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Störer

Störer

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Die haben sie doch auch schon in den Wahnsinn getrieben, nicht wahr? Seien sie ehrlich, wir wünschen ihnen nichts Gutes, wenn sie uns nerven, die Störer.

Zischer, Klimperer, Flüsterer, Raschler, Grummler, Fummler, Brummler, Sucher, Huster, Pruster und alle anderen Geräuschproduzenten auf den Plätzen neben uns. Kürzlich quietschte ein besonders Frecher mit seiner Eintrittskarte im Resi so penetrant neben mir, man hätte sich eine der Bühnenknarren gewünscht, um ihn zu verstummen. Er ruhe – ja vor allem ruhe – in Frieden. In der Oper störte ein Störer mit dreistem Münzgeklimpere in der Hosentasche beim Liebestod von Romeo und Giulietta. Den hätten wir lieber gleich in der Nachbargruft, getrennt durch dicken Marmor zur letzten Ruhe gebettet. Ohne zu vergessen, ihm vorher die letzten Münzen für die Überfahrt zu nehmen. Eine schwäbelnde Dame unterbrach einmal tatsächlich kichrig die Andacht im Gasteig, als Kaufmann bei Straussliedern nach dem langen, schönen, elegischen Vorspiel die erste Zeile „Und morgen wird die Sonne wieder scheinen…“ anhauchte mit einem brachialen: „OH JA DES WÜNSCH MA UNS AA. HAHA.“ Die letzten Lieder vergönnte ich dieser Hobbymeterologin nimmer. Eher einen Sonnenstich mit –brand und Bettruhe bis zum Ende der Konzertsaison.

Seien wir ehrlich, den schlimmsten Bühnentod wünschen wir den Störenfrieden, den Kulturbanausen und Tönern in den Rängen um uns herum. Haben sie denn immer noch nicht kapiert, dass wenn sie sich schon – dem Bronchialexitus nahe – mit letzter Schnaufkraft und einer Familienpackung Hustenbonbons in den Balkon geschleppt haben, das Auspapierln schneller geht, wenn man es nicht ewiglich in die Länge zieht, um vermeindlich leise zu sein, sondern wenn schon, dann herrschaftszeiten schnell und danach still bitte. Es stimmt, die Kranken gehn ins Bett, die Halbtoten ins Theater. Und die Doofen. Nach dem vierten Häh? und Wer war jetz das nochmal? plädiere ich für Schulverweis und Nachsitzen anstatt Klassenausflug zu Shakespeare. Auch Theaterverhalten gehört zur Bildung!

Was aber tun? Aufmerksam machen? Erzeugt nur noch mehr Ton und im schlimmsten Fall Widerspruch und eine Höflichkeitsdiskussion. Gleich geräuschlos um die Ecke bringen? Schwierig in der moralischen Anstalt der Kunst. Überhören? Unmöglich bei den Manieren mancher Kulturgänger. Eines hilft: Versetzen sie den Störenfried in die Rolle des Bühnenböslings und lassen sie ihn an dessen Stelle leiden. Das hilft, da es dem Bösen – wie meist in der Kunst – gerechterweise schlecht ergeht! Schieben sie den Tuschler in den Hexenofen, erdolchen sie den Zischler von hinten, liefern sie den Huster den Ricolariesen und den Klimperer der Guillotine aus. Die Oper und das Sprechtheater hat schon genug im Folterrepertoire, um für Ruhe zu sorgen. Oder zumindest für Gerechtigkeit.

War nicht Scarpia auch ein simpler Störenfrieden der Kunstliebe? Und wie ist es ihm ergangen..?

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Geliebte Requisite

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Die Germanistik liefert Regalmeter über den bewussten Einsatz von Requisiten, von Ringen, Briefen, Dolchen oder Schmuck. Das alles hilft leider gar nichts, wenn das verflixte Ding vor seinem Bühneneinsatz nicht auf seinem Platz ist! Ehen scheitern an verlegten Ringen, Morde an vergessenen Messern und Besäufnisse an nichtgefüllten Gläsern, wenn die Requisite patzt. Oder natürlich der Schauspieler. Bei kleinen Häusern richtet man sich grundsätzlich selbst sein Zeug vor der Vorstellung her – vergisst man es, muss man dann in den intimsten und oder peinlichsten Momenten schnell mal kurz verschwinden, um den notwendigen Liebesbrief von den Hinterbühne zu holen. So ist es Bruno Jonas als Don Quijchote am Gärtner passiert, was ihn allerdings nicht weiter störte, sondern zu einem kabarettistischen Intermezzo über die Requisite verleitete.
Ein Kollege verzichtete dagegen auf seine Mordwaffe in der „Mausefalle“ und ging anstatt mit dem fehlenden Revolver, der sich verflixterweise auch nach längerer Suche nicht in der Anoraktasche finden ließ, würgend mit beiden Händen auf die Kollegin los. Ihre Verwunderung und Angst war an keinem Abend mehr so real, wie an diesem. Gott sei dank reagierte der eingreifende Polizist auch in dieser Vorstellung rechtzeitig, da die zudrückenden Daumen sicher mehr Schaden als die ungeladene Schreckschusspistole angerichtet hätten. Vor allem wenn es sich um eine typische Kollegin handelt!
Nicht nur Vergesslichkeit auch die Art der Requisitenzubereitung kann mitunter zu Problemen führen. Freut sich noch jeder Opernchor über Essbares bei Mahlszenen („Fresst nicht gleich alles bei der Ouvertüre weg!“), so fällt ein durstiger Statist wie in Stückls „Dreigroschenoper“ am Münchner Volkstheater nur zuleicht über die Freude eines frischen Bühnenbieres aus der Rolle. Selbiger zuzelte sein Bier bei der MeckiMesserHochzeit dermaßen genußvoll, dass ihm die seltene Statistenehre gebührte, die alleinige Aufmerksamkeit des Publikums neben nebensächlicher Trauung zu erlangen.
Im Boulevard auf kleiner Bühne sollte ich etwa 30 Vorstellungen lang eine Cola kippen – Jugendjargon der späten 60-er. Aus Kostengründen wurde diese jedoch mit Zuckercouleur getrickst, der zähflüssigen braunen Lebensmittelfarbe mit Sacharinnote zur Färbung von Soßen. Ein Tropfen in genug Wasser erzeugt Weißwein, etwas mehr Rosé, noch mehr Bordeaux und in Massen zum Colabrauen – Grausen. Ab der 3. Vorstellung nippte ich nur mehr am braunen Trank.
Vorsichtig wurde ich zudem mit intransparenten Flaschen nachdem in eine Champagnerflasche in der „Fledermaus“ mehrere Zigarettenkippen der letzten Feier anstatt reinem Bühnenwasser für den Perlweinakt schwamen. Unvergessen auch der Versuch dem Boandlkramer des „Brandner Kasper“ echten Enzian unterzujubeln – von dem der naive Tod bekanntlich 12 Stamperl auf der Bühne vernichten sollte. Leider kam uns der Kollege selbst bei der Derniere drauf und blieb beim Gebirgsselters. Als dann noch mein Jagdstutzen abhanden ging, feuerte ich aus allen Rohren einer – üblicherweise verdeckten Schreckschusswaffe und es gelang ein Highnoon am Blauberg.
Requisiteure sind Meister des Bauens, Tricksens, die Leute an den Neblern, die Regenschirme im Eimerchen abwaschen, damit sie auf der Bühne tropfen und wahrlich Schaumschlagen können ohne schmutzige Wäsche zu waschen. Sehr bedacht sind sie dabei natürlich ob des Wohls ihrer kleinen Erfindungen. „Mach das bloß nicht kaputt! Das haben wir nur einmal!“ klang vielleicht nur bei 007s Quartiermeister Q ebenso oft und bestimmt, wie von den sonoren Stimmen der ordnenden und konservierenden Requisite.
Nicht zu unterschätzen ist nämlich die Spiel- und Ärgerfreude der Kollegen. Jeder Junge spielt gern mit Schwertern und Pistolen. Bei einigen Bühnenkämpfen wird das zum Selbstzweck. Schauspieler sind und bleiben eben Kinder, weshalb die Theaterwissenschaft vielleicht der Requisitentheorie der Dramatiker eine ganz neue Spielttriebsdiskussion des Schauspielers und seiner geliebten Requisite folgen lassen sollte!

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Nur nicht verbiegen – Vorbeugendes über Verbeugegehabe

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Ist es nicht erstaunlich, wie leicht man nach drei bis sechs Stunden Spitzenleistung die Gunst des Publikums binnen Millisekunden verlieren kann, indem man es sich beim Applaus verscherzt?
Denn es besteht nur ein Bravo-Ruf Platz zwischen der großen feierwürdigen Diva und dem frechen Hagestolz, der sich übermäßig abfeiern lässt, zwischen dem sympathischen Tenor und der unantastbaren Leadinglady, zwischen der verdienten Grand Dame und dem peinlichen Publikumsanbiederer.
Hier also ein Guide für alle Rampensäue und selbige, die es werden wollen, wie man auch beim Verbeugen vor dem Publikum besteht:

1. Wir wissen es, wie großartig du bist – oder entscheiden gern selber darüber – also versuch uns nicht davon zu überzeugen, indem du deine eigene Größe auch noch überdeutlich bis über den Souffleurkasten hinaussabberst! So geschehen bei Schmalz-Italo-Tenor Vittorio Grigolo (pardon, neuerdings Grigòlo) nach einer ausgesprochen mittelmäßigen Boheme. Da kam der Messias mit erhobenen Händen durchgetreten und grinste seinen Schäfchen zu, weil er sie mit seiner bloßen Anwesenheit erleuchtet hat, ohne auch nur ein Detail der Schenkinszenierung auf den Punkt gebracht zu haben.

2. Eng damit verbunden: die vollkommene Überschätzung der Rolle an diesem Abend (sog. Baritonkomplex). Eine alte Anekdote besagt: Bleibt man beim Verbeugen nur lang genug unten und außer Sicht der Publikums, ist leicht selber das ein oder andere Bravo zu schreien. Und keiner hat‘s gemerkt – außer dem Kulturenthusiasten.

3. Bitte auch nicht das Gegenteil: den schüchtern-ernsten, blutleeren Schüler, so wie drei Viertel jedes Schauspielensembles an die Rampe kriechen, die dem Applaus als bourgeoisen Kontrapunkt der postdramatischen Intellektualität ihres Stoffes misstrauen und lieber wieder zurück auf die Probenbühne zum Grübeln wollen. Das kaufen wir den Bühnentieren ohnehin nicht ab, dass sie der Publikumsgunst schon enthoben schweben, auch wenn sie dafür wieder mal als Einzige (trotz Einführung) das Regiekonzept des Abends durchdrungen haben.

4. Ebenso schlimm der/die Sympathling/-in, der/die den halben Chor umarmt, sich vor Freude überschlägt, die Bühne hibbelig durchrennt und am Liebsten noch den Inspizienten nach vorne zehrt, als wäre er/sie selber noch auf zwei Flaschen Bordeaux und einem Liter Elisir dazu. Etwas Contenance bitte, u. a. Herr Filianoti. Mehr Gesang und weniger Overacting ergibt gescheiten Applaus.

5. Der verängstigte Regisseur. Zugegebenermaßen hat der es schwer, da die Merkurkritik ihre Meinung nur mehr nach den Buhrufen abzählt (4 Grauenhafts von 5). Aber dann stehen sie zu den blutigen Gämsen, den Misteisflächen, den Sofaserails und den Nackig-nackigen bitte. Schließlich seid ihr ja auch dafür verantwortlich. Die Gesichter sind beim braven Zeitlosen – wenn die ‚Juhus‘ kommen – allerdings auch nicht fröhlicher. Ist es der Hunger oder das Schuldbewusstsein? An beidem leidet GonzoCastorf natürlich nicht; bei seinem 13-er Bayreuth-Ring hätte man ihn – aufgegeilt vom Buh – fast mit einem Wasserschlauch von der Rampe spülen müssen, so sehr badete er moonwalkend im Publikumshass. Chapeau, und ab!

6. Bitte nicht die Durchtretzeiten abstoppen, dass sich Madame auch wirklich lange bitten lässt, bis sie…erscheint, dafür gleich in vollkommener Gebets-Haltung mit verschränkten Beinen und den Armen wahlweise nach Holzbläser, Blumenstrauß, Himmel oder Verfolger gerichtet. Länger ist wie beim Allem nicht gleich besser, ja wir meinen auch sie Frau Martínez!
So also nicht. Wie aber dafür?

Mit Mittelmaß: Ein verschmitzter Leo Nucci, der wendiger als in der ganzen Inszenierung nach vorn watschelt und es sichtlich einfach nur genießt. Herzig wie die Netrebko als Mischung aus PrimaAnna und Russin von nebenan. Ruhig die stemm-ige Diva mit Hand aufs Herz – aber bitte dafür auch den Saal aussingen. Denn nicht vergessen, verbiegen allein ist es gar nicht, was den Applaus ausmacht.
da capo
7. Ach ja, Herr Giordano – fast wären sie mir entkommen. Aber dieser Gebärdenpantomimenveitstanz – schlimmer als
bei einem Fußballspieler mit all den Bussis, Winkis, Herzchen und Eigenumarmungen etc. ist dann auch ein bisschen viel.

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In Galauniform zum Wirtshaus – „Der Revisor“ im Residenztheater

[singlepic id=1677 w=240 h=320 float=left]Ein Hoch dem Kalauer, dem Versprechen, der physischen Komik und dem Slapstick. Dem Residenztheater ist mit dem Revisor ein Hit gelungen, den man entweder komplett bescheuert oder großartig finden kann. Viel zu tun mit Gogols feinem Wortwitz hat das allerdings nicht mehr.

Was der Zuschauer dafür sieht, ist Theatersport in zwei atemlosen Stunden voller körperlicher Gag-Gymnastik. Es scheint ein wenig so, als habe Fassbinder mit Buster Keaton ein Kind namens Leslie Nelson gezeugt, in eine russische Kleinstadt versetzt, dupliziert, unter Drogen gesetzt und daraus eine Dorfposse auf Tuntenspeed erzeugt, die schlichtweg Laune macht.

Es wird handwerkliche Komik geboten. Typen, Akrobatik, Wortwitz und ein gelungener Running Gag, der die Verliebtheit der Russen für frankophile Phrasendrescherei ad absurdum führt. Die Handlung wird im Großen und Ganzen so belassen, wie sie unter Gogol noch humoristisch funktionierte. Der Staatsbeamte scheint verdeckt im korruptionsschwangeren Dörfchen zu sitzen. Man hält fälschlicherweise den trunksüchtigen Lebemann für den Revisor, hofiert ihn mit Wein, Weib und viel Domkosakengesang. Dieser nutzt es schamlos aus, bis die Posse in allgemeiner Verwirrung endet.

[singlepic id=1676 w=320 h=240 float=right]So viel zur – nicht zu wichtig genommenen – Basis des Abends. Was allerdings Darstellerregisseur Herbert Fritsch daraus zimmert, ist eine Vaudeville-Show des Irrsinns mit hohem Tempo, noch höherer Energie, im Sprechfluss dafür leider nicht immer verständlich. Fritsch bürstet den angestaubten Russen durch. Dieser zeichnet Kleinstadtidyll mit sanftem Sprachhumor, wie die mittlerweile verbannten deutschen Komödiengrößen Dürrenmatt (die alte Dame liegt nahe beim Revisor) und Götz (Montevideo). Auch Götz traute sich Fritsch samt seinem schöngeistigen, wenngleich veralteten Beamtenhumor bereits zu. Bei Gogol setzt er knallhart auf veränderte Kalauer aus dem Originaltext, die er himmelschreiend überzeugend abfeiert. Mea Vulva, Bibbern wie Lesbenlaub und Mönölöge mögen billige Lacher sein, werden sie allerdings so selbstverständlich in einem Potpourri des Blödsinns gebracht, verzeiht man die Niveausenkung ebenso wie explodierende Genital-Attrappen und Po-Echos. Vorletztes kann zudem als Rückgriff auf den Beginn der Komödie verstanden werden; ebenso wie die chargenhafte Maske der Gesichtslarven nahezu aller Darsteller. Masken und Genital bildeten schließlich legitimes Requisit zu Zeiten Menanders. Hier wird demnach eine Plüschhommage antiken Komödienspiels betrieben – mit überzeichneten Abziehbildern, die gar nichts Anderes erzeugen wollen und hervorragend herausarbeiten, als Erheiterung! Dazu eine Prise Schauspielmetadialog, viel Physis und der Abend ist schon gelungen.

[singlepic id=1678 w=320 h=240 float=left]Konsequenterweise minimalistisch auch Fritschs Bühne. Es braucht nicht mehr als diese Planenhäuser, ausgeschnittene Folien, die von der Decke baumeln, um erstens aufzuzeigen, welche Theatermagie die Züge im Schnürboden allein erzeugen können und wie schlüssig zweitens ein einfachstes Konzept aufgehen kann, das aus wenig alles macht.

[singlepic id=1679 w=240 h=320 float=right]Das liegt wie mittlerweile immer am Resi auch an der großen Gruppenleistung. Aus dem durchwegs starken Ensemble stechen die wunderbare Karikatur der Comicfigur in der Rolle der Maria von Britta Hammelstein, wie die grandiose FreddyMercury-Travestie der – allein schon abendfüllenden – Titelrolle von Sebastian Blomberg heraus. Neben großartigen Sidekicks transportiert sich eine allgemeine Spielfreude, die ein Komödienklima erzeugt, dass schlichtweg mitreißt. Besonders dank der Profiüberdrehtheit von Barbara Melzl und Stefan Konarske. Allein zu blass darunter das hilflose Bürgermeisterlein von Aurel Manthei.

Dieser Russenrausch endet im Gruppentanz und der genialsten, wie bescheuertsten Applausordnung diesseits der Wolga. So funktioniert Komödie im 21. Jahrhundert jenseits von TV-Klamauk, fadem Boulevard und Fäkalausfällen. Chapeau. Man kann nur hoffen, dass Fritsch nach München zurückkehrt, um vielleicht einen Prätorius oder die Physiker ebenso irr wie genial unter den Defibrillator zu halten, um alte Komödie auf diese moderne Weise neu zu beleben.

Besucht wurde die Vorstellung am 25.11.2013

Regie und Bühne Herbert Fritsch, Kostüme Victoria Behr, Musik Ingo Günther, Licht Gerrit Jurda, Dramaturgie und Fassung Sabrina Zwach, Dramaturgie Sebastian Huber

mit Sebastian Blomberg Chlestakow, Stefan Konarske Ossip, Aurel Manthei Bürgermeister, Barbara Melzl Anna, seine Frau, Britta Hammelstein Maria, deren Tochter, Hanna Scheibe Mascha, deren Hausangestellte / Kellnerin im Gasthaus, Gunther Eckes Hospitalverwalter, Jörg Lichtenstein Schulrat, Miguel Abrantes Ostrowski Richter Lap-Top, Sierk Radzei Polizeichef Korruptkin, Michele Cuciuffo Kreisarzt Dr. Hübner, Paul Wolff-Plottegg Postmeister, Tom Radisch Bobtschinskij, Gutsbesitzer, Johannes Zirner Dobtschinskij, Gutsbesitzer, Lena Eikenbusch Kaufleute, Jonas Grundner-Culemann Kaufleute, Thomas Hauser Kaufleute, Lukas Hupfeld Kaufleute, Josef Mattes Kaufleute, Klara Pfeiffer Kaufleute, Philipp Reinhardt Kaufleute, Anna Sophie Schindler Kaufleute, Benjamin Schroeder Kaufleute, Jeff Wilbusch Kaufleute

 

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Balkonpflanzen

[singlepic id=1636 w=320 h=240 float=left] Ein wacher Kulturenthusiast berichtet und regt auf

Kolumnist Andreas M. Bräu liebt und lebt den Kulturbetrieb und muss seiner Sucht regelmäßig frönen. Dabei begegnet ihm allerhand Schönes, Wahres und Ästhetisches, jedoch auch einiges Seltsames, Abgründiges und Schockierendes. Seine Aufreger und Aufregung verarbeitet er als überzeugter Kulturenthusiast hier auf den Nachtgedanken und generiert dabei neue Energie für Erregung und Aufregung auf den Galerien und Parketten der Theater dieser Welt.

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Samstag, 26.10.2013

Ansichten eines Akteurs

Balkonpflanzen

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Allerlei Exotisches aus der Flora der Opern- und Theaterbesucher versammelt sich allabendlich auf den günstigeren Rängen der großen Häuser, um ihrem Götzen, der Kultur zu huldigen. Allerhand Wildes, Verrücktes, Farbenfrohes, Duftintensives ist darunter und wie auf jedem Balkon reiht sich eine Menge verschiedenster Pflänzchen auf engem Raum mit Aussicht ins Licht.
Die Urpflanzen trifft man gewöhnlich schon einige Plätze vor sich beim Anstehen um die guten Stehplatzkarten vor dem nächsten Highlight, sozusagen der Samenbank oder dem Dehner des zentralen Kartenvorverkaufs. Gibts bei Aldi Geranien verhält es sich wie, wenn ein Ring oder die Damrau „anstehen“ – dann wird ordentlich gedrängelt. Ansonsten kann der Kulturgärtner jedoch auch Kontakt schliessen, Fachwissen breitest auslegen, Sänger vergleichen und das eigene Knowhow proklamieren. Gar manche zarte Romanze entspinnt sich zwischen dem Connaisseur mit Halbglatze („Ach die … hat doch ein Vibrato zum n‘Hut durchwerfen.“) und der Basisliebhaberin Mitte sechzig („Welcher Verdi war das mit der Schwindsucht?“), wenn man sich gegenseitig belehren oder belehrt werden, nun ja sprießen darf. Beim Umgraben wächst zusammen, was zumindest für einen Opernabend zusammengehört.
Darum zurück ins Beet:
Gerade die älteren und verwurzelten Gewächse erfreuen das junge Balkongemüse durch ihren reizenden Sittenwuchs.
Ein wirklich urgroßvaterhafter Wagnerianer, alt wie Erda, musste vier Abende lang im Ring mithilfe der Pillenuhr immer Schlag halb 8 dank der Pharmazie dem Blutdruck etwas nachhelfen, konnte dafür bis zu den dämmrigen Göttern durch-stehen.
Ein blumig gekleideter Herr im Parsifal erklärte, dass er seit Jahren die Inszenierungen nicht mehr verfolge, sondern ausschließlich die Holzbläser und -bläserinnen mit der Unterstützung eines antiken Opernguckers im Auge behielte. Das tat er dann auch über die gesamte Länge des Weihespiels, für ihn den erlösenden – und bei weitem nicht immer im Einsatz verwei(h)lenden – Oboen und Fagotten geweiht.
Extrovertiertheit ist dabei keine Tugend des Alters. Auch das mittlere Pflanzenalter marschiert über den Balkon wie ein Strauß Blumen. Wagnerkonterfei auf schwarzem T-Shirt zu dunkelschwarzer Perücke in Kaufhausoptik? Schon gesehen. Bebrillter, shortstragender Angelsachse dem Angelparadies entlaufen? Vor mir in der Turandot.
Die laxe Kleiderordnung stört den Enthusiasten ein wenig, der auch auf dem Rang Tuch zur Krawatte wählt, doch er verzeiht viel, jedoch nicht olfaktorische Missstände – wie in einer Traviata. Muffelt die Vorderpflanze modrig, ja welkt sie bereits im ersten Akt, empfiehlt es sich, den Balkon umzugraben, um unter frischen Blumen den Graben zu überwinden und den Helden und Heldinnen an der Rampe zu Füssen zu fallen.

Interview mit Andreas M. Bräu

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Samowar und Seufzer – Onkel Wanja in den Münchner Kammerspielen

[singlepic id=1622 w=320 h=240 float=left]Die Russen sind en vogue. Egal, ob im Musik- oder Sprechtheater, München ist sein geraumer Zeit regelmäßiger Reflektor der kanonisierten Hochkultur aus dem Land, wo Kaviar und Wodka fließt. Egal ob Bieitos Kirschgarten oder Godunow, die Karenina am Volkstheater, dem missglückten Platonow in den Kammerspielen oder der noch missglückteren Möwe des kleinen Stacheder-Schauspielensembles.
Gerade Tschechow, der große Bühnenarbeiter mit den gewitzten, leichten Dialogen und der unendlichen, schnapsseligen Melancholie glimmt, nicht nur im Tourneetheater, als Everburner auf kleiner Flamme. Die Kammerspiele brachten nun im April seinen späten Onkel Wanja heraus. Das Theater des Jahres mit dem Schriftsteller des letzten Jahrhunderts sozusagen.
Wir sehen dabei wenig. Szenischer wie ausstattungstechnischer Nihilismus: Alles spielt sich auf einer erhöhten Rampe ab, einem kleinen, schwarzen Guckkasten (Muriel Gerstner) mit zwei Auftritten und einer schwarzen Wand. Mehr ist nicht, bis auf ein fragliches Digitaltextband, dass vollkommen willkürliche Fragen über der Szene laufen lässt. Mehr eine Familienaufstellung wird hier durch Rampentheater präsentiert, spätestens wenn Jelena die Figuren nebeneinander in seltsamem Tanz an die Wand bannt. Alle vier Teile ohne Unterbrechung der Therapiesitzung.
Gespielt wird dagegen naturalistisch, wenngleich oft genug mit gewollter Outrage.
[singlepic id=1623 w=240 h=320 float=right]Allen voran die preisgekrönte Sonja von Anna Drexler. Ein nahezu autistisches, verkapptes, spätes Mädchen, das mit ihrer Hilflosigkeit rührt. Sie kämpft mit ihren Worten, frisst in sich hinein, bricht eruptiv aus und geht mit ihrer Hässlichkeit herzzerreißend um. Immer schwankt dabei die Figur zur Karikatur. Ebenso verfährt der köstlich phlegmatische Benny Claessens, einem Wanja halb TV-Sheldon, halb Großkind. Sarkastisch, bissig, verletzend und traurig in seiner aggressiven Hilflosigkeit. Daneben wenig Spannendes. Der x-te Mann in Frauenkleidern (handwerklich top: Hans Kremer). Wann legen die Kammerspiele diese olle Kamelle endlich ab? Neuerdings allerdings kommt das serielle Hyperweib zum Kanon des Standardpersonals der Kammerspiele dazu. Neobergmanns, Neugarbos mit Betonföhnung und Statuenauftritten. Neben Hobmeiers Satansgrazie nun Wiebke Puls als ätherische Jelena mit bestaunenswerter Ehrlichkeit um am Meisten Leben dieser leeren Hülsen, die Tschechow wieder und wieder kombiniert und (neu) gegeneinander führt. Heißen sie Mascha, Nina oder Sonja. Daneben wenig Erwähenswertes. Hinter dem Haarschopf fällt der Ökodoc von Simonischek jun. ab, der etwas hilflos über die leere Bühne torkelt und mit dem Chargenkonzept am Wenigsten zurechtkommt, während es Puls schafft auch bei diesen Tschechowpappen Zwischentöne und Tiefe herauszuklappen.
Denn auch diese haben die immer wieder aufgetauten Figuren, man muss sie nur aus den Textplattitüden und dem Minimalkonzept herausschälen: Lebenseinsatz für nichts, die immer gescheiterte, im Keim erstickte Liebe, die Lust am Unglück, die große Melancholie ohne Entrinnen, der Fluch der Familie…
[singlepic id=1624 w=320 h=240 float=left]Einen Regiecoup aber hatte das Regieduo Henkel/Simons dann doch noch: Die Sängerin von Münchens neuer Theaterlieblingsband Pollyester gibt atmosphärisches Domkosakenchanson und macht die Russendisco. Genial und fatal zugleich. Denn nur durch die wunderschön melancholischen Seufzer fühlen wir uns in der Datscha angekommen. Die Inszenierung distanziert sich fast schon vom Russenklischee, das Bieitos Kirschgarten noch massiv abfeiert. Die wunderbaren Sätze des Bühnenarbeiters funktionieren natürlich auch in Shangai, doch das immanent russische, das pathetisch Schwere transportiert sich lediglich im Pollyestersound.
Nach ihrem grandiosen Lola-Montez-Sound hofft München übrigens baldigst auf eine komplette Pollyestershow! Mooshammer- die Operette unter der Regie von Köpplinger am Gärtner vielleicht (Aushilfsspieltort Oberpollinger?) Oder das dritte und letzte Ludwigsmusical im Rohbau Deutsches Theater? Diese Band rockt!
Die Inszenierung allein weniger. Es bleiben große Momente der Darstellung, die wunderschöne Sprache und die leisen Soprantöne. Weder Bieito noch Simons konnten Tschechow neu übersetzen, ohne in die Folkore- oder Nihilismusfalle zu stürzen.
Im Publikum der besprochenen Vorstellung saß der gerühmte Kriegenburg als Zuschauer. Vielleicht sollte er zeitnah vom Parkett ans Regiepult für den Russen wechseln.

Regie: Karin Henkel / Johan Simons, Bühne: Muriel Gerstner, Kostüme: Klaus Bruns, Musik: Pollyester, Licht: Stephan Mariani, Dramaturgie: Julia Lochte
Mit: Stephan Bissmeier, Benny Claessens, Anna Drexler, Hans Kremer, Polina Lapkovskaja, Stefan Merki, Wiebke Puls, Max Simonischek

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Körperkontakt

[singlepic id=1477 w=320 h=240 float=left] Eigentlich hat er schon alles gemacht. Doch die Lust an seinem Job war niemals größer. Ob nackt, als Tier, in Frauenkleidern, in vielen kleinen und irgendwann den großen Rollen, unser Blogger Andreas M. Bräu hat vielseitigste Erfahrungen auf den Brettern, die seine Welt bedeuten, gesammelt. Seine Eindrücke aus Kunst, Oper, Staatsbetrieb und kleinem Theater verarbeitet er hier auf den Nachtgedanken mit Hingebung, Ironie, Berufsethos und bewundernden Respektlosigkeiten, um seine Ansichten über das Akteursdasein auszudrücken.

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Freitag, 11.10.2013

Körperkontakt

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Als Schauspieler muss man ertragen, dass an einem herumgefummelt wird. Damit meine ich gar nicht emotional durch die Kritik oder das Herumgezerre zwischen Vorsprechen und Vorsprechen. Ich meine die haptische, direkte, körperliche Erfahrung des Betatschens, Begutachtens und Befühlens des Arbeitskörpers Schauspieler.
Das beginnt logischerweise in der Schneiderei, wo gewandte Schneidersdamen und –herren das Kostüm grundsätzlich erst am und leider zu oft im Körper feststecken, annadeln oder provisorisch antackern. Dabei werden Falten zurechtgerückt, der Sitz händisch geprüft und nicht selten glattgestrichen und festgehalten. Selbst für einen heterosexuellen Mann ist das nicht erotisch, sondern sehr technisch; vor allem, wenn die Kostümbildnerin den Sitz der Hose mit den Maßen aus der Kartei kritisch vergleicht und schmunzelnd rauslassen lässt, oder wenn dem Tierstatisten ein gummiverstärkter, bodenlanger Geckoschwanz angepasst wird, der gefälligst beim Über-die-Bühnerolle achtsam bewegt und nicht angebrochen werden soll. Dann fühlt man sich nicht selten als Kleiderpuppe einer grausamen Dreijährigen, die großen Spaß hat, ihr Spielzeug zu verunstalten.
Das (Schau)spielzeug wird dann zum Zwecke der Kunst eine Station weiter in die Maske geschickt. Nun wird je nach Inszenierungsart vornehmlich das Gesicht bearbeitet oder der ganze Körper beschmiert. „Soll ich den Pickel übertünchen oder blutet der?“ sind eine der Fragen, die das massive Problem der eigenen Körperwahrnehmung eines Akteurs nur unterstützen. „Sollen die Bartansätze gleich weg?“ schmerzt ebenfalls nach wochenlanger Züchtung vor einem historischen Dreh und oft genug erwehrt man sich seiner zarten oder unreinen Haut oder der wenigen Haare, wenn ein rigoroser Kostümbildner bereits Schwamm und Schere schwingt. „Der Regisseur wollte das aber genau so…“, hilft nur bedingt, wenn selbiger am Set bereits anwesend ist. Dafür spart man sich im Idealfall Barbier und Frisör.
In größeren Häusern helfen dann meist mehr als zwei Hände und flinke Damen und Herren in der Rolle der Ankleider bei schnellen Umzügen auch gerne im öffentlichsten Raum auf der Seitenbühne. Da wird man dann blitzschnell – auch als Mann – ins Korsett gezwängt, im Schritt der Reißverschluss justiert oder gleich Hosen samt Schuhen und Socken heruntergerissen, während andere Hände an der Krawatte fummeln. Nach 30 Sekunden Intimprodzedur und einem freundlichen Schubs ist die zweite Rolle dann schon wieder auf dem Flug durch die Bühnentür. Abgegriffen, doch grunderneuert und erstaunlich verändert! – Ui noch ein neuer Schauspieler.
Wieder eine Station weiter wirft man alle seine Pfunde und Gesichtsmuskeln ins Mimenrennen auf der Bühne. Nackt? Kein Problem, dann aber schnell noch ins Solarium! Bart? Okay, der Mastixduft in der Nase erleichtert die Heulerei im zweiten Akt. Das Gesicht in den Rock der Partnerin vergraben? Höchste Vorsicht sei geboten, wenn es sich um dunkle Stoffe handelt und das eigene Gesicht deutlich farblich aufgebessert wurde! „Wehe du beschmierst mich mit der Grundierung! Nur auf deinen Arm, ja! Kein Kontakt mit meiner Kleidung!“ Oh ja, dadurch wird auch der intimste Schoßkontakt sehr technisch, um keine ungewünschten Farbspiele zu erzeugen.
Dafür ist der Lohn einer leidenschaftlichen Kussszene gerne die Wimperntusche auf der eigenen Wange, die wie Kriegsbemalung von der theatralen Eroberung und Leidenschaft der Körperinteraktion erzählt. Im selbstreferenziellen Theater kann diese Körperakt-ionskunst auch der leuchtend rot gedroschene, nicht getrickste, sondern echt versohlte Popo des männliches Darstellern sein, und der Körperkontakt und –einsatz ampelhaft dem Publikum entgegenfunkelt – wie das Hinterteil von Shenja Lacher, dass Castorf im Resi in München gerade analog wie wund hauen liess.
Aufgeschlagene Knie sind sowieso normal, auch Schrammen, Kratzer, Ellbogenkerben von Kollegen oder etwas echtes Blut, wenn die Bühne mal wieder vor dem Barfussauftritt als Engel bei Ludwig Thoma nicht auf Reißnägel abgesucht wurde. Besagter Reißnagel wurde später übrigens vom Bühnenbildner zur weiteren Verwendung zurückgefordert. Schmerz ist temporär, Kunst ewig! – ein Motto, dass nicht nur für körperliche Dreharbeiten in Hollywood gilt. Nach einer mordernen Tanzproduktion hätte ich ein halbes Jahr als misshandelter Ehemann durchgehen können, so blau leuchteten meine Gliedmaßen. Schlimm? Ne, effektvoll!
Außerdem heilen mit dem Applaus automatisch alle Wunden. Am Ende reißt man den Bart wieder von der gereizten Haut, wischt Kajal aus den Augen und stülpt die Perücke über den Lagerkopf, versorgt die Wunden, wäscht sich und kehrt in Alltagskleidung und leider ohne Hilfe zurück ins echte Leben.
Im besten Falle folgt dann jedoch der schönste Körperkontakt des Theaters: Ein Hand- oder Schulterschlag des Zuschauers oder der Zuschauerin als haptische und bis unter die Haut gefühlte Kontaktbelohnung für die Körperarbeit.

Interview mit Andreas M. Bräu

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Containerwalzer – Don Giovanni in der Staatsoper

[singlepic id=1587 w=240 h=320 float=left]Die neue Spielzeit beginnt für den Autor mit Mozart. Etwas skeptisch nach den berstend langweiligen, semikonzertanten Rose/Dorn-Inszenierungen (Figaro/Cosi) und ihrem szenischen und unterhaltlichen Minimalismus verantwortet den Don Giovanni Stephan Kimmig und liefert einen, nun ja, Kontrapunkt.

Mit dem ersten Ouvertürenschlag steht da der nackte, alte Statist zitternd mitten im Containerbahnhof und erregt Mitleid. Dahinter walzen die schwerfälligen Container (Spediteurin war Katja Haß) über die Drehbühne. Das Bild ist klar und holzhammerartig. Hier wird verladen, verräumt, verramscht. Eine gute Idee für einen Bühnenvorhang, als Inszenierungsidee zu wenig. Denn die Bühne ist Regie, viel mehr fiel Kimmig nicht ein. Die Container springen wie in einem Puppenhäuschen der Hässlichkeit auf und offenbaren verschiedene geschmacklose Interieurs oder komplett zufällige Requisitenfetzen. Ebenso wurde die Besetzung anscheinend mit wahllosen Resten des Kostümfundus (Garderoberin: Anja Rabes) angezogen. In, auf und zwischen den Containern wird dann viel und oft wenig inszeniert gesungen. Dazwischen immer wieder der nackige Opi beim Briefe-Lecken, Windradpusten oder als seltsame Aerobic-Kür. Willkürliche Videoanimationen von einem Stadionbildschirm ergänzen das wirre Regie-Nicht-Konzept ebenso wie Diktatorenstaffage und blinde Kirchenkritik ganz am Ende. Zudem gehört ab diesem Abend der Satz: „Hast du die Pinguine gesehen?“ zu den Topfünf der Fragen, die man in der Oper nie hören möchte.

Mehr ist nicht. Ein kleiner Skandal mit den Schweinehälften als Friedhofsersatz und etwas Blut bei dem doch eigentlich ganz fröhlichen Drama um den Sexualsoziopathen auf seinen dreisten Raubzügen.

[singlepic id=1586 w=240 h=320 float=right]An den Figuren wurde allerdings gearbeitet. Nach seinem grandiosen Wozzeck überzeugt Simon Keenlyside auch hier in einer vielschichtigen, psychologischen Darstellung der Titelrolle. Sein Bariton ist dabei weder Stroboskop- noch Flutlicht, dafür eine warme Tiffanylampe, die über dem tristen Containerhaufen angenehm brennt. Kongenial daneben der biestige, spielfreudige Leporello von Kyle Ketelsen. Die verträumte Travellerin Elvira setzt die Glanzlichter dank Dorothea Röschmann ebenso wie die seltsam kindfraulich inszenierte, jedoch bravurös gestemmte Anna von Elza van den Heever. Süßes Highlight die sattelfeste Laura Tatulescu als Zerlina, die bald zum Publikumsliebling Münchens avancieren wird. Erwähnenswert weiterhin die starken Sidekicks Ottavio (brillant Bernard Richter) und ein Komtur von Goran Juric, dass sogar Leopold sich vor diesem Vater noch gefürchtet haben dürfte.

Man wünscht sich nach diesem Giovanni zwar die Dornlangeweile nicht zurück, doch fragt sich, ob Mozart im 21. Jahrhundert tatsächlich so schwierig zu inszenieren ist. Anscheinend ermüden und scheitern nur die Münchner im Vergleich zu einem Claus Guth. Die Überdrehtheit und Redundanz von da Ponte und Wolferls Schnörkel fordern nämlich ein gescheites Gegenprogramm, das der Autor in München leider noch nicht finden konnte. Dafür Pinguine.

Besucht wurde die Vorstellung am 22.09.2013

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Fest.Spiel – Lorin Maazel und die Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen

[singlepic id=1584 w=240 h=320 float=left]Salzburg, Mekka, Moloch und Musikhochburg im Sommer. Der Autor durfte dieses Jahr das erste Mal den Zauber der Mozartstadt zur Festspielzeit erleben, die dann nach Schickeria, Schilcher und Show duftet. Nur hier wird man vom Kellner mit breitestem Austrodialekt sicherheitshalber amal auf Englisch zum Badezimmer gewiesen, denn das internationale {russische} Klientel hat die Salzachstadt längst übernommen. Auf der Toilette im Peterskeller erleichtert sich dann der Theopil persönlich, als Wolferlkopie im Reberkostüm und Perücke, der ein Amadeusgaladinnerkonzert geben muss. Vor dem Festspielhaus dann große Parade: Wenn der Jedermann mit seinen jüngsten Krampussen und Perchten vorbeidefiliert ist, promenieren dafür die älteren Damen des Mönchsbergjetsets mit viel Farbe und noch mehr Brilli auf und ab; am Moetstandl vorbei und ein Hoch der geldigen Höherkultur. Das muss man mögen, ist ausgesprochen interessant und gehört zu gescheiten Festspielen, wie der Edeluhrenhauptsponsor. Dafür ist aber in Österreich auch die Netrebko samt Buben – und keine 18-jährige Barbusige – das Seite-1-Mädchen der Kronenzeitung…

Aber zur Musik, die genügend Anlass zur Pilgerfahrt ins Salzkammergut gibt. Nach den Verdihighlights und den szenischen Kontroversen gingen diese Festspiele konzertant und grandios zu Ende. Der große Lorin Maazel gab mit den Wiener Philharmonikern Wagner. Das „Siegfried-Idyll“ vor der Pause und dann hochkarätig besetzt den ersten Akt „Walküre“. Festspieltauglicher, froher Wagner sozusagen mit wenig Überlänge.

Maazel brilliert mit dem Idyll, indem er auswendig, mit wenig Bewegung, ökonomisch und inspiriert den Klassiker vorstellt und aufführt. Mit gedehnten Tempi, Sinn für Zeit und einem Gefühl für den romantischsten aller Wagner vollführt er „eine Lehrstunde im Akkordaufbau“ (O-Ton Pause) und lässt Wagners kompositorische Genialität durchs transparente Dirigat aufscheinen. Die Evergreens erlauben den Vergleich und die Philharmoniker und Maazel erzeugen einen Siegfriedzauber, der einen Quantensprung im Vergleich zur berühmten Solti-Aufnahme aus dem Jahr ’81 bedeutet. Das liegt neben Maazels könnerischer Größe an dem ausgezeichnet ausgewogenen Klang dieses – wohl tatsächlich weltbesten – Orchesters, das ohne der Gefahr einer reinen Streicherorgie zu erliegen das Idyll als arkadische Landschaft interpretiert. Genauso wenig tunken sie den Pinsel zu satt und zu dick in die Klangfarbe, erlauben keinen Obers-Kitsch, keinen Zuckerguss zur Wagnertorte. Und das in Salzburg! Bravourös!

[singlepic id=1585 w=240 h=320 float=right]Dann die große Liebesgeschichte und die Vorgeschichte zum freien Helden Siegfried. Maazel wirft uns gekonnt und von den brillanten Philharmonikern makellos durchgeführt in den Wirbelsturm des Vorspiels ohne einen Patzer bis in Hundings düstere Hütte. Dort warten Giganten. Eva-Maria Westbroek präsentiert Bayreuth gestählt eine sensationelle Sieglinde mit der besten Diktion des Abends. Seit dem Vorspiel in lyrischer Meditation versunken, erwacht diese (leider konzertant beschnittene) Sieglinde eruptiv, um liebend und sinnend zu glänzen. Großes Gesangskino in perfekter Rahmung. Ihr Gatte Matti Salminen als Hunding, der seinen Part mit düsterem Bass und vollem Klang dämonisch kühl gibt. Den Siegmund singt Peter Seiffert versiert, dosiert und mit Effektkenntnis. Der jüngst zum Kammersänger geadelte Heldenveteran kennt die Rolle in- und auswendig und seine große Erfahrung spiegelt sich in den wunderschönen Winterstürmen routiniert wieder. Für die Wälserufe indes ist die Stimme mittlerweile zu weit von Wolfes Kinderreigen entfernt, diese wirken gesteuert pointiert und im Vokalischen besonders auf den Letzteffekt hin produziert. Eine mitunter notwendige Hascherei des späten Sängers? Während er sich im großen Liebesdialog hervorragend im Griff hat, fehlt neben den erwartbaren Glanzlichtern ein wenig der runde Kraftklang, den der Siegmund voraussetzt. Diesen Sound liefern die Philharmoniker dagegen hervorragend, im Liebes- und Nibelungenreigen entspinnt sich ein dröhnender Klang- und Passionssturm durch das Festpielhaus, dass Amadé ein paar Straßen weiter auf seinem Sockel noch bebt und sich der Gnade seiner frühen Geburt bewusst wird. Alles endet schlussendlich mit dem einzig legitim komponierten (Pardon Monsieur Ravel) Orgasmus der Musikgeschichte mit dem irren Aktschluss und dem Salzburger Nachspiel. Erwachsene, lange Ovationen vor Würstelstandl und Absacker. Bis zum nächsten Mal!

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Man sind die gut – Chicago am Broadway

Beinarbeit

Natürlich will da nicht umsonst jeder hin. Die Musicaljünger von überall, um die besten Shows der Welt zu sehen, die dann oft abgespeckt eine Welttournee mit schwächeren Zwillingen antreten. Mehr noch will jeder Tänzer, Sänger, Musicalist und Künstler einmal am Broadway eine Show geben. Die wenigsten schaffen es und die meisten Theater sind und bleiben in amerikanischer Hand. Der Autor durfte nun seine erste Show im alteingesessenen Ambassador Theatre sehen und war gespannt wie skeptisch. Zu oft leidet für ihn das Musicalgenre an Blutleere, Taktsucht und Überperfektion, die wohl oft genug auch von überspielten Tourneen herrührt, bei denen die meist läppischen Stories zum Geht-nicht-mehr aufgekocht und Abend für Abend neu heruntergespult werden. Hunderte von Repertoirevorstellungen abzuspielen ist schließlich kein Zuckerschlecken. Und selten liefert dieses Genre außer drei Ohrwürmern und ein wenig Bühnenbudenzauber das, was die Oper bietet: Emotion via Musik mit Qualität.

Eine der Topshows der wichtigsten Amüsiermeile der Welt ist im Augenblick „Chicago“ – eine Revue und weniger Musical mit mehr Vaudeville denn Handlung und altmodischer, verjazzter Musik sowie dem Primat der Choreographie. Nach der beachtlichen Hollywoodglitzertorte des jüngeren Kinos wieder im Spotlight gibt der Broadway diese Show erneut und mit altbekannter Besetzung.

Das Ergebnis? Eine Schulstunde an Professionalität, Perfektion, Herzblut und der einen großen US-Gabe: Entertainment. Keine Rolle unterbesetzt, kein Tänzer nicht im Takt und die Solos alle dermaßen grandios, dass Premierengefühl aufkommt bei der lässig coolen und dabei frischen Performance – zum xten Mal perfekt sozusagen. All that Jazz eben.

NY,NY,Broadway und Chicago

Die glatte und energische Amra-Faye Wright lebt wohl seit Jahren ihre Velma und liefert eine Tanzperformance voller unangestrengter Bravour, ohne eine Bewegung zu viel zu machen und routiniert das Publikum mit den gedehnten Beinen dirigierend. Gesanglich besser, tänzerisch etwas schwächer Amy Spanger als quirlige Roxie, die mit ihrer präsenten Energie durch die Decke geht. Diese beiden Ladies würdigen sich dabei auf der Bühne keines Blickes, harmonieren dafür in den Tanznummern auf die Sekunde. Hier sieht man einen Divenwettkampf, dessen Ausgang egal ist, solange sie dermaßen unterhalten.

Unprätentiöser doch geliebter Sidekick ist der Edna-Turnblad-erfahrene Wuchtling Paul C. Vogt, der bei „Mister Cellophane“ beweist, wie wenig auf der Bühne bei einer großen Begabung und gescheiter Regie für eine gute Nummer von Nöten ist. Alexander Gemignani gibt einen schleimig schiagelnden Billy und liefert mit der Marionettennummer die beste Stelle des Abends. Selbst die Minirollen wie die sensationelle Travestie von R. Lowe als kolotarierende YellowPressNymphe lassen die internationale Audience schreien und jubeln. Zu Recht und ansteckend. Alleiniger Aussetzer des Abends ist der Namedrop Wendy Williams, die als bekannte Radiomoderatorin ihre Vorschusslorbeeren verschießt und weder gesanglich noch spielerisch überzeugen kann. Aber auch so funktioniert der Broadway – she has the name!

Fazit?

Dieser Bombencast, eine sichtbare Bombenband, faktisch kein Bühnenbild, keine Handlung außer Jazz und Chicks und Crime und eine Bombencompany verzaubern zwei Stunden bis zum durchexerzierten Applaus das alte Artdeco-Theater und entführen mit ihrer Mitreißfähigkeit in eine ferne Welt nur bestehend aus Glamour, fliegenden Beinen, wackelnden Hüften und perfektem Entertainment voller Jazz – man sind die gut…

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