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Il viaggio a Reims, 09.06.2012, Staatstheater Nürnberg

Es war leider schon die letzte Aufführung von Rossinis Il viaggio a Reims am Staatstheater Nürnberg von der Regisseurin Laura Scozzi. Ein Stück, das dank Claudio Abbados erfolgreichen Aufführungen (Mailand, Wien, Berlin) seit den 1980ern auch ab und zu den Weg wieder in die Opernhäuser gefunden hat. In Nürnberg wurde ein sehr unterhaltsamer und turbulenter Abend von der Regisseurin gestaltet. Sie verlegte das Stück in die heutige Zeit und lässt die Handlung, statt in der Zeit der Krönung Karls X, in Brüssel im heutigen Europäischen Parlament spielen. Mit viel Fantasie, Witz, Ironie und einer guten Portion Satire stellt sie das Stück auf die Bühne. Lässt gut choreographierte Staatsoberhäupter über die Bühne tanzen. Die englische Königin lässt auf dem Schreibtisch die Hüllen fallen, und Frau Bundeskanzlerin macht einen Kopfstand mit schwingenden Beinen, zum großen Gefallen des heiteren Publikums.

Es ist enorm, wie das homogene Ensemble die anspruchsvollen Partien nicht nur gut singt, sonden auch durch die Regie und ihre Einfälle schauspielerisch zur Höchstform aufläuft. In diesem Stück von Rossini gibt es zehn große und sechs kleinere Partien zu besetzen. Bis auf eine Rolle waren alle aus dem Nürnberger Ensemble besetzt. Die Damen in der Aufführung waren: Hrachuhi Bassénz (Corinna), Anna Lapkovskaja (Marchesa Melibea), Claudia Katharina Braun (Contessa di Folleville) und Carmen Fugiss (Madama Cortese) als Gast. In den männlichen Partien waren Tilman Lichdi (Cavaliere Belfiore), Martin Nyvall (Conte di Libenskof), Kurt Schober (Lord Sidney), Daeyoung Kim (Don Profondo), Yong Jae Moon (Don Alvaro) und Nicolai Karnolsky (Don Prudenzio) zu hören.

Auch die Staatsphilharmonie Nürnberg und der Opernchor unter der Leitung von Christian Reuter konnten sich mit ihrem Rossini hören lassen. Die abwechslungsreiche Gestaltung der Bühne von Barbara de Limburg und die kreativen Kostüme von Jean-Jacques Delmotte tragen zum großen Erfolg der Aufführung bei. Es ist schön und erstaunlich, wie gut das Konzept von Laura Scozzi und ihrem Produktionsteam zu dem Stück von Rossini und seinem Librettisten Luigi Balochi mit all seinen Persönlichkeiten in der aktuellen Lage Europas passt. Mit großer Vorfreude warte ich nun auf Laura Scozzis Deutung von Offenbachs Orpheus in der Unterwelt in der kommenden Saison in Nürnberg.

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Festspiel-Liederabend Christian Gerhaher, 07.07.2012, Prinzregententheater

Den ersten Liederabend im Rahmen der Münchner Opernfestspiele 2012 gestaltete der Bariton Christian Gerhaher mit dem Pianisten Gerold Huber. Durch die lange Zusammenarbeit der beiden Künstler werden diese Abende immer wieder zu etwas ganz Besonderem, das zeigte sich auch wieder an diesem Abend im Prinzregententheater. Das Zusammenspiel des Duos sowie die musikalische Durchdringung der Werke wurde vom Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen.
Das aktuelle Programm beschäftigt sich mit den Komponisten der beiden großen Wiener Schulen. Haydn und Beethoven werden Schönberg und Berg gegenübergestellt.

Zu Beginn erklang An die ferne Geliebte op.98 von Ludwig van Beethoven, ein Liederkreis aus 6 Liedern mit den Texten von Alois Jeitteles. Im Anschluß interpretierte das Künstlerduo in höchster Konzentration Arnold Schönbergs fünfzehn Gedichte aus Das Buch der hängenden Gärten von Stefan George, op.15.
Nach der Pause standen eine Auswahl von 5 Liedern von Joseph Haydn auf dem Programm, nämlich The Spirit’s Song/ Content/ The Wanderer/ Sailor’s Song/ She Never Told Her Love. Mit seiner ausdrucksstarken und farbigen Interpretation dieser Haydn-Lieder in englischer Sprache machte Gerhaher Lust auf mehr und der Zuhörer hätte gerne mehr Haydn gehört.
Den Abschluß des Abends bildeten die Fünf Orchesterlieder nach Ansichtskartentexten op.4 von Alban Berg (Text: Peter Altenberg) und die in allen Stimmfarben von Christan Gerhaher ausgelotete Adelaide op.46 von Ludwig van Beethoven.
Bravi und großer Jubel im ausverkauften Münchner Prinzregententheater! Das Duo Gerhaher & Huber dankte dem Publikum mit zwei Zugaben (Haydn’s Trost unglücklicher Liebe Hob. XXVIa:9 sowie Geistliches Lied Hob. XXVIa:17). Eine Sternstunde des Liedgesangs ging damit zu Ende.

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The Rake’s Progress, 24.05.2012, Oper Frankfurt

The Rake’s Progress von Igor Strawinsky wurde 1951 in Venedig mit grossem Erfolg uraufgeführt. In dieser Saison hat die Oper Frankfurt eine Neuproduktion angesetzt. Der Regisseur Axel Weidauer brachte mit seinem Team einen gelungenen Thaterabend auf die Bühne des Frankfurter Opernhauses. Das Bühnenbild von Moritz Nitsche gab einen gelungenen Rahmen für das Geschehen ab und war sehr eng verschränkt mit der aufwendig gestalteten Beleuchtung von Joachim Klein. Die Kostüme von Berit Mohr spielen mit verschiedenen Elementen der Geschichte, ebenso wie die Komposition von Strawinsky mit den Anklängen prominenter Vorgänger.

Axel Weidauer erzählt in seiner schrillen bis sehr anrührenden Inzenierung die Geschichte des Tom Rakewell: Ein junger Mann, der eine große Erbschaft macht und das Neue sucht, weit entfernt von seinem ländlichen Idyll. In der Großstadt sucht er Freiheit, Glück, Geld und Erfolg. Er erlebt aber in der Entwicklung der Geschichte eine Enttäuschung nach der anderen. In Begleitung seines dämonischen Begleiters Nick Shadow, dem Strippenzieher der Handlung, verliert er im Laufe der ganzen Eskapaden die Kontrolle über sein Leben und wird wahnsinnig. Im Finale bekräftigt das Sängerensemble: Es war alles nicht mehr und nicht weniger als das Theater des Lebens.

Die Sänger der Aufführung bestätigten wieder einmal den guten Ruf der Oper Frankfurt. Paul Appleby in der Rolle des Tom Rakewell gab in dieser Produktion sein Europa-Debüt. Der junge Tenor konnte mit seiner schlanken und gut geführten Stimme sowie der intensiven Entwicklung der Figur überzeugen. Wie aus dem Bilderbuch: die von Tom verlassene Anne Trulove, gesungen von der Sopranistin Brenda Rae. Sie spielt mit viel Charme und Natürlichkeit und überzeugt mit ihrer lyrischen Stimme in jedem Moment des Abends.

Der Teufel und Verführer der Aufführung ist der Bassbariton Simon Bailey. Das langjährige Ensemblemitglied sang mit ausdrucksstarker und kraftvoller Stimme den angeblichen Freund von Tom, Nick Shadow. Die junge und quicklebendige Mezzosopranistin Paula Murrihy spielte eine sehr in den Bann ziehende Baba the Turk. Ebenso Barbara Zechmeister in der Rolle der Mother Goose. In den kleineren Rollen brachte das Ensemble schöne Portraits auf die Bühne: Alfred Reiter (Vater Trulove), Peter Marsh (Sellem) und Vuyani Mlinde (Keeper of the Madhouse). Im Orchestergraben spielte das bestens disponierte Orchester unter der Leitung des Dirigenten Constantinos Carydis, das einen großen Anteil des Erfolges dieser Produktion beisteuert. Die Musiker bestachen durch ihre Musikalität und die Klangfarbe, die immer wieder in dieser Aufführung aufblitzte. Der Chor (Matthias Köhler) der Oper Frankfurt komplettierte die gute Leistung aller Mitwirkenden, in den drei Stunden eines gelungenen Opernabends!

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Interview mit Carolin Neukamm

[singlepic id=1310 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrte Frau Neukamm, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Könnten Sie uns zum Einstieg des Gesprächs einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich bin in Freiburg geboren und in einem kleinen Dorf in der Umgebung aufgewachsen. Während meines Abiturs hatte ich das Glück, eine begeisternde und engagierte Gesangslehrerin kennen zu lernen, die mich motivierte, an der Musikhochschule in Freiburg vorzusingen. 2010 habe ich mein Studium mit den Diplomen “Oper” und “Lied/Oratorium” abgeschlossen. Für den Abschluss “Musiklehrer” habe ich noch meine Diplomarbeit geschrieben, während ich schon in München war.
Es ist eine tolle Chance für mich gewesen, direkt von der Hochschule an so ein wunderbares Haus zu kommen, wie es das Gärtnerplatztheater ist. In der vergangenen Spielzeit hatte ich zudem einen Gastvertrag am Staatstheater in Darmstadt, eine Neuinszenierung von Carmen, in der ich die Partie der Mercédès gesungen habe. Sehr spannend, gleich zu Beginn zwei Theater und Ensembles kennen zu lernen.

Spielen Sie ein Instrument?

Ich hatte Klavierunterricht, zunächst privat und später als Teil des Studiums. Es reicht für das Einstudieren von Partien, um mich selbst zu begleiten und als Hilfestellung beim Unterrichten. Aber von einem Klaviervirtuosen bin ich weit entfernt …

Dann haben Sie auch hier in München und in Darmstadt die ersten Bühnenerfahrungen gesammelt, oder waren da vorher schon Produktionen während des Studiums?

Ich hatte großes Glück, dass es in den Anfängen meiner Studienzeit an der Freiburger Hochschule nicht so viele Mezzosopranistinnen gab. So durfte ich schon früh in die Opernproduktionen reinschnuppern. Es gibt ein Institut für Musiktheater, das jedes Semester eine szenische Produktion macht.
So habe ich beispielsweise 2008 die Dritte Dame in der Zauberflöte gesungen, und 2009 durfte ich das Duo Gilbert & Sullivan kennen lernen, als wir Patience, or Bunthorne‘s Bride aufführten. Das hat besonderen Spaß gemacht, da die Rolle der Lady Jane als sehr außergewöhnlicher Charakter inszeniert war. Wer hätte gedacht, dass ich in München gleich noch zwei Mal auf die beiden Briten treffen würde? Für mein Diplom 2010 durfte ich die Hauptrolle (Celia) in einer eher unbekannten Oper von Joseph Haydn singen: La fedeltà premiata. Von diesen Erfahrungen möchte ich absolut keine missen, aber dennoch … Theater ist nochmal etwas ganz anderes als Hochschule.

Sie waren dann 2009 mit dem Theater Dortmund und Mozarts Zauberflöte auch auf einer Gastspielreise.

Ja, das war eine besonders schöne Erfahrung. Wir waren einen Monat in Seoul und der dazu gehörigen Hafenstadt Incheon. Dennoch waren nur fünf oder sechs Tage Zeit, um die komplette Zauberflöte musikalisch und szenisch auf die Beine zu stellen. Da war es schon erst einmal ein Schock, als wir nach dem langen Flug übermüdet ins Hotel kamen und es hieß: “In einer Stunde Abfahrt, wir stellen heute alle Damen-Szenen”.
Das Theater in Seoul hat Platz für 2600 Zuschauer. Das waren ganz neue Dimensionen für mich. Zudem habe ich viele tolle Musiker kennen gelernt. Das Orchester und der Chor waren aus Südkorea. Bei den Solisten gab es eine koreanische und eine deutsche Besetzung. Ich erinnere mich noch, als wir die Vorstellung der koreanischen Besetzung ansahen und alle Dialoge auf Koreanisch waren.

Seit der Spielzeit 2010/2011 sind Sie hier am Gärtnerplatztheater. Ist das ein schönes Haus, um sich zu entwickeln und verschiedene neue Rollen auszuprobieren?

Auf jeden Fall. Für mich war es ein sehr gelungener Start ins Berufsleben. Ich finde es schön, Teil eines großen Ensembles zu sein, und es war zu Beginn sehr gut für mich, dass ich zunächst kleinere Partien übernehmen durfte. Das Tolle war auch, dass ich in Opern wie Carmen oder L’Italiana in Algeri mitwirken konnte, in denen die Hauptrolle von einer Mezzosopranistin gesungen wird. Da kann man dann ein bisschen was abschauen.

In dieser Spielzeit stehen Sie jetzt in sieben Produktionen in Oper und Operette auf der Bühne.

Ich denke sogar, es sind acht. (Die Zauberflöte, Die Liebe zu den drei Orangen, L’Italiana in Algeri, La Traviata, Der Mikado, Joseph Süß, Das Schlaue Füchslein und Orpheus in der Unterwelt.)

Wie stellt man sich auf diese Abende ein? Wenn zum Beispiel an einem Abend Joseph Süß ist von Detlev Glanert, und dann Mikado dazwischen, und am nächsten Abend dann wieder Joseph Süß?

So eine Konstellation gab es für mich in dieser Spielzeit zum Glück nur einmal. Ich war sehr froh, dass ich an den jeweiligen Tagen keine szenischen Proben für eine dritte Produktion hatte. Daher konnte ich mich tagsüber in Ruhe mental und stimmlich auf die jeweilige Vorstellung am Abend einstellen. Es ist schon ein Unterschied, ob abends eine britische Operette mit viel Komik und Tanz auf dem Plan steht, oder eine moderne Oper mit antisemitischem Hauptthema.

Ich fand das schon extrem, mit den drei Aufführungen in einer Woche.

Das ist sicherlich eine intensive Phase. Aber ich denke, alle Sänger kennen das, da es zum Beruf gehört. Man muss zwischen Produktionen, Musikstilen, aber auch Charakteren umschalten können.

Wenn wir gerade bei Joseph Süß sind – erzählen Sie uns doch ein bisschen was über diese Produktion, in der Sie die Tochter von Joseph Süß singen.

Die Produktion war sehr spannend, ich würde fast sagen, die interessanteste für mich am Gärtnerplatztheater. Es war eine intensive Arbeit mit Guy Montavon und Roger Epple, während der ich sehr viel gelernt habe.
Eine große Herausforderung stellte für mich die Akustik des Bühnenbildes dar, in Verbindung mit den teilweise ungewohnten Klängen des Orchesters. Am heikelsten waren die vielen Auftritte auf dem hinteren Teil der Drehbühne, während derer ich den Dirigenten nicht sehen und nur wenig vom Orchester hören konnte. Der Stoff ist sehr düster und deprimierend, speziell Naemis Schicksal. Da muss man mit viel positiver Energie in die Proben starten.

Wenn dann in den Schlussproben auch noch der Komponist dabei ist …

Das war sehr eindrucksvoll und es entstand eine ganz neue Probenatmosphäre. Detlev Glanert war sehr positiv, und teilweise hat er sogar in den Orchesterproben noch ein paar Sachen in der Partitur geändert.

Wie sehen Sie denn die Rolle der Tochter?

Ich sehe sie als sehr jung, unschuldig und im positiven Sinne naiv, sehr verletzlich und der Situation hilflos ausgeliefert. Dadurch, dass sie die ganze Zeit so geschützt ist und fernab von der Außenwelt aufwächst, kennt sie die reale Welt “da draußen” nicht und ist völlig schutzlos und unfähig zu reagieren, wenn der Herzog kommt. Sie lebt in ihrer eigenen Welt, man könnte sagen: einer Traumwelt. Das ist auch in der Musik zu hören, die sich so von den anderen musikalischen Charakteren der Oper abhebt. Diese ändert sich jedoch schlagartig in der 10. Szene, in der der Herzog brutal in ihre Welt einbricht.
Magdalena und Naemi sind meiner Meinung nach die beiden durchweg guten, reinen Charaktere dieser Oper, die keine bösen und eigennützigen Absichten haben.

Wie wichtig ist für Sie das Verhältnis zwischen Schauspiel und Gesang auf der Bühne?

Ich denke, was die Oper betrifft, ist es sehr wichtig. Für mich sind die szenischen Proben essentiell, was die Entwicklung eines Charakters angeht. Man muss als Sänger sehr flexibel und spielfreudig sein heute.

Am Gärtnerplatztheater stehen Opern, Operetten und Musical auf dem Spielplan. Gibt es da bei Ihnen eine Vorliebe für irgendeine Stilrichtung?

In erster Linie schlägt mein Herz für die Oper. – Zwischen Operette und Musical würde ich mich nicht entscheiden wollen.
Gestern war ich in La Cage aux Folles und es hat mich unglaublich begeistert. Eine großartige Aufführung war das. Operette finde ich ähnlich faszinierend, weil sie so vielseitig ist. Ich würde gerne mal einen Orlofsky in der Fledermaus singen.

Von der Vielseitigkeit ist natürlich für einen Mezzosopran bei der Oper mehr gegeben.

Das ist wahr.

Haben Sie musikalische Vorbilder?

Es gibt viele Sänger, die ich gerne höre, aber ich würde nicht sagen, dass ich ein konkretes Vorbild habe. Ich mag Vesselina Kasarova sehr gern, vor allem im Hosenrollen-Fach.
Diana Damrau halte ich auch für eine ganz tolle Musikerin. Vor kurzem habe ich ein sehr beeindruckendes Portrait von ihr gesehen, und auch ihre CD vom vergangenen Herbst mit Liszt-Liedern mit Helmut Deutsch ist unglaublich schön.

Geben Sie Liederabende und Konzerte, also Oratorien und ähnliches?

Ja. Zu Studienzeiten war ich sehr beschäftigt im Konzertbereich, vor allem Kirchenmusik. Während meiner ersten Spielzeit hier in München musste ich das ein wenig einschränken, da ich mit der Carmen-Produktion in Darmstadt und meiner Diplomarbeit mit Forschung in Freiburg schon genug zu tun hatte. Aber im vergangenen Herbst habe ich unter anderem Messias, das Weihnachtsoratorium von Saint-Saens und endlich die Petite Messe Solennelle von Rossini gesungen. Die Aufführung des letzten Stückes war mir schon lange ein Wunsch. Ich habe hier in München eine befreundete Pianistin, mit der ich mein Liedrepertoire erweitere. Im Moment stehen Lieder von Robert Schumann auf dem Programm, beispielsweise Mignon und Maria Stuart.

Welche Musik hören Sie denn am liebsten?

Wenig Oper zuhause. (Beide lachen.) Wenn klassische Musik, dann eher sinfonische und auch sehr gerne Lied. Ansonsten höre ich privat sehr viel lateinamerikanische Musik und ab und zu Jazz.

In welchen Partien können wir Sie denn in der nächsten Zeit jetzt noch erleben? Und können Sie uns vielleicht schon einen Ausblick auf die Zeit nach dem Gärtnerplatztheater geben?

Zunächst freue mich auf Das Schlaue Füchslein hier im Prinzregententheater. Da werde ich unter anderem den Dackel singen. Im Juli folgt noch die Wiederaufnahme von Orpheus in der Unterwelt als Gastspiel in Heilbronn, und dann ist die Zeit am Gärtnerplatztheater leider vorerst schon vorbei für mich.
Im Juli habe ich ein Orchesterkonzert in Freiburg und im Herbst wirke ich bei einer Konzertreihe in Freiburg, Granada und Padua mit. Da freue ich mich schon sehr darauf, weil ich gerne reise.
Und im Frühjahr 2013 werde ich als Blumenmädchen und Zweiter Knappe bei den Osterfestspielen in Salzburg zu hören sein.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Vielen Dank!

(Das Interview wurde geführt am 11. April 2012 in München.)

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Interview mit Franziska Rabl

[singlepic id=1158 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrte Frau Rabl, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Würden Sie uns als Erstes einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich habe ja schon als Kind angefangen, Musik zu machen, und das hat ganz klar mein Leben geprägt: Im Jugendorchester spielen, im Schulchor singen. Ich war mit den Orchestern unterwegs, bin gereist, habe eigentlich meinen kompletten Freundeskreis dort rekrutiert. Das war schon eine eigene Welt. Irgendwie war auch ziemlich früh klar: Ich werde Musikerin. Das ist zwar in unserer Familie nicht üblich, aber bei mir war es so eindeutig, dass es nie in Frage gestellt wurde. Da meine Eltern auch gerne Musik hören und selber machen, hatten sie nichts gegen meinen Berufswunsch –  dass es dann das Singen wurde, kam für sie dann aber doch überraschend.

Welche Instrumente spielen Sie?

Ich habe angefangen mit Geige. Dann kam irgendwann mal die Bratsche dazu, aus dem ganz einfachen Grund, dass ich so große Hände habe und die Mensur der Bratsche weiter ist, mir quasi auf den Leib geschneidert ist. Die Geige blieb mein Hauptinstrument, ich habe auch Abitur damit gemacht. Aber die Bratsche war eine Bereicherung, z.B. im Streichquartett. Mit elf Jahren habe ich angefangen, Horn zu spielen und bin im Orchester darauf umgestiegen, weil es das viel schönere Orchesterinstrument ist. Man spielt solistisch, und der Klang im Orchester ist einfach großartig.

Wie kam es dazu, dass Sie sich für den Gesang entschieden haben, als Berufswunsch?

Meine Mutter ist auch mit Oper großgeworden, und da liefen bei uns gerne mal Don Giovanni oder  die Fledermaus. Schon als Kinder haben wir die Adele mitgeträllert und Rosalindes „Damenührschenmacherschen“ mitgesprochen. Wir hatten auch sehr gute Chöre an meiner Schule. Dadurch habe ich das Chorsingen kennengelernt und gemerkt, dass es nicht unbedingt meins ist, aber dass Singen Spass macht. Dann gab es einmal, als wir mit der Klasse in Griechenland waren, den Besuch in dem antiken Theater Epidauros, das eine fantastische Akustik hat. Da habe ich etwas gesungen, und das war wirklich ein Schlüsselerlebnis, so dass ich mir dachte: „Ja, genau DAS ist es, und dafür möchte ich arbeiten.“ Danach habe ich mir eine Gesangslehrerin gesucht und das erst einmal heimlich betrieben, weil meine Eltern schon den Unterricht für die Instrumente finanzierten.

Und das Studium?

Das Studium ging nicht gleich nahtlos nach dem Abitur los, weil ich noch Zeit brauchte. Dadurch, dass ich relativ spät den Wunsch entdeckt habe zu singen, fehlte mir noch Gesangstechnik für das Studium an einer Musikhochschule. Um die Zeit zu überbrücken und  eine wirtschaftliche Sicherheit zu haben, habe ich eine Dolmetscher-Ausbildung gemacht. Das hat sich in doppelter Hinsicht gelohnt, denn dort habe ich Freunde gefunden, die mir den Kontakt zu Pamela Coburn hergestellt haben, die mir eine wunderbare Gesangslehrerin wurde.

Sie haben hier in München studiert?

Ja.

Wo haben Sie dann Ihre ersten Opernerfahrungen gemacht?

In der Pasinger Fabrik, Münchens kleinster Oper, schon während des Studiums.

Das war dann Kammeroper?

Ja, mit sehr kleinem Orchester, ganz nah am Publikum! Ich bin dort eingesprungen als Orlofsky in der Fledermaus, das war mein erster solistischer Auftritt. Dadurch habe ich Dominik Wilgenbus kennengelernt, der damals dort inszenierte, und dann sang ich auch in seinen nächsten Stücken immer mit: Hänsel und Gretel, Cenerentola, Die Welt auf dem Mond.

Wie kam dann der Wechsel zum Opernstudio des Opernhauses Zürich?

Ganz einfach durch ein Vorsingen gegen Ende des Studiums. Ich wurde glücklicherweise genommen, und dann bin ich nach Zürich gezogen.

Wie war das an diesem Haus? Wie lange waren Sie in Zürich?

Ich war ein Jahr dort. Das war ein schönes Jahr, und ich würde es wirklich immer wieder machen. Aber das Tollste war, alle Proben anschauen zu können im großen Haus und auch die Vorstellungen besuchen zu können, kostenlos auf einem Klappsitz. Die Großen beim Arbeiten zu beobachten, eben zu sehen: Wie singt eine Vesselina Kasarova, wie teilt die sich eine Probe ein, wenn sie Rosina singt? Oder Cecilia Bartoli zuzuschauen, wenn die in eine Probe kommt. Wie geht die mit dem Dirigenten um, wenn ihr etwas nicht so zusagt? Wie macht sie diese Rolle musikalisch? Das war schon ein Privileg.

Wie ging es dann weiter?

Dann kam relativ überraschend gegen Ende meines Zürich-Jahres das Engagement in Dortmund. Ich hatte mich eigentlich schon darauf eingestellt, wieder nach Hause nach München zu gehen, mit meinem Gesangslehrer zu arbeiten und vorsingen zu gehen. Ich hatte auch schon eine Wohnung in München gefunden, und auf einmal, schwupp, war Dortmund da. Ich bin dann nach zwei Monaten in München umgezogen nach Dortmund, wo ich drei Jahre im Ensemble war.

Da kamen dann auch direkt größere Rollen?

Stimmt, da kamen schöne Rollen. Gleich am Anfang meines zweiten Jahres habe ich dort Carmen gesungen. Mit 29 Jahren die erste Carmen, das war schon gewagt, aber es hat gut funktioniert. Und es hat Spaß gemacht. Hänsel war ja schon aus Pasing meine Leib- und Magen-Partie, und es waren noch viele andere schöne Partien dabei.

Dann kam 2010 doch wieder München.

Ja. Da war ich Freiberuflerin und wohnte in München. Das Angebot vom Gärtnerplatz kam, und ich habe mir gedacht: „Wie toll! Zuhause arbeiten! Kann ja nicht schöner sein.“

Welche Erinnerungen haben Sie jetzt an diese zwei Jahre, die Sie hier am Gärtnerplatztheater verbracht haben? Da waren ja doch einige Produktionen … oder Erlebnisse mit Kollegen?

Für mich war wunderbar … das muss ich jetzt einfach so sagen: die Zusammenarbeit mit meiner Freundin Heike Susanne Daum. Wir sind sehr gut befreundet, schon aus Dortmunder Tagen. Sie ist drei Jahre früher als ich an den Gärtnerplatz gekommen, und das gab einfach eine große Freude, als klar war, dass wir wieder an demselben Haus arbeiten würden. Fledermaus z.B. mit ihr zusammen zu singen macht soviel Spaß! Da hat man die Freundin mit auf der Bühne stehen, die man auch als Kollegin so sehr schätzt, und das macht richtig, richtig Laune. Auf Falstaff freue ich mich auch schon riesig! Ansonsten habe ich den Gärtnerplatz im Ganzen als sehr nett empfunden. Ich habe auch davor nie schlechte Erfahrungen gemacht und bin immer gut mit den Kollegen an den unterschiedlichsten Häusern klargekommen, aber die Stimmung hier am Haus war ab dem ersten Tag schon speziell: Speziell schön. Wirklich. Das hat etwas sehr Familiäres. Ab dem Moment, wo man durch die Tür kommt und vom Pförtner begrüßt wird, über die Ankleider, die Maske, die Kantine bis zu den Technikern. Jetzt hat die Stimmung leider sehr gelitten, mit dem Umbau und den ganzen Kündigungen, das ist deutlich spürbar. Aber gerade in meinem ersten Jahr war die Stimmung fantastisch.

Innerhalb der letzten Woche drei verschiedene Produktionen – L’Italiana in Algeri, Die Omama im Apfelbaum und jetzt das neue Musical Heimatlos. Wie bereitet man sich auf diese Abende dann vor, wenn man das in einer Woche zu singen hat?

Das sind nur die Abende, und dazwischen kommen noch die Proben, ich hatte gestern vormittag Falstaff-Probe. (Lacht.)  Ja, das ist ein echter Spagat. Ich kann für mich nur sagen: Ich bin regelmäßig bei meinem Gesangslehrer, Dietrich Schneider. Ich bin auch sehr froh, dass der in der Nähe wohnt, und dass er Zeit für mich hat. Bei der Italienerin letzte Woche habe ich mir wirklich den Luxus gegönnt, mittags rauszufahren, mich mit ihm einzusingen und abends dann die Vorstellung zu singen. Weil eben am Vorabend Heimatlos war, und das ist Musical, und stimmlich weiter weg als vom Musical kann Rossini-Gesang eigentlich gar nicht sein. Ich habe auch Heimatlos, obwohl es „nur“ Jugendtheater war, regelmäßig zu meinem Lehrer getragen und habe gesagt: „O Gott, Musical, was mache ich damit?“ Und dann hat er mir gezeigt, wie ich es zu singen habe.

Dann zu dem Musical Heimatlos: Eine Aufführung mit Solisten vom Haus, mit dem Jugendtheater und dem Seniorentheater. Wie gestalten sich denn da die Proben?

Wir proben normalerweise sechs Wochen szenisch, und diese Proben gingen viel früher los. Ich glaube, Mario Podrečnik hat schon zu Beginn der Spielzeit die ersten Proben mit dem Jugendtheater gehabt, weil er Szenen mit den Jugendlichen zusammen hat, die Krämerhalle und Harrys Traum. Meine Rolle ist jetzt nicht so viel mit jugendlichen Massen umgeben, sondern ich habe meine zwei Söhne Remi und Arthur, die um mich herum sind, und ansonsten ein paar von meinen Profi-Kollegen. Insofern haben sich die Proben für mich in Grenzen gehalten. Ich fand die Jugendlichen erstaunlich diszipliniert und gut vorbereitet. Da habe ich gar nicht so den Unterschied zu uns bemerkt. Zum Teil war es wirklich so, dass wir Profis noch mit den Noten in der Hand dastanden, weil wir so wahnsinnig viel Arbeit drumherum hatten, dass wir uns einfach nicht perfekt vorbereiten konnten im Vorfeld, und die Kids konnten alles. – Ja. Ehem. (Lacht.) Aber es waren schöne Proben. Klar, ein bisschen anders, als man es sonst gewöhnt ist, aber sehr schön, und eine echte Bereicherung.

Erzählen Sie uns doch noch etwas über das Stück.

Es ist ein buntes Stück, es hat wirklich von allem etwas, sowohl musikalisch als auch szenisch. Mir gefallen die Bilder sehr gut. Holger Seitz nimmt uns da sehr schön auch optisch auf eine Reise mit. Tolle Kostüme. Meine Kleider sind der Wahnsinn. Ich hatte zum Glück ganz früh Anproben, das heißt, ich wusste, als ich zu den szenischen Proben kam, was für eine elegante Erscheinung diese Lady Milligan ist. Ich wusste zum Beispiel, in dem Bootskleid kann ich mich eigentlich nicht bewegen, weil der Rock so lang und schmal ist, da kann ich nur klitzekleine Trippelschrittchen machen. So etwas hilft einem natürlich dann auch für die szenischen Proben, zu wissen: aha, so wird die Körperlichkeit angelegt sein müssen, weil die Kostüme das einfach bedingen.

Lady Milligan. Wer ist Lady Milligan? Gibt es Besonderheiten in dieser Partie?

Lady Milligan ist eine sehr edle, nette, unsagbar gute Frau. Ich komme manchmal von der Bühne, und unser Inspizient grinst mich an und sagt: „Du bist ja so gut, es ist kaum zu ertragen.“ Ich sage: „Ja, stimmt.“ Und ich hatte auch ein bisschen Schwierigkeiten, wenn ich während der Proben Milica Jovanovic gesehen habe oder Daniel Fiolka, die diese lustigen oder gemeinen Rollen haben, und es ist so toll und so unterhaltsam, und dann komme ich auf die Bühne, und ich bin einfach nur gut. (Lacht.) Also auch da muss man natürlich irgendwie verschiedene Schattierungen finden, trotz der ganzen Güte. Ich versuche über die Liebe zu meinen Söhnen oder auch ein bisschen mit Ekel dem Scheusal von Schwager gegenüber,  kleine Farben zu finden. Die Lady ist eine junge Witwe, sie hat einen behinderten Sohn und den als Baby entführten Sohn, dem sie nachtrauert. Also gibt es da eine grundlegende Traurigkeit, aber sie ist trotzdem eine Frau mit Freude am Leben. Auf der Bootsfahrt zum Beispiel genießt sie das schöne Leben, flirtet auch durchaus mal mit dem schmucken Captain. Dann kommen die Tiere an Bord, Holger Seitz hat mich viel mit ihnen spielen lassen, was mir  sehr entgegenkommt. Ich habe „in echt“ auch zwei sehr nette Hunde. (Lacht.) Die Lady ist eine sehr nette Figur, stimmlich aber sehr tief, und das in einem Musical, sonst nicht so meinem Genre. Ich habe die Noten studiert, nachdem Holger Seitz mich gefragt hatte, ob ich mitmache, und habe erst mal einen Schreck bekommen und gesagt: „Das ist ja barbarisch tief, ich weiß gar nicht, ob ich das singen kann.“ Dann bin ich es mit dem musikalischen Leiter Liviu Petcu durchgegangen, und wir haben gesehen, daß es doch geht… Die Rolle hat wirklich eine sehr große Tessitur, von ganz tief bis mittelhoch, eben musicaltechnisch zu singen. Das war für mich spannend zu erarbeiten.

[singlepic id=1159 w=240 h=320 float=right]Die Vorbereitungen auf eine neue Rolle, wie sehen die aus? Sie haben das mit dem Gesangslehrer schon erwähnt, aber da ist ja noch einiges zusätzlich, wahrscheinlich.

Ja. Ich bin gesegnet und geschlagen mit einem absoluten Gehör, und dadurch, dass ich so lange instrumental Musik gemacht habe, lerne ich sehr schnell, sowohl vom Notenbild als auch vom Hören her. Deshalb muss ich mich umso mehr mit der Gesangstechnik und dem Klangempfinden befassen, damit ich technisch „auf der Spur“ bleibe und nicht nachlässig werde.

Das Verhältnis zwischen Singen und Schauspiel auf der Bühne – wie sehen Sie das?

Da ich von der Instrumentalmusik herkomme, war Singen anfangs für mich eine hehre Kunst. Ich wollte auch gar nicht Oper machen, sondern sah mich in schönen, schlichten Kleidern auf der Bühne stehen und Konzerte geben. Meine Liebe zur Oper habe ich nach und nach entdeckt, dachte aber immer noch: „Prima la musica.“ Inzwischen –  da hat die Arbeit am Gärtnerplatz natürlich auch ihre Spuren hinterlassen – ist mir das Schauspielerische auch sehr wichtig geworden. Denn man muss die Leute einfach mitnehmen, und es gibt Menschen, die erreicht man eher über die Musik, und andere, die erreicht man eher über das Schauspiel. Dafür gibt es die Oper!

Haben Sie musikalische Vorbilder?

Es gibt Sänger, die ich gerne höre, richtige Vorbilder habe ich nicht. Eine der beeindruckendsten Opernaufführungen war für mich Lucia di Lammermoor in den neunziger Jahren hier in München mit Edita Gruberova. Als die ihre Wahnsinns-Arie anfing, hatte ich am ganzen Körper Gänsehaut und dachte: „O wie großartig!“ Ich weiß noch, dass ich mit Zuhörern diskutiert habe, die sagten: „Aber sie bewegt sich doch kaum, und sie macht doch nichts, und sie spielt doch nicht!“ Und ich sagte: „Aber es ist doch alles in der Stimme!“ Das hat mich wirklich sehr stark beeindruckt: Tolle Technik, ganz perfektionistisch, jeder Ton sitzt, ist ausgefeilt, kommt mit Emotion rüber.

Neben der Oper singen Sie regelmäßig Lied- und Oratorienkonzerte. Welchen Stellenwert hat das für Sie?

Das hat emotional einen hohen Stellenwert für mich. Während meiner Gärtnerplatz-Zeit bin ich leider nicht so viel dazugekommen. Das wird aber hoffentlich in Zukunft auch wieder mehr werden. Ich merke, wenn ich z.B. ein Weihnachtsoratorium singe, und das Orchester fängt an zu spielen, dass es innerlich bei mir „Aaah“ macht, und ich mir denke: „Oh wie schön, auch das ist meine Musik.“ Ich liebe die komplette Bandbreite von Oper, aber konzertante Musik ist wichtig und schön.

Gibt es eine Wunschpartie, die noch auf Sie wartet?

Wagner und Strauss auf jeden Fall, dieses deutsche, schwerere Repertoire. Absolut. Ich will unbedingt Fricka, Waltraute und Brangäne singen. Octavian und Komponist, ganz klar. Aber was ich hier am Gärtnerplatz durch L’Italiana in Algeri gelernt habe, ist, dass es mir Spaß macht, Rossini zu singen. Das heißt, wenn jetzt eine Cenerentola kommt oder eine Rosina im Barbier von Sevilla, dann freue ich mich sehr. Das tut mir stimmlich gut, und ich mache es inzwischen sehr gerne.

Können Sie uns zum Ende unseres Gesprächs noch einen kurzen Ausblick auf die Zukunft geben? Was kommt nach dem Gärtnerplatztheater?

Ich werde freiberuflich arbeiten und weiter den Weg in Richtung „dramatischer Mezzo“ gehen. Ich habe ja schon Fricka gesungen im Rheingold. Jetzt arbeite ich gerade an der Walküren-Fricka, und Brangäne und Waltraute stehen als nächstes auf der Liste. Es gibt einen Wagner-Wettbewerb in New York, den ich nächstes Jahr machen möchte.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Interview!

Sehr gerne!

(Das Interview wurde geführt am 21. März 2012 in München.)

 

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Interview mit Ella Tyran

[singlepic id=1154 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrte Frau Tyran, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für dieses Interview. Können Sie uns bitte zu Beginn des Gesprächs einen Einblick in ihren Lebenslauf geben?

Zunächst habe ich bei der amerikanischen Sopranistin Carol Byers privat studiert und ging dann an das Konservatorium der Stadt Wien. Danach nahm ich wiederum Privatunterricht bei dem rumänischen Tenor Constantin Zaharia. Wie die meisten Sänger habe ich selbstverständlich auch an Meisterklassen verschiedener Sänger teilgenommen, unter anderem bei Mirella Freni, welche großen Wert darauf legte, dass die Stimme nach außen geht und nicht innen festgehalten wird. Patricia Wise dagegen war sehr auf Interpretation und Stilistik bedacht. Mit Raul Gimenez habe ich stark am Belcanto-Stil gearbeitet.

Was gab bei Ihnen den Ausschlag, Sängerin zu werden?

Um ehrlich zu sein, habe ich bereits als kleines Kind gesungen. Meine Mutter ist selbst ein sehr großer Opernfan und so lief bei uns zu Hause im Hintergrund ständig Oper – aber auch Operette. Aber ich war und bin auch noch immer sehr an Soulmusic interessiert. Zunächst wollte ich auch Soulsängerin werden, aber als ich zum ersten Mal Puccini gesungen habe, war es um mich geschehen und die Oper hatte mich nun gänzlich in ihren Bann gezogen. Das Wunderbare an diesem Beruf ist nämlich, dass es nicht nur um das Singen geht – obwohl die Stimme für mich immer an erster Stelle steht – sondern auch darum, einen Charakter darzustellen, eine Rolle zu interpretieren, mit allen Nuancen. Von glücklich bis zu Tode betrübt.

Wo haben Sie Ihre ersten Erfahrungen auf der Bühne gesammelt?

Ich habe Gilda im Teatro Pergolesi in Jesi gesungen. Zuvor hatte ich eine große Tournee mit der Pamina gemacht. In Indiana sang ich dann Traviata. Wichtig war für mich auch die Adina in Dresden.

Dann der Sprung an das Gärtnerplatztheater München?

Das war schon eine große Möglichkeit für mich, weitere Erfahrungen zu sammeln. Vor allem im letzten Jahr.

Geben Sie uns doch ein paar Einblicke in die Produktionen, die Sie am Gärtnerplatztheater singen und gesungen haben. Welche Produktionen haben besonderen Spaß gemacht?

Ein großes Vergnügen war und ist auf jeden Fall, die Adele zu singen, da ich vom Chef persönlich die Erlaubnis bekam, meinen Wiener Charme etwas einzubringen. L’Italiana in Algeri ist natürlich auch eine wunderbar farbenfrohe und heitere Inszenierung. Stimmlich auch eine Herausforderung, da die Tessitura vor allem in den schnellen Ensembles für die Sopranstimme ziemlich hoch liegt, sich aber hauptsächlich auf parlando beschränkt. Die Telemann-Oper Der geduldige Sokrates war auch eine sehr interessante Produktion, vor allem durch die Inszenierung von Axel Köhler, welche dem Stück einen wunderbaren Charme verlieh. Es war auch eine besondere Freude, in solch wunderbar glanzvollen Kostümen zu spielen. Mein Lieblingsstück war die Produktion der Philip-Glass-Oper Der Untergang des Hauses Usher. Die Zusammenarbeit mit Carlos Wagner war eine grossartige Erfahrung. In einem Workshop mit dem Butoh-Tänzer Tadashi Endo hatten alle Beteiligten zuvor Gelegenheit, zu lernen, den Körper auf eine ganz besondere Weise zu bewegen. Der Charakter der Madeleine gefällt mir auch sehr gut, da sie eine sehr düstere Erscheinung ist, die ziemlich viel durchmachen musste. Solche dunklen abgründigen Figuren faszinieren mich besonders.

Momentan sind Sie in vier Produktionen zu hören, Die verkaufte Braut von Smetana, L’Italiana in Algeri von Rossini, Der Untergang des Hauses Usher und Die Fledermaus. Viele Musikstile in kürzester Zeit, ein schwieriges Unterfangen, oder?

Um ehrlich zu sein, versuche ich nicht, meine Stimme dem Musikstil anzupassen. Das passiert ganz von selbst. Durch die Musik.

In der Rolle der Madeleine in Der Untergang des Hauses Usher von Philip Glass haben Sie keinen Text, nur Vocalisen zu singen. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Ich ging Mitternachts auf Friedhöfe und legte mich zwischen die Gräber. – Kleiner Scherz. Nun, musikalisch gab es zunächst nur eine Möglichkeit: Zählen. Und sich an den Stimmen der Kollegen zu orientieren, da ich ja selbst keinen Text zu singen hatte, und die Musik ziemlich repetitiv ist. Um so wichtiger war es, jeder Phrase emotionale und ausdrucksmäßige Bedeutung zu geben. Emotional ist es natürlich nicht so einfach, sich vorzustellen, wie sich so eine gequälte Seele wie die der Madeleine fühlen muss, nachdem sie wiederholt von ihrem Bruder zum Sex gezwungen wird und immer wieder aufs Neue miterleben muss, wie ihr missgebildeter Nachwuchs vor ihren Augen getötet wird.

Gibt es für Sie einen Lieblingskomponisten oder ein Lieblingsstück?

Verdi gehört auf jeden Fall dazu, vor allem die Traviata. Aber auch Massenets Manon und die wunderbare Musik von Gounods Romeo et Juliette sowie Faust liegen mir sehr am Herzen. Wenn sich die Stimme in die Richtung entwickelt, vielleicht einmal in ferner Zukunft Leonora in Trovatore. Puccinis Rondine liebe ich auch sehr. Dieses Stück wird leider viel zu selten aufgeführt. Im Grunde lege ich aber immer mein ganzes Herzblut in jene Rolle, die ich aktuell singe. Nur so ist es mir auch möglich, alles zu geben.

Was ist das Schwierigste und was das Schönste an Ihrer Arbeit?

Das Schwierige an diesem Beruf ist, dass man von zu Hause weg ist und ein “normales Familienleben” nur schwer realisierbar ist. Aber zugleich ist es auch faszinierend, immer wieder neue Orte und Menschen kennenzulernen, neue Rollen zu singen und sich dadurch als Künstler und Mensch weiterzuentwickeln.

[singlepic id=1155 w=240 h=320 float=right]Haben Sie musikalische Vorbilder?

Maria Callas, Luciano Pavarotti, Mirella Freni, Placido Domingo.

Hören Sie in Ihrer Freizeit noch Musik?

Ja, aber eher Soulmusic und R&B, aber auch klassische Instrumentalmusik. Sehr gerne zum Beispiel Chopin und Bruckner.

Geben Sie uns noch einen Ausblick in die Zukunft. Wo können wir Sie in Zukunft im Konzert oder auf der Opernbühne erleben?

Es kommen einige Konzerte in Wien auf mich zu. Diesen Sommer im Juli auch zwei Gala-Konzerte in München im Herkulessaal. Eine Traviata in den USA, sowie auch in Rumänien. Einige weitere Projekte sind geplant, aber noch geheim.

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Interview mit Holger Seitz

[singlepic id=1150 w=240 h=320 float=left]Herr Seitz, vielen Dank, dass Sie die Zeit gefunden haben für ein Interview mit uns. Würden Sie uns als erstes etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Ich komme aus der Pfalz, aus dem Pfälzer Wald. Schule und so weiter war alles ganz normal, wie es sich gehört. Ich habe sehr früh angefangen als Statist und im Kinderchor im Theater meiner Heimatstadt Kaiserslautern und habe dort auch erste kleine Rollen gespielt. Dort wurde ich quasi entdeckt von unserer damaligen Oberspielleiterin. Dann habe ich so nebenher Ausbildung gemacht und danach über zehn Jahre an verschiedenen Theatern als Schauspieler gearbeitet. Seit knapp 20 Jahren führe ich hauptsächlich Regie: Kaiserslautern, Coburg, Baden-Baden, Wien, Stuttgart, Annaberg-Buchholz, Leipzig, Landshut und noch einige andere Stationen; ich bin ziemlich viel herumgekommen in meinen inzwischen etwas mehr als 30 Berufsjahren.

Gibt es Vorbilder für Sie in den Regiearbeiten oder von den Regisseuren her?

Nein. – Nein. Ich bewundere alle Kollegen, die aus einem Stück heraus, mit ihrer eigenen Phantasie dazu, größere Gedanken als unsereins sie denken kann auf die Bühne bringen und die das Publikum berühren oder unterhalten. Ich habe kein direktes Vorbild. Ich bewundere Menschen, die – wie soll ich sagen –auf der Suche nach einer Wahrheit sind. Ob das jetzt Regiekollegen sind, Darsteller, Schriftsteller, oder ein Pfarrer, ein Lehrer. Die Suche nach irgendeiner Art von Wahrheit, ob das eine politische, eine gesellschaftliche, eine emotionale ist: Je besser Leute es schaffen, das auf die Bühne zu bringen, egal in welcher Funktion, um so größer ist meine Bewunderung. Was ich auch noch sehr bewundere ist, wenn zum Beispiel Regisseure es schaffen, auch in einer menschlichen Art und Weise mit ihren Darstellern umzugehen. Was das angeht, habe ich, als ich noch selber Regie-gequälter Darsteller war, immer mal wieder so ein paar Tyrannen oder menschliche Wracks erlebt, die auf einen losgelassen werden und eigentlich nicht dem Ganzen dienen, einer Idee oder auch den Menschen, die auf der Bühne stehen – solche Selbstdarsteller, die waren eigentlich nie so mein Fall. Wenn ich Regiekollegen bewundert habe, dann die, die es schaffen, klug und menschlich vernünftig mit anderen umzugehen. Da gibt es doch einige. Darunter wären auch einige, die könnte man durchaus Vorbild nennen. Und Leute, die sich selbst treu bleiben und nicht irgendeiner Mode verfallen.

Wie bereiten Sie sich auf eine Produktion vor?

Das ist ganz verschieden. Als ich mal den Faust gemacht habe, da habe ich mich wirklich zwei Jahre intensiv damit beschäftigt, mit Sekundärliteratur, mit diesem, mit jenem. Da habe ich sehr wissenschaftlich auch gearbeitet. Das habe ich dann alles wieder vergessen und versucht, Theater zu machen. Theater soll ja in erster Linie spannend sein. Neben lehrreich und was weiß ich soll es wirklich spannend sein. Wenn man zu sehr akademisch und wissenschaftlich herangeht, dann kann der Unterhaltungswert ein bisschen auf der Strecke bleiben. Zum Beispiel so ein Stück wie Faust bereite ich sehr genau vor. – Hier am Musiktheater hat natürlich die Vorbereitung viel mit der Musik zu tun. Was sagt die Musik, was löst die Musik in mir aus, passend zum Text. Man sollte dann schon die Musik gut kennen. Bevor man anfängt, über ein Bühnenbild nachzudenken, sollte man sich überlegen: Aha, da ist das so besetzt; da kommt die Musik gewaltig, da muss das so und so sein; da auf der Schiene läuft dieses und jenes ab. Und dann gibt es Stücke, die fliegen einem zu. So ähnlich ist es ja bei Darstellern manchmal auch. Oder du liest ein Stück einmal und sagst: “Wow! Dafür habe ich DIE Idee. Das Stück will ich aus diesem bestimmten Grund machen.” Da ist, sagen wir mal, die Vorbereitung nicht so aufwendig. Wenn ich ein Stück inszeniere wie Omama im Apfelbaum, die Kinderoper – und ich würde mich selbst als Menschen bezeichnen, der mit knappen 50 Jahren noch sehr nah am Kind ist – dann fühle ich einfach die Figuren. Mit der Musik zum Beispiel auch. Dann fühle ich diese Figuren, und dann brauche ich nicht sehr nachzudenken. Da weiß ich: ich will in die Erlebniswelt eines Kindes eintauchen, ich mache mich auch dafür offen – dafür muss ich aber nicht tonnenweise Literatur wälzen. Was ich zum Beispiel für Mikado oder Die Piraten von Penzance getan habe. Um mir Hintergründe zu erarbeiten, um es dann ins Heute quasi zu übertragen.

Wie läuft dann die Zusammenarbeit mit Bühnenbildner und Kostümbildner ab? Ab welchem Zeitpunkt?

Das ist auch ganz verschieden. Hier am Gärtnerplatztheater – für Heimatlos, das Musical, mit dem wir jetzt im März Premiere haben, war die Bauprobe im Juli. Das heißt, der Bühnenbildner Herbert Buckmiller und ich haben im vergangenen April, also fast ein Jahr vorher, angefangen, darüber nachzudenken, welchen Stil wir machen und wie das Ganze aussehen soll. Es gibt ja immer noch Änderungen, aber so im Groben wussten wir ein Jahr vorher, wie die Ästhetik von dem Ganzen sein sollte. Und ähnlich ist es mit den Kostümen auch.

Wie gehen Sie auf Vorschläge ein, die von den Sängern kommen? Wie läuft da die Zusammenarbeit?

Das ist von Sänger zu Sänger verschieden. Es gibt Sänger, die von sich aus irrsinnig viel anbieten. Solange das in mein Konzept passt oder in mein Bild von Ästhetik … Ich meine, wir haben komische Talente, und ich fände es furchtbar, wenn ein Regisseur erst mal in diesem Bereich ein Talent unterdrückt und sagt: “Nein, nein, nein, das wird so und so gemacht.” Also ich lasse immer erst mal den Kollegen einen gewissen Vorlauf bei einer ersten Probe. Man redet so ein bisschen, und dann lasse ich sie mal loslegen. Dann versuche ich, die Angebote, die von den Kollegen kommen, in Bahnen zu lenken, wo wir alle gut damit leben können. Zum Beispiel im Bereich Komik kann es durchaus sein, dass mir der eine mal zuviel macht. Wenn ich dann sage: “Oh, das wird dann aber doch ein bisschen arg operettig!” – dann muss man ihn etwas einbremsen. Und auf der anderen Seite Darsteller, die (in Anführungszeichen) etwas seriöser sind, mal ermutigen, eine völlig bekloppte Figur zu spielen. Ich bin offen für jeden Vorschlag. Ich habe für fast alles eine Lösung – das ist auch mein Job. Aber oft haben andere Leute bessere Lösungen, und ich wäre ja völlig bescheuert, wenn ich nicht bessere Lösungen akzeptiere. Da muss man auch ganz uneitel sein. Wenn wir bei Heimatlos bleiben: hier habe ich eine wunderbare Kooperation mit unseren Solisten, zum Beispiel. Da habe ich das Gefühl, wir arbeiten Hand in Hand, wir sind auf eine Schiene gekommen und die fahren wir dann auch, und innerhalb dieser Grenzen arbeiten wir super zusammen. Das ist nicht immer so, aber im Augenblick ja.

Bei dem Musical Heimatlos ist ja das Junge Theater am Gärtnerplatz jtg dabei und das Seniorentheater stg und noch die Solisten …

Neben der Regie umfasst meine Arbeit hier am Gärtnerplatztheater ja auch alles, was mit Kindern, Jugendlichen und so weiter zu tun hat. Was jetzt passiert, ist eigentlich – ein Traum wäre vielleicht zuviel gesagt, aber: Es ist ein mögliches, erstrebenswertes Ziel, dass man zum Beispiel bei jtg und stg Generationen ein bisschen verbindet. Oder dass man durchaus auch sagen kann: Die Kids können profitieren, wenn sie zugucken: Hey, so machen das die Profis, so schnell können die was herstellen, wozu die Kids viel länger brauchen. Auf der anderen Seite: manchmal, wenn ich meine Jugendlichen sehe, mit welchem Einsatz die da herangehen, da kann sich ab und zu auch ein Profi was davon abschneiden. Da nehme ich mich persönlich auch gar nicht aus. Gerade wenn man den Beruf länger macht – Routine ist etwas Wunderbares, es kann aber auch eine erstarrende Routine sein, und da ist zum Beispiel für so einen alten Hasen wie mich das Zusammenarbeiten mit den Jugendlichen durchaus erfrischend. Natürlich sind die Profis gesanglich weiter, da brauchen wir gar nicht darüber reden. Aber das macht ja auch, finde ich, den Charme von so einer Arbeit aus. Wirklich, dass man lernen kann, dass man Ziele hat, dass man sagt: Hey, so möchte ich auch mal auf der Bühne stehen wie zum Beispiel Daniel Fiolka oder Milica Jovanovic. Also, es hat sich, denke ich, bewährt, und es gab vor allen Dingen auch keine Berührungsängste, keine Befindlichkeiten oder sowas seitens der acht Solisten vom Haus, die dabei sind. Könnte ja durchaus sein, dass … aber wir haben bei der Besetzung auch darauf geachtet, und ich habe jeden Kollegen, der mitspielt, gefragt: “Hast du Lust, dieses Abenteuer/Risiko mit den Jugendlichen einzugehen?” Also, es wurde keiner dazu verdonnert. Es hat auch ein Kollege abgelehnt, der wollte das nicht.

Bei dem Musical Heimatlos – gibt es da Besonderheiten, so wie es jetzt gestaltet ist?

Es ist sehr emotional, das Ganze. Der Stück-immanenten Gefühlsduselei versuche ich manchmal ein bisschen entgegenzuwirken, so dass es nicht kitschig wird. Ich finde, die Musik ist toll – das ist ja mit der Hauptgrund, warum ich dieses Stück ausgesucht habe: die Musik hat für mich fast “Les Miserables“-Qualitäten, durchaus ein bisschen was Bombastisches an manchen Strecken. Es hat eine tolle Mischung zwischen beschwingten und komischen Nummern, auch wirklich tollen Arien und tollen Chorszenen, und genau richtig dosiert Szenen, die man vertanzt. Was den Inhalt angeht: Man kann durchaus auch ein bisschen nachdenken bei dem Stück. Wenn ich sehe, der Kleine wird verkauft für 30 Francs. Ich denke automatisch, also ohne dass ich jetzt hinten einblende auf der Opera-Folie: “Arbeitende Kinder in Indien, die für den Westen Billig-Klamotten herstellen.” Also, wer will, der kann so Gedankengänge haben. Oder: was passiert mit einer Kinderseele? Was können da für Welten sich auftun? Wie kann man so ein zartes Pflänzchen Kind zertreten? Wie sind Kinder Spielbälle von anderen Interessen? Das wird alles nicht genau ausgesprochen. Wie gesagt, ich mache da kein modernistisches Theater, dass ich die Handlung jetzt nach Sri Lanka verfrachte oder so. Aber wer genau zuhört … Für mich ist das eine Werbung für: Geht gut mit Kinderseelen um. Gebt ihnen Heimat, gebt ihnen Liebe.

Es ist auch ein mutmachendes Stück. Es ist manchmal an der Grenze zum Kitsch, wie gesagt, aber: Was ist Kitsch? Ich meine: Eltern wissen, wie tief empfunden eine Liebe zu einem Kind sein kann. Und wenn dann plötzlich der Junge “bin vaterlos, bin mutterlos” singt und woanders bei Tieren und bei einem Komödianten, also einem Außenseiter der Gesellschaft eigentlich, wieder Liebe und Geborgenheit findet, das ist schon … Mir persönlich passiert es da immer wieder, dass ich durch die Stadt gehe und zum Beispiel das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern beobachte, und denke: “Hey, die waren ganz toll!” Theater kann da manchmal auch sensibilisieren, würde ich sagen. Das versuche ich dann auch zuzulassen. Das ist übrigens auch eine Art von Vorbereitung (um auf Ihre Frage zurückzukommen, wie ich mich auf Stücke vorbereite). Wenn ich zum Beispiel weiß: ich mache ein Stück über Umweltverschmutzung. Dann filtriere ich Informationen, die in den Nachrichten kommen oder die ich lese, die filtriere ich dann ganz anders. Oder wenn ich ein Stück mache, wo es um Krankheiten geht, sei es jetzt Aids oder – ich habe mal ein Stück über Alzheimer gemacht. Und plötzlich bin ich ganz anders wach, was so eine Problematik angeht. Was für mich dann auch zu der Vorbereitung für so ein Stück gehört. Das läuft teilweise unbewusst ab. Ich gehe dann durch die Stadt und denke da, also wenn es um Umweltverschmutzung geht: Hoppla, muss man denn mit diesem 8000 PS-Auto durch München fahren? Oder: Muss der so schnell an der Ampel anfahren, wo er da dreimal soviel Sprit verbraucht? So laufen auch meine Vorbereitungen ab. Neben der Arbeit am Schreibtisch gehört es auch dazu, mit einem veränderten Fokus durch die Welt zu gehen.

Sie haben ja viele Inszenierungen hier am Haus gemacht. Gibt es da eine, die Ihnen besonders gefällt oder besonders viel Spass gemacht hat?

Es ist immer – oder meistens – die aktuellste. Sagen wir mal, von meinem politischen Bewusstsein war es das Stück, das ich mit der Jugendgruppe gemacht habe: Ab heute heißt du Sara, oder auch was ich ganz am Anfang mit denen gemacht habe, dieses chorische Sprechstück Das Dreivierteljahr des David Rubinovicz oder die literarischen/musikalischen Programme, das war von meinem politischen Engagement her mein Lieblingsding. Oder wenn ich dann etwas mache wie Zauberer von Oz, sage ich: Hey, das ist gute Unterhaltung für die Familie, oder auch mal mit einem höheren Blödsinn umzugehen wie Die Piraten von Penzance, das habe ich auch irrsinnig gerne gemacht. Aber so richtige Favoriten habe ich jetzt eigentlich nicht, wohl auch, weil ich gerade in einer aktuellen Produktion bin. Vielleicht ist in zwei Jahren zurückblickend Heimatlos mein Lieblingsstück, das kann ich jetzt noch nicht sagen.

Welches Stück würden Sie denn gerne mal inszenieren? Gibt es da ein ganz spezielles Stück, wo Sie sagen: Das würde ich gerne mal machen!

Eines wird man mir höchstwahrscheinlich erfüllen: Als Gastvertrag 2014 ist zum Beispiel König Lear von Shakespeare im Gespräch. Ich habe schon Shakespeare inszeniert. Ich liebe Klassiker. Da sage ich sofort Ja. Ich liebe auch Stücke, die ein bisschen was mit anderen Theaterformen zu tun haben. Ich würde zum Beispiel irrsinnig gerne mal ein japanisches Stück inszenieren und mich da befruchten lassen von anderen theatralen Formen. Oder was ich auch immer gerne gemacht habe ist italienisches oder französisches Theater. Im Bereich Oper würde mich durchaus einmal interessieren, wie zum Beispiel jetzt unser Joseph Süß, mal einen Glanert zu machen. Auch mit der ein bisschen kaputten Musik (lacht). Gerade nach fünf Jahren Gärtnerplatztheater, wo ich ja immer versucht habe, auch eine gewisse Wahrheit in den komischen Stoffen zu finden, drängt es mich jetzt ein bisschen nach ernsthafteren Stoffen und nach “großen Tragödien”. Wobei es Stücke gibt, zu denen hat man Zugang – also wenn man mir jetzt den Sommernachtstraum anbietet, um bei Shakespeare zu bleiben. Oder, wie gesagt, König Lear oder Richard III, da sage ich: Mache ich sofort. Ich könnte zum Beispiel mit dem Kaufmann von Venedig nichts anfangen, da müsste ich Nein sagen. Beim Musiktheater geht es genauso. Ich mache auch gerne Operette. (Es gibt dann aber bestimmt ein paar Operetten, die wären mir einfach zu blöd.) Sowas wie das Rößl, in dem Bereich. Die Zirkusprinzessin, sowas würde ich auch gerne mal machen. In der Oper würde ich mich langsam auch mal an ein paar ernstere Stücke trauen – muss nicht Wagner sein. Verdi oder so. So allmählich. Aber Wunsch-Stücke – nun, es gibt Stücke, die ich nicht mache, sagen wir mal so, weil ich sie inhaltlich teilweise nicht mehr vertreten kann oder keinen Zugang dazu habe. Aber ansonsten – Man verliebt sich in jeden Auftrag, würde ich mal sagen. Das muss auch so sein. Wenn man ein Stück angeboten bekommt – jetzt wo ich wieder gastieren gehen muss – man muss ja das Stück dann lieben, und das tut man dann auch.

Können Sie uns schon einen kleinen Ausblick auf die nächste Spielzeit geben?

Ich werde Die Piraten von Penzance machen in Hof. Ansonsten bin ich mit ein paar Leuten noch in Verhandlungen. Wie gesagt, König Lear oder Vogelhändler. Ansonsten bin ich ganz banal am Bewerben und Job-Suchen. Regisseure gibt es ja wie Sand am Meer. Wenn es nicht über Beziehungen oder Kontakte geht, oder Glücksfälle … Wie gesagt, ich habe jetzt 30 Jahre fast durchgearbeitet. Ich bin arbeitssuchend, aber ein kleiner Sabbatical, eine kleine Pause tut mir auch ganz gut. Ich habe ziemlich rangeklotzt die letzten 13 Jahre, eben auch durch die Jugendarbeit, weil ich da ganz viele Sonntage und Wochenenden gearbeitet habe. Ich bin da nicht abgeneigt, einfach mal ein bisschen durchzuschnaufen. Gärtnerplatztheater war auch sehr anstrengend jetzt die Jahre. Aber wenn Sie einen Intendanten kennen, der Gastregisseure sucht, der darf sich ruhig bei mir melden.

Ja. Vielen Dank für das Gespräch!

Gerne!

(Das Interview wurde geführt am 9. März 2012 in München.)

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Interview mit Detlev Glanert

[singlepic id=1148 w=320 h=240 float=left]Sehr geehrter Herr Glanert, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns ein Interview zu geben. Sie haben die Oper Joseph Süß komponiert. Würden Sie uns als erstes etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?

Ich bin 1960 in Hamburg geboren, habe keinen sonderlich musikalischen Elternhaushalt gehabt – eher bildungsbürgerlich, mein Vater war einer, der ein Abonnement an der Oper und fürs Konzert hatte, wie sich das damals gehörte. Das hat mir wunderbar gefallen. Ab dem ersten Moment, wo er mich in die Oper mitgenommen hat – ich glaube, es war die Zauberflöte – bin ich dem verfallen gewesen. Meine zweite Oper war übrigens Die Soldaten von Zimmermann, die ich damals so schrecklich fand, dass ich sechsmal hingegangen bin. Und seitdem habe ich es geliebt, bis heute, es ist ein grandioses Werk. Ich habe dann in der Schule das Glück gehabt, zwei sehr gute Musiklehrer zu haben, die mich sehr förderten. Ich habe selber aber kein Instrument gespielt, bei uns zuhause gab es keinen Platz für ein Klavier, und habe dann mit Trompete bei der Feuerwehrkapelle angefangen. Später habe ich dann auf Tenorhorn gewechselt, aber in der Schule lernte ich dann mein Hauptinstrument: Kontrabass. Damit war ich dann auch im Schulorchester und in diversen Jugendorchestern tätig, vor allen Dingen im Hamburger Jugendorchester. Das ist gar nicht mal so unwichtig, weil ich von dieser praktischen Seite ein Orchester von innen kennengelernt habe. Wie das zusammenhängt, wie das funktioniert, wie Instrumente gehen, wo die Spieler Mühe haben und wo die Spieler sehr einfach Dinge produzieren können. Und gleichzeitig – so mit elf, zwölf, glaube ich – habe ich angefangen, zu komponieren. Die ersten Aufführungen fanden mit dem Schulorchester statt. Mein Vater hat mich dann prüfen lassen, ob das einen Studiengang wert ist, und der Prüfer hieß Diether de la Motte, da war ich fünfzehn. Er hat das nicht nur positiv entschieden, sondern hat auch gesagt, daß ich das Studium später bei ihm beginnen könnte. So habe ich das große Glück gehabt, bei Diether de la Motte einsteigen zu können in die Welt der Komposition. Das war ein wunderbarer Lehrer für den Beginn. Er ging dann weg aus Hamburg. Später bin ich dann zu Henze gegangen, auf Anraten von einem guten Freund. Bei Henze war ich dann tatsächlich vier, fünf Jahre.

 

Jetzt zu dem Joseph Süß. Das war ja ein Auftragswerk. War damals festgelegt in Bremen: speziell dieses Werk? Oder konnten Sie da frei entscheiden? Oder war das ein Vorschlag vom Haus?

Das war eine sehr lustige Geschichte, die auch der Intendant von damals, Herr Pierwoß, sehr gerne erzählt. Und zwar hatte ich aus purem Zufall fünf Jahre vorher das Buch von Feuchtwanger gelesen und war begeistert, gerade von diesem dramatischen Sog, den dieser Roman hat, und ich dachte mir: das wäre doch phantastisch, wenn man einen solchen Sog auf die Bühne bringen könnte, der von A nach Z wirklich in einem durchgeht, mit einem Thema, das uns alle angeht. Und dann rief mich der Herr Pierwoß an und fragte, ob ich Lust hätte, eine große Oper zu schreiben, und ob wir uns mal treffen sollten. Das haben wir gemacht, und dieses Gespräch dauerte, glaube ich, zwei Minuten. Er fragte mich nämlich, ob ich Lust hätte, Joseph Süß zu machen, und ich habe Ja gesagt. Ab da haben wir nur noch Rotwein getrunken. All der Rest, also das Honorar, die Librettofrage und so weiter, die kamen später. Das war das kürzeste Auftragsgespräch, das ich je hatte.

 

Wie kam Joseph Süß dann hier ans Gärtnerplatztheater in München?

Das hat vielfältige Gründe gehabt. Das Stück wurde ja in Bremen uraufgeführt, kam dann nach Regensburg und dann nach Heidelberg, das war die dritte Inszenierung. Dann ist es eine ganze Weile nicht gespielt worden. Plötzlich gab es drei Inszenierungen hintereinander weg: Trier, Krefeld und Mönchengladbach, München. Guy Montavon und Ulrich Peters haben, glaube ich, unabhängig voneinander das Stück kennengelernt, ich weiß aber nicht, wo, das kann ich nicht sagen. Sie wussten aber über das Stück erstaunlich gut Bescheid. Vielleicht haben sie es in Regensburg oder in Heidelberg gesehen. Dann kam Roger Epple ins Spiel – er war ja der Uraufführungsdirigent von Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung zwei Jahre später in Halle – zu dem ich sowieso einen sehr guten Draht hatte, er kannte das Stück vom Lesen. Nun wollte es eben der Zufall, dass Peters, Montavon und Epple eine Konkordanz gebildet haben hier am Gärtnerplatztheater. Das war zuerst für Freischütz, Epple und Gärtnerplatz; Montavon und Epple haben aber auch schon andere Produktionen zusammen gemacht. Nun hat Peters Montavon eingeladen, Montavon fragte Peters nach einem Dirigenten, und der sagte: Epple. Und dann kam sehr schnell mein Stück ins Spiel. Das sind diese kommunizierenden Röhren.

 

Welche Besonderheiten gibt es gerade in Joseph Süß?

Besonders finde ich die Struktur der Erinnerung: Die Setzung des Librettisten Werner Fritsch ist gewesen, dass wir die Quasi-Realzeit vor der Hinrichtung im Kerker erleben, und dieser Kerker ist erfüllt mit Erinnerungen an das Vergangene und letzten Besuchen, Leute, die ihn im letzten Moment retten wollen oder Verhöhnungen, wenn zum Beispiel der Herzog mit dem Schlaganfall noch einmal kommt. Beide Zeitstränge werden dann zusammengeführt in dem Punkt der Hinrichtung. Das war die Grundidee, und so eine strikte Dramaturgie hatte ich noch nie, in dieser Strenge. Das fand ich für einen Einakter eben ganz fabelhaft.

 

Und musikalische Besonderheiten?

Ich wollte eine Art eigene Barockmusik erfinden und habe darum das Orchester ausgedünnt und alle “weichen” Instrumente entfernt. Dahinter steht noch eine Phantasie: Ich hatte mir ein Orchester vorgestellt nach dem Arbeitsverbot für Juden 1935. Die deutschen Orchester hatten große Schwierigkeiten, die Lücken zu füllen. Es ist also tatsächlich ein gewollt lückenhaftes Orchester. Jede Rolle hat ihren eigenen Klangbereich: der Herzog ist immer mit Trompeten und Posaunen versehen, das steht für seine militärische Brutalität. Er war ja als Herzog gar nicht vorgesehen, aber sein Bruder starb viel zu früh, und er ist ja sozusagen vor Belgrad auf den Schlachtfeldern groß geworden und dort sozialisiert worden. Magdalena ist begleitet mit Oboen, Englisch-Horn, Melancholie … sie und Süß bilden das einzig wahre Liebespaar. Naemi, die Tochter von Süß, hat sehr durchsichtige, fast ätherische Klänge, es sind nur Flageoletts und Vibrafon mit Bogen gestrichen. Ich habe mir da ein ganz zartes Mädchen vorgestellt, das also gerade auf dem Weg zur Pubertät ist, also fast noch gar keinen Körper hat. Das sind Beispiele, wie ich mit musikalischen Charakterisierungen versucht habe zu arbeiten.

 

Die Anmerkungen von Ihnen, wie Sie sich eine Inszenierung ihrer Oper vorstellen – geben Sie da den Regisseuren vorher Tipps, oder überlassen Sie das erst mal ganz dem Regisseur?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich habe natürlich eine genaue Vorstellung, wie meine Opern aussehen sollen, aber diese Vorstellung ist irreal, sie ist quasi nicht zu realisieren. Das kommt auch aus Traumbildern und anderen Vorstellungen. Auf der anderen Seite habe ich eine ganz allgemeine Idee, wie eine Oper auszusehen hat; das kommt durch meine persönliche Sozialisierung, ich bin geprägt worden an der Hamburgischen Staatsoper in den Siebzigern und Achtzigern und an den Berliner Opern. Dann gibt es eine dritte Ebene, das ist die akustische, und eine vierte Ebene, das ist die dramaturgische. Die akustische Ebene ist ein ganz großes Problem. Denn Sie wissen genau: Wenn man Sänger nach hinten singen lässt, oder sie hinten stehen hat, versteht man nichts mehr. Manchmal haben Regisseure dieses unglaubliche Händchen, die lautesten Stellen, die kompliziertesten Stellen genau da hinten zu inszenieren, und ich weiß nicht, woher das nun wieder kommt. (Lacht.) Das sind so Sachen, da greife ich ein, indem ich darüber rede, denn ich habe ja kein Befehlsrecht. Und die vierte, die dramaturgische Ebene, ist für mich die des Timings und der erzählerischen Klarheit, des wirklich präzisen Erzählens. Ich behaupte nicht, dass jeder im Publikum sofort alles verstehen muss, aber es muss die Möglichkeit geben, es zu dechiffrieren. Für meinen Geschmack neigen viele Regisseure dazu, Generalpausen und Zäsuren zu überdehnen, weil sie da Morgenluft wittern für das sogenannte freie Spiel. Deshalb achte ich sehr darauf, dass es keine Spannungsabfälle gibt. Solche Dinge finde ich wichtig, vor allem diese vier Punkte.

 

Wie ist das, Ihre Zusammenarbeit, wenn Sie bei den Proben dann selber da sind, mit Dirigent und Orchester? Wenn man sich nicht so gut kennt wie jetzt?

Ich lerne den Dirigenten viel früher kennen als das Orchester und beruhige sie meist gleich beim ersten Treffen, dass ich kein “Dazwischenbrüller” bin, der die Proben stört. Ich schreibe während der Probe Zettelchen, viele kleine Zettelchen, und in der Pause, oder wenn eine größere Umbau-Unterbrechung ist, gehe ich kurz nach vorne und bespreche mich mit dem Dirigenten. Das betrifft dann immer drei Gruppen: Es betrifft den Dirigenten selber, das machen wir unter vier Augen, da geht es um Tempo-Fragen, Übergangsfragen. Es betrifft die Sänger, das mache ich dann separat, oft mit den Assistenten. Und dem Orchester kann man sicher bei irgendwelchen Umbaupausen immer rasch Sachen mitteilen. Zum Beispiel hat das Gärtnerplatztheater eine sehr spezielle Akustik und einen relativ lauten Graben. Da muss man ein bisschen dämpfen, und ich habe auch ein paar Instrumente aus der Partitur herausgenommen oder dynamische Zeichen geändert.

 

Das ist ja auch schwierig mit der Seitenloge, der Klang da.

Das ist schwierig. Das finde ich ein bisschen schade, ich hätte mir die Bühnenmusik tatsächlich auf der Bühne gewünscht. Aber mal gucken, vielleicht kann man das in Münster oder in Erfurt noch nachholen, vielleicht haben die nutzbare Seitenbühnen, die es am Gärtnerplatztheater nicht gibt.

 

Sie haben die sechs Produktionen schon angesprochen. Waren die sehr unterschiedlich von den Auffassungen?

Eine habe ich nicht gesehen, aus Zeitmangel, das war die in Trier. Aber nach den Fotos zu urteilen waren sie vollkommen unterschiedlich, alle sechs. Sie haben manchmal merkwürdigerweise gleiche Elemente, auf die sind alle sechs Regisseure gekommen. Aber es freut mich sehr, dass die Produktionen so unterschiedlich sind, weil offensichtlich jeder Regisseur etwas fand, was seine Phantasie belebt hat. Es gab alles, von ganz realistisch bis ganz streng. Die hier am Gärtnerplatztheater ist relativ realistisch, ähnlich wie in Heidelberg. Aber es ist immer ein sehr sehr tolles Phantasiebarock herausgekommen. Nicht ein Barock wie wir es uns gewöhnlicherweise vorstellen, sondern eine düstere Zeit, eine wilde Zeit, auch eine gefährliche Zeit – wo sehr, sehr reich und sehr, sehr arm sehr eng zusammen leben müssen.

 

Was für einen Stellenwert hat die moderne Musik in Deutschland? Wie würden Sie das überhaupt einschätzen im Moment?

Sie hat noch einen – knapp. Sie hat nicht mehr den, den sie mal hatte, aber eben mehr als in anderen Ländern. Das merke ich an so vielen ausländischen Kollegen, die hierherkommen, weil sie nur in Deutschland Operninszenierungen bekommen. Ich wünschte mir manchmal, moderne Musik hätte hier den Stellenwert wie in England. Die Engländer haben einen viel freieren Zugang zu neuer Musik, weil sie vermutlich viel weniger Traditionen haben. Auf der anderen Seite sieht man dann Länder wie Frankreich und Italien, wo die Kollegen fast alle längst längst aufgegeben haben. In Frankreich vielleicht gibt es noch hie und da etwas, aber die italienischen Kollegen sind fast alle hier. Jemand wie Battistelli hat viele seiner Uraufführungen in Deutschland. Bei dem von mir geleiteten Festival “Cantiere Internazionale” in Montepulciano haben wir 2010 die italienische Erstaufführung von Sciarrinos Luci Mie Traditrici gemacht, was fast ein Skandal war, weil das Stück nämlich schon elf Inszenierungen gehabt hat, aber alle in Deutschland. In Italien lief es nie. Das sind so Zeichen…

In Deutschland ist noch Interesse da, aber das Überleben moderner Musik ist auch verknüpft mit den Apparaten. Und Deutschland ist dabei, auf vielfältige Weise seine Orchester und seine Theater abzuschaffen. Mit kleinen Sticheleien: da ist diese traditionelle Anbindung an die Kommunen, die alle schlecht dastehen durch die mangelnden Gewerbesteuereinnahmen. Es ist die sehr komplexe Anbindung des Theaterpersonals an den öffentlichen Dienst. Jetzt sind ja gerade wieder Verhandlungen. Wir hatten gestern ein großes Streitgespräch gehabt über die Frage, bei welchem Prozentsatz Steigerung wieder zehn Theater zumachen müssen. Es haben gestern auch zu meiner Überraschung, auch zu meiner Freude, viele auch für die Anbindung an den öffentlichen Dienst plädiert, weil sie sagen, das würde überhaupt dieses Theatersystem noch schützen. Aber Sie wissen genau, dass innerhalb der deutschen Theater eine riesige Schere geöffnet ist: von geschützten Bereichen wie Chor und Orchester zu völlig ungeschützten Bereich wie Solisten und Assistenten. Aber noch lebt es. Und ich glaube, das ist die Verpflichtung meiner Generation, und auch wahrscheinlich Ihrer Generation: das Musiktheater mit allem Feuer am Leben zu erhalten. Denn es ist eines der schönsten Dinge, die wir geschenkt bekommen und geerbt haben. Das haben uns 400 Jahre zugespielt. Ich finde ja, es ist bis heute eine der grandiosesten Erfindungen der Menschheit. Eine reine Utopie, denn die Oper ist ja erfunden worden, indem man Text, Bild, Gesang, Tanz zusammenbringt. Ich finde, es gibt nichts Heutigeres, weil es so unglaublich innovativ ist: Wir verhandeln uns auf der Bühne immer selbst, auf naiver, kindlicher und sehr hoher Intelligenzebene. Gleichzeitig. Das ist unübertrefflich.

 

Sie haben jetzt zehn Jahre den Status als Hauskomponist in Amsterdam bei Concertgebouw.

Ich kenne die Amsterdamer schon von früher, und da gab es eine Aufführung von meinem Orchesterstück Theatrum Bestiarum . Und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe mich mit dem Orchester sofort verstanden. Dann kamen noch andere Aufführungen. Vor einem Jahr oder zwei hat mich die Intendanz gebeten, sehr feierlich, mal vorbeizukommen, als ich in Amsterdam war: sie haben mir eröffnet, dass sie gerne mit drei Komponisten eine längerfristige Zusammenarbeit wollen, die zehn Jahre dauern soll. Und das ist natürlich ungeheuerlich, so etwas habe ich noch nie gehört. Sie haben mir auch sehr klar erklärt, warum: Ein oder zwei Jahre sind zu wenig, um eine Entwicklung zusammen durchzumachen. Von den Dreien bin also einer ich, und das ist grandios. Sie haben mir fünf Aufträge gegeben, verteilt über die Jahre, und spielen auch noch meine alten Sachen.

 

Es geht um Orchesterwerke – ?

Orchesterwerke, auch Chorwerke, auch Konzertwerke, und es sind verschiedene Solokonzerte im Gespräch.

 

[singlepic id=1147 w=320 h=240 float=right]Da hat man ja viele Möglichkeiten. Kammermusik auch?

Kammermusik hat das Concertgebouw auf privater Ebene mit mir arrangiert; nach den Proben kamen einige Musiker zu mir und fragten: “Haben Sie nicht dies? Haben Sie nicht das?” – Ich schreibe jetzt etwas für die Blechbläser zu ihrem Jubiläum. Es gibt dort einen bezaubernden Posaunisten, Jörgen van Rijen, der leitet das und hat das eingefädelt.

 

Und sonst noch ein Ausblick auf die nächste Zukunft?

Die sieht bei mir glücklich aus, muss ich sagen. Also, sehr viel Oper, es wird fast alles nachgespielt. Es geht auch ins Internationale, das freut mich. Jetzt kommt Österreich mit Nijinskys Tagebuch in Linz, in Koproduktion mit Bregenz. London kommt im Mai mit Caligula. Danach gibt es in Bregenz die Uraufführung von Solaris, in Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin. Das sind alles sehr, sehr erfreuliche Aussichten. Ich habe viele Anfragen – ich kann gar nicht so viel ablehnen. Also, man fühlt sich wohl, wenn man gefragt wird. Und ich kann Ihnen auch gleich sagen: Es war nicht immer so. Die ersten 10, 15 Jahre sind mager für jeden Komponisten heutzutage.

 

Ja. Vielen Dank für das Gespräch!

Ich danke Ihnen!

 

(Das Interview wurde geführt am 2. März 2012 in München.)

 

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Interview mit Wolfgang Schwaninger

[singlepic id=1139 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrter Herr Schwaninger, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview. Würden Sie uns als erstes etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Ja. Ich bin ja mittlerweile – ich glaube 16 – oder sogar im 17. Jahr jetzt in meiner beruflichen Tätigkeit. Seit fünf Jahren bin ich nunmehr freischaffend, das heißt, innerhalb und außerhalb Deutschlands viel unterwegs. Ich habe vor fünf Jahren diesen Fachwechsel vollzogen und habe seither im Bereich Wagner etliches gesungen. Das ist also auch mein Schwerpunkt: Strauss, Wagner, und dann Ausflüge in andere Bereiche wie zum Beispiel Mahagonny, Weill, oder auch den Alba in Lulu singe ich sehr gerne. Mein Wirkungskreis hat sich die letzten Jahre auch ein bisschen weiter erstreckt, also ich bin jetzt auch viel im Ausland unterwegs. Es ist alles, wie jetzt gerade in dieser Situation, oft auch eine stressige Angelegenheit, gerade wenn man auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist. Ich habe also morgen noch einen Lohengrin, da habe ich schon etwas Bedenken, ob ich den morgen um 18.00 Uhr auch wirklich heil und gesund erreiche. Da müssen Sie mir ein bisschen die Daumen drücken.

Das machen wir. – Sie waren ja zehn Jahre Ensemblemitglied am Gärtnerplatztheater. Welche Erinnerungen haben Sie denn heute noch an diese Zeit?

Ich bin ein sehr großer Fan des Gärtnerplatztheaters. Ich bin ein Fan des Ensembleprinzips und bin sehr traurig darüber, dass nicht nur das Ensemble in den letzten 14 Jahren stark verkleinert worden ist, sondern dass es jetzt, nun ja, ganz danach aussieht, als ob man sich auch nach dem Umbau vom Ensemblegedanken komplett verabschiedet. Ich empfinde das als riesengroßen Verlust. Ich selber habe als junger Sänger sehr davon profitiert, und ich denke, das Publikum auch: Einen festen Stamm von bekannten Gesichtern und Sängern auf der Bühne zu erleben in verschiedensten Rollen. Ich finde dieses System erhaltenswert und bedauere das zutiefst. Ich wünsche dem Theater alles erdenkliche Gute und habe nur angenehme Erinnerungen an diese lange Zeit.

In dieser Zeit haben Sie viel Oper und natürlich auch Operette gemacht. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Oper und Operette?

Von der musikalischen Seite her sind natürlich die Anforderungen an einen Opernsänger insofern komplexer, als dass es sich um schlicht die kompliziertere Musik handelt. Das heißt, es ist ein höheres Maß an Vorbereitung und ein höheres Maß auch an intellektueller Auseinandersetzung mit dem Werk nötig. Aber rein stimmlich gesehen sind viele Werke in der Operette sehr anspruchsvoll. Man denke nur an Lehar, beispielsweise. Gerade wenn wir bei Lehar bleiben: Ein Sou-Chong ist einfach schwer zu singen, Barinkay genauso. Auch Künneke ist durchaus stimmlich sehr anspruchsvoll, und nicht ohne Grund gab es eben diese typischen Karrieren wie zum Beispiel Siegfried Jerusalem, die auch mit Operette begonnen haben – nicht nur Rene Kollo, auch Siegfried Jerusalem hat sehr, sehr viele Operetten gesungen, sehr viele Einspielungen auch gemacht. Die Voraussetzungen an einen Tenor sind groß im Operettenfach, und deswegen ist es eine solide Grundlage für das deutsche Fach. Da die Operette aber nur ein absolutes Nischendasein noch führt und auch kaum mehr in einer Form aufgeführt wird, wo man sich wirklich ganz dem Sujet anvertrauen kann als Sänger, sondern sehr vieles abstrahiert wird oder auf eine ganz und gar andere Weise entgegen der Musik inszeniert wird, ist es heute leider nicht mehr so. Ich gebe der Operette deswegen keine große Zukunft. Ich glaube, das werden vielleicht noch drei Stücke sein, die da irgendwann mal gespielt werden. Wenn man nicht wieder den Aufführungscharakter ändert. – Eher wahrscheinlich wird man den ändern. Aber wir haben ja immer noch mit dem Regietheater zu tun; ich bin sehr gespannt, was da kommt. Da sind wir ja alle ganz hoffnungsfroh, dass es da etwas andere Ideen gibt in der Zukunft.

Wie bereiten Sie sich auf eine Rolle vor? Ist das unterschiedlich, oder …

Nein, eigentlich ist es so: Neben der einfachen Tatsache, dass es immer schnelllebiger wird und es immer noch sehr viele Rollen gibt, die ich also neu lernen muss, wie zum Beispiel jetzt gerade den Peter Grimes, den ich zum ersten Mal in Münster mache, bedeutet das, je nachdem, wann man engagiert worden ist – ich sage schnelllebig, weil: sehr oft geschieht es heute, dass man ein paar Monate vor der Premiere noch gefragt wird, ob man noch Zeit hat. Das gab es früher nicht in der Häufigkeit; heute ist es gang und gäbe, auf den letzten Drücker Sänger zu engagieren. Das heißt, wenn man die entsprechende Zeit dafür hat, nimmt man sich mit seinem Klavier zuhause das Stück vor, später dann mit seinem Korrepetitor, dem Gesangslehrer, der Bibliothek setzt man sich hin, indem man begleitende Literatur eben auch nebenher liest, und beginnt dann, sozusagen die Noten zu fressen und sich hineinzuknien. Je nachdem, wie lange man Zeit hat – (lacht) oft muss man auch das eine oder andere überspringen – erscheint man irgendwann zu den Proben, und spätestens dann sollte man in der Lage sein, das einmal von vorne bis hinten durchzusingen. Also, ich halte ehrlich gesagt nichts davon – es gibt Kollegen, die sagen: “Ja, ich brauche mindestens zwei Jahre für eine Partie.” Ich muss sagen: ich kann das nur bewundern, wenn man das so systematisch vorbereiten kann. Ich habe nicht die Zeit dazu, beziehungsweise es ist so schnelllebig, dass ich jetzt nicht wüsste, dass ich in zwei Jahren Tannhäuser singe. Kann ich jetzt noch nicht sagen. Insofern gilt auch hier, was vielleicht in allen Berufen gilt: Es ist alles etwas hektischer geworden, das heißt, man muss auch hier schnell sein, schnell lernen können. Man darf sich nicht wundern, dass etwas an einem vorübergeht, wenn man sagt: “Nein, da habe ich nicht genug Zeit dazu.” Das kann man sich auch nicht erlauben.

Nun zu Mahagonny. Sie singen in Mahagonny den Jim Mahoney. Fanden Sie es schwierig, sich in diese Rolle einzufinden?

Nun, den Jim Mahoney singe ich jetzt mittlerweile hier am Gärtnerplatz im dritten Jahr, glaube ich. Das ist jetzt hier noch mal eine Serie von fünf Vorstellungen, dann ist das Stück abgespielt. Ich komme gerade aus Tel Aviv, wo ich auch den Jim Mahoney gesungen habe, in einer großen Produktion dort. Es ist mittlerweile das fünfte Mal, dass ich den singe, und ich muss sagen, ich habe also schon einiges an Erfahrung gesammelt, und deswegen fällt der Jim Mahoney mir nicht schwer. Im Gegenteil, der ist ein Charakter, der mir sehr ans Herz gewachsen ist. Also, es ist eine Rolle, die mir, denke ich, sehr gut liegt, und die mir auch immensen Spaß macht, weil es ein Werk ist, eine Rolle, welche sehr, sehr viele Schichten aufzeigt, von denen man dann in jeder neuen Begegnung mit dem Werk als Sänger wieder neue entdecken darf. Und das ist ganz außergewöhnlich schön: eben nicht einen Abschluss zu finden, sondern immer wieder neue Farben da herauszuholen aus dem Werk. Und auch die Regisseure sind immer sehr erstaunt darüber, wie dieses Stück erstens so wunderbar auf unsere Zeit paßt und wunderbar, wie ich jetzt auch erleben durfte, zum Beispiel nach Tel Aviv paßt, aber genauso in eine Metropole wie Istanbul, wie wir im Sommer mit unserem Gastspiel dort dem türkischen Publikum beweisen durften.

Wie waren die Reaktionen in Istanbul?

Das Publikum war äußerst aufmerksam und äußerst wohlwollend. Wie ich aus den Kritiken auch entnommen habe, waren sie von der Inszenierung, von der Art und Weise, wie wir das dargeboten haben und wie wir das vor allen Dingen auch umgesetzt haben in einer Freilichtbühne am Bosporus, sehr angetan. Das freut mich, denn dieses Stück ist es wert, überall auf der Welt gespielt zu werden.

In Tel Aviv war es wahrscheinlich ein Wagnis, oder?

In Tel Aviv ist es natürlich insofern … da möchte ich nicht sagen: Wagnis, aber es handelt sich um ein Stück, das auf Deutsch gesungen wird. Das stellt natürlich auch eine Herausforderung dar, mit der Übersetzung, mit den Übertiteln, mit der Vorbereitung, wie man an das Publikum herantritt, damit man diesen doch recht spröden, deutschen, tiefsinnigen und typisch in Brechtscher Manier aufgebrochenen Text richtig versteht. Das ist die große Kunst – man merkt gerade im Ausland, wie sehr Brecht und auch Weill, natürlich, obwohl er sich ja überall stilistisch bedient hat … da sind ja Elemente sowohl des Jiddischen drin als auch Elemente des Jazz als auch Zitate aus der Klassik … also, obwohl man es mit so einem Kosmopoliten zu tun hat wie Weill, ist es in der Deutung dermaßen typisch deutsch, würde ich mal sagen, dass das nicht jeder versteht. Auch den Brechtschen Geist versteht nicht jeder, und gerade diese textlichen Andeutungen, merke ich, muss man sehr, sehr dem Publikum deutlich und transparent machen. Das ist so ein Stück, welches wirklich so aufgeführt werden muss, dass die Kerngeschichte deutlich hervortritt, in ihrer ganzen Härte auch. Da hilft es nicht, auf der einen Seite eine Revue daraus zu machen – und auf der anderen Seite auch nicht irgendein anderes Stück, wie gerade zum Beispiel in Augsburg geschehen.

In Tel Aviv hatte ich es zu tun mit einer sehr aufwendigen, von Video und Licht her immens teuren und wertigen Geschichte. Interessant war, dass wir während der Produktion, das ganze Regieteam und das ganze Haus eben, genau das feststellten, was ich eben angesprochen habe: dass das eben kein Musical ist, dass das kein irgendwie gearteter Zwitter ist zwischen Oper und Unterhaltung, oder Oper und Operette oder Musical, sondern es ist eine Oper. Ich möchte es jetzt nicht musikwissenschaftlich begründen, ich möchte es vom Anspruch her begründen und von der Art und Weise, was für eine Aussagekraft dieses Stück hat. Und das würde ich mir wünschen, dass wir mehr Stücke dieser Art hätten, die auf so aktuelle Themen, die uns draußen bewegen, auch wirklich eine Antwort haben oder zumindest ein Statement abgeben. Das wurde dort im Laufe der Proben zum Glück erkannt, und deswegen war es auch für die Tel Aviver Oper, die Israel Opera, ein großer Erfolg.

Wie viele Freiheiten hatten Sie hier bei der Interpretation, bei der Produktion hier am Gärtnerplatztheater?

Ich hatte das Glück, dass der Regisseur, Herr Schulte-Michels, in mir einen Partner gesehen hat, mit dem er die Rolle entwickelt hat. Ich muss sagen, dass ich ihm da sehr dankbar bin, weil er nämlich sehr viele neue Akzente gegeben hat, mir aber im Gegenzug auch die Freiheiten gelassen hat, um das aus der Rolle herauszuholen, was ich denke, was drinsteckt. Insofern gibt uns der Erfolg ja auch recht: es ist ja sehr gut aufgenommen worden hier. Es ist ein, möchte ich sagen, ein Weill und Brecht angemessen wüstes Spektakel, das aber seine Unterhaltung hat. Ich sage das noch mal: ich möchte die Musik von Weill nicht in irgendeiner Weise schmälern, aber sie illustriert eben, sie steht begleitend zu dem Text. Das ist eigentlich das Wichtigste in diesem Stück, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Ich würde sagen, das ist ein Stück, das man wegen dem Libretto aufführt und weniger wegen der Musik, obwohl ich das nicht schmälern möchte, aber sie steht im Dienst dieser Aussage.

[singlepic id=1131 w=240 h=320 float=right]Jim hat Freunde, die ihm nicht helfen, nimmt das aber so hin. Glauben Sie, er hätte sich umgekehrt genauso verhalten?

Jim gehört zu der Spezies, die eine innere Entwicklung durchmachen. Jim Mahoney ist so etwas wie ein umgekehrter Messias. Wir haben ja massenhaft Zitate aus dem Alten und Neuen Testament in einer natürlich umgekehrten und fast schon karikierten Fassung. Und er ist derjenige, der ja auf die Schwächen eines Systems aufmerksam macht, eine Idee einer Revolution hat und daran kläglich scheitert am Ende. Ich glaube, dass er sich natürlich genauso verhalten hätte, als er noch Teil des Systems war. Er ist kein besserer Mensch als die anderen, er hat nur im entscheidenden Moment eine Idee, und alle folgen ihm. Und sein Problem ist, in seinem Konstrukt hat er eines vergessen; er hat vergessen, das Geld abzuschaffen. Weil: in seiner anarchischen Weltideologie stimmt alles, das ist richtig, aber er übersieht, dass das Geld die entscheidende Rolle spielt. Das ist sein Fehler, der ihn dann schließlich das Leben kostet. Ich glaube, eine aktuellere Aussage als diese kann ein Stück im Moment nicht haben, oder? Aber hätte er diese Katharsis sozusagen nicht durchgemacht, hätte er sich mit Sicherheit genauso konform verhalten, wie alle anderen es auch tun.

Er liebt Jenny, die ihm auch nicht hilft, obwohl sie weiß, dass sie ihn vermissen wird. Warum versucht er nicht, sie zu überreden?

Weil er weiß, dass es zu Ende ist, und er weiß auch, und sie sagt das auch in ihrem Lied: “Du hast mir doch gesagt: Denn wie man sich bettet, so liegt man … Und wenn einer tritt, dann bin ich es; wird einer getreten, bist du’s.” Und sie war eine gelehrige Schülerin. Er gibt ihr recht und sagt am Ende: “Ja, du hast recht, das ist das, was ich gesagt habe, und du bist nur dem gefolgt.” Jetzt kann man mal dahingestellt sein lassen, ob das nur eine Parabel ist, oder ob sie tatsächlich kein Geld hat, oder ob sie einfach in ihrer Welt dieses Gefühl nicht aufbringen kann. Dass sie ihm nicht hilft, ist aber absolut logisch und folgt genau den Gesetzen, die Jim Mahoney selber aufgestellt hat. Insofern kommt er zwar am Ende zu der Überzeugung, dass es wohl ein Fehler war, aber er hat schließlich keine Variante. Und er sagt nicht: “Es war ein Fehler, dass ich das vorgeschlagen habe.” – sondern er sagt nur fatalistisch: “Das Leben ist so kurz, genieße es.” Das ist in sich wieder eine Kapitulation und eigentlich noch mal ein ganz bitter-sarkastischer Hinweis darauf, dass sich wieder einmal nichts geändert hat.

Zum Abschluss unseres Gesprächs – könnten Sie uns noch einen Ausblick auf diese Spielzeit geben, was jetzt noch kommt, und was Sie so in der nächsten Spielzeit machen?

Im Moment bereite ich den Peter Grimes vor, der wird Ende März in Münster Premiere haben. Dann singe ich den Hüon in Oberon, ebenfalls in Münster. Das ist auch das erste Mal, dass ich mit dieser Rolle zu tun habe. Dazwischen habe ich einige Gastspiele, da sind etliche Lohengrin und hier am Gärtnerplatztheater noch Mahagonny. Da sind jetzt auch Planungen, über die ich jetzt noch nicht reden kann, aber es gibt an größeren Häusern Planungen für Fidelio, also für den Florestan einmal wieder. Ich werde im Jahr 2013 Tote Stadt dann wieder machen in Innsbruck. Ich werde Walküre in Taipei aufführen. Dazwischen wird sich das jetzt noch füllen mit verschiedenen anderen Sachen. Wie gesagt, es sind ein paar Sachen in der Schwebe, über die ich noch nicht reden kann, aber ich werde weiterhin fleißig sein – also mein Terminkalender ist gut gefüllt.

Sehr schön! Herzlichen Dank für das Gespräch, und alles Gute!

Ihnen auch! Danke schön!

(Dieses Interview wurde geführt am 18. Februar 2012 in München)

 

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La Traviata, 26.02.2012, BSO

In der Inzenierung von Günter Krämer haben in den letzten 19 Jahren viele Sänger ihr Rollenportrait gezeigt. Nun waren zwei neue an der Reihe, und ein Sänger, der über 20 Jahre nicht an der Bayerischen Staatsoper gesungen hatte. Der siebzigjährige Leo Nucci überzeugte in der Rolle des Vater Germont. Er stattete die Rolle mit Ausdruck und Klarheit seines Baritons aus, verlieh dem Vater die nötige Persönlichkeit und ein eigenes Profil. In der Rolle des Alfredos war der Tenor James Valenti zu hören, mit schöner Stimme, und er klang bis in die Höhen am ganzen Abend nicht einmal angestrengt. In der Darstellung hielt er sich an die Anweisungen des Regieassistenten, und das Publikum sah einige der alten Operngesten.

Die Sopranistin in der Titelrolle hatte es schwer bei so vielen und legendären Vorgängerinnen, wie z.B. Cristina Gallardo-Domas, Angela Gheorghiu und Anja Harteros. Ihre große und nicht gut sitzende Stimme hatte in ihrer Arie im ersten Akt Ungenauigkeiten und Intonationschwächen. In den Folgeakten wurde es etwas besser, vor allem im Duett mit Vater Germont. Diese Stimme ist zu groß, und es fehlt an Linie. Als Schauspielerin hatte die Dame mehr zu bieten. Nach dem etwas überdrehten ersten Akt gelang ihr der Wandel zur ehrlich Liebenden.

Bleibt noch der “Neuling” am Pult des Bayerischen Staatsorchesters. Der ungarische Dirigent Henrik Nánási führte das Orchester zu einer guten Abendleistung. Bei den zarten Vorspielen beeindruckten die Musiker mit hoher Klangkultur. Der Dirigent war immer bei den Sängern und unterstützte sie in den großen Ensembleszenen mit federnder Rhythmik. Leider konnte da der Chor der Staatsoper nicht immer in der Klangkultur mithalten. Dem Dirigenten alles Gute für seine Arbeit an der Komischen Oper Berlin, wo er ab der Saison 2012/13 Generalmusikdirektor sein wird. Ein Abend in der Bayerischen Staatsoper mit Höhen und Tiefen!

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