Kategorien

Lasst uns die Totenruhe stören! Lola Montez im Cuvilliés (erobert endlich München)

[singlepic id=1488 w=320 h=240 float=left]Muss der Krach sein? Und muss des im Cuvilliés sein?
Ja! So laut und so krachig und nur im Cuvilliés – sozusagen am Originaltatort der ersten femme fatales der Geschichte. Denn Lola ist Krach, ist laut und ist Punk – deswegen nur ein logischer Schritt sie auf diese grandiose Weise für die Bühne neu zu erzeugen, ihre Totenruhe zu stören und ihr ein funky Denkmal zu setzen, an das sich München erinnern wird, wenn es auch nicht grad Geschichtsstunde ist. Ein wenig wirkt der abend, als hätte Peter Fox Guido Knopp {Verzeihung} verräumt und die Redaktion der Märchenstunde geentert.
Natürlich hat diese Produktion Schwächen. Alles zerfasert, keine Stringenz, eine Kalauerparade, szenischer Minimalismus und ein sinnloser Zirkusdirektor, der lieber hinterm Regiepult bliebe. Doch Kühnel und Kuttner machen aus diesen Schwächen Stärken und liefern einen neuen, innovativen SprechSingspielAbend, der einfach rockt. Drama per musica nennt sich das heute und funktioniert.
Man nehme:
Eine leere Bühne, ein paar Scheinwerfer, achteinhalb Musiker, zwei grandiose Lolen, einen Operettenludwig, 14 Mann Laien-Opachor, eine Prise Brecht, drei Löffel DDR-Märchenklamauk, viel mehr Punk, etwas Nockerberg, viel Varieté, ein bisserl Musical, ein bisserl mehr Respektlosigkeit, warum ned a Stückerl Bollywwood, Schlager, Ballade, Volkslied, Ohrwurm viel Dezibel, jede Menge Spiellaune und nebenbei zwei mögliche Wiesnhits und schon erkennt man die bayrische Geschichte, die eigenen Sehgewohnheiten, das Resi und das Cuv nicht wieder und ist begeistert. Alles andere wäre dezent und wäre der Montez nicht angemessen, denn wir lernen an diesem Abend: Dezenz ist Schwäche.
Das Publikum? Zufrieden, amüsiert, oder verwirrt, kriegt aber was auf die Ohren. Der Applaus jedoch brachte wieder Ruhe zwischen Lola und Bayern, München und Punk, Resi und seinem Publikum.
Worum geht’s? Nebensache. Die Skandalaffäre und der Auslöser der bayrischen Revolution werden schnell abgehandelt. Hier interessiert nur eins:
Eine unangepasste, starke, erotisierende Feministin und ihr kühler Plan, den alternden bayrischen Monarchen wieder zu beleben und belieben, um selber Queen of Bavaria and Pop zu werden. Dafür wird das schizophrene Überweib gleich gedoppelt. Gescheiterweise. Hier stehen sich Frau und Klischee gegenüber.
Katrin Röver als Klischee darf nach all den Dienstmädchen und Dienerinnen endlich ihre Klasse und Stimme beweisen, macht verliebt, während die Rockröhre Genija Rykova uns nicht nur plärrend und lefzend die Frau Lola zeigt, sondern auch mit Monolog und Zwischenton überzeugt. A cappella, synchron, im frechklugen Openingschocker sprachgewandt und immer lasziv, spürbar präsent zeigen diese beiden Bühnendamen wie eine Lola das werden konnte, was sie war – eine Prima Donna und Skandalon zugleich. Zu Recht.
Köstlicher Viennasidekick bei diesen Lolas die Zenzi Katharina Pichler, pointensicher und stimmgewaltig und so wunderbar beim Kochen anzusehen.
Da haben es die Männer schwer, bis auf den köstlichen, wie immer wunderbaren So-Gar-Nicht-Ludwig-und-darum-Prächtig Oliver Nägele als Resi- und Monarchenveteran in der Potenzkrise mit Ukulele. Götz Arugs brüllt sich routiniert und wohl bewusst eindimensional durch den Comic-Polizisten in billiggrüner Uniform. Arthur Klemt gibt einen netten Stieler, Wolfram Rupperti liegt Lola als Leutnant zu Füßen und Lukas Turtur nervt vor allem durch fehlende Stimmgewalt als Bébé ohne verständliche Songs. Eine Ladies Night eben. Darum bitte, bitte lieber Coautor, Coregisseur und College Kuttner, tu deinem Werk den Gefallen und inszenier dich daraus hinaus. Weder Rhythmus, noch Tempo, Witz oder Sinn des miesen Direktors erschließt sich wie sie es beim Haspeln doch auch selber gemerkt haben. Entweder Schnellsprechunterricht über der Gasse bei Frau Paulmann nehmen, oder lassen. Dem grandiosen Abend tut‘s nur Gutes.
Den Federhandschuh soll Lola ganz allein werfen. Dieser Abend kann die Pausenhofgeneration mit Operette und Sprechtheater versöhnen. Nicht nur weil die hippen Yeah-Yeah-Yeah-Look-alikes Pollyester die Bube zum Dröhnen bringen. Hier sehen wir Unterhaltung und Show auf höchsten Niveau. Frech und neu und skandalös.
Kokett, cool und krass im Cuv? Grandios!

Katrin Röver Lola Montez, Genija Rykova Lola Montez, Oliver Nägele König Ludwig I., Katharina Pichler Emerenzia Klachlmoser, Götz Argus Polizeidirektor von Pechmann, Arthur Klemt Maler Stieler, Wolfram Rupperti Leutnant Nussbaumer / Minister, Lukas Turtur Bébé / Bischof, Jürgen Kuttner Direktor, Manu Dacoll Musiker (dr), Thomas Wühr Musiker (dr), Polina Lapkovskaja Musiker (keyb), Ulrich Wangenheim Musiker (cl, bcl, fl), Blerim Hoxa Musiker (vio), Eugen Bazijan Musiker (cello), Manfred Manhart Musiker (akk), Leo Gmelch Musiker (tuba, btb), Dieter Bayer Herrenchor

Besucht wurde die Vorstellung am 24.03.2013

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

You can use these HTML tags

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

  

  

  

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.