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Premiere Elektra, 16.01.2014, Kleines Ensemble München im Theater Blaue Maus

[singlepic id=1706 w=320 h=240 float=left]Kann man ein Stück, das mehrere tausend Jahre auf dem Buckel hat, heute noch spielen? Und zwar so spielen, dass auch der Mensch der Gegenwart sich damit identifizieren kann? Ja, man kann, wie das Kleine Ensemble München bei der Premiere des Stückes Elektra von Sophokles bewies.

Elektra will den Tod des Vaters rächen. Agamemnon wurde von seiner Frau Klytaimnestra und deren Liebhaber Aeghist getötet. Ihr Bruder Orest ist erst einmal geflohen, kehrt aber zurück, um Vergeltung zu üben. Um unerkannt zu bleiben, lässt er verbreiten, dass er bei einem Wagenrennen zu Tode gekommen ist. So weit die griechische Tragödie. Regisseur Manfred Lorenz Sandmeier verlegt die Handlung in eine psychatrische Anstalt. Elektra ist dort eingesperrt, wird sogar fixiert und mit Elektroschocks behandelt. Dennoch sinnt sie weiter auf Rache. Chrisothemis ist eine Mitinsassin, der Alte ein Wärter und Klytaimnestra die Oberschwester. Orest dringt in die Klinik ein und befreit sie. Das war alles sehr schlüssig, vergegenwärtigt den zeitlosen Stoff und reisst den Zuschauer mit. Der Schluß toppt das Ganze aber nochmal mit eingespielten, satirischen Fernsehszenen, bei denen dem Zuschauer schon mal das Lachen im Halse stecken bleibt. Überhaupt wird viel moderne Technik verwendet, der Chor sind Stimmen, die Elektra hört. Leider waren diese durch den (gewollten) Halleffekt kaum zu verstehen.

Das Bühnenbild besteht aus einem kärglich eingerichteten Krankenzimmer. Leider verhinderten die räumlichen Gegebenheiten, dass man ab der dritten Reihe die recht häufigen Szenen auf dem Fußboden sehen kann. Das ist schade, denn die schauspielerischen Lesitungen sind grandios. Der Regisseur Manfred Lorenz Sandmeier sprang selbst als Klytaimnestra ein und war dann mehr ein Aeghist, meisterte seine Rolle aber gut. Andreas M. Bräu als Orest, der das erste Mal für das Kleine Ensemble München spielte, und Martin Wichmann als Alter waren sehr präsent und fesselten das Publikum mit ihren Rollenportraits. Raphaela Zick ist Chrisothemis und spielt diese naiv angelegte Figur mit großer Hingabe. Der Star des Abends ist aber ganz sicher Julia Mann in der Titelrolle. Ihr Schmerz überträgt sich auf das Publikum und mehr als einmal fragtman sich, ob sie nun wahnsinnig ist oder doch zu Unrecht eingesperrt.

Ein sehr intensiver Abend, ein begeistertes Publikum feierte das Ensemble stürmisch. Weitere Vorstellungen am  23./24/25 Januar in der Blauen Maus und am 30/31. Januar und 1.Februar im Peppertheater.

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Gott, Kot und Fleisch – Die Präsidentinnen im Peppertheater

Die Wichtigkeit dieser kleinen Münchner Keller- und Privatbühnen steht ohne Zweifel. Doch den Abend den drei Vollblut- und sicherlich unkommerziell motivierten Bühnentiere mit ihren Präsidentinnen hingestellt haben, beweist erneut, das Qualität nicht vom Kapital abhängt und Großes auch im kleinen, armen Theater geschaffen werden kann.

Nicht gerade leicht haben es die dreisten Drei sich dabei gemacht, indem sie Werner Schwabs schweren Brocken auf die Pepperbühne gehievt haben. Denn wenig passiert bei dem großen Textstück einer Sezierung dreier großer Frauenfiguren der Theaterbühne. Dialog und Monolog entschlüsseln langsam und grausam zynisch die Schicksale dieser kaputten Personen zwischen Geschlecht, Erinnerung und Lebensentwurf. Das braucht spielen und eine Distanz wie Nähe zu diesen kalten Karikaturen, diesen gebrochenen Menschen voller Leere und Boshaftigkeit und unendlicher Traurigkeit. Drei etablierte Bühnenfrauen haben sich diesem Schwab angenommen und bringen ihn brillant und pointiert auf die Bühne ohne dabei den Fehler zu machen, diesen Brocken als etwas anderes zu nehmen, als er ist – ein theatraler Seidlfilm, noch überzeichneter und in seiner Eindeutigkeit große Karikatur der modernen Vorstadt und der gebrochenen Frau. Manfred Lorenz Sandmeier nimmt sich in seiner Regie zurück, stellt die Frauen sparsam und auf den Text konzentriert im angedeuteten Wohnzimmer nebeneinander und lässt sie agieren, arbeitet die Rollen präzis heraus und lässt den Text sprechen. Mehr braucht es nicht.

Julia Mann gibt die Erna als verkapptes, spleeniges Wrack mit übermenschlichem Sohnkomplex. Mutig, sicher und mit Gespür für Komik gehört ihr die erste Hälfte mit manchmal etwas Hang zur Attitüde. Diese Ticks verträgt das Stück zu Auflockerung der harten Realität. Die macht die Enthaltsamkeit und Lebensverneinung von Erna spürbar, die sich alles spart, vom Gefühl zu Nähe zum Leben. Präsent und bühnenwohl und übersteigert authentisch in jeder Sekunde. Kongenial daneben die Spiegelfigur Grete von Raphaela Zick. Die regelmäßige Pepperdienerin und Bühnenliebling bekannt auch als Mephisto und Elisabeth aus Maria Stuart zeigt hier ihre beste Leistung auf hohem Niveau in der chargierenden, dem Wahn verfallenen Grete. Diese Frau ist zu bemitleiden und offenbart einen tiefen, grausamen Kern hinter der herzigen, schlampigen Oberfläche, den Zick auslotet und tief in die Figur blicken lässt. Mit jeder Träne über dem überzogenen Kajal überzeugt Zick vor allem in der zweiten Hälfte, die sie dominiert. Mann macht es ihr dabei nicht leicht, man sieht großen Akteurinnen immer dabei zu, wie sie miteinander ringen, die Figuren auf die Spitze treiben und sich immer auch einen gelungenen Darstellerwettbewerb liefern. Durch ihr junges Alter wird Schwabs Distanziertheit zu seinen Figuren, die gerne in der dritten Person von sich fabulieren nur noch deutlicher.

Dazwischen und witzigerweise alterstechnisch umgedeutet Waltraut Borchmann als rührenden, naive Mariedl. Zurückhaltend in der ersten Hälfte brilliert sie in ihrer großen Schlusserzählung ebenso wie in ihrer physischen Darstellung, die dem Zuschauer Mitleid für diese entrückte, alte Mariedl erzeugt, die wahrlich nichts trübt, bis sie an ihrer Zurückhaltung und dem Ausnutzen zerbricht. Sie komplettiert das Trio der verlorenen Seelen, die sich aneinander abarbeiten, da Hoffnung, Glück und Zukunft fehlen. Darum gehen sie aufeinander los, verachten sich und demütigen ihre gegenseitigen Schicksale. Der böse Witz funktioniert auch in der kühlen Lösung, die den Glauben an das Gute endgültig zu Grabe trägt. Hoffentlich aber arbeiten diese grandiosen Drei noch regelmäßig und auf diesem Niveau miteinander. München braucht diese Präsidentinnen.

 

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Premiere Frank V., 16.01.2013, Münchner Galerie Theater im Heppel & Ettlich

Der Richter und sein Henker oder Die Physiker sind den meisten Deutschen aus dem Schulunterricht vertraut, aber die musikalische Komödie Frank V., Untertitel Oper einer Privatbank (Musik von Paul Burkhard) dürfte den wenigsten bekannt sein.

Das ist auch kein Wunder, stand das Stück doch zum Beispiel in München erst einmal auf dem Spielplan und das ist über fünfzig Jahre her. Die Familie Frank leitet schon in fünfter Generation eine kleine Schweizer Privatbank. Und weil man ja gerne im Wohlstand leben möchte, muss man Verbrechen begehen. Man wäre ja sooooo gerne gut, aber leider, leider macht man Kohle nur mit Verbrechen. Da muss dann schon mal der ein oder andere Kunde oder Bankangestellte dran glauben, denn schließlich habe man noch nie Geld ausgezahlt, wie die Bankiersgattin glaubhaft versicherte. Da gibt es schon mal eine extra Angestellte, Frieda Fürst, nur dafür, Herren wieder um das Geld zu erleichtern, das sie zuvor abgehoben haben. Ihre eigenen Kinder wachsen jedoch behütet auf und sollen es einmal besser haben. Sie sollen gut sein können, und deshalb muss die Privatbank liquidiert werden.  Doch die Kinder haben es längst ihren Eltern nach getan und sind bestens geschult in Prostitution und Erpressung. Sie verhindern die Liquidation und übernehmen die Bank. Selbst vor der Ermordung der eigenen Eltern schrecken sie nicht zurück. So kann es in kapitalistischen Zeiten keine Menschlichkeit geben.

Die Bühne von Manuela Clarin ist wirklich hinreißend. Ganz in schwarz-weiß gehalten, wirkt das Bankgebäude wie mit Kreide gezeichnet. Auch verschiedene Requisiten wie Gläser, Tassen und Flaschen sind gezeichnet und wirklich ganz entzückend. Vorhänge, die den Blick auf eine Gemäldegalerie und später den Tresor dahinter freigeben, lassen eine schnelle Verwandlung der Bühne zu. Die Darsteller sind, abgesehen von den Kindern – hier wächst bereits sichtbar eine neue Generation heran – , ganz in schwarz mit einer Leuchtfarbe gekleidet. Je größer die Krawatte und die Uhr, desto höher steht derjenige in der Hierarchie der Bank. Die Regie von Ingmar Thilo ist sehr geradlinig und direkt, lässt aber ein bisschen Zug vermissen. Auch die Anschlüsse könnten ein bisschen flüssiger sein, aber vielleicht war das auch der Premierennervosität geschuldet und spielt sich im Laufe der nachfolgenden Vorstellungen ein. So dehnt sich der Abend auf knapp drei Stunden. Es ist dabei aber nie langweilig und es kann auch viel gelacht werden. So gibt es zum Beispiel eine Szene, in der jeder davon singt, was er schon alles für die Bank getan hat – und was die persönlichen Folgen für denjenigen sind. Das ist wirklich witzig gemacht.

Die schauspielerischen Leistungen waren durch die Bank sehr gut. Einige hatten mehrere Rollen zu spielen und konnten diese gut trennen und glaubhaft darstellen. Maximilian Maier spielte den Bankier hervorragend, seine Frau (und die gemeinsame Tochter!) wurde von Ulrike Dostal dargestellt. Der Monolog, in dem sie erkennt, dass ihre Tochter eine Hure ist, hatte shakespeareske Dimensionen und wurde von ihr sehr mitreißend vorgetragen. Das war einer der Höhepunkte des Abends. Virginie Didier zeigte die Frieda Fürst in ihren schwachen und in ihren starken Momente gleichermaßen gut, Johannes Schindlbeck hatte als Personalchef Egli und heimlicher Geliebter von Frieda am Schluss eine ganz starke Szene. Amadeus Bodis überzeugte als Prokurist Böckmann und Raphaela Zick war eine herrlich überdrehte Kundin.Niklas Clarin, Momi von Fintel, Manuela Clarin und Andreas Berner in verschiedenen Rollen ergänzten das Ensemble aufs Beste. Sabrina Cherubini begleitete die Darsteller am Klavier.

Ein unterhaltsamer Abend, der aber auch nachdenklich macht. Geld regiert die Welt und der Kapitalismus das Leben. Weitere Vorstellungen am 18.01., 23. – 25.01. und 31.01. – 02.02. jeweils um 20 Uhr im Theater Heppel & Ettlich in der Feilitzschstraße. Karten zu 20,20€ über Münchenticket.

 

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Maria Stuart, 29.03.2012, Pepper Theater

Maria Stuart von Friedrich Schiller ist quasi Pflichtlektüre in jedem Deutschunterricht und das war im Grundkurs anno 1986 auch nicht anders. Wären wir doch damals in so eine einfühlsame und gleichzeitig eindringliche Vorstellung wie diejenige des Münchner Galerietheater, die immer mal wieder im Pepper Theater in Neuperlach aufgeführt wird, gegangen, hätten wir das Stück sicher mit anderen Augen betrachtet.

Es ist immer wieder faszinierend, was man auch mit wenigen Mitteln erreichen kann. Selbst um zwei Teile des gleichen Aktes auf einer Bühne spielen zu lassen, reicht geschickte Beleuchtung. Das Bühnenbild lässt viel Platz für Assoziationen, symbolisiert aber gleichzeitig perfekt die verschiedenen Handlungsorte. Ebenso die Kostüme. Die Männer im Anzug, die beiden Rivalinnen in exakt der gleichen Kleidung in zwei verschiedenen  Farben, das hieß für mich zwei gleichberechtigte Königinnen. Um aber aus einem Sessel und ein paar Stoffstreifen als Baldachin einen Thronsaal zu machen, bedarf es vor allem starker Bühnenpräsenz.

Und die zeigten alle Protagonisten an diesem Abend ohne Ausnahme. Fantastisch waren die beiden leading ladies, Ulrike Dostal als Maria und Raphaela Zick als Elisabeth. Sowohl einzeln wie auch in der Szene, in der sich beide begegnen, rissen mich beide mit und überzeugten mit präzisem, leidenschaftlichem Spiel. Sabine Heckmann gab der Amme Hanna Profil. Die Männer waren rollengerecht besetzt, Peter von Fontano (Talbot), Amadeus Bodis (Cecil), Andreas Berner (Davison) und Momi von Fintel (Mortimer) zeigten in der ausgezeichneten Personenregie von Ingmar Thilo die unterschiedlichen Facetten der Berater und Freunde der beiden Königinnen. Herausragend war Johannes Schindlbeck als Dudley, der die Zwiespältigkeit und Zerrissenheit besonders im letzten Monolog herausragend interpretierte.

Ein sehr dichter, leidenschaftlicher, sehr sehenswerter Theaterabend.

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