. Ich habe gesagt: “Moment!”, bin mal über die Probebühne gehuscht, über die Stiegen, runter, rauf, hin und her, und sagte: “Okay, rechtes Knie bleibt steif.” Und dann durfte ich eigentlich diese Partie für mich selbst anlegen. Er hat mir diese große Freiheit gegeben, es einfach selbst zu machen. Er hat mich dann nur noch geführt, indem er sagte: “In diesem Moment solltest du hier stehen, in diesem Moment solltest du da stehen, das andere passt alles. Danke.” Das ist natürlich auch lustig, wenn man die Möglichkeit hat, es einmal so zu machen. Und dieser Monostatos war – der hat so gelebt, der war auch so spritzig, so durchtrieben und frech, fast wie in Herr der Ringe, ein bisschen angelegt auf Gollum. Also, das hat schon viel Spass gemacht. Auch die Art, wie er dann gesprochen hat, ging schon in Richtung Gollum. Es war damals gerade diese Zeit, mit dieser Trilogie, Herr der Ringe. Das hat irgendwie super gepaßt. Und ich habe dann einige gute Kritiken bekommen. Zum Beispiel in einer Kritik stand, das war, glaube ich, in Wiesbaden: “Der heimliche Star des Abends: Ein in Bestlaune spielender und singender Monostatos.” – Das freut mich natürlich dann, wenn es so kommt.
Sie haben vorhin schon die Rolle des Harry Driscoll angesprochen, die Sie in der Produktion Heimatlos übernehmen. Erzählen Sie uns ein bisschen von Harry.
Harry. (Lacht.) Was soll man zu Harry sagen? Harry ist ein Drecksack. (Lacht.) Erstens mal ist er ein Gauner. Er ist verheiratet mit Maggie, also: Maggie und Harry Driscoll. Das sind hier die komischen Gauner, die den Auftrag kriegen, ein Kind umzubringen. Sie bringen das natürlich nicht übers Herz, sie verkaufen das Kind lieber weiter. Nur damit sie immer wieder zu Geld kommen. Ich weiß nicht, wie viel ich verraten soll, jedenfalls: es ist eine Paraderolle für mich, dieser Harry. Die Schwierigkeit liegt in dieser Partie auf alle Fälle in der Kondition. Der hat auch die zwei größten Nummern des Abends zu singen, die großen Shownummern. Aber er ist so ein Typ, der – wenn er Geld riecht, dann wird er, wenn ich das sagen darf: geil, er träumt von Frauen, er träumt von Sex. Er ist so ein Typ, so ein Schleimer, aber immer wieder kriegt er dann von seiner Frau einen auf den Deckel. Die holt ihn wieder zurück auf den Boden.
Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation dieser Rolle?
Natürlich ist vieles von mir gekommen. Ich habe auch probiert, ihm eine gewisse Richtung zu geben. Man probiert ja einiges aus in der Probenzeit: Wie könnte man da noch – soll ich in diese Richtung gehen, soll er mehr gnomhaft wirken oder nicht? Soll er mehr ernst bleiben? Aber dann haben wir uns auch mit dem Regisseur dazu entschieden – der hat mir den Tip gegeben, mal dieses Koboldhafte eher wegzunehmen und geradliniger zu bleiben, weil der Harry authentischer wirkt, viel stärker wird, aber trotzdem lustig. Und natürlich mit seiner Frau zusammen, Maggie, die übrigens Milica Jovanovic spielen wird. Zusammen sind wir ein tolles Team.
Was gefällt ihnen am besten an dieser Partie, und gibt es da auch etwas, was nervt?
Eigentlich nervt in diesr Partie nichts! Denn so etwas wünscht sich ein Sänger oder auch Darsteller immer wieder mal, solche Figuren spielen zu dürfen. Das sind nämlich die Interessanten im Musiktheater, da steckt so viel drin. Die Figur braucht so viel Energie. Das kann einen gar nicht nerven. Es ist halt nur, das Nervige ist halt: du musst das echt proben, was wir da machen! Das kann ab und zu nerven. Aber es ist wichtig, dass es gut geprobt ist, um einfach auch glaubwürdig am Abend dazustehen. Dass der Funke dann rüberspringt auf das Publikum. Und ich hoffe, es wird klappen.
Da habe ich eigentlich keinen Zweifel. – Es ist ja eine Kooperation mit dem Jungen Theater jtg und mit dem Seniorentheater stg. Wie ist das, mit Laien auf der Bühne zu stehen?
Ich finde es natürlich irrsinnig toll, dass hier die Jugend einmal die Möglichkeit bekommt – speziell im letzten Jahr, dass sie einmal mit professionellen Sängern zusammenarbeiten. Zum Teil gibt es Kinder, die später einmal solche Berufe ergreifen wollen, Künstler werden wollen, Sänger, Schauspieler. Einfach auch zu sehen, wie man mit solchen Partien dann als Profi umgeht. Wie viel Energie man in solche Partien hineinstecken kann, die die Kinder noch nicht haben, aber vom Leiter des jtg einfach vermittelt bekommen, wie es sein sollte. Ich denke, dass die Kinder jetzt in dieser Probenzeit, die wir zusammen hatten, viel, viel, viel gelernt haben. Das finde ich natürlich toll, dass so etwas passiert. Und natürlich auch, dass das stg dabei ist, das Seniorentheater: einfach mal so eine Koproduktion mitzumachen. Auf der einen Seite kommt es auch vom Regisseur – er hat hier das Seniorentheater mal gemacht, er hat das jtg geleitet und auch mit Profis gearbeitet, und das ist jetzt auch ein schöner Abschluss für ihn: Die letzte Produktion hier am Haus, seine letzte Regie hier am Haus. Damit einmal alles unter einen Hut kommt. Ich finde das toll. Und die Kids sind recht gut drauf, wirklich. Das macht einen Riesen-Spass, mit denen zu arbeiten.
In welchem Alter sind die Jugendlichen?
Oh, ich glaube, von 14 Jahren aufwärts bis über 20 Jahre. 23, 24 Jahre, sowas.
Können Sie uns ein Detail aus den Probenarbeiten erzählen?
Ein Detail. Irgendetwas Lustiges? – Okay, ja, gleich am Anfang: Harry und Maggie Driscoll treten auf. Es kommt der böse Onkel James Milligan, der das Baby entführt hat und das Baby uns übergibt. Ich mache das dann eigentlich für einen Spottpreis. Und natürlich regt sich sofort Maggie auf, nicht? Maggie, meine Frau, haut mir dann gleich in dieser Szene eine richtige Ohrfeige herunter. – Es ist auch ganz spannend, wie gewisse Kolleginnen dann an dieses Detail herangehen: Wie haue ich ihm jetzt eine runter? – Wir haben uns langsam schön dahingetastet; ich habe gesagt: “Du kannst richtig schön zuhauen.” Jedenfalls bitte nicht aufs Ohr schlagen, sondern einfach mal schön auf die Wange, es kann ruhig knallen. Das tut nicht weh, wir sind in Spannung auf der Bühne, wir werden unter Adrenalin stehen. Das tut nicht weh. Und in der Zwischenzeit langt sie ganz schön zu! (Lacht.)
Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja: was tun Sie dagegen?
Das hängt auch immer wieder davon ab, wie ein Stück geprobt ist. Wenn es gut geprobt ist, ist ein vernünftiges Lampenfieber immer vorhanden. Andererseits gibt es auch Abende – speziell, wenn ein Stück lange gelegen ist, dass man es lange nicht mehr gemacht hat, dass man besonders nervös ist. Aber das ist auch ein Zeichen, dann wieder unter höchster Anspannung zu arbeiten. Adrenalin wird ausgeschüttet, und dieses Adrenalin fördert die Konzentration, damit man da einfach besser spielen kann. Mir ist es auch schon passiert, dass ich Abende gehabt habe, wo ich relativ cool war, fast keine Nervosität vorhanden war. Diese Abende sind die schlimmsten. Da passieren so viele Sachen, die eigentlich sonst nie passieren. Also, eine gewisse kleine Nervosität ist immer wichtig zu haben. Sonst habe ich eigentlich damit keine Probleme. Man muss halt seine Partie ordentlich können, dann braucht man auch keine Angst haben vor nix.
Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?
Das Schönste in diesem Beruf ist, auf der Bühne zu stehen: Leute, wir machen Live-Erlebnis. Das heißt, wir bringen wirklich zweieinhalb bis drei Stunden Live-Unterhaltung. Du hast nur diese eine, einzige Chance am Abend, und die will man immer richtig machen. Natürlich, desto perfekter man ist – das ist so mein Ansporn: immer perfekt sein zu wollen, was aber nicht immer machbar ist. Wenn man so einen richtig perfekten Abend hat, sagt man: “Mensch, das war jetzt echt gut, das war super.” – Aber komischerweise, dann springt der Funke nicht so gut über beim Publikum, als wenn man so eine mittelmäßige Vorstellung hat. Das ist ein interessanter Effekt am Theater. Leiden die Leute mit einem mit, wenn man nicht so perfekt ist? Ich weiß es nicht. Eigentlich sollte unsere Arbeit perfekt sein. Wir haben das im Endeffekt auch gesehen in Grand Hotel, wie sich dieses Stück dann einfach höchst professionell eingeschliffen hat: Jeder hat an diesem Abend seinen Job toll gemacht, höchst professionell, und es wurde plötzlich ein großer Abend. Es war zwar nicht unbedingt mein Musical, dieses Grand Hotel, aber ich muss trotzdem sagen: Es war ein sehr guter Abend, jedesmal.
Und das Nervigste?
Das Nervigste ist – die Bezahlung. Das kann man ruhig mal sagen. Das Schlimme ist wirklich, dass zum Teil wir Künstler, speziell in den Festensembles, relativ schlecht bezahlt sind. Wenn man denkt, wie viel man arbeitet, speziell auch gewisse Fächer – so ist halt das Spielfach schlechter bezahlt als das lyrischere Fach, aber du hast trotzdem sehr viel zu tun. Wenn man dann die Relation hernimmt, was man verdient – das kann schon ganz schön nervig werden. Da spart die Kultur einfach zu viel. Aber komischerweise: bei uns kann man ja sparen. Das ist ja interessanterweise in jedem Theater so, dass bei den Künstlern, die Leute, die in vorderster Front auf der Bühne stehen – dort wird komischerweise zuerst gespart. Das ist ein großer Fehler. Das sollte sich die Kulturpolitik wirklich mal überlegen, ob sie das so weitermachen wollen. Wo andererseits dann in großen Häusern für sogenannte Stars große Beträge für einen einzigen Abend herausgeschmissen werden. Da denke ich mir: Wir machen auch unseren Job. Wenn man bedenkt: Die kleinen Stadttheater wurden vor ein paar Jahren zu den Opernhäusern des Jahres gekürt! Die Branche besteht nicht nur aus den großen Stars, sondern auch aus den kleinen Theatern, die irgendwo in der Provinz sind und Kunst und Kultur den Leuten bringen. Auch den Bildungsauftrag, den das Theater hat. Man könnte zum Beispiel auch die Theater hundertprozentig vollkriegen, wenn man nur solche Stücke spielt, die halt gehen. Aber ist das Kulturauftrag? Bildungsauftrag? Man muss auch Stücke machen, die unbequem sind, die halt nicht unbedingt Publikumserfolge sind. Und dann hört man aber: “Ja, das Haus ist ja nicht voll.” – Da denke ich mir: “Irgendetwas läuft in unserer Branche schief!” Und so etwas nervt mich am meisten.
Sie haben sich ja schon ein breites Repertoire erarbeitet. Gibt es noch eine Wunschpartie?
Aber natürlich! Die nächste Wunschpartie, die kommt zum Glück jetzt endlich mal auf mich zu, das ist der Leopold im Weißen Rößl. Auf diese Partie warte ich ja schon zwölf Jahre lang! Und eine zweite Partie, die ich auch irrsinnig gerne machen will, ist der Adam im Vogelhändler. Zwölf Jahre warte ich schon darauf, zwölf Jahre. Und er ist noch immer nicht gekommen! Ich hoffe, dass das jetzt mal passieren wird.
Dann bleibt mir eigentlich nur noch, Ihnen Toi-Toi-Toi zu wünschen für die Premiere von Heimatlos!
Danke schön!
(Das Interview wurde geführt am 7. März 2012 in München.)
Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich das Buch in seiner Gesamtheit nun gut finde oder nicht.
Einerseits zielt es ganz klar darauf ab, im Windschatten von Tannöd und Kalteis Kohle zu machen. Knapp 17 € für 125 Seiten (nicht 160, wie fälschlicherweise vom Verlag angegeben) ist jede Menge Holz. 30 Kapitel, wobei jedes schon eine Viertelseite für die Überschrift braucht, jedes beginnt auf einer eigenen Seite und schindet somit nochmals Platz. Das wirkt aufgeblasen, als ob man hier wenig Text teuer verkaufen wollte. Dazu kommt, dass es keinen Anhang gibt, nichts, was darauf hindeutet, was echt und was erfunden ist. Kein Glossar, was die Vielzahl der zutiefst bayerischen Idiome, mit denen ich mich als Münchnerin schon einigermaßen schwer getan habe, erklärt. Irgendwie komme ich mir hier als Leser so vor, als würde mir hier der dritte Aufguss als besondere Spezialität verkauft werden.
Kriminalroman steht als Untertitel auf dem Cover. Möglicherweise ist es das sogar. Nur nicht in der Form, wie es der normale Leser kennt, aber auch nichts grundlegend Neues, die beiden Vorgängerromane der Autorin waren im gleichen Stil gehalten. Erst vor kurzem habe ich die Uraufführung von Kalteis als Theaterstück gesehen, das war unglaublich gut, lebte aber sehr von der fantastischen Präsenz der Darsteller. Hier hat man sie leider nicht und so fehlt es ein bisschen an der Spannung, die ich von einem Krimi erwarte, an der Figurentiefe, an der Lebendigkeit. Es wirkt ziemlich steril, wie eben zitierte Vernehmungsprotokolle.
Gleichzeitig haben mich Afra und ihr Vater aber durchaus in ihren Bann gezogen, ich habe mich in Gedanken mit ihrem Schicksal beschäftigt. Wenn es das war, was die Autorin erreichen wollte, dann hat sie bei mir einen Volltreffer gelandet. Die Engstirnigkeit der späten Vierziger, die einem die Luft zum Atmen nimmt, kommt sehr gut rüber. Aber auch die Enge des Elternhauses, begrenzt durch einen stets gläubigen Vater und eine unselbständige Mutter, ist plastisch gezeichnet. Aber reicht das?
Ist zwar schon ein paar Tage her, aber auch über die Uraufführung von Kalteis des Jungen Schauspiel Ensemble München nach dem Roman von Andrea Maria Schenkel habe ich drüben bei mucbook geschrieben.
[singlepic id=1138 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrter Herr Montavon, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview. Sie sind Intendant am Theater Erfurt. Welche Schwerpunkte setzen Sie da?
Wir haben eine Linie, seitdem ich Generalintendant bin dort, eine Linie, die basiert auf der Forschung, das ist die Uraufführung. Jedes Jahr eröffne ich mit einer, oder mindestens mache ich einmal in der Spielzeit eine Uraufführung, es gibt ein Auftragswerk von einem jungen Komponisten, oder weniger jung. Wir haben Stücke von Philip Glass uraufgeführt, ich habe das ganze Theater 2003 eröffnet mit einer Uraufführung, ich habe auch die DomStufen-Festspiele-Uraufführung gemacht. Also, ich lege sehr viel Wert auf die Forschung und auf die Nachpflanzung unserer Art und unserer Sparte. Dann machen wir einmal im Jahr auch noch mal eine Ausgrabung, das heißt, ein Stück, das schon geschrieben ist, aber weniger bekannt ist. Meistens führt das zu einer CD-Aufnahme. Und dann das klassische Repertoire, was das Publikum sehen will, inklusive Operette. Aber schwerpunktmäßig: Junge Sänger, Uraufführung und Ausgrabung.
Hat das Tradition, Uraufführungen in Erfurt, oder haben Sie das eingeführt? Und wie kommt das beim Publikum an?
Es kann keine Tradition haben, weil das Opernhaus zehn Jahre alt ist. Vorher, in dem anderen Opernhaus in Erfurt, im alten Opernhaus, war die moderne Musik gar nicht gepflegt. Beim Publikum, das dauert immer eine gewisse Zeit, bis das Publikum das goutiert, aber ich habe das geschafft, dass die Uraufführung in Erfurt gesellschaftsfähig geworden ist. Es hat dort den Publikumspreis vor einem Jahr gewonnen: Wir haben von den Chinesen eine Uraufführung gemacht, und das Publikum hat das als beste Produktion des Jahres goutiert. Also, das ist Mode: In Erfurt geht man in die Uraufführung. Die Leute wissen, dass es nicht lange dauert, also 90 Minuten mit oder ohne Pause, und dass es immer hörbar und vor allem nachvollziehbar von der Geschichte ist.
Da haben Sie jetzt schon mal zwei Unterschiede angesprochen zur traditionellen Oper. Opern des Librettisten Lorenzo da Ponte dauern drei Stunden, Sie sagen jetzt: 90 Minuten. Gibt es weitere Unterschiede zwischen modernen Opern und traditionellen Opern?
Naja, also, was ist der Unterschied zwischen Canaletto und Josef Beuys? Ich meine, da muss man die Klassik und die Moderne und die Postmoderne – also, jede Kunstgattung hat ihre Stilrichtung. Und das ist nicht ein Faktor der Zeit, das ist ein Faktor des Ausdrucks und der Vermittlung von ästhetischen Prozessen. Ich glaube, dass Mozart und da Ponte ein kongeniales Duett waren, das nie wieder existiert hat. Bei denen ist kein Wort und kein Takt zuviel. Bei Uraufführungen hat man immer noch die Möglichkeit, einzugreifen und Sachen zu korrigieren. Ein Komponist ist tot, der andere lebt, also, das sind zwei verschiedene Ansätze, sowohl ästhetisch als auch soziokulturell, und deshalb sind die Unterschiede sehr groß, natürlich sind sie das, aber wegen dieser Unterschiede macht man das ja auch.
Sie haben bei der Einführung erzählt, dass Sie sich mit dem Komponisten Detlev Glanert im Vorfeld getroffen haben. Haben Sie ihn in die Inszenierung mit eingebunden?
Ich habe Detlev Glanert gezeigt, was wir vorhaben. Es war noch im Rohzustand, sprich: Modellfotos und Kostüme. Ich habe ihm da schon erklärt, wie es anfängt und wie es aufhört. Wir konnten uns schon damals austauschen. Danach hat er mich machen lassen, und vorgestern oder gestern hat er mir gesagt, dass er das sehr gut fand.
Haben Sie mehr Freiheiten, wenn Sie eine moderne Oper inszenieren?
Das glaube ich nicht. Also, das Werk ist das Werk, die Partitur ist die Partitur; diesen Kanon gibt es seit 400 Jahren, und die Regisseure müssen sich daran halten. Die Frage ist, wie Sie mit der Partitur umgehen. Manchmal muss man mit der Musik inszenieren, manchmal muss man gegen die Musik inszenieren. Die Freiheiten des Regisseurs hören auf, wo die des Komponisten anfangen. Ich bin selber ausgebildeter Musiker, insofern habe ich mit dem Parameter Musik überhaupt keine Probleme. Ich kann sehr gut Noten lesen. Man muss als Regisseur ein Stück interpretieren, man muss ein Stück vermitteln im 21. Jahrhundert für ein Publikum, das sich immer weniger für die Oper interessiert. Deshalb muss man manchmal Prioritäten setzen, die in der Zeit, wo die Stücke komponiert wurden, vielleicht nicht da waren.
Sie haben ja selbst schon die verschiedensten Stücke inszeniert. Gibt es da einen roten Faden, anhand dessen man Ihre Stücke erkennt?
Ich würde sagen: Ich mag gern Stücke mit tiefem Sinn. Ja, ich bin eher auf der dramatischen Seite als auf der Unterhaltungs-Seite, also, auf der Ufo-Seite. Figaro durfte ich auch inszenieren – die Frage ist: Wie viel lacht man im Figaro? Ich glaube, ich bin eher jemand, der auf der dramatischen Seite einzuordnen ist. Ein Stück wie Joseph Süß passt perfekt in mein Vokabular. Ein Stück wie Fedra von Pizzetti, das ist zum Beispiel eine Ausgrabung, die wir gemacht haben. Ich arbeite sehr gerne mit Peter Sykora, denn er hat sehr weite, große Bilder, monumentale Bilder, und das passt gut in mein Temperament.
Was ist Ihnen als Regisseur besonders wichtig?
Was jedem Regisseur wichtig ist: Eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte erzählen, die die Leute nachvollziehen können; etwas mitzugeben auf dem Nachhauseweg, wo sie darüber nachdenken können. Sie zu sensibilisieren, sie zu bewegen, zu emotionalisieren: das ist unsere Aufgabe als Regisseur.
Wie sind Sie an das Stück Joseph Süß herangegangen?
Das war ein Vorschlag von meinem Kollegen Uli Peters. Ich habe das untersucht und habe gesagt: Sofort. Sofort, wegen Detlev Glanert, dessen Schaffen mir vertraut ist. Das war der Vorschlag von Uli Peters, ganz einfach.
Und wie sind Sie an den Stoff herangegangen?
Ganz neutral. Ganz neutral, wie wir Schweizer nun mal sind. Wir sind keinesfalls vorbelastet mit der Geschichte des Judentums, sei es jetzt vor dem Ersten Weltkrieg, dem Zweiten Weltkrieg oder überhaupt. Damit hat die Schweiz sehr wenig zu tun. Also, das merken Sie zum Beispiel in der Schule, in der Grundschule oder in der Abiturzeit, da wird das Thema nur bedingt durchgenommen. Wir sind nicht so belastet, sage ich mal, durch die Geschichte, durch die Nacharbeitung der Geschichte, wie in der Bundesrepublik Deutschland. Insofern geht man vielleicht nicht so befangen daran und nicht so emotional daran wie vielleicht jemand, der hier eine Geschichte mit dem Judentum überhaupt hat. Bis jetzt, im Zweiten Weltkrieg, oder davor, oder danach. Ich gehe sehr analytisch daran, und dann stellt man fest, dass alles, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist, schon vorher da war. Insofern – es ist auch eine kleine Geschichtslektion für mich gewesen, und ich fand das hochspannend. Ich meine spannend, weil: Ich habe dadurch viel gelernt, so dass ich die Problematik des Judentums vielleicht besser verstehen kann.
Sie haben bei der Einführung gesagt, dass Sie Bezüge auf das Dritte Reich vermieden haben, außer in einem Fall. Können Sie uns das noch einmal näher erläutern?
Nein, das kann ich nicht, das müssen Sie sehen.
Gut, wir werden es sehen. Welche Besonderheiten hat das Stück Joseph Süß?
Ich glaube, die Besonderheit liegt in der Gliederung des Stückes. Das Stück ist in dreizehn Szenen gegliedert. Davon sind neun Szenen … oder sieben Szenen sind Kerkerszenen, wo man immer in dem gleichen Raum ist und wo die Zeitebene unterschiedlich ist zu dem, was in den übrigen Szenen stattfindet. Zwischen Nachempfinden und Erzählung changiert das Stück die ganze Zeit. Das ist ziemlich schwer für ein Ausführungsteam, zum Beispiel Regisseur und Bühnenbildner, da diesen Rhythmus zu behalten, denn Glanert lässt wenig Zeit, die Umbauten zu machen. Also, das war eine ziemlich große Herausforderung, muss ich sagen, da entlang das Stück zu inszenieren. In einem Fall habe ich da ein bisschen was geändert, so dass das Publikum das noch besser versteht. Aber das ist dann der Charakter des Stücks: Erinnerung und Erzählung. Und das ist wirklich sehr, sehr gut gemacht.
Welche Freiheit haben Sie den Sängern gelassen?
Ach wissen Sie, die Entstehung einer Premiere ist immer ein gegenseitiges Zuhören und ein gegenseitiges … Es ist so: Wenn Sie nichts zu sagen haben, dann merken Sie das sofort bei den Sängern, dass Sie nichts zu sagen haben. Wenn Sie zu viel zu sagen haben, dann merken Sie das auch, denn da fängt eine rege Diskussion an. Und eigentlich – jeder darf vorschlagen, was er will. Entscheiden muss ich am Ende selber, denn ich bin der Regisseur.
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Sängern am meisten?
Mit ihren Kräften umzugehen. Das heißt, dass sie nicht um zehn Uhr in der Früh anfangen, ihre Stimme voll zu belasten. Viele Sänger haben die Tendenz, zu früh zu viel zu singen, und unterschätzen die Länge und die Anstrengung einer Probezeit. Ich schätze sehr bei Sängern, dass sie präzise sind, dass sie bei Wiederholungen von Proben immer das Gleiche machen. Wenn wir uns auf etwas geeinigt, etwas verabredet haben, dass es immer in regelmäßigen Abständen kommt, genau so, wie wir es abgemacht haben. Es gibt Begabte und eher Unbegabte. Es gibt also manche, die meinen immer noch, etwas erfinden zu müssen bei der Generalprobe. Das finde ich nicht gut, und das lasse ich auch nicht zu. Es gibt auch andere, die wirklich jedesmal – ich hatte zum Beispiel in La Boheme in den Vereinigten Staaten, die Baritonpartie, der Marcello, der hat wirklich sekundengenau immer das Gleiche gemacht, wie es bei den Proben war. Das schätze ich sehr: Präzision, Zuverlässigkeit, denn darauf kann man wirklich eine richtige Premiere erarbeiten.
Roger Epple wird die Premiere dirigieren. Wie wurde er eingebunden? Ab welchem Punkt haben Sie mit ihm zusammengearbeitet?
Im Vorfeld haben wir uns mehrmals getroffen, und dann während der Probenzeit war er da. Ich habe ihm gesagt, dass ich musikalisch ausgebildet bin, ich bin ausgebildeter Fagottist und Dirigent, so dass ich also mit Dirigenten nie Probleme habe, weil ich deren Probleme sehr gut verstehe. Insofern: Intelligente Dirigenten, und das ist der Fall bei Roger Epple, die nicht nur über Musik reden außerhalb der Dienstzeit, sondern, was Roger angeht, über bildende Kunst … das finde ich sehr erfrischend, so dass wir über unsere Freundschaft hinaus einen sehr guten Austausch hatten. Das finde ich sehr schön.
Da komme ich gleich noch zu einem anderen Punkt: Joseph Süß ist ein sehr schwerer Stoff. Wie erholen Sie sich davon?
Wie ich mich erhole? War das die Frage? – Ach … Das ist eine sehr gute Frage. Schwer zu beantworten. – Ich glaube … Ich weiß es nicht. (Lacht.)
Also mussten Sie sich nicht erholen?
Nein, musste ich nicht, nein.
Welchen Stellenwert hat die moderne Musik in Deutschland und international?
Also, ich bin nicht für Internationales zuständig, ich kann nur meine Beobachtungen wiedergeben: Sobald Sie Deutschland verlassen – vielleicht ein bisschen in England und bedingt in Frankreich – haben die ökonomischen und materiellen Zwänge Vorrang. Es ist außerhalb der Met in New York so gut wie unmöglich, Stücke zur Uraufführung zu bringen, weil die Säle nicht voll sind, und ergo stimmt das Marketing nicht mehr. Also, ich beobachte eine sehr große Angst und Aversion gegen moderne Musik, weil man Angst hat, dass das Publikum nicht kommt. Was zum Teil stimmt, was auf der anderen Seite aber ein Beweis von Armut ist. Ich finde, Mut gehört zu unserem Job, Risiken einzugehen gehört auch zu unserem Job, man muss sie nur kalkulieren und man muss einfach versuchen, diese Parameter, neue Musik, Forschung, richtig rüberzubringen. Und das machen Länder, die zuviel an wirtschaftliche Zwänge gebunden sind, einfach nicht mehr. Schauen Sie, die Spielpläne in Amerika, das ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Ich schätze die Amerikaner sehr, aber die Spielpläne sind durchorganisiert, von Boheme, Carmen, Zauberflöte, wenn überhaupt, und dann Otello, Nabucco, und dann Boheme, Carmen und Butterfly, und damit hat sich das, und das ist für die Amerikaner Oper. Und dabei darf es nicht bleiben. Wir dürfen nie den Mut verlieren, wir dürfen nie die Lust auch am Forschen verlieren. Ich beobachte, dass es immer weniger gemacht wird, und ich beobachte auch, dass ich dafür immer gelobt werde in Erfurt, dass ich das nach wie vor mache.
Also können Uraufführungen nur an subventionierten Häusern stattfinden?
Ich würde fast sagen: Ja. Denn wer kann sich das sonst leisten? Oder die Oper in Austin/Texas oder in Washington findet einen Sponsor, der sagt: “Ich bezahle das.” Die Amerikaner sind sehr, sehr an dieses System gebunden. Ich würde Ihre Feststellung bejahen, denn: Die Subvention ist auch dafür da. Also, wir sind subventioniert – oder, von Subvention spricht man nicht, sondern von Zuschussbetrieb – die Subvention ist auch dafür da, um Forschung zu betreiben, und das finde ich auch richtig.
Dann sage ich herzlichen Dank für das Gespräch und Toi-Toi-Toi für die Premiere!
Wird schon schiefgehen! Danke!
(Das Interview wurde geführt am 1. März 2012 in München.)
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