[singlepic id=1494 w=320 h=240 float=left]Man kann wütend und traurig aus dem Theater kommen. Im besten sowie im schlechtesten Falle. Die Wertheradaption am Volkstheater stellt idealtypisch Letzteres dar.
Nach Goethe wird dort dessen Durchbrecher, Everburner, Briefroman und Schulbuchklassiker eingestampft, durchgedreht, ausgetanzt und an seltenen Stellen wiedererkannt. Vom Werther verbleibt dann allein texttechnisch maximal ein trauriges, verstrichenes Fünftel.
Dabei beginnt es gar nicht mal so schlecht. Die allesamt jungen fünf Darsteller laufen sich warm im grellen Bühnenlicht vor kahler Wand; ja auch im Volkstheater zeigt man neuerdings und innovationsbedingt Unverputztes.
Leider bleibt es dabei. Das Laufen läuft ins Leere, die Regieidee ist damit bereits schon am Ende. Der Rest uninspiriertes Textverteilen und Missverstehen von Charakteren, Handlung und eben dem Werther. Der mittlerweile etablierte Regiegriff der Dopplung von Figuren – meisterhaft durch Kriegenburg beim Kammerspielprozess vorgeführt – wird dabei weder durchdrungen noch durchgehalten. Dazu das leidige Problem des Sprechniveaus und der Verständlichkeit des jungen Volksensembles im Haus. Man folgt den im Grunde ja leichten und sprecherfreundlichen Texten nicht, da sie nicht gebracht werden. Nach der Reihe scheitern die Schauspieler leider am leichtesten Goethe.
Ohnehin vertraut Regisseur Gehler dem Text unverständlicherweise nicht im Geringsten. Hilflos vertanzt und verfilmt er Pantomimenhandlung, um das Publikum scheinbar nicht zu überstrapazieren. Dafür langweilt er es mit überlang ausgewalzten Regieblitzchen die ausgekocht werden, bis das fade Partygehüpfe auch die letzte Bühnenemotion ertränkt. Die mit Morricone-Elektro-Georgel unterlegten Ensemblemomente bilden dabei noch die Höhepunkte dieses uninspirierten Abends, der es schafft die TV-Schmonzette Goethe! zum Thema Werther deutlich zu unterbieten.
Zu den Darstellern: Pascal Riedel gibt den Titelhelden anscheinend bewusst emotionslos inszeniert und auf exakt einem Sprechton/-tempo leiert er die an sich so emotionsgeladenen Bruchstücke der Vorlage herunter und verliebt sich in Publikumsextempores, die ihm mehr Erfolg bescheren, aber der Figur nicht zuträglich sind. Da kalauert er sich durch die Ränge und hüpft konzentrationsverlustig in seiner eigenen Welt durch den Applaus. Leider ließ er uns nicht an der Gefühlswelt Werthers teilhaben. Damit er nicht zu viel und zu lange sprechen muss, stellt man ihm zwei Stichwortgeber Männlein a und Weiblein b zur Seite. Das negiert die notwendige Vereinsamung der Figur leider vollkommen, ermöglicht aber noch mehr Hüpfen. Lenja Schultze spricht dabei ebenso fad, wie ihre inhalts- und charakterleere Figur angelehnt ist und schafft es leider mit dem Rest des Ensembles nicht, den Pferdetakt zu halten. Justin Mühlenhardt – einige lichte Momente – gibt einen Wilhelm/Bauernburschen mit famoser Überschätzung der Spiegelfigur nach Goethe. Noch weniger wird Albert verstanden, sondern gleich komplett verraten. DJ Albert holpert Knarre ziehend im Sido-Look und doch moralisierend, dabei den Werther teils doppelnd, ebenfalls vom Text überfordert und verzweifelt ob des Wohin-mit-den Händen um seine Turntable (Sohel Altan G.). Zuletzt Mara Widmann als Lotte. Eine Ikea-Paradiesstiege führt vom Schnürboden herab (Bühne: Sabrina Fox). Herunter tritt aber dann doch die sehr irdene Widmann. Ihre Lotte ist eine doofe, langweilige, nichtinteressierte und – ist der Schmeichler weg – zickige Göre im hässlichsten Kostüm aller Zeiten. Sie macht es an diesem Abend niemanden leicht sie zu mögen, geschweige denn sich zu verlieben.
Diese schrillen 5 müssen dann 80 Minuten lang die unwichtigsten Werthermomente überreizen, ohrfeigen und erneut viel tanzen. Wie Jugendkultur halt so funktioniert. Drum auch das DJ-Pult, die Batterie Dosenbier und die Null-Bock-Attitüde. Gedrängt wird woanders, stürmen tut‘s nur beim Bierschaum. Aus der Gesandtenszene weiß Gehler freilich nichts anzufangen, ebenso wie mit den starken Natur- und Kunstausbrüchen. Sie fehlen komplett ebenso wie die notwendigen Passagen, die eine Entwicklung der Liebe, der Grausamkeit, der Eifersucht und schließlich der Krankheit zum Tode erschlossen hätten. Dieser Werther stirbt, weil es halt so bei Goethe steht. Und um den missglückten Abend zu beenden.
Unverzeihlich ist das dem jungen Publikum gegenüber, dem ein falscher, fader und blöder Werther geboten hat. Dabei goutiert das gütige Volkstheaterpublikum ja sogar jeden Zuspätkommer, Handyklingler und deren stümperhafte Vereinnahmung der Impro-Dilettanten an der Rampe. Szenenapplaus statt Massenflucht zurück zum Reclam-Bändchen. Dabei sollten Schüler wie Erwachsene jedoch bleiben, um dieser unverzeihlichen Verwurstung fernzubleiben. Unverzeihlich ist dies deswegen, da der Text ja allein reichen würde.
Nimm einen guten Sprecher/Leser, setz ihn an einen Tisch und der Werther erzeugt und bringt mehr als durch diese Ver-Soap-ierung eines zeitlosen Stoffs. Dann verlässt das Publikum auch aus gutem Grunde erschüttert, ja traurig ob der Tragik der jungen Liebe und wütend ob des verschwendeten Genius das Theater. Bis auf ein paar billige Lacher und dem gefühlten Grauen vor schlechtem Adaptierungstheater erzeugt Gehler leider kein Gefühl und hat bei dieser verkorksten Inszenierung wohl auch keines empfunden.
[singlepic id=1488 w=320 h=240 float=left]Muss der Krach sein? Und muss des im Cuvilliés sein?
Ja! So laut und so krachig und nur im Cuvilliés – sozusagen am Originaltatort der ersten femme fatales der Geschichte. Denn Lola ist Krach, ist laut und ist Punk – deswegen nur ein logischer Schritt sie auf diese grandiose Weise für die Bühne neu zu erzeugen, ihre Totenruhe zu stören und ihr ein funky Denkmal zu setzen, an das sich München erinnern wird, wenn es auch nicht grad Geschichtsstunde ist. Ein wenig wirkt der abend, als hätte Peter Fox Guido Knopp {Verzeihung} verräumt und die Redaktion der Märchenstunde geentert.
Natürlich hat diese Produktion Schwächen. Alles zerfasert, keine Stringenz, eine Kalauerparade, szenischer Minimalismus und ein sinnloser Zirkusdirektor, der lieber hinterm Regiepult bliebe. Doch Kühnel und Kuttner machen aus diesen Schwächen Stärken und liefern einen neuen, innovativen SprechSingspielAbend, der einfach rockt. Drama per musica nennt sich das heute und funktioniert.
Man nehme:
Eine leere Bühne, ein paar Scheinwerfer, achteinhalb Musiker, zwei grandiose Lolen, einen Operettenludwig, 14 Mann Laien-Opachor, eine Prise Brecht, drei Löffel DDR-Märchenklamauk, viel mehr Punk, etwas Nockerberg, viel Varieté, ein bisserl Musical, ein bisserl mehr Respektlosigkeit, warum ned a Stückerl Bollywwood, Schlager, Ballade, Volkslied, Ohrwurm viel Dezibel, jede Menge Spiellaune und nebenbei zwei mögliche Wiesnhits und schon erkennt man die bayrische Geschichte, die eigenen Sehgewohnheiten, das Resi und das Cuv nicht wieder und ist begeistert. Alles andere wäre dezent und wäre der Montez nicht angemessen, denn wir lernen an diesem Abend: Dezenz ist Schwäche.
Das Publikum? Zufrieden, amüsiert, oder verwirrt, kriegt aber was auf die Ohren. Der Applaus jedoch brachte wieder Ruhe zwischen Lola und Bayern, München und Punk, Resi und seinem Publikum.
Worum geht’s? Nebensache. Die Skandalaffäre und der Auslöser der bayrischen Revolution werden schnell abgehandelt. Hier interessiert nur eins:
Eine unangepasste, starke, erotisierende Feministin und ihr kühler Plan, den alternden bayrischen Monarchen wieder zu beleben und belieben, um selber Queen of Bavaria and Pop zu werden. Dafür wird das schizophrene Überweib gleich gedoppelt. Gescheiterweise. Hier stehen sich Frau und Klischee gegenüber.
Katrin Röver als Klischee darf nach all den Dienstmädchen und Dienerinnen endlich ihre Klasse und Stimme beweisen, macht verliebt, während die Rockröhre Genija Rykova uns nicht nur plärrend und lefzend die Frau Lola zeigt, sondern auch mit Monolog und Zwischenton überzeugt. A cappella, synchron, im frechklugen Openingschocker sprachgewandt und immer lasziv, spürbar präsent zeigen diese beiden Bühnendamen wie eine Lola das werden konnte, was sie war – eine Prima Donna und Skandalon zugleich. Zu Recht.
Köstlicher Viennasidekick bei diesen Lolas die Zenzi Katharina Pichler, pointensicher und stimmgewaltig und so wunderbar beim Kochen anzusehen.
Da haben es die Männer schwer, bis auf den köstlichen, wie immer wunderbaren So-Gar-Nicht-Ludwig-und-darum-Prächtig Oliver Nägele als Resi- und Monarchenveteran in der Potenzkrise mit Ukulele. Götz Arugs brüllt sich routiniert und wohl bewusst eindimensional durch den Comic-Polizisten in billiggrüner Uniform. Arthur Klemt gibt einen netten Stieler, Wolfram Rupperti liegt Lola als Leutnant zu Füßen und Lukas Turtur nervt vor allem durch fehlende Stimmgewalt als Bébé ohne verständliche Songs. Eine Ladies Night eben. Darum bitte, bitte lieber Coautor, Coregisseur und College Kuttner, tu deinem Werk den Gefallen und inszenier dich daraus hinaus. Weder Rhythmus, noch Tempo, Witz oder Sinn des miesen Direktors erschließt sich wie sie es beim Haspeln doch auch selber gemerkt haben. Entweder Schnellsprechunterricht über der Gasse bei Frau Paulmann nehmen, oder lassen. Dem grandiosen Abend tut‘s nur Gutes.
Den Federhandschuh soll Lola ganz allein werfen. Dieser Abend kann die Pausenhofgeneration mit Operette und Sprechtheater versöhnen. Nicht nur weil die hippen Yeah-Yeah-Yeah-Look-alikes Pollyester die Bube zum Dröhnen bringen. Hier sehen wir Unterhaltung und Show auf höchsten Niveau. Frech und neu und skandalös.
Kokett, cool und krass im Cuv? Grandios!
Katrin Röver Lola Montez, Genija Rykova Lola Montez, Oliver Nägele König Ludwig I., Katharina Pichler Emerenzia Klachlmoser, Götz Argus Polizeidirektor von Pechmann, Arthur Klemt Maler Stieler, Wolfram Rupperti Leutnant Nussbaumer / Minister, Lukas Turtur Bébé / Bischof, Jürgen Kuttner Direktor, Manu Dacoll Musiker (dr), Thomas Wühr Musiker (dr), Polina Lapkovskaja Musiker (keyb), Ulrich Wangenheim Musiker (cl, bcl, fl), Blerim Hoxa Musiker (vio), Eugen Bazijan Musiker (cello), Manfred Manhart Musiker (akk), Leo Gmelch Musiker (tuba, btb), Dieter Bayer Herrenchor
[singlepic id=1474 w=320 h=240 float=left]Ist Dorn zurückgekehrt? Die schwarzlackierte Betonwand – kein Bühnenbild außer einer erhöhten Rutschfläche – historisierende Kostüme. Wurden hier Altbestände vom Fiesco und der Rose Bernd recycled? Nein, das nicht, doch anscheinend vollführt das Residenztheater ein kleines Rollback in die Vergangenheit mit leichterer Kost und zufriedenerem Abonnementpublikum. Dessen Liebling und einige andere geben darum nun den Shakespeareklassiker der leichten Art, die Widerspenstige. Inszeniert hat dies die Wiederholungstäterin Tina Lanik, die auf eine zehnjährige Vergangenheit am Haus und eine Verbundenheit zu Dorn zurückblickt. Alles alt im Neuen.
Es beginnt mit Bühnenregen und Jagd. Aber was für ein Regen! Prasselnd und nieselnd zugleich schwallt er aus dem Schnürbodenhimmel und nebelt die dunkle Bühne mystisch ein. Sogar seine Kühle spürt man bis tief ins Parkett. Das schönste Theaterwetter seit dem Schnee in der Mutter Courage im gleichen Haus lässt das fade Rinnsal im Volkstheater vergessen und macht ab Beginn Stimmung. Ein toter, erlegter Hirsch, gedoubelt von Blondine fungiert als Leitbild mit dem feuchten Innenraum. Hier wird gesucht, erlegt, gejagt, gebeutet, dann gesuhlt und gedreckt.
Der Rest ist Boulevard. Stimmig und klassisch und hervorragend gesprochen werden die Kalauer überzeichnet und die Pointen gesetzt. Ein erleichtertes Publikum lehnt sich zurück und genießt, der Bühnendreck schwappt nämlich diesmal anscheinend nicht aufs Zuschauergemüt über. Dem wird dafür gutes Handwerk gezeigt – und nicht mehr. Aside und an der Rampe feuern die Mimen ihre Verslein aus der Hüfte, als hätten sie alle Shakespeare noch gekannt. Natürlich agieren sie in der nicht vorhandenen Szenerie und nehmen die leichte Muse sehr ernst. Mit Spannung, Geschick und Körpereinsatz. Einziger Aufreger, der damit verbunden ist, ist der Dreck auf der Bühne. Loriot’scher Ausrutschhelfer, Schwesterquäler, Plastelinersatz für die latente Requisitenlast und Maskenhelfer. Hier macht man sich und andere ordentlich schmutzig, um nach dem Rangeln vom Regen wieder reingewaschen zu werden. Ungesund ist der Heilerdentorf übrigens auch nicht. Lediglich ein Ärgernis für die Kostümerie, die nach dem Exzess wieder reinemachen muss.
Mittelpunkt des Abends ist natürlich die Miniminichmayer Andrea Wenzl mit einer physisch spürbaren, nicht überdrehten und fühlbaren Verkörperung der Widerspenstigen, die am Anspruch dieser Rampensaurolle ebensowenig scheitert wie an der Gefahr, zu überziehen. So spielt man Shakespeare im 21. Jahrhundert. Ebenso wie ihr kongenialer Partner Lacher, der immergleiche, doch damit befriedigende Publikumsliebling seit geraumer Zeit. Johannes Zirner und Tom Radsch geben die präzisen Sidekicks; auf den Punkt und selten überzogen. Frank Pätzold präsentiert sich eine Spur besser als im Kirschgarten, dafür beachtlich Robert Niemann als knabenhafter Diener mit schöner Pointe. Arnulf Schumacher gibt einen köstlichen Lustgreis, wenngleich die Textsicherheit bei ihm am ehesten schwindet, was die schnelle und gewiefte Inszenierung nicht immer verzeiht. Auch nicht dank dem wunderbaren Nikotinbauch mit Hornbrille von Miguel Abrantes Ostrowski, dem heimlichen Star als Tranio. Farbloser dagegen Rupperti als Vater mit seiner ebensolchen, braven Tochter Marie Seiser (Bianca). Undankbar allein die Cameos als „Sly“ von Katharina Pichler, die sich nicht erschließen und als unnötiger Regieetablierer mehr nerven als nützen.
Alles in allem was wir wollen, wie es das gesittete Publikum will und wo es das will: Im ehrwürdigen Dorn-entempel Residenz mit einem gezähmten Ensemble wird ein glatter Shakespeare hingestellt, der durch Frau Wenzls wunderbare Widerspenstigkeit lebendig bleibt.
Regie Tina Lanik, Musik Rainer Jörissen, Licht Gerrit Jurda, Dramaturgie Sebastian Huber
Wolfram Rupperti Baptista, reicher Edelmann aus Padua, Paul Wolff-Plottegg Vicentio, ein alter Edelmann aus Pisa / Magister, spielt Vicentio, Franz Pätzold Lucentio, Vicentios Sohn, Shenja Lacher Petruchio, Edelmann aus Verona, Arnulf Schumacher Gremio, Freier Biancas, Tom Radisch Hortensio, Freier Biancas, Miguel Abrantes Ostrowski Tranio, Lucentios Diener, Robert Niemann Biondello, Lucentios Diener, Johannes Zirner Grumio, Petruchios Diener, Andrea Wenzl Katharina, Marie Seiser Bianca, Katharina Pichler Sly
Wie schön die leichte Muse sein kann. Kann! Denn Screwball ist beileibe nicht einfach auf die Bühne zu bringen. Es erfordert einen pointenreichen, gewitzten Text, präzise Darsteller, die mit den Kollegen wie dem Publikum die Bälle austauschen und einen Rahmen, der klassischerweise Boulevard zulässt.
Traditionell ist dieser Ort im Bayerischen Hof zu finden. Die Komödie schmückt sich mit größeren und kleineren Fernsehnamen, die gerade so viel Zeit haben, en-suite einen Monat oder länger auf der Musenbühne auszuharren. Im Augenblick sind diese Anja Kruse und Christian Wolff, der glücklicherweise und zufällig auch gleich mit seinem Sohnemann auf der Bühne stehen darf. Der Exförster gibt den arrivierten Landlord und sein Sprößling den jungen Amiliebhaber. Dazwischen die Gentrylady Kruse, die offensichtlich auf ihre Lockenperücke lieber verzichtet hat und dafür deutlich als Frau Kruse in Erscheinung tritt; vor allem beim Applaus.
Das ebenso arrivierte Publikum war höflich, aber nicht übermäßig begeistert. Das erlaubt das mit Duell, Nerz und allerlei Schnaps garnierte Liebesboulevardhäppchen von Hugh und Margret Williams (deutlich und üblich in diesem Genre in die Jahre gekommen) auch nicht.
Die Story um die eheliche Treue und die typisch britische Reaktion auf den unumgänglichen Seitensprung ist wie das Antlitz der Figuren geglättet und erzeugt mehr Schmunzeln als Lachen. Die “Brüller” produzieren – wie oft im Boulevard – die Nebendarsteller mit dem routinierten, trockenen Rolf Kuhisek als Butler Sellers mit Launen und Pointen und der aufgedrehten und sicher sitzenden Olivia Silhavy als peinliche Freundin. Staffage stiehlt Schlösschen die Schau.
Die Ständeklausel erlaubt den TV-Gesichtern dagegen den Konflikt, den am sympathischsten Wolff sen. präsentiert, als in sich ruhender, triebfreier und gesitteter Victor. Kruse überzeugt nicht als Hillary und macht die Begeisterung von Wolff jun. weder spürbar noch nachvollziehbar. Zu kühl, lustlos und sie selbst folgt man dieser Frau nicht in ihrem lockeren Problembezirk zwischen Ehemann und Liebhaber. Letzteren gibt der junge Wolff (optisch und sprachlich ganz der Papa) als netten Ölmillionär von nebenan und nicht aus dem texanischen Jetset.
Gesprochen wird sauber und präzise. Das Leben fehlt jedoch oft nach der x-ten Vorstellung, was die große Herausforderung des en-suite-Betriebes ist und hier nur von Wolff sen. und Kuhisek dank ihrer ohnehin ruhenden Rollen erfüllt wird. Man vermisst trotzdem eine spritzige Paarung auf dieser Bühne mit Rampengesichern wie Jochen Busse, Walter Sittler und Aglaia Szyszkowitz oder dem tollen Michael Hinz. Es sind eben nicht Grant und Kerr sondern Rombach und die schöne Wilhelmine.
Manchmal ist zwar das Gras grüner, doch die Muse nicht leicht genug.
[singlepic id=1462 w=320 h=240 float=left]In einem Interview mit dem Merkur ließ Stückl durchblicken, dass er rein zufällig bei einem Berliner Bücherflohmarkt auf das Leseheft mit Hochhuths beginnendem Dokumentardrama gestoßen sei. Er kannte es nicht, es hätte ihn interessiert, dann hat er‘s inszeniert. Nun läuft es seit geraumer Zeit an seinem Volkstheater.
Ein wichtiges Stück aus den Sechzigern, dass die Untätigkeit oder das schwierige Verhältnis der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus aufarbeitet, sich akteweise in den Akten vergräbt, deklamiert und dialogisiert, um dem Kern der Auseinandersetzung von Regime und Religion näher zu kommen. So wichtig das Thema, so leicht daran zu scheitern. Das ist nun Stückl mit seiner Fünffachgeschichtsstunde passiert, bei dem selbst der geneigte Volkstheaterfan oder Historiker den Pausengong sehnsüchtig erwartet.
Stückl bettet aus überdeutlich pädagogischen Gründen die Handlung in einen Rahmendialog zwischen zwei Studenten in einer weder besonders realistischen noch artifiziellen Bibliothek ein (Bühne/Kostüm: Stefan Hageneier). Auch das Studentenleben folgt eher Stückls Logik als realistischen Unibedingungen (und das im Dokutheater). Fesche, intellektuelle Posterboyjünglinge, die wahlweise der Neonredaktion oder der katholischen Universität entsprungen scheinen, schöngeistern und diskutieren sich die Seele aus dem Leib, bevor sie verspätet und mit etwas Bühnenzauber in die NS-Handlung springen.
Das Problem ist dabei die dauernde pädagogische, moralische Keule auf beiden Zeitebenen. Der wichtige Grundkonflikt wird dermaßen gedehnt, zerkaut, aufgedröselt, dass die Dramatik schwindet, die Emotionen verschwinden. Das darf im Dokutheater passieren, soll im politischen Theater so funktionieren. Doch dann muss es besser gespielt sein. Das junge Volkstheaterensemble ist mit dem textlastigen Vielsprechen überfordert. Schwer zu verstehen, ohne genügend Töne und als Akteure blaß stemmen sie Hochhuths hohen Sprachanspruch nicht. Es sei niemand beim Namen genannt. Doch der Wechsel von übergroßen Gesten, nerviger Sprachmelodie und Scherenschnitten von Charakteren lässt den Besucher sehr kalt. Das ist bei der essentiellen Thematik nicht zu entschuldigen und auch durch faden Bühnensprinklerregen nicht zu erzeugen.
Was aber tun? Die Finger davon lassen? Es den Profis überlassen? Nicht von ungefähr wird Hochhuth selten gespielt, Kipphardt praktisch nicht mehr. Wie geht man mit dem Stoff um, ohne sein Publikum zu verlieren? Rettung naht aus der Maximilianstraße!
Die Kammerspiele nämlich führen es vor! Mit Elfriede Jelineks Rechnitz (Der Würgeengel) überfällt den Zuschauer die Drastik, die Härte und das Grauen der NS-Vergangenheit mit verwandten Methoden (Aktenstudie, Tätersprache, hist. Handlung). Doch die böse Stimme aus Österreich verwandelt die kalte Akte in heiße Anklage, macht aus Horror Kunst, ohne an Substanz zu verlieren. Der ebenso textlastige Botenbericht wird dann von grandiosen Sprechern (allen voran die große Hildegard Schmahl) direkt dem Publikum entgegengeschleudert, erzeugt Abscheu, Verwirrung, Berührung. Auf diese Weise lernen wir und werden angesprochen. Erleiden sozusagen stellvertretend das Schicksal der jüdischen Zwangsarbeiter. Am Volkstheater wird vom Leid nur stellvertretend und geschwätzig erzählt.
Die sicher zahlreichen Schulklassen, die den Stellvertreter am Volkstheater sehen werden, lernen dadurch durchaus etwas aus der Geschichte, doch nichts vom Theater und seiner Wirkung.
[singlepic id=1460 w=320 h=240 float=left]„Aufhören! Bitte aufhören! Lesen sie doch mal den Horvath!“ Dies war nur eine Reaktion des zumeist empörten Publikums, das dann auch zuhauf den Saal des Resi vorzeitig verließ.
Nein, man brauchte den Horvath nicht gelesen zu haben, um Castorfs Version in München zu sehen. Es war sogar besser, weder Horvath, noch Theater im klassischen Sinne zu erwarten, oder gar ein stringentes Volksgemälde zur Wiesnzeit. Denn es wäre nicht Kusej und schon gar nicht Castorf, würde nicht, wie in allen seiner jüngeren Arbeiten ein Text- oder episches Stück durch die Mangel gedreht und daraus ein hochgradig selbstreferenzielles, postdramatisches Kabarettstück destilliert. So auch beim Kasimir, seiner ersten Münchner Inszenierung nach 20 Jahren und vor seinem erwarteten bis befürchteten Ring kommenden Sommer in Bayreuth.
Dazu kommt der bewusst provozierte, gewollte, sinnentleerte und ironischerweise trotzdem funktionierende Skandal. Kasimir uriniert aufs Kreuz und lässt sich danach kreuzigen. Franz (massiv gesteigert seit der Ära Dorn: Shenja Lacher) steigt, nachdem ihm bereits live und ohne Tricks ausführlich der Hintern versohlt wurde, in Kunstkot gebadet aus dem zentralen Ausstattungselement (Bühne: Hartmut Mayer) Klosett und rezitiert den Zauberlehrling. Karoline entmannt die weibliche Mitspielerin via Gummischwanz und wirft ihn dem echten Pony zum Fraß vor. Dazu noch eine Prise Lokalhumor über die Bayern und der immer wieder gerne genommene Rundumschlag auf die Brechterben samt unlauterer Liedverwendung aus der Dreigroschenoper. Dazu noch ein surrealer Offenbachcover von zwei Laien-(?)-animierdamen in breitem Thai-Bayrisch. Berstende Theaterglaskrüge, Körperflüssigkeiten, Nacktheit, Dreck.
Alles das wird bewusst als Skandalzitat der großen Regietheaterzeit verwendet und funktioniert als reiner Selbstzweck – noch kommentiert von Kasimir, der in einer der vielen Sollimprostellen das traurige Ende des Theaters verkündet. Doch das Publikum spielt ehrlich entrüstet mit. Da wird gebuht, gegangen, kopfgeschüttelt, von den Verbliebenen jedoch lautstark gelacht, wenn unter der Internationale das Bühnenwirrwarr zum irren, intertextuellen Schauspielvirtuosenwahnsinn ausartet und sich niemand mehr ernst nimmt. Weder im Parkett noch auf der vollgesauten Szene. Horvath läuft dabei im Hintergrund. Davor stehen große Mimen und lassen die Sau raus.
Überhaupt die grandiosen Darsteller. Birgit Minichmayr rotzt in beeindruckendem Tempo die innere Leere der leichten Göre Karoline mit nervigen Obertönen, tiefem Stöhnen und einer offenen Naivität hin, dass allein sie den Besuch lohnt. Der leider in dieser Spielzeit nicht mehr vertretene Nicholas Ofczarek spielt mehr mit dem Publikum als mit den Kollegen, was auch ihm mit Schmäh und dem Charme eines Budenlungerers gelingt. Er moderiert die Zwischenrufe, prophezeit die baldige Erlösung des leidgeprüften Publikums und hält allein mit seiner physischen Präsenz die losen Fetzenszenen, Sketche und Extempores zusammen. Wie Marc Hose-mann die – der Kalauer sei wie in den 4 Stunden Castorf erlaubt – großen Selbigen seines Vorgängers füllt, sei noch zu prüfen. Jürgen Stössinger rührt und reizt die Lachmuskeln als linke Travestiemutti mit roter Flagge. Bibiana Beglau präsentiert eine vielseitige Einsicht in diverse, verschiedenste Charaktere. Immer wunderbar überdreht und spürbar nah am Publikum, wie an den Rollen. Allein Götz Argus geht in diesem Zurschaustellen und weniger Schauspiel etwas unter.
Was aber will uns Castorf damit sagen? Will er die letzten, lange gebrochenen Tabus der modernen Bühne erneuern? Will er sich selbst einen Abgesang des Regietheaters dahinszenieren? Will er ganz ordinär unterhalten? Vielleicht alles oder doch nur etwas Gonzotheater vom Feinsten. Vielleicht will er nur die betroffenen, empörten Abonnenten zufriedenstellen mit ihrer Ablehnung seines Schaffens. Hat das empörte, fliehende Publikum damit zwischenrufend Recht? Wer Horvath will, vielleicht. Wer Castorf will, wird dagegen voll auf seine Kosten kommen, und kann noch darüber nachdenken, ob nicht der provozierte der artifiziellste Skandal ist. Gerade auf der Bühne. Also bitte nicht aufhören.
[singlepic id=1459 w=320 h=240 float=left]Am Ende bleibt der Spucker. Mit diesem beginnt auch Tschechows Adelsabgesang, der sehr jetztzeitig im Resi stattfindet. Guntam Brattia als neureicher Kaufmann schmatzt inmitten des Parketts an einem Butterbrot und verteilt Brösel ausladend und sprühend spritzig über die umsitzenden Zuschauer. Er ist ein Emporkömmling, ein Rohling ohne Manieren und das wird scherenschnittig bereits im Prolog klar. Dass man den brösligen Überfall verzeiht, liegt an Brattias nichtsdestotrotz sympathischer Ausstrahlung hinter dem Derben, Dummen, Kahlen und Kalten des Neureichen, der den Kirschgarten und das Erbe der verarmten Bourgeosie übernehmen wird. Ganz im Gegenteil zu seinem kühlen Killermanager aus Die Götter weinen gibt er hier haptisch fühlbar und mit einer verstörenden Nähe den pragmatischen Verschlinger, den Modernisten und Verweser. Das Spucken entschädigt er am Ende mit Gratisbrut für die Abrissparty.
Überhaupt wird mit dem Betonhammer zerstört bei Bieito. Der kahle, auf Sand gebaute Rohbau (Bühne: Rebecca Ringst) bricht sukzessive und lautstark in sich zusammen, wie die Figuren. Diese degenerieren bereits in ihrer Einführung zu Pappkameraden und Funktionsmöbeln von Bieitos Leichenschau. Allein Sophie von Kessel als Andrejewna darf Zwischentöne produzieren, wenn sie von Tabletten vernebelt langsam ihr Schicksal dämmern sieht. Auch sie ist physisch fassbar, zerbrechlich, authentisch und traurig.
Daneben Varietéfiguren angeführt von dem sinnentleert, doch komisch locker aus der Hüfte spielenden Manfred Zapatka, ähnlich wie sein Firmenkönig in Die Götter weinen. Keiner hört ihm zu und er verkennt die Lage, doch ist sichtbar damit zufrieden. Alle verkennen sie die Notlage des Guts oder wollen sie schlichtweg nicht wahrhaben. Auch Bieito nimmt seine Charaktere nicht zu ernst. Was bei Tschechow noch ein Diener ist, wird bei ihm mit der Rolle Jascha zum notgeilen Hipster (etwas viel: Franz Pätzold). Sprichwörtlich zum Möbel deklamiert und deklassiert er als guten Einfall den alten, störrenden Firs – Jürgen Stössinger bietet eine gelungene Neuauflage seiner Kasimir und Karoline-Travestie. Auch Friederike Ott gibt eine überdeutliche Warja – irgendwann in verhärmter Krankenschwesterntracht. Diese wiederum wird vom Belorusspüppchen Marie Seiser (ätherisch spröde) gespiegelt (Kostüme: Ingo Krügler).
Ab der Hälfte spielen die Figuren dann Historientheater und kleiden sich in historischen Kostümen zur Live-Untermalung der Bühnenmusiker. Nötig wäre das nicht, denn den Text tastet Bieito nicht an, bleibt ganz nah an Tschechows lakonischer Komik zwischen Verzweiflung und geliebten Weltschmerz unter dem dicken Boden eines vollen Wodkaglases. Nur die Figuren entfremdet er zu Betonklötzen, die er zermalmt. Eine vielschichtige tragikomische Figur, wie sie Tschechow eigentlich immer anlegt, bleibt nicht. Dafür Baulärm, Dosenbier, Geschrei und kaputte Menschen.
Vielleicht spuckt Bieito selbst etwas lakonisch dem alten Russen hinterher und gönnt ihm keinen ruhigen Abgesang auf einen Kirschgarten, sondern reibt uns die Brösel des einfallenden Altbaus direkt und mit Gewalt sprichwörtlich unter die Nase.
Tschechow erlaubt das mit Abstrichen. Die Frage bleibt, ob dies sein Godunow am Nachbarhaus auch kann.
Regie Calixto Bieito; Bühne Rebecca Ringst;Licht Tobias Löffler; Kostüme Ingo Krügler; Dramaturgie Andreas Karlaganis; Sophie von Kessel Ljubow Andrejewna Ranjewskaja, Gutsbesitzerin; Marie Seiser Anja, ihre Tochter; Friederike Ott Warja, ihre Adoptivtochter; Manfred Zapatka Leonid Andrejewitsch Gajew, ihr Bruder; Guntram Brattia Jermolaj Alexejewitsch Lopachin, Kaufmann; Lukas Turtur Pjotr Sergejewitsch Trofimow, Student; Gerhard Peilstein Boris Borissowitsch Simeonow-Pischtschik, Gutsbesitzer; Ulrike Willenbacher Charlotta Iwanowna, Gouvernante; Thomas Gräßle Semjon Pantelejewitsch Jepichodow, Kontorist; Katrin Röver Dunjascha, Dienstmädchen; Jürgen Stössinger Firs, Diener; Franz Pätzold Jascha, ein junger Diener
Der Richter und sein Henker oder Die Physiker sind den meisten Deutschen aus dem Schulunterricht vertraut, aber die musikalische Komödie Frank V., Untertitel Oper einer Privatbank (Musik von Paul Burkhard) dürfte den wenigsten bekannt sein.
Das ist auch kein Wunder, stand das Stück doch zum Beispiel in München erst einmal auf dem Spielplan und das ist über fünfzig Jahre her. Die Familie Frank leitet schon in fünfter Generation eine kleine Schweizer Privatbank. Und weil man ja gerne im Wohlstand leben möchte, muss man Verbrechen begehen. Man wäre ja sooooo gerne gut, aber leider, leider macht man Kohle nur mit Verbrechen. Da muss dann schon mal der ein oder andere Kunde oder Bankangestellte dran glauben, denn schließlich habe man noch nie Geld ausgezahlt, wie die Bankiersgattin glaubhaft versicherte. Da gibt es schon mal eine extra Angestellte, Frieda Fürst, nur dafür, Herren wieder um das Geld zu erleichtern, das sie zuvor abgehoben haben. Ihre eigenen Kinder wachsen jedoch behütet auf und sollen es einmal besser haben. Sie sollen gut sein können, und deshalb muss die Privatbank liquidiert werden. Doch die Kinder haben es längst ihren Eltern nach getan und sind bestens geschult in Prostitution und Erpressung. Sie verhindern die Liquidation und übernehmen die Bank. Selbst vor der Ermordung der eigenen Eltern schrecken sie nicht zurück. So kann es in kapitalistischen Zeiten keine Menschlichkeit geben.
Die Bühne von Manuela Clarin ist wirklich hinreißend. Ganz in schwarz-weiß gehalten, wirkt das Bankgebäude wie mit Kreide gezeichnet. Auch verschiedene Requisiten wie Gläser, Tassen und Flaschen sind gezeichnet und wirklich ganz entzückend. Vorhänge, die den Blick auf eine Gemäldegalerie und später den Tresor dahinter freigeben, lassen eine schnelle Verwandlung der Bühne zu. Die Darsteller sind, abgesehen von den Kindern – hier wächst bereits sichtbar eine neue Generation heran – , ganz in schwarz mit einer Leuchtfarbe gekleidet. Je größer die Krawatte und die Uhr, desto höher steht derjenige in der Hierarchie der Bank. Die Regie von Ingmar Thilo ist sehr geradlinig und direkt, lässt aber ein bisschen Zug vermissen. Auch die Anschlüsse könnten ein bisschen flüssiger sein, aber vielleicht war das auch der Premierennervosität geschuldet und spielt sich im Laufe der nachfolgenden Vorstellungen ein. So dehnt sich der Abend auf knapp drei Stunden. Es ist dabei aber nie langweilig und es kann auch viel gelacht werden. So gibt es zum Beispiel eine Szene, in der jeder davon singt, was er schon alles für die Bank getan hat – und was die persönlichen Folgen für denjenigen sind. Das ist wirklich witzig gemacht.
Die schauspielerischen Leistungen waren durch die Bank sehr gut. Einige hatten mehrere Rollen zu spielen und konnten diese gut trennen und glaubhaft darstellen. Maximilian Maier spielte den Bankier hervorragend, seine Frau (und die gemeinsame Tochter!) wurde von Ulrike Dostal dargestellt. Der Monolog, in dem sie erkennt, dass ihre Tochter eine Hure ist, hatte shakespeareske Dimensionen und wurde von ihr sehr mitreißend vorgetragen. Das war einer der Höhepunkte des Abends. Virginie Didier zeigte die Frieda Fürst in ihren schwachen und in ihren starken Momente gleichermaßen gut, Johannes Schindlbeck hatte als Personalchef Egli und heimlicher Geliebter von Frieda am Schluss eine ganz starke Szene. Amadeus Bodis überzeugte als Prokurist Böckmann und Raphaela Zick war eine herrlich überdrehte Kundin.Niklas Clarin, Momi von Fintel, Manuela Clarin und Andreas Berner in verschiedenen Rollen ergänzten das Ensemble aufs Beste. Sabrina Cherubini begleitete die Darsteller am Klavier.
Ein unterhaltsamer Abend, der aber auch nachdenklich macht. Geld regiert die Welt und der Kapitalismus das Leben. Weitere Vorstellungen am 18.01., 23. – 25.01. und 31.01. – 02.02. jeweils um 20 Uhr im Theater Heppel & Ettlich in der Feilitzschstraße. Karten zu 20,20€ über Münchenticket.
[singlepic id=1444 w=320 h=240 float=left]Ein Bühnenbild, das fast komplett mit rotem Samt ausgeschlagen ist, Tische am Rand, an denen das Publikum quasi mitten im Geschehen sitzt, eine Wirtin, die die Marsellaise komponiert.
So beginnt Arthur Schnitzlers Farce Der grüne Kakadu in der Inszenierung von Andreas Seyferth für das Theater Viel Lärm um Nichts. Prospère, die Wirtin, hatte eine Erbschaft gemacht und sich davon ein Theater eingerichtet. Doch das ging pleite und getreu dem alten Sprichwort mit dem Wirt leitet sie jetzt eine Spelunke in einem Pariser Kellerloch. Ihre alte Truppe zählt zu ihren Stammgästen und so wird auch die Kaschemme zur Bühne. Zur Belustigung der Adeligen, die sich ebenfalls dort vergnügen, erzählen sie ausgedachte Verbrechen. Oder doch nicht ausgedacht? Hier verschwimmen Realität und Trugbild zu einem einzigen atemlosen Wirbel. Am 14.07.1789 hört man dem Sturm auf die Bastille quasi live zu, als Henri, der Star der skurilen Truppe, seinen letzten und besten Auftritt hat, den Bericht von der Ermordung des Herzogs von Cadignan. Man amüsiert sich köstlich bis die Realität gnadenlos zuschlägt.
Andreas Seyferth gelingt es, den aus meiner Sicht etwas problematischen Bühnenraum optimal zu bespielen. Mit einer nach zwei Seiten offenen Bühne gewährte er optimale Einblicke. Die Personenführung war gut und kleine eingebaute Gags ließen auch immer wieder ein befreiendes Lachen zu. Die Kostüme von Johannes Schrödl waren teils zeitgemäß, teils zeitlos und teils überzeichnet. Das ergab eine sehr schöne Mischung, die trotzdem homogen wirkte.
Viele Personen treten auf, doch am Ende sind es nur acht Schauspieler, die sich verbeugen. Innerhalb kürzester Zeit mussten die meisten nicht nur Kostüme, sondern auch Persönlichkeiten wechseln. Das gelang immer fabelhaft, nur die teilweise etwas überzogenen Dialekte bzw. Spracheigenheiten haben mich ein wenig gestört. Marion Niederländer in der Rolle wirkt wie eine Dompteuse im Raubtierkäfig, fast erwartet man die Peitsche in ihrer Hand zu sehen, ihre Rolleninterpretation hat mir ganz ausgezeichnet gefallen. Theresa Bendel ist ein ganz entzückend tollpatschiger junger Adeliger vom Land, der zum ersten Mal allein unterwegs ist und gleich mit dem Lauf der Weltgeschichte konfrontiert wird. Stephan Joachim zeichnete ein intensives Portrait von Henri, dem Star der Truppe, der die Fantasie zur Wirklichkeit werden lässt oder auch nicht. Judith Bopp zauberte als Juliette immer wieder ein Lächeln in die Gesichter der Zuschauer, während sie als Léocadie eher kühl wirkte. Ute Pauer und Walter von Hauff konnten mich sowohl als vergnügungssüchtiges, dekadentes Adelspärchen überzeugen wie auch in ihrer jeweils anderen Rolle. Sven Schöcker war ein herrlich überzeichneter Strolch ebenso wie Rollin, der Dichter und konnte mich auch als Philosoph überzeugen. Die meisten unterschiedlichen Rollen, sechs, hatte Robert Ludewig zu stemmen und er meisterte diese Aufgabe ganz hervorragend. Da sah, hörte, fühlte ich wirklich sechs verschiedene Menschen auf der Bühne stehen, ganz besonders in der Rolle des Herzogs von Cadignan.
Ein gutes Stück in gelungener Umsetzung, das es sich anzuschauen lohnt. Weitere Vorstellungen bis 9. März (außer 22. Februar) jeweils Donnerstag bis Samstag um 20 Uhr. Karten Donnerstags 15€, sonst 18€. Reservierungen über die Homepage des Theaters.
[singlepic id=1410 w=320 h=240 float=left]Über die beeindruckende Premiere des Jungen Schauspiel Ensemble München habe ich wieder drüben bei mucbook geschrieben.
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