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Rüdiger Bach ist HOLGER – Ein Nachbericht zur Premiere vom 01. Oktober 2021

Jüngst veröffentlichte ich noch das Interview mit dem Schauspieler und Autor Rüdiger Bach zur anstehenden Premiere seines neuen Bühnentheaters „Holger F.“ sowie der Veröffentlichung seines Mutmach-Buches „Nimm dich selbst bei der Hand“ – ein nützlicher Ratgeber für Schauspieler, und solche die es werden wollen für Jung und Alt. Hier geht es zum Interview.

Nun war es schon so weit: Mit einer Pressekarte ausgestattet machte ich mich auf den Weg zum Kleinen Theater Haar, eine Kulturbühne in einem gepflegten Jugendstilhaus, welches auf dem Gelände des Isar-Amper-Klinikums als Hotspot für Schauspiel, Kabarett und Musikveranstaltungen errichtet wurde. Nach kurzem, freundlichem Empfang durch den Intendanten Matthias Riedel-Rüppel wurden wir in den Saal gebeten. Die ursprüngliche Kinobestuhlung wurde aufgehoben, stattdessen wurde kurzerhand eine freie Platzwahl in Varieté-Bestuhlung, sprich Sitzgruppen mit vier Stühlen plus kleinen Tisch, arrangiert. Wunderbar – keine Scheu zeigen und gleich ganz nach vorne war hier die Devise.

Sobald die Platzierung abgeschlossen und das erste Getränk des Abends dargereicht wurde, konnte man bereits die ersten Eindrücke des Bühnenbilds sammeln. Auf den Einsatz des Vorhangs wurde ganz bewusst verzichtet, stattdessen kann man sich bereits in die Situation einfühlen. Auf der Bühne wurde mit einem minimalistischem Potpourri an Gegenständen, die so typisch für jede Wohnungsauflösung oder Umzug stehen, gearbeitet. Es finden sich also Kisten, ein Müllsack und die letzte Sitzgelegenheit aus dem früheren Kinderzimmer von Holger nebst einer Art Schrein mit dem Foto der kürzlich verstorbenen Mutter samt Trauerband.

Kommen Sie wieder ins Theater, es macht nicht krank.

Hierzu später mehr, denn der Einlass ist bereits abgeschlossen und der Intendant möchte die Gelegenheit nutzen auf das Folgende einzustimmen, lässt hierfür die Probenzeit mit Rüdiger kurz Revue passieren und wendet sich schließlich noch eindringlich an die, zugegeben überschaubare, Publikumsmenge. „Kommen Sie wieder ins Theater, es macht nicht krank. Im Gegenteil, Kultur ist gesund für die Seele.“ Nach einem überzeugenden Applaus verlässt Riedel-Rüppel wieder die Bühne und macht Platz für das eigentliche Programm.

 

©Saskia Pavek

Bach nutzt zunächst die laufende Musik und betritt die Bühne nachdem er durch den Zuschauerraum schreitet und kurz bei dem Schrein inne hält um Blumenschmuck abzulegen. Sogleich beginnt die eigentliche Handlung, welche den Grundstein für einen Prozess der Verarbeitung, Emanzipation und inneres Wachsen des Protagonisten über das gesamte Stück hinweg legen wird. „Holger“ beginnt, zunächst apathisch, noch von Trauer übermannt, die Fortschritte der Wohnungsauflösung zu begutachten. Sein Ort der Geburt, des Heranwachsens und eigentlich ganzen Lebens – all dies wird sich nun ändern. Zuerst zögerlich greift er nun in die Kiste mit Habseligkeiten aus der Kindheit und Jugend. Mit einigen der Gegenstände lassen sich Begebenheiten und Erlebnisse im jungen Leben des Protagonisten verknüpfen, er nimmt die Zuschauer mit auf diese Reise und nutzt teils bekannte, teils unbekannte Lieder um in jene Erinnerungen einzutauchen.

©Saskia Pavek

Natürlich möchte ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Wesentliche Schlüsselszenen sind jedoch wie Holger es schafft mit seinem Vater, der früh die Familie verließ, Frieden zu schließen und wie Stück für Stück die Abnabelung vom einstigen Regiment der Mutter hinein ins freie und selbstbestimmte Leben führt. All dies vermittelt Bach singend, die Stückauswahl ist gelungen und zwischendurch erfüllt immer wieder Heiterkeit den Zuschauerraum beim Beobachten der kindlichen Freude, mit der Bach in der Lage ist, Emotionen und ausdrucksstarke Freude zu transportieren. Für meinen Geschmack hätten Richtung Ende der Aufführung ruhig noch längere und rundere Töne dabei sein können, Bach setzt auf akzentuierte Betonung, um weiterhin die Geschichte zu

transportieren – dies erweckt manchmal den Eindruck, dass die Figur Holger trotz allem weiterhin „mit gezogener Handbremse“ singt.

Alles in allem ein gelungener Theaterabend, der den Zuschauer:innen eine Geschichte offenbart, die eigentlich ganz einfach, nichtsdestotrotz so nahbar und emotional, erheiternd und melancholisch sowie befreiend und positiv zugleich ist. Aktuell sucht Rüdiger Bach nach Spielorten für das Stück „Holger F.“ Sobald Termine bekannt werden können diese auf den sozialen Kanälen des Künstlers eingesehen werden.

Wer sich den Trailer zum Stück anschauen möchte klickt bitte hier.

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Interview mit Rüdiger Bach

Portraitfoto Rüdiger Bach ©️Beate Kellmann

©️Beate Kellmann

Ein brandneues Bühnenprogramm mitsamt professioneller CD und eine Buchpremiere in kürzester Zeit? Wer ist dieser Rüdiger Bach, der so umtriebig im Kulturbereich das große Rad dreht während die Welt sich bis vor kurzem noch in einer Schockstarre befand? Ich war neugierig und habe mich mit Rüdiger getroffen um mit ihm über Anstehendes, Vergangenes, Vergnügliches und Trauriges sprechen.

Hallo Rüdiger, vielen Dank für die Möglichkeit Dich interviewen zu dürfen.

Ja, da danke ich aber auch Dir für die tolle Möglichkeit für mich, eben auch durch New Star Media, dass solche Dinge möglich sind. Also danke auch für die Einladung.

Sehr gerne. Fangen wir doch mit etwas Seichtem an: Wie kommt denn ein Badener nach Bayern? Und sag jetzt nicht mit dem ICE!

(lacht) Das ist eine sehr gute Frage. Das lag daran, dass ich auf die Bühne wollte seit ich klein war. Und in meiner Heimat in Karlsruhe war ich dann auf der Badischen Schauspielschule, aber nach zwei Jahren dachte ich mir, dass das nicht so ganz das ist was ich mir wünsche und ich brauche noch mehr Vielfalt, auch für meine Rollen und um damit zu arbeiten obwohl ich damals auch schon auf der Bühne stand. Die Schule gibt es übrigens nicht mehr seit zig Jahren. Und so kam ich nach München, das war der Grund. Dort war ich dann beim Zinner Studio, das wohl inzwischen nicht mehr existiert und auch seit damals schon vier Mal umgezogen ist. Ich war damals noch in der Corneliusstraße und dort habe ich mir den – sozusagen – letzten Schliff verpasst bei anderen Lehrern. Das war letztendlich der Grund wie ich nach München gekommen bin. Rückblickend betrachtet sicherlich auch um aus dieser Enge zu entfliehen, ein neues Leben und einen Neuanfang zu beginnen. Das war der Grund.

Der klassische Weg wäre ja eigentlich nach Berlin zu gehen, dort wird es ja auch internationaler. Das hat Dir nicht getaugt?

Berlin hat mich damals (überlegt) überhaupt nicht interessiert. Und ich weiß nicht warum München, aber es war dann so. Und inzwischen bin ich länger in München als ich in Karlsruhe geboren und aufgewachsen bin.

Reden wir doch zu deinem neuen Stück. Holger F., wie kam es dazu? Du hast es ja auch selbst geschrieben, nicht wahr?

Ja, die Idee kam, da ich inzwischen schon fast 40 Jahre in diesem Beruf arbeite und möchte immer noch gerne Neues entdecken und mich auch weiterentwickeln. Ich habe eine ganz tollen Schauspielcoach, den Matthias Bayer, wir hatten eine schöne Arbeit zusammen gemacht und als ich nach Hause kam dachte ich plötzlich „aus der Figur kann man doch was machen“. Und schon war ich am Aufschreiben eines Konzepts von Holger F. Frag mich nicht warum ich auf Holger F gekommen bin, ich kenne überhaupt keinen Holger – mit Ausnahme meines Kollegen Holger Wilhelm, den ich sehr schätze. Er spielt bei Dahoam is Dahoam den Gregor. Eine Inspiration war von Wittenbrink, das Stück „Männer“, das sind elf Männer im Fußballstadion und der Abend erzählt sich nur über Lieder. Es gibt also keinen Text. Da dachte ich, dass das doch auch alleine funktionieren kann. Und so war innerhalb von Minuten das Konzept entworfen. Dass die Geschichte von Holger in 14 Liedern erzählt wird. Nur eine Geschichte zu erzählen über den Neuanfang und dass Holger sich mit Anfang 50 noch entwickelt, zu sich stehen kann und sich auch endlich offen zu seinem Schwulsein bekennen kann. Und dass sich eben aus einem verklemmten, schüchternen Mann, der bei seiner Mutter wohnt, weil diese kränkelt, der Vater hat die Familie schon lange verlassen. Zu diesem hatte Holger auch ein starkes, inniges Verhältnis, er ist jedoch aus Verpflichtungsgefühl bei der Mutter geblieben. Die Mutter ist auch nicht die Tollste, sie kann keine Gefühle zeigen, etc. Aber diese Geschichte erzählt sich wirklich sehr gut über den Abend, an dem ich bereits die ganze Zeit herumprobiere. Und das war mir einfach wichtig – ohne Glitzer und Glamour. Es hat ganz klar etwas mit LGBT zu tun, soll aber auch den ruhigen Nachbarn von Nebenan zeigen. Es soll vom Klischee wegkommen und zeigen, dass schwul immer schrill. Laut und mit bestimmten Sachen assoziiert wird. Sondern es kann auch das Mauerblümchen sein. Das Stück beginnt damit, dass die Mutter stirbt und Holger hat natürlich nun die Aufgabe alles zu organisieren und die Wohnung, in der er gewohnt hat aufzulösen. Er kommt an, die Wohnung ist schon halb ausgeräumt und nimmt Abschied, aber dies markiert auch den Start in ein neues Leben trotz alledem. Um sich am Schluss der Welt zeigen zu können und sagen kann: „Das bin ich. Und das war schon immer in mir.“ Die Mutter weißt es, sie wusste auch von seinem früheren Freund. Dieser stellte ihm aber ein Ultimatum, damit er sich zwischen Partner und Mutter entscheiden muss. Und in seinen jungen Jahren hat er sich aber für die Mutter entschieden und blieb bei ihr. Holger geht jedoch gereift in sein neues Leben. Letztendlich geht es darum auch mit Holger zu zeigen sichtbar zu sein. Sichtbar, wie ich es auch als Schauspieler Rüdiger Bach bin.

Klingt für mich auch nach einem ödipalen Stockholm-Syndrom, wenn er sich immer für die Mutter entscheidet. Mich würde interessieren, was kannst du hier von deiner Persönlichkeit reinflechten, abgesehen von Deinem Bedürfnis auch sichtbar zu sein? Du bist ja vergleichsweise schnell ausgebrochen und in die weite Welt gezogen.

Das stimmt, ich glaube ich habe mit Holger gar nicht so viel gemeinsam, weil ich einfach nicht so lange gewartet hätte. Ich hatte keine Mutter, die ich pflegen musste. Ich hatte auch keinen Vater, den ich pflegen musste. Ich hatte kein so tolles Verhältnis weder zur Mutter noch zum Vater. Und hier ist es ganz stark, vielleicht sind da auch Sehnsüchte dabei, einen starken Vater zu haben, der Segelboote mit dir baut, mit dir was unternimmt. Ja, dass ein Vater die Familie verlässt. Aber jedoch nicht wegen einer Geliebten sondern weil die Frau permanent fremd geht. Diesen Mut zu haben, den hatte mein Vater nicht. Das war ganz schlimm für ihn, er hat meine Mutter sehr geliebt. Mein Vater ist inzwischen schon länger verstorben, das hat ihn glaub ich sehr beschäftigt. Hier lass ich jedoch den Vater gehen, hier darf er diese Stärke haben, auch wenn es dem Kind weh tut, aber ich denke vielleicht versteht ein Kind das eher im Laufe des Lebens diese Stärke zu schätzen. Es ist beides nicht toll, jedoch für klare Verhältnisse zu sorgen, da sollten die Kinder wissen woran sie sind. Denn sie spüren es doch, Kinder spüren viel, viel mehr als man denkt. 

Scheint also auch ernste Töne anzunehmen im Verlauf des Stücks?

Ja, also es ist keine heitere Abendveranstaltung mit viel Schenkelklopfen. Es ist ein Abend der Unterhaltung, da sind vielleicht Lieder dabei, die man erstmal gar nicht kennt. Und die sind alle neu arrangiert worden für mich, das war ein sehr kostspieliges Playback will ich sagen. Ich will einfach unabhängiger sein damit als mit Livemusik. Ein Lied musste unbedingt rein. Ich wollte es erst original auf Englisch singen, wie Conchita Wurst. Und da wurde ich aber drauf angesprochen, dass alles andere ja auch auf Deutsch gesungen wird. Ich singe nun mal auch auf Deutsch weil es meine Muttersprache ist und ich mich damit am Besten in allen Gefühlen ausdrücken kann. So habe ich dann einen neuen, deutschen Text dazu verfasst – und das war wirklich sehr schwer, so das es auch auf Holger passt. Aber es ist uns geglückt.

Sehr schön, was möchtest du denn alles beim Publikum bewirken? Du hast gesagt es soll unterhalten, es soll aber auch mit ernsten Tönen den Mann von nebenan zeigen. Was ist denn nun dein grundsätzlicher Wunsch, was der Zuschauer denken soll wenn er sich dein Stück angeschaut hat?

Ganz viele, ich möchte die Menschen berühren, begeistern und unterhalten. Die Leute werden dann auch nachdenken. Und wenn ich sie damit entlassen kann aus dem Abend, das ist einfach immer schön. Ich möchte jetzt nicht, dass alle die Regenbogenfahne auspacken, denn darum geht es nicht. Es geht um einen Menschen und darum, dass Menschen sich unterhalten lassen können und auch mal Corona vergessen können.

Gutes Stichwort, das wollte ich als nächstes ansprechen. Der Schaffensprozess war dann vermutlich zum größten Teil in den Lockdowns? Oder war das schon vorher im Köcher?

Coverfoto Nimm dich sebst bei der Hand von Rüdiger BachNein, eben nicht. Ich muss ehrlich sagen, mir hat der Lockdown und Corona viel kreativen Schub gebracht. Im ersten Lockdown habe ich mein Buch geschrieben, das Buch „Nimm dich selbst bei der Hand“. Dann kam der zweite Lockdown, da entstand Holger. Und jetzt im dritten, sehr langen Lockdown fingen dann schon die Vorbereitungen an. Ich habe auch gedreht und habe generell immer gearbeitet, auch während der Lockdowns. Und immer versucht eine optimistische Stimmung zu behalten, was bei den Nachrichten gar nicht so leicht ist. Das wurde durch Beschränkung rein auf die Tagesschau leichter. Aber generell hieß es positiv bleiben, denn ansonsten kann man es auch gleich komplett lassen. Davon habe ich mich befreit und hab gearbeitet.

Das heißt auch für Aktionen wie #allesdichtmachen von diversen Schauspielkolleg*innen war auch kein Verständnis da?

Nein, denn man muss doch eine Hoffnung haben und sich nicht selber aufgeben. Wenn es mal nicht so läuft, diese Phasen hatte ich auch, auch wenn ich eine tolle Agentur habe. Man kann jedoch selber wirklich vieles tun. Man kann diese Zeit nutzen, eine Sprache lernen, Sport machen. Oder sich auch einfach fortzubilden und an sich selbst zu arbeiten. Man kann sich nicht nur auf eine Agentur verlassen und sonst ausschließlich z.B. kellnern und auf den großen Dreh warten. Das ist leider sehr illusorisch, es muss noch mehr sein. 

Was wäre denn dein Tipp an junge Schauspieler:innen, Anwärter:innen, die das gerade machen mit deinem Beispiel der Gastronomie um über die Runden zu kommen?

Das kann man ja machen mit dem Arbeiten in der Gastro. Man darf jedoch nicht das Ziel aus den Augen lassen, was will ich eigentlich. Zum Beispiel ein Stimmtraining zu machen. Genau zu überprüfen wo ich hin will. Und dass man sich auch Leute sucht, die einen fördern und auch zu Höchstleistungen anstupsen. Auf keinen Fall denken, dass man schon entdeckt wird und dann eine geile Karriere losgeht. Ich empfehle den Kolleg:innen: Kauft mein Buch „Nimm dich selbst bei der Hand“, denn es ist nicht teuer, überall auf Bestellung erhältlich und es sind wertvolle Tipps drin. Und meine Formulierungen sind da nicht moralinsauer, denn ich wollte nicht wirken wie ein Oberlehrer. Es geht einfach um Erfahrungsberichte von mir und was kann ich weitergeben. Diese Tipps hatte ich damals nicht, der Beruf hat sich ja in den Jahrzehnten wahnsinnig gewandelt.

Portraitfoto Rüdiger Bach ©️Beate Kellmann

©️Beate Kellmann

Alles klar, du hattest ja auch schon im Vorgespräch erwähnt, dass du zu zweit durchs Leben gehst. Ist dein Partner denn auch im „Business“?

Nein, das glaub ich würde nicht gut gehen.(gestikuliert) Ich mag das, wenn ich nach Hause komme und abschalten kann. Ich finde der Beruf nimmt einen großen Teil ein und das ist absolut in Ordnung. Aber es gibt auch das normale Leben. Ich entspanne beim Putzen, beim Backen und beim Kochen. Ich habe normale Gespräche und hab nicht nur Schauspielerfreunde. Das Leben findet ja auch draußen statt und findet außerhalb des Berufs statt. Und wenn ich etwas spielen will, das im Leben spielt, dann muss ich auch raus in dieses Leben. Und ich möchte mir auch einfach mal was Seichtes auf Netflix ansehen wie Downton Abbey. Aber zuhause sich um die alltäglichen Dinge zu kümmern und dabei beobachten, dabei entstehen ja auch Ideen. 

Gehen wir doch nochmal zurück zu deinem Buch, ein Mutmachbuch

Absolut, es ist ein Mutmachbuch und es soll animieren. Gerade in Coronazeiten nicht aufzugeben, sich nochmal neu zu überdenken, auf Reset mit sich selbst zu gehen und zu schauen wo man steht und was man ändern kann. Auch wenn man schon älter ist, es funktioniert. Man kann immer wieder neu und von vorne anfangen oder Sachen an sich entdecken. Ich glaube wenn man mit sich im Klaren ist gehen auch Türen auf. Und wenn man aus dem Gedankenkarussell aussteigt und die Gedanken über z.B. ausbleibende Buchungen zurück lässt – sich selbst zu sagen: „Stop, ja das ist so. Jetzt werde ich was ändern.“ Das hab ich selbst auch durchlebt, wie vermutlich jeder Schauspieler. Man weiß nicht was kommt, aber man strahlt es eben auch aus. Das wird wahrgenommen, dass man an sich arbeitet. Aber Mut soll dieses Buch machen. Ich habe als Beispiel auch erst mit 48 den Führerschein gemacht.

Und das ist ja auch gar nicht schlimm. Sag doch mal, wie ist das denn nun mit dem Musiktheater? Möchtest du dich da auch für zukünftige Projekte hin orientieren oder kann es auch in ein ganz anderes Genre gehen?

Ja, das kann alles sein. Ich habe zum Beispiel auch schon viel Musical gemacht. Ich hab den Lebkuchenmann gemacht, ich habe „Sugar“ gespielt, das ist das Musical zu „Manche mögen‘s heiß“. Ich kucke mal was kommt, möchte damit jetzt erstmal gastieren. Habe das Stück jedoch eigenproduziert ohne Förderung. Ich biete als Lesung das konträre Programm „Brachland“ an, das ist eine Auftragsarbeit aus der Feder meines lieben Freundes, Autor und Regisseur Brian Lausund zum Thema Rechtsextremismus und Rassismus. Das ist schon ziemlich harter Tobak. Ich wollte hier als Schauspieler etwas machen, da ich finde, dass man als solcher eine Verantwortung hat, auch auf politischer Ebene. Und dass man hier eine Haltung zeigen sollte.

Okay, aber würdest du dann auch von dir behaupten, du wirst mit deiner Entwicklung und dem Alter auch unbequem, möchtest mehr aufrütteln, mehr ansprechen?

Unbequem würde ich nicht sagen, aber ein Stück machen wollen, dass neben seichter Unterhaltung eben wie beim Stück Holger F. auch Sichtbarkeit signalisiert. Ich möchte wahrgenommen werden, als Schauspieler und als Mensch.

Gerade in der aktuellen Zeit wird ja seichte Unterhaltung gerne konsumiert, da es von z. B. Politik und Gesundheitswesen ablenkt. Hast du für dich Bedenken, dass ein Stück wie Holger F. überhaupt honoriert wird und nicht wegen des allgemeinen Hungers nach einfachen Themen aus dem Zeitgeist fällt?

Nein, ich denke nicht. Es ist ja weiterhin Unterhaltung und auch wenn es nicht seicht ist, ist man deshalb ja nicht realitätsfremd oder weltfremd. Man weißt was passiert. Aber man braucht Theater, Fernseher, die Leute brauchen Kunst. Als Ventil oder als gemeinsames Erlebnis ins Theater zu gehen, das brauchen die Menschen.

Ohne jetzt das Ende zu verraten, aber die Idee ist ja, dass man Holger auf seinem Weg hinaus in die große weite Welt begleiten soll. Zeichnest du da was vor oder brichst du das Ganze dann abrupt ab und gibst dem Publikum die Gelegenheit sich die Zukunft von Holger selbst weiterzudenken?

Vielen Dank, lieber Rüdiger, ich bin auf jeden Fall jetzt schon sehr neugierig.

Die Premiere von „Holger F.“ von Rüdiger Bach findet am 01.10.2021 um 19 Uhr im Kleinen Theater Haar statt. Karten können unter https://kleinestheaterhaar.reservix.de/events bezogen werden.

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Mischpoke – neuer Besuch bei Mr Green, 06.12.2014, Junges Schauspiel Ensemble München im Kleinen Theater Haar

Ein schwules Pärchen, ein altersmilder Exzentriker und eine Neu-Orthodoxe gemeinsam? Sie sind entweder jüdisch oder mit einem Juden liiert. Die unterschiedlich starke Ausprägung ihres Glaubens bietet Anlass für hitzige Diskussionen und bereitet dem Publikum einen sowohl vergnüglichen wie auch nachdenklich machenden Abend.

Seit Ross vor einiger Zeit verurteilt wurde, sich um den von ihm damals angefahrenen, mittlerweile 92-jährigen Mr Green zu kümmern, sind die beiden Freunde und Ross betreut ihn weiterhin. Chris ist der Pfleger von Mr Green. Ross und Chris sind ein Paar und Chris möchte ein Kind adoptieren. Ross zweifelt an seinen Fähigkeiten als Vater. Während man darüber diskutiert, platzt die ultra-orthodoxe Chana in das Lebn der drei. Sie ist die Enkelin von Mr Green und nicht im jüdischen Glauben aufgewachsen. An der Uni lernt sie das jüdische Leben mit allen Gebräuchen und Sitten kennen. Der Besuch der Eltern ihres Fast-Verlobten steht bevor und sie möchte einen guten Eindruck hinterlassen. Sie hat ein Problem mit Chris und Ross und natürlich erst recht mit ihrem Wunsch ein Baby zu adoptieren.

Jeff Baron ist ein wirklich unterhaltsames Stück gelungen, das in spritzigen Dialogen die unterschiedlichen Lebensentwürfe aufeinander prallen lässt. Als Zuschauer kommt man aus dem Lachen kaum heraus, bekommt aber auch viel Stoff zum Nachdenken. Was bedeutet Toleranz wirklich? Leben und Leben lassen? Oder den anderen auch aktiv unterstützen, obwohl man nicht der gleichen Meinung ist?

Regisseur Michael Stacheder hat die Figuren fein herausgearbeitet, da stimmt jede Bewegung, jede Mimik. Seine Personenführung besticht durch Spannung und Interaktion. Die Bühne von Aylin Kaip ist geradezu genial konstruiert, sowohl das Zimmer von Mr Green aus auch ein anderer Ort werden realistisch dargestellt, Umbauten passieren sozusagen fliegend, man kann dabei zusehen und der Klezmermusik lauschen.

Die Schauspieler sind einfach großartig: der zögerliche, biedere Ross von Joachim Aßfalg, der direkte Chris von Ruben Hagspiel, der etwas tüdelige, aber doch willenstarke Mr Green von Dirk Bender und nicht zuletzt die polternde aber doch verletzliche Chana von Anna MärzAlle haben eine starke Bühnenpräsenz und präsentieren ihre Figuren sehr überzeugend.

Wie eigentlich immer beim JSEM: ein toller Theaterabend!

Es spielen: Joachim Aßfalg, Dirk Bender, Ruben Hagspiel, Anna März
Inszenierung Michael Stacheder
Bühne und Kostüme Aylin Kaip
Regie- und Produktionsassistenz Simone Birkner
Theaterpädagogik Farina Simbeck

TERMINE (Dauer der Aufführung 2 ½ Stunden, Eine Pause)

Samstag, 20. Dezember 2014
Freitag, 23. Januar 2015
Samstag, 24. Januar 2015

Beginn jeweils 20 Uhr

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Mischpoke – Neuer Besuch bei Mr. Green

Komödie von Jeff Baron

Deutsch von Ulrike Syha

 

[singlepic id=2025 w=320 h=240 float=right]Eine spießig geglaubte Großelterngeneration wird angesichts einer traditionsverbissenen Jugend überraschend jung.

Vor 5 Jahren lernte der mittlerweile 92-jährig Mr. Green, starrköpfig aber liebenswert, den jungen erfolgsorientierten Ross Gardener kennen und schätzen. Aus der Freundschaft hat sich ein familiäres Vertrauensverhältnis entwickelt, aus dem heraus der religiöse, konservative Alte erstaunliche Zugeständnisse an manchen unkonventionellen Lebensentwurf macht. Die traute Wahlfamilie komplettiert sich mit dem Auftauchen der bisher unbekannten Enkelin Chana, die sich über das Kommunikationsverbot zwischen ihrer säkularen Mutter und ihrem religiösen Großvater hinweggesetzt hat. Und endlich, lang ersehnt: Trautes Heim… Doch wie das in Familien nun mal so ist, Chana reißt bald der orthodoxe Geduldsfaden und der erste handfeste Streit macht sich bei der Green’schen Mischpoke breit….

“Mischpoke” ist die Fortsetzung der Erfolgskomödie “Besuch bei Mr. Green”!

Sie können den Autor aus Manhattan sogar live erleben: im Anschluss an die Premiere wird es ein Publikumsgespräch mit dem Autor aus Manhattan, dem Regisseur und dem Ensemble geben.

Der Abend wird anschließen noch gebührend gefeiert! Mit Prosecco und DJ Klezmer-Grooves zum Tanzen.

[singlepic id=2024 w=320 h=240 float=left]Es spielen: Joachim Aßfalg, Dirk Bender, Ruben Hagspiel, Anna März
Inszenierung
Michael Stacheder
Bühne und Kostüme
Aylin Kaip
Regie- und Produktionsassistenz
Simone Birkner
Theaterpädagogik Farina Simbeck

 

 

[singlepic id=2026 w=320 h=240 float=right]TERMINE

 

Freitag, 5. Dezember 20 Uhr: URAUFFÜHRUNG – PREMIERE, Publikumsgespräch mit Autor und Regisseur, Klezmer-Premieren-Party!!

 Dauer der Aufführung 2 ½ Stunden, Eine Pause

Samstag, 6.Dezember 20.00 Uhr

Samstag, 20. Dezember 20.00 Uhr

 

Es folgen weitere Aufführungen 2015

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Münchner Erstaufführung

Besuch bei Mr. Green
Komödie von Jeff Baron
Deutsch von Ulrike Syha

Inszenierung Michael Stacheder
Bühne und Kostüme Aylin Kaip
Regie- und Produktionsassistenz Simone Birkner Theaterpädagogik Farina Simbeck

Premiere am 6. Dezember 2013, Beginn 19.30 Uhr, Kleines Theater Haar, Casinostr. 75, 85540 Haar

Dauer der Aufführung 2 Stunden Eine Pause

Aufführungsrechte Rowohlt Theaterverlag Reinbek

Ross ist vor Gericht verurteilt worden, einmal pro Woche den 86jährigen Mr. Green zu besuchen und ihm bei alltäglichen Erledigungen zur Hand zu gehen. Doch der resolute Alte will überhaupt nicht einsehen, warum ihm jemand im Haushalt helfen soll. Und wer ist dieser fremde Mann überhaupt? Als Ross ihm erklärt, dass er in den Verkehrsunfall verwickelt war, bei dem Mr. Green gestürzt ist, steht sein Urteil fest: Mörder! Andererseits, nun ist der junge Mann schon mal da, und er hat Suppe mitgebracht; soll man etwa gutes Essen vergeuden?

So erfahren die beiden im Laufe der wöchentlichen Besuche notgedrungen immer mehr persönliche Dinge voneinander. Ross ist verblüfft, dass es in den über 50 Ehejahren mit Mr. Greens kürzlich verstorbener Frau Yetta keinen einzigen Streit gegeben haben soll. Und Mr. Green horcht zum ersten Mal auf, als er erfährt, dass Ross auch Jude ist, selbst wenn er den Unterschied zwischen milchick und flaychik nicht kennt – vielleicht lässt sich doch noch ein Mensch aus ihm machen. Aber dann muss Ross plötzlich feststellen, dass seine Ignoranz gegenüber jüdischem Brauchtum nicht das Einzige ist, was bei Mr. Green auf völliges Unverständnis stößt. Unversehens findet sich Ross in einer Rolle wieder, mit der er schon seit Jahren hadert: Er muss sich für das rechtfertigen, was er ist. Dass es zwischen den beiden Männern schließlich doch noch zu einer Versöhnung und vielleicht sogar zu einem Moment tiefen Verständnisses kommt, hat nicht nur mit einem dunklen Geheimnis von Mr. Green zu tun, sondern ist vielleicht sogar der Verdienst der sanftmütigen Yetta …

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Foto Max Ott

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Ansonsten fand ich dieses Stück wirklich hervorragend, berührend, fantastisch gespielt von allen aus dem Ensemble. Ich fand die Auswahl der Szenen aus dem Leben der Widerstandsgruppe sehr exemplarisch und gut erklärend, wie sie dazu kamen und was sie bewegt hat und die Entwicklung, die schließlich zur Entdeckung und dem Tod der meisten Mitgleider der Gruppe führte, aufzeigte.

Am Ende verließ ich das Theater mit einem Kloß im Hals, viel Stoff zum Nachdenken und Bewunderung für das JSEM, die es geschafft haben, einen so schwierigen Stoff sensibel und doch einprägsam auf die Bühne zu bringen.

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