Nach dem Jahreswechsel ist der Winter inzwischen doch wieder in München angekommen, passend zur neuesten Uraufführung im Gärtnerplatztheater. Drei Männer im Schnee, frei nach dem Roman von Erich Kästner aus dem Jahr 1934, wurde von Kabarettist und Liedermacher Thomas Pigor zusammen mit den Komponisten Konrad Koselleck, Christoph Israel und Benedikt Eichhorn, im Auftrag des Theaters geschaffen. Intendant Josef Köpplinger führte selbst Regie in dieser neuen Revueoperette. Die Grundgeschichte um die drei “Schneemänner” Eduard Tobler, Fritz Hagedorn und Johann Kesselhuth wurde für die Münchner Bühnenversion erweitert, sodass alle drei und nicht nur Hagedorn eine Liebesgeschichte erleben dürfen.
Setzt man sich mit der Geschichte des Gärtnerplatztheaters auseinander, so findet man bald heraus, dass vor allem in der Zeit der Nationalsozialisten das Genre der Revueoperette äußerst beliebt war, um die Menschen ins Theater zu locken und vielleicht auch von den politischen Vorgängen abzulenken. Daher hat diese Theaterform nach Ende des Zweiten Weltkriegs durchaus in ihrem Ansehen gelitten. Dem möchten die Künstler des Gärtnerplatztheaters nun wieder etwas entgegenwirken, schließlich kann solch ein bunter, aufwändiger und vor allem humorvoller Theaterabend auch für das heutige Publikum noch eine große Freude sein.
Da die Handlung der Operette zu Beginn der Dreißigerjahre spielt, wird das Thema der beginnenden NS-Zeit sehr wohl in einer kleinen Szene angedeutet, von den Protagonisten jedoch noch als harmlose Spinnerei abgetan, schließlich ist man ja nicht in Deutschland.
Im Mittelpunkt der Operette stehen die drei bereits erwähnten Herren, die gemeinsam einen Urlaub in den Alpen verbringen. Dieses hat die Firma des reichen Industriellen Tobler im Rahmen eines Wettbewerbes verlost. Der Erfinder Fritz Hagedorn würde sich zwar statt der Reise lieber eine Anstellung oder zumindest Geld wünschen, fährt aber dann trotzdem nach Österreich, wo er durch eine Verwechslung für den reichen Geschäftsmann gehalten und deshalb nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wird. Auch Tobler reist nämlich unter dem Pseudonym Schulz in die Berge, denn er möchte mal erleben, wie man als einfacher Mann behandelt wird. Begleitet wird er von seinem Kammerdiener Johann, der ihm ab und zu heimlich ein Essen ausgeben soll. Trotz der Standesunterschiede freunden sich die drei Männer an und lassen im Grand Hotel beim Schneemann-Bauen und einer Kostümparty zu Silvester ihrem inneren Kind freien Lauf. Für große Verwirrung sorgen nun eher die Frauen, zum einen die männermordende Frau Calabré, die sich dem vermeintlich reichen Hagedorn an den Hals wirft, als auch Toblers Tochter Hilde und seine Hausdame Claudia, die ihm hinterher reisen und ihn überreden wollen, ein lukratives Geschäft mit einem reichen Araber abzuschließen.
Foto: Christian POGO Zach
Ganz operettenhaft gibt es viele Irrungen und Wirrungen in diesem Stück sowie natürlich auch eine große Portion Humor. Dass das Ende natürlich dann im Zeitraffer alle Handlungsstränge zusammenführt und gut ausgehen lässt mag manchen Fan von zeitgenössischem Theater vielleicht stören, der Laune der Zuschauer schadet es jedoch nicht im Geringsten. Es ist schön, dass hier – wie eben auch häufiger im Gärtnerplatztheater – einfach noch gute Unterhaltung ohne großen moralischen Vorschlaghammer geboten wird.
Und noch etwas ist wundervoll anzusehen: eine wahre Schlacht an aufwändigen Kostümen und Bühnenbildern! Der Schnürboden und die Drehbühne werden voll ausgenutzt und verwandeln die Bühne so von der Berliner Fabrik mit rauchenden Schornsteinen im Hintergrund in die gemütliche Wohnung Toblers mit schlafender Katze. Und schließlich in das wundervolle Jugendstil-Hotel, Skipisten, Seilbahnen und eine urige Berghütte. Dazu passen die farbenfrohen Kostüme von Dagmar Morell, die ebenfalls das Flair der Dreißiger auf die Bühne zaubern.
Regisseur Josef Köpplinger bietet den Zuschauern eine rasante Inszenierung, in der auch im Hintergrund immer etwas los ist. Wie gewohnt arbeiten der Intendant und sein Team mit sehr viel Liebe zum Detail, das keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt. Ein Highlight ist definitiv die Ski-Steppnummer von Adam Cooper, die Ensemble und Statisten auf der „schneebedeckten“ Bühne zum besten geben dürfen. Auch ohne Beteiligung des Balletts ist vom ruhigen Paartanz bis zu wuseligen Massenszenen auch tänzerisch einiges geboten.
Foto: Christian POGO Zach
Ein großes Lob muss man natürlich auch dem wundervollen Ensemble aussprechen, dessen Freude an dieser Produktion ansteckend ist. Erwin Windegger gibt einen sympathischen Eduard Tobler, der selbst als unfreiwillige Putzkraft im Grand Hotel eine kindliche Freude an den Tag legt. Ganz im Gegensatz zu seiner Tochter Hilde, gespielt von Julia Klotz, die weitaus erwachsener und geschäftsmäßiger wirkt und erst in ihren sanften Annäherungen an Fritz Hagedorn ihre roamntische Seite zeigt. Ähnlich resolut ist Dagmar Hellberg als Haushälterin Kunkel, trotzdem scheint sie die Verrücktheiten ihren „Chefs“ durchaus sympathisch zu finden. Armin Kahl gibt den arbeitslosen Erfinder Hagedorn anfangs etwas grummelig, aber auch er wird von seinen neuen Freunden mit guter Laune und Optimismus angesteckt, wenn er nicht gerade vor Frau Calabré flüchtet. Diese wunderbar aufdringliche Femme Fatale gibt Sigrid Hauser. Der Dritte im Bunde schließlich ist Kammerdiener Johann, gespielt von Alexander Franzen, der die Annehmlichkeiten des Rollentauschs mit seinem Chef sichtlich genießt und ebenfalls zarte Liebesbande knüpfen darf.
Tatsächlich und verdientermaßen sind inzwischen die Karten für Drei Männer im Schnee ziemlich rar geworden, ich hoffe sehr, dass man dieses Gute-Laune-Stück auch in der nächsten Spielzeit wieder auf der Bühne erleben darf!
DREI MÄNNER IM SCHNEE Revueoperette
von Thomas Pigor Nach dem Roman von Erich Kästner Musik von Konrad Koselleck, Christoph Israel, Benedikt Eichhorn und Thomas Pigor Orchestrierung von Konrad Koselleck Kreative Mitentwicklung: Michael Alexander Rinz Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Uraufführung am 31. Januar 2019
Altersempfehlung ab 12 Jahren
Dirigat Andreas Kowalewitz Regie Josef E. Köpplinger Choreografie Adam Cooper Bühne Rainer Sinell Kostüm Dagmar Morell Licht Michael Heidinger, Josef E. Köpplinger Dramaturgie Michael Alexander Rinz
Eduard Tobler Erwin Windegger Hilde Tobler, seine Tochter Julia Klotz Dr. Fritz Hagedorn Armin Kahl Johann Kesselhuth, Toblers Kammerdiener Alexander Franzen Claudia Kunkel, Hausdame bei Toblers Dagmar Hellberg Portier Polter Eduard Wildner Hoteldirektor Kühne Frank Berg Frau Calabré Sigrid Hauser Toni Graswander Peter Neustifter Sepp Graswander Stefan Bischoff Tierhändler Seidelbast / Herr Calabré Florian Sebastian Fitz Emir von Bahrein Alexander Moitzi Liftboy Christian Schleinzer Mrs. Sullivan Susanne Seimel Zimmermädchen 1 Laura Schneiderhan Zimmermädchen 2 Florine Schnitzel Zimmermädchen 3 Katharina Wollmann Page Beppi Maximilian Berling Page Franzl Alexander Bambach SA-Mann Martin Emmerling, Christian Weindl Milchfrauen Corinna Klimek, Veronika Kröppel, Kim Mira Meyer Chor, Kinderchor und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Aufgrund meiner Reise nach Prag habe ich leider wieder einmal die Premiere im Gärtnerplatztheater verpasst, aber bereits einen Tag später durfte ich neue Familienoper Momo mit der Musik von Wilfried Hiller und Texten von Wolfgang Adenberg besuchen. Und das diesmal in Begleitung meiner Schwester, die zwar kein großer Opernfan aber dafür eine umso größerer Michael Ende-Liebhaberin und -kennerin ist.
Ich kann mich dunkel erinnern, die Romanvorlage vor langer Zeit gelesen zu haben, eher im Gedächtnis ist mir die Zeichentrickserie aus dem Jahr 2003 geblieben. Trotzdem ist mir in dem gut zweistündigen Opernabend schon aufgefallen, dass die Handlung natürlich sehr gerafft wurde, was aber auch durchaus verständlich ist. Schließlich sollte auch die Zeit dieser Familienoper kindgerecht sein.
Foto: Christian POGO Zach
Erst einmal fällt das imposante Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf auf, die diesmal praktisch alles nutzen, was die Bühne des Gärtnerplatztheaters zu bieten hat: die Drehbühne, die fünf Podeste, Videoprojektionen und vieles mehr. Schon alleine in dieser Hinsicht eine atemberaubende Show!
Sehr kindgerecht ist auch durchaus, dass nicht durchgängig gesungen wird. Opern gehören schließlich nicht mehr zum gewohnten Unterhaltungsrepertoire für das junge Publikum, deshalb ist es durchaus sinnvoll, eine Mischung aus Schauspiel und Musiktheater zu bieten. Dafür braucht man natürlich auch das richtige Ensemble. Als Momo wurde die junge Schauspielerin Anna Woll gewählt, die ihrer (nicht singenden) Figur mit ihrer zurückhaltenden und ruhigen Art genau das verleiht, was Michael Ende in seinem Buch beschreibt. Sie führt völlig unaufgeregt durch die spannende Geschichte, die – eigentlich ganz untypisch für unsere Zeit – auch einmal völlig entschleunigt erzählt wird. Der Gegensatz zur stillen Momo ist Maximilian Mayer als Fremdenführer Gigi, der durch die Grauen Herren zu einem unglücklichen Schlagerstar gemacht wird und der sowohl gesanglich als auch spielerisch eine gewohnt souveräne Leistung bietet. Holger Ohlmann als Straßenkehrer Beppo ist eine weise Vaterfigur für die Titelheldin. Er ist eigentlich der einzige ihrer Freunde, der sich nicht für Erfolg und Ruhm den Grauen Herren unterwirft, sondern weil diese behaupten, Momo in ihrer Gewalt zu haben.
Foto: Christian POGO Zach
Einzig bei dem Kampf zwischen den überlebenden Grauen Herren gegen Momo und Kassiopeia am Ende kommt etwas Action auf, ansonsten ist es durchaus angenehm, dass die Heldin mit der Schildkröte einfach ab und zu zu ruhiger Musik langsam über die Bühne wandert, ganz im Kontrast zu den immer hektischer werdenden Menschen, die von den Bösewichten den Stücks zum Zeitsparen gedrängt werden.
Auch der Hüter der Zeit, Meister Hora, ist ein überaus entspannter Charakter. Hier singt und spricht der Chor die Texte des mysteriösen Mannes und Ballettensemble-Mitglied Matteo Carvone kommuniziert auf der Bühne mit fließenden Tanzbewegungen, zuerst als alter, dann als jüngerer Zeithüter. Mit dem langsam schwingenden Pendel im Hintergrund und dem bunt erleuchteten Bühnenbild ist dies eine wunderschöne Szene.
Die Kostüme von Momo und ihren Freunden sind von Tanja Hofmann fantasievoll und bunt gestaltet, während die Grauen Herren mit Leuchtkrägen ein dämonisches und unheimliches Aussehen verliehen wird. Besonders Ilia Staple als Chef-Grauer-Herr wirkt mit Glatze und höchsten Sopran-Tönen ziemlich unheimlich. Dieses bedrückende Gefühl in Anwesenheit der Antagonisten wird durch kleine Details effektvoll verstärkt, wie etwa die Tatsache, dass die Menschen in ihrer Anwesenheit frieren.
Foto: Christian POGO Zach
Regisseurin Nicole Claudia Weber ist es gut gelungen, ohne die Handlung bewusst in unsere Zeit zu versetzen, immer wieder Parallelen in unseren gestressten Alltag zu zeigen. Ich konnte einiges aus meinem Leben in München wiedererkennen, wenn die Leute mit dem Coffee to Go in der Hand panisch zu U-Bahnen rennen, weil sie sonst fünf Minuten auf die nächste warten müssten. Auch Kinder verlernen es scheinbar immer mehr, nicht dauerhaft von verschiedensten Eindrücken berieselt zu werden, wurde manch junger Zuschauer spätestens nach einer halben Stunde doch schon sehr unruhig.
Ich kann diese neue Oper aber auf jeden Fall für die ganze Familie empfehlen, vor allem, wenn man nach der stressigen Weihnachtszeit auch tatsächlich ein Stück zum Entspannen sucht. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene hat diese Inszenierung optisch, musikalisch und erzählerisch viel zu bieten und vielleicht macht es ja manchem Nachwuchs auch neugierig auf die Werke von Michael Ende.
Ein paar Möglichkeiten gibt es in dieser Saison noch, Momo zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass es auch 2019/2020 wieder aufgenommen wird.
Dirigat: Michael Brandstätter Regie: Nicole Claudia Weber Bühne: Judith Leikauf, Karl Fehringer Kostüme: Tanja Hofmann Choreografie: Roberta Pisu Video: Meike Ebert, Raphael Kurig Licht: Michael Heidinger Dramaturgie: Michael Alexander Rinz
Momo: Anna Woll Gigi, Fremdenführer: Maximilian Mayer Beppo, Straßenkehrer: Holger Ohlmann Erster Grauer Herr: Ilia Staple Zweiter Grauer Herr: Valentina Stadler Dritter Grauer Herr: Ann-Katrin Naidu Vierter Grauer Herr: Alexandros Tsilogiannis Fünfter Grauer Herr: Stefan Bischoff Sechster Grauer Herr: Timos Sirlantzis Siebter Grauer Herr: Martin Hausberg Meister Hora: Matteo Carvone Herr Fusi, Friseur: Frank Berg Nicola, Maurer: David Špaňhel Bibigirl: Caroline Adler Erstes Traumgirl: Elaine Oritz Arandes Zweites Traumgirl / Frau: Frances Lucey Drittes Traumgirl / Fräulein Daria: Gerwita Hees Kassiopeia: Ina Bures Nino, Wirt: Yegor Pogorilyy Herr Fusis Lehrbub: Benjamin Weygand Junge mit dem Vogelkäfig: Clemens von Bechtolsheim weitere Graue Herren: Martin Emmerling, Christian Weindl, Marco Montoya
Chor, Kinderchor und Orchester des Staaatstheaters am Gärtnerplatz
Mittlerweile ist der Wahlkampf in Bayern ja beendet, doch man konnte in den letzten Wochen und Monaten wohl mehr als zuvor sehen, wie sehr Politik nicht nur von Inhalten, sondern auch von Emotionalität und Rhetorik beeinflusst wird. Mit dem Hintergrund des harten Duells der Parteien passt Günter Krämers Inszenierung von Dantons Tod zum 100-jährigen Geburtstag des Schweizer Komponisten Gottfried von Einem sehr gut in die aktuelle Zeit.
Foto: Christian POGO Zach
Nach der Französischen Revolution versinkt das Land in Chaos und Gewalt, angestachelt durch Robespierre und Saint-Just. Die alten Helden der Revolution, unter ihnen Danton, haben sich hingegen aus der Politik zurückgezogen und geben sich einem genussvollen Leben hin. Einzig der junge Camille Demoulins versucht noch mithilfe seiner Frau Lucile die Ordnung wiederherzustellen. Doch – wie so oft in der Politik – macht Robespierre seine Konkurrenten zu Feinbildern für das Volk und Danton mit seinen Unterstützern verantwortlich für die schlechte Situation Frankreichs.
Die Inszenierung Krämers steht ganz im Zeichen der Politik und lässt unweigerlich Parallelen zur aktuellen Situation in Deutschland erkennen, indem er den Chor als Menschenmob zeigt, der auf die Straße geht und angestaute Wut und Unzufriedenheit an Unschuldigen auslässt. Die geballte Stimmgewalt und Präsenz des Chores samt Extra-Chor sind definitiv das Highlight dieser Inszenierung. Vor allem, wenn sie bei der Gerichtsverhandlung gegen Danton von den Rängen als zwei Lager in den Zuschauerraum hinab singen. Ein echtes akustisches Erlebnis! Allgemein ist die Grenze zwischen Zuschauer und Bühne sehr fließend in dieser Produktion. Schon vor Beginn der Vorstellung hängen junge Männer rote Flugblätter an den Türen des Theatersaals auf und rattern dabei in einer Endlosschleife politische Parolen herunter, während Lucile Demoulins auf der Bühne weitere Flugblätter druckt. Auch Camille bewegt sich anfangs im Zuschauerraum, während er Danton und de Séchelles dazu auffordert, sich lieber wieder dem Volk zu widmen als körperlichen Genüssen. Eigentlich sind Camille und Lucile auch die einzigen moralisch korrekt handelnden Charaktere in dieser Inszenierung. Danton ist vom Volkshelden zum Lebemann geworden, seine Frau Julie scheint sich nicht daran zu stören, dass er sich mit anderen Frauen vergnügt, sondern vergöttert ihn nach wie vor. Auch der nach außen hin korrekt wirkende Robespierre, der mit weißem Hemd und Käppi aussieht, als würde er für die Security eines Einkaufszentrums arbeiten, lässt sehr schnell blicken, dass ihm in Wahrheit rein gar nichts an Deeskalation liegt. Dem jungen Edelmann, den er vor der wütenden Meute „rettet“, schneidet er später heimlich die Kehle durch.
Foto: Christian POGO Zach
Der Titelheld Danton wird bei der zweiten Aufführung von Bariton Matija Meić großartig verkörpert. Anfangs als lässiger Lebemann, der die Situation nicht mehr ernst zu nehmen scheint. Als er und seine Kameraden jedoch nach der Pause vor Gericht stehen, erwacht in ihm doch noch der mutige Anführer, der seinen Mitgefangenen und sich selbst Stolz und Hoffnung geben möchte, obwohl sie alle in Unterwäsche auf einem Tisch zusammengepfercht sind. Trotzdem wirkt er zeitweise ebenso geschlagen, wie die anderen Gefangenen. Als sein Widersacher Robespierre zeigt Daniel Prohaska, der dem Publikum des Gärtnerplatztheaters doch meistens als sympathischer Held bekannt ist, dass er auch den schleimigen, falschen Bösewicht darstellerisch und stimmlich mehr als überzeugend beherrscht. Er lässt sich vom Volk wie der Messias persönlich vergöttern und intrigiert eiskalt zusammen mit Saint-Just (Holger Ohlmann) gegen die ehemaligen Kameraden, um sie für ihre Propaganda zu opfern.
Die österreichische Schauspielerin Sona MacDonald ist als Dantons Frau Julie in dieser Inszenierung vor allem für die gesprochenen Passagen aus Georg Büchners Drama zuständig, das als Vorlage für von Einems Oper diente. In meinen Augen haben diese Passagen die Oper manchmal etwas an den falschen Stellen gebremst, jedoch von MacDonald sehr mitreißend gespielt. Auch war es interessant zu sehen, dass ihre Figur weniger an ihrem Partner als Mensch Interesse hat als an den Idealen, für die er steht. Vor Gericht versucht sie alle Gefangenen gleichermaßen zu unterstützen und jubelt tatkräftig zu Dantons Reden. Viel persönlicher und liebevoller wirkt hier die Beziehung zwischen Camille und Lucile, dargestellt von Alexandros Tsilogiannis und Mária Celeng. die sich von Anfang am dem Kampf gegen das Terrorregime widmen, ohne sich vielleicht der Gefahr wirklich bewusst zu sein. Beide zeigen in ihren Figuren großen Idealismus und Energie, die den anderen Figuren der Inszenierung bereits verloren gegangen scheinen. Die Szene, in der Camille vor Sorge um seine Frau verzweifelt und Lucile angesichts des bevorstehenden Todes ihres Liebsten den Verstand verliert ist der emotionale Höhepunkt dieses Opernabends.
Foto: Christian POGO Zach
Neben dem Chor sorgt auch das Orchester unter der Leitung von Chefdirigent Anthony Bramall für einen klanglichen Hochgenuss. Moderne Opernmusik wie die von Einems ist natürlich im Gärtnerplatztheater natürlich eher selten zu hören und, trotzdem ist diese Inszenierung durchaus sehr mitreißend und großartig besetzt! Noch dreimal ist sie im November zu sehen (1., 4. und 15.).
Dirigat: Anthony Bramall
Regie: Günter Krämer
Bühne: Herbert Schäfer
Kostüme: Isabel Glathar
Licht: Michael Heidinger
Video: Thomas Mahnecke, Raphael Kurig
Choreinstudierung: Felix Meybier
Dramaturgie: David Treffinger
Georges Danton: Matija Meić
Camille Desmoulins: Alexandros Tsilogiannis
Hérault de Séchelles: Juan Carlos Falcón
Robespierre: Daniel Prohaska
Saint-Just: Holger Ohlmann
Herrmann: Liviu Holender
Simon: Christoph Seidl
Ein junger Mensch: Stefan Thomas
Julie: Sona MacDonald
Lucile Desmoulins: Mária Celeng
Eine Dame: Frances Lucey
Simons Weib: Ann-Katrin Naidu
Chor, Extrachor und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Winterzeit ist Klassikerzeit in Münchens Kriminalbühne. Auch in dieser Saison zieht wieder die Krimikönigin Agatha Christie in das kleine Theater ein mit einem Werk, dessen – inzwischen politisch korrekter – Titel manchem Zuschauer vielleicht erst einmal fremd vorkommt. Doch spätestens, wenn eine junge Stimme das morbide Kinderlied “Zehn kleine Kriegerlein” zum Besten gibt, erkennt man den erfolgreichsten Krimi aller Zeiten.
Zehn verschiedene Personen werden für ein Wochenende auf eine einsame Insel eingeladen, wo sie sehe schnell feststellen, dass etwas nicht stimmt. Ihre Gastgeber, das Ehepaar Oddy, das eigentlich niemand kennt, sind nicht anwesend und plötzlich läuft eine Tonbandaufnahme, die jeden der Anwesenden des Mordes beschuldigt. Auch liegt eine umgedichtete Version des bereits genannten Kinderlieds an einer alten Hausorgel. Schnell müssen die Anwesenden feststellen, dass es sich um keinen Scherz sondern um tödlichen Ernst handelt und nach und nach sterben die Charaktere – wie im Lied vorausgesagt.
Foto: Volker Derlath
Agatha Christie ist manchmal ja in ihren Erklärungen sehr ausschweifend und langatmig, Regisseur Hardy Hoosman schafft es aber, das Stück trotzdem extrem spannend zu gestalten. Das liegt nicht nur an der dynamischen Inszenierung sondern auch an den interessanten und starken Charakteren, die von einem auserlesenen Ensemble verkörpert werden.
Der kleinen Bühne geschuldet entsteht unweigerlich eine große Spannung, wenn sich alle Charaktere in dem “Salon” drängen (wenn auch zusätzlich vor und hinter der Bühne gespielt wird). Je mehr von ihnen sterben, desto mehr steigen die Konflikte und die Anspannung der Figuren, unterstützt durch die teils unheimliche Lichtstimmung, Musik und Geräusche wie Gewitterdonnern und unaufhörliches Wellenrauschen.
Das zehnköpfige Schauspielerensemble schafft es, diese angespannte Atmosphäre über zweieinhalb Stunden aufrecht zu erhalten und trotzdem dabei jeder einzelnen Figur eine eigene Prägung und Geschichte zu geben. Christa Pillmann spielt die kaltblütige und arrogante Dame Emily Brent, die gerne ihre Mitmenschen herablassend beurteilt und keinerlei Anteilnahme an dem Tod anderer zeigt.
Foto: Volker Derlath
Weitaus gutmütiger wirkt da Konrad Adams als pensionierter Richter Sir Lawrence Wargrave, der versucht, die Gruppe moralisch zusammen zu halten. Dann ist da noch der scheinbar besonnene und erfolgreiche Nervenarzt Doctor Armstrong, gespielt von Florian Fisch, der in dieser Inszenierung jedoch schon zu Beginn mit zitternder Hand nicht sehr souverän wirkt. Das Ehepaar Rogers alias Katharina Friedl und Till Klewitz scheint auch vor der Anreise der Gäste der nicht sonderlich harmonisch. Er trinkt, sie ist genervt und beide kennen ihre Arbeitgeber nicht einmal persönlich, haben aus Geldmangel den Job jedoch angenommen. Deshalb müssen sie sich auch mit anstrengenden Besuchern wie dem penetranten Angeber Anthony Marston (Andreas Haun) und dem gezwungen unbekümmerten Lebemann Philip Lombard (Wolfgang Haas) herumschlagen, der mit der hübschen aber angespannt wirkenden Sekretärin Vera Claythorne (Irene Rovan) anbandeln möchte. Andere wie der vermeintliche Forscher Blore (Sebastian Sash) machen sich schon von Anfang an verdächtig, doch eigentlich stellt sich sehr schnell heraus, dass alle Anwesenden etwas zu verbergen haben. Ergänzt wird die Runde noch von dem pensionierten General Mackenzie, den Claus-Peter Damitz sehr gebrechlich und tattrig wirken lässt, dem Regisseur Hoosman in einem klaren Moment der Figur jedoch zusammen mit Irene Rovan einer der prägnantesten Szenen des Stückes gibt.
Christie hat mit der Vorlage wieder mal ein Werk geschaffen, in dem der Zuschauer bis zuletzt nicht weiß, was er von den Charakteren denken soll. Dieses Verwirrspiel treibt Hoosman in seiner Inszenierung auf die Spitze und trotz den kleinen Raums ist man im Publikum schnell versucht, jedes Detail aufnehmen zu wollen, was natürlich praktisch nicht möglich ist. Aber wäre es nicht auch langweilig, wenn man schon zur Pause erraten würde, wie das Stück ausgeht?
Die Wintersaison des Blutenburg-Theaters ist sehr häufig ausverkauft, wer also diesen perfekt inszenierten Klassiker sehen möchte, sollte sich beeilen!
Rogers: Till Klewitz
Mrs. Rogers: Katharina Friedl
Vera Claythorne: Irene Rovan
Philip Lombard: Wolfgang Haas
Anthony Marston: Andreas Haun
William Blore: Sebastian Sash
General Mackenzie: Claus-Peter Damitz
Emily Brent: Christa Pillmann
Sir Lawrence Wargrave: Konrad Adams
Dr. Armstrong: Florian Fisch
Regie / Sound: Hardy Hoosman
Kostüme: Andreas Haun
Bühne: Peter Schultze
Licht: Tom Kovacs
Regieassistenz: Melanie Kisslinger, Renée Schöfer
Weitere Vorstellungen bis 16. Februar 2019, Dienstag bis Samstag um 20 Uhr, Sonntags um 18 Uhr
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Dieser Satz ist wohl eines der berühmtesten Zitate der Literaturgeschichte und stammt aus der nicht minder bekannten Erzählung Le pétit prince von Antoine de Saint-Exupéry, die 1943 in New York erschien.
Das Hofspielhaus zeigt nun im kleinen, stillen Hinterhof des Theaters die prominente Geschichte als berührendes Zweipersonenstück.
Ferdinand Schmidt-Modrow gibt den kindlichen Titelhelden, der von einem winzigen Planeten stammt und von seiner geliebten Rose auf die Reise geschickt wurde, nur um schließlich mitten in der Wüste der Erde zu landen. Dort begegnet ihm nicht nur eine Giftschlange, die ihm anbietet, ihm zurück nach Hause zu helfen, sondern vor allem der griesgrämige Pilot, gespielt von Martin Halm. Der hat eine Bruchlandung in der Wüste hingelegt und muss sein Flugzeug reparieren, bevor ihm das Wasser ausgeht.
Der Prinz findet den schlafenden Mann und bittet ihn darum, ein Schaf zu zeichnen. Der Pilot ist über die naive Art des Fremden und die Tatsache, dass er offenbar weder Nahrung noch Wasser braucht irritiert, die beiden freunden auch jedoch schnell an und der Prinz erzählt von seiner abenteuerlichen Reise. Dabei interagiert er mit Personen, die als Video überlebensgroß auf die Wand des Hinterhofs projeziert und von den namenhaften Schauspielern Veronika von Quast, Christiane Blumhoff, Stefan Murr, Gerd Lohmeyer und der Hofspielhaus-Chefin Christiane Brammer verkörpert werden. Dies funktioniert tatsächlich hervorragend, das Timing von Schmidt-Modrow passt wunderbar zu den Videos und durch kleine
Foto Hofspielhaus
Animationen und die runde Projektion fühlt man sich auf die kleinen fremden Planeten versetzt, auf denen der Prinz landet.
Aber das Highlight sind definitiv die beiden Darsteller auf der Bühne. Ferdinand Schmidt-Modrow spielt den Prinzen mit viel kindlicher Neugier und Begeisterungsfähigkeit. Trotzdem zeigt er den Charakter sehr mystisch, man weiß nicht genau, ob er nur ein Verrückter ist oder tatsächlich von einer anderen Welt stammt. Martin Halm, der mir bisher nur als Stimme bekannt war, gibt im Gegensatz dazu einen sehr raubeinigen und wütenden Piloten, der jedoch bald von der Geschichte und der Persönlichkeit des Prinzen fasziniert ist und ihn bis zum Ende unter- und beschützt. Das Spiel der beiden Darsteller und vor allem ihre Interaktion ist großartig und gerade zum Schluss des Stücks sehr bewegend. Auch musikalisch wird es an diesem Abend. Der Prinz spielt Ukulele und singt, was der Pilot nach der “Heimkehr” des Titelhelden weiterführt. Besonders schön fand ich die Idee, dass Halm eigentlich den ganzen Abend an einem hölzernen Modellflugzeug baut, um es am Ende dann in den Sternenhimmel zu hängen.
Der Kleine Prinz ist alles in allem ein wundervolles, bewegendes Märchen für Erwachsene, das vor allem durch die hervorragenden Darsteller von der ersten Minute an fesselt. Im Juli sind bereits alle Termine ausverkauft, allerdings wird die Produktion nach der Sommerpause im September nochmals aufgenommen.https://www.hofspielhaus.de/spielplan/detailansicht/der-kleine-prinz.html
Regie und Musik: Sascha Fersch
Der Kleine Prinz: Ferdinand Schmidt-Modrow
Der Pilot: Martin Halm
Die Rose: Christiane Brammer
Der Geograf: Christiane Blumhoff
Der Fuchs: Gerd Lohmeyer
Der Geschäftsmann: Stefan Murr
Die Königin: Veronika von Quast
Traditionen sind wichtig. Das ist nicht nur meinen Kollegen vom Feldmochinger Volkstheater und mir bewusst, sondern hat auch allgemein in der Kulturlandschaft mehr Aufmerksamkeit verdient, als es aktuell der Fall ist. Zu einer persönlichen Tradition ist es für uns inzwischen quasi geworden, dass wir bei unseren Kurzurlauben im Zillertal auch einen Abend der regionalen Theaterkultur widmen. Bei unserem letzten Ausflug gibt es zu den Theatertagen in Stumm, dieses mal verschlug es uns zum Kulturfestival SteudlTenn in Uderns.
Ist das Zillertal im Winter vor allem für Skitourismus bekannt, so hat es in den warmen Monaten tatsächlich eine großartige Vielfalt an Amateur- und Profitheater zu bieten. Auf die Empfehlung eines befreundeten Schauspielers hin fuhren wir am vergangenen Wochenende also hinunter ins Tal, um das musikalsiche Theaterstück Die stillen Nächte des Ludwig Rainer von Hakon Hirzenberger anzusehen. Der Name Ludwig Rainer sagte uns Bayern nichts, in Tirol scheint der Volkssänger jedoch auch heute noch berühmt und beliebt zu sein. Die Rainer-Sänger brachten im 19. Jahrhundert das Liedgut der Region in die ganze Welt, unter anderem machten sie das berühmte Weihnachtslied Stille Nacht (das in diesem Jahr sein 200-jähriges Jubiläum feiert) auch in Amerika bekannt. Das Stück des Festival-Organisators Hirzenberger hat eben Rainer selbst im Zentrum und erzählt seine Lebensgeschichte mit schlichten Mitteln aber dafür mit viel wundervoller Musik.
Foto: Christian Wind
Vier Darsteller und ein kleiner Chor sind fast permanent auf der Bühne, spielen Szenen aus der Biografie des Sängers, kommentiere diese Ereignisse jedoch im nächsten Moment oder zeigen eine alternative Version. Das sorgt immer wieder für viel Humor, der sich auch durch den Theaterabend zieht. Trotzdem spiegelt das Werk doch auch wider, wie schwer es in diesen Zeiten gerade in abgelegeneren Regionen für die Menschen war, sich irgendwie über Wasser halten zu können. Die ersten Rainer-Sänger schlossen sich aus dem Titelhelden, seiner Nichte Helene, Rainers späterer Frau Margarethe Sprenger und Simon Hollaus zusammen und traten anfangs vor allem in Europa auf. Nach den großartigen Versprechungen eines französischen Geschäftsmanns zogen die Sänger arglos in die USA, wo der Erfolg zunächst ausbleibt. Erst durch das bereits bekannte Weihnachtslied kam ein erster finanzieller Erfolg, trotzdem müssen sie nach einigen Jahren wieder in die Heimat zurückkehren. Zwar wird ihr Erfolg mit der traditionellen Musik ihrer Heimat weltweit immer größer, doch verraten sie mit Kitsch-Trachten und viel Show auch immer weiter ihre Kultur.
Das Konzept mag vielleicht nach viel österreichischem Heimat-Kitsch klingen, doch so sehr Ludwig Rainer allgemein geschätzt wird, so wird in diesem Stück auch deutlich gezeigt, dass er wohl ein sehr getriebener und schwieriger Mensch war. Er kann sich nie für einen Lebensweg entscheiden, schiebt die Schuld für Misserfolge gerne auf seine Kollegen, hat Probleme mit emotionalen Bindungen und zeigt allgemein eine cholerische Ader. Roland Jaeger spielt diesen launischen Patriarchen sehr emotional und vielschichtig und schafft es so, das Publikum von der ersten Minute an zu packen, obwohl man dem Charakter manchmal gerne eine Ohrfeige verpassen würde. Große Wandlungsfähigkeit zeigen die beiden Damen Juliana Haider und Caroline M. Hochfelner, die die verschiedenen Ehefrauen und Reisegefährtinnen Rainers darstellern. Hochfelner wandelt sich im Laufe des Stücks von der schüchternen Nichte Helene zur aufgekratzten Wirtstochter Anna. Haider spielt mit Margarethe Sprenger eigentlich einen etwas traurigen Charakter, schließlich wurde sie dem Stück zufolge nur von Rainer geheiratet, weil er enttäuscht über das Auflösen seiner Gruppe war. Obwohl sie die Geschichte ihrer Charaktere eher locker und beiläufig erzählt schwingt doch manchmal sehr viel Melancholie in allem mit. Der vierte im Bunde ist Andreas Haun – der dem Münchner Publikum unter anderem vom Blutenburgtheater bekannt sein könnte – als Simon Hollaus. Dieser scheint wie der ewige Kontrahent Rainers, widerspricht ihm gerne und macht im Laufe des Stücks sogar seine eigene Gesangsgruppe auf. Dieser Konflikt zwischen den beiden Herren wird zwar nicht in Aggressionen gezeigt, wird jedoch in Kleinigkeiten wie Mimik oder dem Verlassen der Hauptbühne sehr deutlich.
Foto: Christian Wind
Die vier Darsteller zeigen durchweg eine großartige darstellerische und gesangliche Leistung. Unterstützt von einem kleinen Chor und ein paar Instrumenten wird neben aller Historie vor allem die Tiroler Musik und Tradition zur Hauptfigur dieses Abends. Manche älteren Herrschaften im Publikum sangen die alten Lieder gerührt mit und auch, wenn ich bis auf eines kein einziges dieser Werke kannte, so berühren den Zuschauer die Texte und Melodien sehr. Das Bühnenbild ist sehr schlicht gehalten. An der Stallwand gibt es ab und zu Projektionen von Landschaften oder Gebäuden um die verschiedenen Reisestationen der Sänger zu zeigen, auf einer kleinen Erhöhung stehen ein paar Kisten und Bänke, auf dem sich der Chor und am Anfang auch drei der Schauspieler niederlassen, bevor sie nach und nach als Figuren in das Stück einsteigen.
Und auch uns „Fremden“ zeigt sich in der Musik wie im Stück, dass die Zillertaler Kultur scheinbar das Melancholische mit großer Lebensfreude perfekt vereinen kann. Ich und meine Begleiter waren jedenfalls hellauf begeistert von diesem Theaterabend und hoffen sehr, dass diese Produktion auch im nächsten Jahr wieder aufgenommen wird. Wir können nämlich auch außerhalb der Skisaison ein Wochenende im Zillertal mit ein wenig Kultur am Abend durchaus empfehlen.
Autor/Regie: Hakon Hirzenberger
Bühne: Gerhard Kainzner
Kostüm: Andrea Bernd
Videoinstallation: Bernd Kranebitter
Licht: Sabine Wiesenbauer
Regieassistenz: Nadja Prader
Musikalische Leitung: Gerhard Anker
Chor: Anna Geisler, Sabine Lechner, Monika Lechner, Monika Pfister, Gerhard Anker, Martin Waldner und Sebastian Egger
Mit: Roland Jaeger, Juliana Haider, Caroline M. Hochfelner, Andreas Haun und Johannes Rhomberg
Wenn es auch gerne in alten Filmen und Bühnenstücken so dargestellt wird, ist das Leben als Soldat alles andere als idyllisch. Das zeigt uns Regisseur Peter Konwitschny bereits in den ersten Minuten seiner Version des Tapferen Soldaten, die am 14. Juni im Gärtnerplatztheater Premiere feierte. Im Schlafzimmer der jungen Nadina schlagen schon zu Beginn Granaten ein, die Wand hat Brandspuren und der Herrenchor robbt in Uniform durch ihr Zimmer und nimmt dabei das Bett der jungen Frau auseinander. Trotzdem träumt das junge Mädchen von ihrem heroischen Verlobten Alexius, ebenso wie die verarmte Cousine Macha, die als Zofe schuften muss. Als in Nadinas Zimmer eines nachts der feige, übermüdete und hungrige Schweizer Bumerli landet, der für die feindlichen Truppen kämpfte, wird ihre Zuneigung zu Alexis durch die Erzählungen des Flüchtlings jedoch schnell erschüttert. Nadina, ihre Mutter Aurelia und Mascha geben ihm Nahrung und Asyl und stecken ihm Fotos von sich zu, die im späteren Verlauf des Abends noch für allerhand Verwirrungen sorgen sollen. Nach dem Verschwinden Bumerlis träumt Nadina vor einem Matterhorn-Plakat nun doch von einem idyllischen Leben mit dem scheinbar friedliebenden Schweizer und steht den heroischen Allüren ihres aus der Schlacht zurückgekehrten Vaters und ihres Verlobten eher abweisend gegenüber. Schließlich scheint sie im letzten Teil, in dem der Krieg draußen als auch im Hause Popoff eskaliert ist und Alexis sich mit Mascha verlobt hat, endlich mit ihrem Schweizer vereint. Der hat jedoch eine unerwartete Überraschung für sie und ihre skeptische Familie parat.
Foto: Christian POGO Zach
Regisseur Konwitschny geht an den Stoff, der auf den deutschen Bühnen nicht so häufig zu finden ist, mit viel Augenzwinkern und schwarzem Humor heran. Nadina, gespielt von Sophie Mitterhuber, ist anfangs eigentlich recht verträumt und naiv, da ihr die Vaterlandsliebe von allen Seiten eingetrichtert wurde. Dass sie sich schnell mit dem gestrandeten Bumerli anfreundet, zeigt jedoch deutlich, wie weit her es mit ihrem Patriotismus tatsächlich ist. So entwickelt sich Mitterhubers Charakter von dem idealistischen jungen Mädchen schnell zur selbstbewussten Frau, die nun eher zickig auf ihre militärversessene Familie reagiert und desillusioniert bemerkt, wie dumm ihr Verlobter eigentlich ist. Den gibt Maximilian Mayer herrlich hohl und zackig, mit dem sprichwörtlichen Stock im Hintern. Trotzdem ist Alexis ein Meister des Versteckspiels mit seiner eigentlich Geliebten Mascha, die er anfangs nur wegen ihrer verarmten Familiensituation nicht heiraten will, ihr aber in Nadinas Armen verliebte Seitenblicke zuwirft. Und seien wir einmal ehrlich, wirklich treu ist niemand an diesem Abend. Oberst Popoff baggert seine Nichte an, dessen Frau Aurelia den jungen Schweizer und trotzdem scheinen – fast – alle am Ende irgendwie glücklich zu werden.
Foto: Christian POGO Zach
Bei all dem Militarismus ist tatsächlich Daniel Prohaska als Bumerli mit schweizer Akzent und Toblerone in der Tasche wohl für die meisten der Sympathieträger der Inszenierung. Er hat es aber auch schwer in Konwitschnys Inszenierung, erst muss er vom Krieg fliehen, dann bedrohen ihn die Damen mit Gewehren und zuletzt wird er noch von seiner Liebsten gequält. In der Beziehung von Bumerli und Nadina lässt der Regisseur aber auch wirklich keinen Kitsch aufkommen, lieber legt er im dritten Akt die ganze Welt in Schutt und Asche und aus den zarten Spitzenkleidern in Pastelltöne werden schmutzige Fetzen. Die Kostüme von Johannes Leiacker werden so vom Rüschentraum zu einem düsteren Fundus, der eher an einen Tim Burton-Film erinnert. Das Bühenbild bleibt dabei mit wenigen Versatzstücken eher schlicht, mit Bett und Blumenfeld, die jedoch auch schon in den ersten beiden Akten schnell zerstört werden.
Ganz viel Absurdes und Slapstick bekommt man beim Tapferen Soldaten im Gärtnerplatztheater vorgesetzt. Das wirkte auf manche Zuschauer – inklusive mich selbst – vielleicht erstmal sogar ein bisschen viel, man muss die Inszenierung auf sich wirken und sie sich vielleicht auch nochmal durch den Kopf gehen lassen. Der schwarzhumorige Ton im dritten Akt setzt dem optischen Kitsch der ersten beiden jedoch einiges entgegen und aus der romantischen Liebesgeschichte wird eine gekonnte Kritik an der Verherrlichung des Soldatentums, die ja in manchen Ländern wie den USA durchaus heute noch betrieben wird.
Das Orchester unter der Leitung von Anthony Bramall lässt die Musik von Oscar Straus rasant vorangaloppieren, was perfekt zum Tempo der Inszenierung passt. Die Darsteller und der Chor zeigen gesanglich und darstellerisch wieder einmal, was sie können und sorgen so, trotz vereinzelter Verwirrung um die Inszenierung, durchaus für viele Lacher und begeisterten Applaus im Publikum. Spielerisch ist diese Inszenierung mit ihren Gegensätzen sicher nicht einfach, trotzdem darf man sich bestens unterhalten fühlen.
In dieser Saison ist Der tapfere Soldat noch am 29. Juni sowie dem 4., 7. und 8. Juli zu sehen, in der nächsten Spielzeit dann nochmals im April.
Musikalische Leitung: Anthony Bramall Regie: Peter Konwitschny Bühne / Kostüme: Johannes Leiacker Licht: Michael Heidinger Choreografische Beratung: Karl Alfred Schreiner Choreinstudierung: Karl Bernewitz Dramaturgie: Bettina Bartz, Michael Alexander Rinz
Oberst Kasimir Popoff: Hans Gröning Aurelia, seine Frau: Ann-Katrin Naidu Nadina, beider Tochter: Sophie Mitterhuber Mascha, eine junge Verwandte: Jasmina Sakr Major Alexius Spiridoff: Maximilian Mayer Bumerli: Daniel Prohaska Hauptmann Massakroff: Alexander Franzen
Seit nunmehr 132 Jahren schwebt ein großes Mysterium durch die bayerische Geschichte: der Tod des Märchenkönigs Ludwig II.. Noch immer sind sich die Menschen nicht einig, ob der entmündigte Monarch freiwillig im Starnberger See sein Leben ließ oder ob nicht nachgeholfen wurde.
Die Autoren Otto Beckmann und Anatol Preissler – der auch das Stück in Deutschlands ältester Kriminalbühne inszenierte – haben sich unter den Decknamen Dogberry und Probstein diesen Mythos vorgenommen und ihn in eine hinreißend absurde Komödie eingewoben.
Dabei begegnen uns, wie der Titel schon verrät, der berühmte Meisterdetektiv Sherlock Holmes und sein Kamerad John Watson. Die beiden werden eines Tages in London von einer geheimnisvollen Dame besucht, die sich als Therese von Bayern entpuppt. Sie sucht Hilfe für ihren Vetter Ludwig, der nicht nur das merkwürdige Verschwinden der Besatzung seiner Ägypten-Expedition zu verkraften hat, sondern nun auch noch von einer sprechenden Mumie im Keller seines Schlosses tyrannisiert wird. Die Mumie ist alles, was von der Expedition übrig ist und der König fürchtet durch den nächtlichen Spuk seinen Verstand zu verlieren. Also machen sich Holmes und Watson per Schiff, Eisenbahn und Transrapid-Kutsche auf den Weg nach Bayern. Auf ihrer Reise begegnen ihnen allerhand merkwürdige Gestalten wie sprechende Bilder, weihrauchende Gottesmänner und aufmüpfige Statuen.
Das klingt nach vielen Figuren auf der Bühne und tatsächlich kommen fast vierzig Charaktere in dieser Komödie vor. Für die stehen jedoch nur vier Darsteller auf der Bühne. Holmes und Watson werden von Julian Manuel und Uwe Kosubek gespielt, alle anderen Damen, Herren und Sonstiges von Wolfgang Haas und Martin Dudek. Das klingt schräg und ist es auch definitiv, das Publikum – inklusive mir – hat bei der Premiere kaum eine Sekunde ohne Lachen verbracht.
Das Konzept dieser Komödie würde natürlich nicht ohne das richtige Drumherum nicht funktionieren. Das Bühnenbild von Peter Schultze ist für das Blutenburgtheater ungewohnt minimalistisch, aber so kann sich die winizige Bühne innerhalb von Sekunden dank kleiner Details von der Baker Street in ein Schiff, ein Zugabteil, eine Kirche oder eine Gruft verwandeln. Die zahlreichen, aufwändigen Kostüme stammen von Andreas Haun, den das Publikum eher als Darsteller auf der Bühne gewohnt sind und der für diese Produktion viele Wochen im Kostümfundus und an der Nähmaschine verbracht hat. Dabei hat tatsächlich quasi jede Figur ein vollwertiges Kostüm, was für die beiden Darsteller natürlich nicht nur kuschelig warm wird, sondern auch zu lustigen, sekundenschnellen Umzügen auf der Bühne führt.
Aber das Highlight dieser Inszenierung sind aber auf jeden die vier Darsteller. Julian Manuel ist ein jugendlich-aufgedrehter Meisterdetektiv, der ganz im Sinne der Romanvorlage auch unter Einfluss von Kokain seine genialen Schlüsse zieht. Er leitet das Publikum temperamentvoll durch die herrlich absurde Geschichte. Sein Freund Watson wird von Uwe Kosubek als sympathisch-tollpatschiger Frauenheld gespielt, außerdem darf er in die Rolle des Märchenkönigs persönlich schlüpfen. Die größte Herausforderung haben jedoch Wolfgang Haas und Martin Dudeck mit jeweils rund einem Dutzend Rollen. Haas spielt nicht nur eine bezaubernde Therese, sondern auch den völlig irren ehemaligen Hofapotheker oder einen urigen Kuhhirten. Vor allem durch seine Fähigkeit, verschiedene Dialekte überzeugend nachzuahmen, gibt er jeder Figur etwas Besonderes. Martin Dudeck darf nicht nur die liebliche Haushälterin Mrs. Hudson und einen sehr verstoiberten Minister spielen, sondern ist auch ganz ohne Reden wundervoll als Mumie. Dudeck kann wieder sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen, mit dem er regelmäßig die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert.
Dank der Regie von Anatol Preissler ist diese Komödie rasant und wird keine Sekunde langweilig. Es wird gesungen, getanzt, es gibt viel Slapstick und plötzlich kann es auch ganz still und ernst werden. Eine gute Mischung, bei der nicht nur Sherlock Holmes- und König Ludwig-Fans auf ihre Kosten kommen.
Fünfmal die Woche kann man die vier Herren auf der Bühne des kleinen Theaters erleben, Infos zum Kartenvorverkauf sind auf der Webseite zu finden.
Der Sturm von William Shakespeare ist wohl unangefochten mein liebstes Theaterstück. Daher besuche ich natürlich möglichst alle Inszenierungen dieses Werkes in meiner Nähe. Als ich im Programm des Landestheater Niederbayern vom Bayerischen Sturm gelesen habe, musste ich natürlich mal wieder ins schöne Landshut in das Theaterzelt reisen (das Stadttheater wird im Moment renoviert). Es war die siebte Inszenierung des Sturms, die ich bisher gesehen habe und sicherlich die interessanteste Interpretation dieses Werkes.
Foto: Peter Litvai
Regisseur Wolfgang Maria Bauer versetzte die gesamte Handlung des elisabethanischen Schauspiels an sich in den Kopf Prosperos, eines an Alzheimer erkrankten Patienen in einer bayerischen Pflegeanstalt. Der ältere Mann sitzt meist vor einem Computerbildschirm, der Bilder einer tropischen Insel zeigt. Um ihn herum diskutieren die Schwestern und Pfleger anfangs über ihren Berufsalltag und ein geistig verwirrter Mitpatient versucht mit ihm zu kommunizieren und setzt sich dann schließlich ins Publikum. Zunächst gibt es also nicht viel Shakespeare zu hören, bis man schließlich während eines Anfalls in die Gedankenwelt des Kranken eintaucht. Dort lernt man den Luftgeist Ariel kennen, den treuen Diener Prosperos, der sich nun völlig klar und würdevoll als verstoßener Herzog Mailands sieht. Auch trifft der Zuschauer auf den Wilden Caliban, der jedoch anfangs nicht die menschliche Sprache beherrscht, sondern erst vom gestrandeten Trinculo tiefstes Bairisch lernt. Alle anderen Figuren erscheinen in der Gestalt des Krankenhauspersonals. Von da an läuft die Handlung von Shakespeares Werk, wenn auch stark gekürzt und mit weniger Personen (so wurden unter anderem der König von Neapel und sein Bruder gestrichen) ab, immer wieder unterbrochen von Ausflügen in die „Realität“. So reicht der Patient Propsero etwa die Hand seiner Lieblingskrankenschwester bzw. in seiner Fantasie seiner Tochter Miranda dem sympathischen Pfleger Ferdinand alias Prinz von Neapel. Diese Wechsel werden durch das Lichtdesign immer deutlich angezeigt. Gerade gegen Ende werden diese Realitätswechsel immer häufiger. Und schließlich merkt man, dass die beiden reinen Fantasiegestalten für Prosperos Kampf mit seiner Krankheit stehen: Ariel für seinen klaren Verstand, Caliban für das Vergessen und die Unfähigkeit sich zu artikulieren.
Das Bühnenbild und die Kostüme von Aylin Kaip zeigen vor allem die Kontraste zwischen Fantasie und Realität. Das Krankenzimmer ist ein halbrunder, steriler Raum mit riesigen Milchglasfenstern, die in verschiedenen Farben beleuchtet werden und in denen sich verschieden große Öffnungen befinden, die ein wenig an die Schubläden erinnerten, mit denen Psychologen gerne die menschliche Erinnerung vergleichen. In die Kostüme fließen verschiedene Elemente aus der Klinik ein, Ariel ist zum Beispiel in reine, weiße Verbände gewickelt, während Caliban eine dreckige Zwangsjacke trägt. Die Decke des Kranken wird zum Herzogsmantel und stellt sich später als überdimensionaler Bucheinband heraus, da ja auch Wissen und Bücher für Shakespeares Helden eine wichtige Rolle spielen.
Olaf Schürmann zeigt als Prospero eine beeindruckende Leistung. Der Darsteller wirkt am Anfang tatsächlich wie ein kranker alter Mann, der sich nicht mehr richtig artikulieren und bewegen kann und nur noch wenige klare Momente zeigt. In seinen Gedanken ist er jedoch ein stolzer und würdevoller Herrscher. Katharina Elisabeth Kram macht dem Luftgeist Ariel mit fließenden, sanften Bewegungen und milder Stimme alle Ehre. Joachim Vollrath habe ich witzigerweise bei meiner allerersten Inszenierung des Sturms vor neun Jahren als Ariel gesehen, nun durfte er in die Rolle des Wilden Caliban schlüpfen, der anfangs trotz fehlender Sprache seiner Wut gegenüber Prospero Ausdruck verleihen kann. Reinhard Peer darf als Trinculo beziehungsweise Verrückter in der Klinik für die Lacher des Abends sorgen, was einem manchmal aber im Halse stecken bleibt, wenn uns die Tragik der Situation eines geistig kranken Menschen bewusst wird. Paula-Maria Kirschner, Mona Fischer, Laura Puscheck und Ella Schulz spielen zumeist die Krankenschwestern und zeigen zusammen mit dem „Kollegen“ Julian Niedermeier vor allem den Alltag des Pflegepersonals, der trotz allen Stresses auch noch Menschlichkeit und Güte beinhaltet.
Untermalt wird die Inszenierung von der Musik Johnny Cashs, die von einem Musiker, der jedoch nicht in die Handlung eingreift, life gespielt und zum Teil von den Darstellern auf Englisch und Bairisch gesungen werden.
Foto: Peter Litvai
Der einzig kleine Kritikpunkt war, dass ich mir unter dem Titel ein wenig mehr Einflüsse aus der bayerischen Kultur und Sprache erwartet hatte. Die einzig bairisch sprechenden Rollen sind Trinculo und Caliban und die Klinik befindet sich in Bayern. Trotzdem war ich jedoch in keinster Weise enttäuscht.
Man braucht eventuell ein wenig, um die Kombination zwischen der Pflegethematik und Shakespeares Stück zu verstehen, doch lässt man sich erst einmal darauf ein, ist Der bayerische Sturm ein spannender und bewegender Theaterabend. Noch bis 2. Juni haben Zuschauer in Landshut, Straubing und Passau diese herausragende Inszenierung zu sehen. Weitere Informationen können auf der Webseite des Landestheaters Niederbayern gefunden werden.
Regie: Wolfgang Maria Bauer
Kostüme / Bühne: Aylin Kaip
Prospero: Olaf Schürmann
Antonia, seine Schwester: Paula-Maria Kirschner
Ferdinand: Julian Niedermeier
Caliban: Joachim Vollrath
Trinculo: Reinhard Peer
Miranda: Mona Fischer
Ariel: Katharina Elisabeth Kram
Zwei Krankenschwestern: Laura Puscheck, Ella Schulz
Johnny Cash: David Moorbach
Hurra, hurra, der Pumuckl ist wieder da! Ich denke ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass auch heute nicht nur junge (und junggebliebene) Bayern den frechen Kobold kennen und lieben. Seit 1962 begleitet die Kunstfigur der Autorin Ellis Kaut Generationen von Menschen und lässt sie in eine fantasievolle Welt eintauchen die – zumindest den Münchnern – trotzdem so vertraut ist. Ich selbst habe die Abenteuer von Pumuckl durch die Fernsehserie, die Bücher und die Sendung Pumuckl-TV kennen gelernt und mich sehr auf das neue Musical im Gärtnerplatztheater gefreut, wenn auch mit dem leisen Hintergedanken: wird es so sein wie früher?
Also habe ich mich bei der Vormittagsvorstellung unter die zahlreichen Schüler gemischt und war mindestens genauso gespannt wie sie. Das neue Musical von Anne Weber mit der Musik von Franz Wittenbrink spielt in der heutigen Zeit, was sich auch in der Musik widerspiegelt. Etwas jazzig, ein bissl bayerischer Flair mit Tuba und Zither und natürlich viel moderner Musicalsound. Auf der Drehbühne steht eine wundervolle, minimalistische Version von München, entworfen von Judith Leikauf und Karl Fehringer mitsamt Rathaus, Frauen- und Peterskirche. Die Kostüme von Tanja Hofmann sind knallbunt und passen definitiv in ein Kinderstück, das ja für die Jüngsten auch etwas fürs Auge bieten sollen.
Foto: Christian POGO Zach
Die Handlung des Stücks ist aus den verschiedensten Abenteuern Pumuckls zusammengemischt, die ein oder andere Szene kam mir also durchaus bekannt vor und ließ mich in Kindheitserinnerungen schwelgen. Und wie früher auch ist zwar alles sehr lustig, aber auch durchaus tiefgründig. Zum Beispiel erfahren wir im Musical, wie Pumuckl nach München gekommen ist. Die vielen kleinen Abenteuer wurden aber geschickt verbunden, wenn der Pumuckl etwa in Möbelstücken versteckt durch München reist.
Aber natürlich würde alles ohne gute Darsteller nichts nützen. Zwar muss man sich in dieser Hinsicht beim Gärtnerplatztheater selten Sorgen machen, aber ich war vor allem gespannt, wie Pumuckl und Meister Eder in die Fußstapfen ihrer Vorgänger treten würden. Gustl Bayrhammer war mein größter Kindheitsheld, aber Ferdinand Dörfler spielt die Rolle des grantigen Schreinermeisters wundervoll, ohne dabei zu versuchen seinen Vorgänger zu kopieren. Er gibt den eher gemütlichen Bayern (mit wunderbar ungetrübtem Dialekt), der trotzdem auch temperamentvoll werden kann. Dagegen ist Christian Schleinzer einen dauerquirligen Kobold, der sich von der ersten Sekunde in die Herzen der jungen (und älteren) Zuschauer spielt. Stimmlich ist der Gärtnerplatz-Pumuckl nicht ganz so krächzend wie der legendäre Hans Clarin und sein Nachfolger Kai Taschner, aber das ist zu verzeihen, weiß man doch wie sehr das auf die Stimme geht. Außerdem passt seine kindliche Art ebenfalls perfekt zu dieser Figur und lässt das Publikum unweigerlich mit ihm mitfiebern. Auch nach der Vorstellung machte sich Schleinzer übrigens bei den Kindern sympathisch, da er – noch im Kostüm – aus seiner Garderobe heraus Bonbons wirft.
Foto: Christian POGO Zach
Da ich mich mit dem Thema Dialekt im Theater viel befasse, fand ich es natürlich besonders spannend, dass nicht nur Meister Eder sondern auch viele andere Figuren wie das Schlosserehepaar Schmitt, gespielt von Ulrike Dostal und Stefan Bischoff oder die Stammtischbrüder Meister Eders im Biergarten. Eim komödiantisches Highlight ist Pumuckls Ausflug ins Schloss, bei dem die Dienstmädchen (Susanne Seimel und Ulrike Dostal) und der herrlich nervöse Butler (Peter Neustifter) mit dem Hausgeist inklusive blutiger Handabdrücke und stehen gebliebener Uhren zu kämpfen haben.
Der tosende Applaus der großen und kleinen Zuschauer zeigt mal wieder, dass Geschichten wie die von Ellis Kaut zeitlos die Menschen begeistern können und die ausverkauften Vorstellungen zeigen, dass der Pumuckl in München sehr gut ankommt. Aber für alle enttäuschten Fans, die keine Karten mehr ergattern konnten, gibt es eine gute Nachricht: Der Kobold darf auch in der nächsten Saison wieder das Staatstheater durcheinander bringen.
Dirigat: Andreas Kowalewitz
Regie: Nicole Claudia Weber
Choreografie: Karl Alfred Schreiner
Bühne: Judith Leikauf / Karl Fehringer
Kostüme: Tanja Hofmann
Licht: Jakob Bogensperger
Dramaturgie: David Treffinger
Pumuckl: Christian Schleinzer
Meister Eder: Ferdinand Dörfler
Frau Reitmayer, Lehrerin: Marianne Sägebrecht
Frau Steinhauser / Gräfin: Dagmar Hellberg
Monika Steinhauser, ihre Schwiegertochter: Angelika Sedlmeier
Hanna, ihre Enkelin / Vreni, Dienstmädchen: Susanne Seimel
Schlosser Schmitt: Stefan Bischoff
Gerti Schmitt, seine Frau / Vroni, Dienstmädchen: Ulrike Dostal
Schubert: Maximilian Berling
Bartel: Alexander Bambach
Wirt: Martin Hausberg
Butler Jakob: Peter Neustifter
Chauffeur: Frank Berg
Wirtshausgäste: Stefan Thomas, Dirk Lüdemann, Thomas Hohenberger
Kinderchor und Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
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