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Marina am 27. Dezember 2018 12:59 Aufgrund meiner Reise nach Prag habe ich leider wieder einmal die Premiere im Gärtnerplatztheater verpasst, aber bereits einen Tag später durfte ich neue Familienoper Momo mit der Musik von Wilfried Hiller und Texten von Wolfgang Adenberg besuchen. Und das diesmal in Begleitung meiner Schwester, die zwar kein großer Opernfan aber dafür eine umso größerer Michael Ende-Liebhaberin und -kennerin ist.
Ich kann mich dunkel erinnern, die Romanvorlage vor langer Zeit gelesen zu haben, eher im Gedächtnis ist mir die Zeichentrickserie aus dem Jahr 2003 geblieben. Trotzdem ist mir in dem gut zweistündigen Opernabend schon aufgefallen, dass die Handlung natürlich sehr gerafft wurde, was aber auch durchaus verständlich ist. Schließlich sollte auch die Zeit dieser Familienoper kindgerecht sein.
Foto: Christian POGO Zach
Erst einmal fällt das imposante Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf auf, die diesmal praktisch alles nutzen, was die Bühne des Gärtnerplatztheaters zu bieten hat: die Drehbühne, die fünf Podeste, Videoprojektionen und vieles mehr. Schon alleine in dieser Hinsicht eine atemberaubende Show!
Sehr kindgerecht ist auch durchaus, dass nicht durchgängig gesungen wird. Opern gehören schließlich nicht mehr zum gewohnten Unterhaltungsrepertoire für das junge Publikum, deshalb ist es durchaus sinnvoll, eine Mischung aus Schauspiel und Musiktheater zu bieten. Dafür braucht man natürlich auch das richtige Ensemble. Als Momo wurde die junge Schauspielerin Anna Woll gewählt, die ihrer (nicht singenden) Figur mit ihrer zurückhaltenden und ruhigen Art genau das verleiht, was Michael Ende in seinem Buch beschreibt. Sie führt völlig unaufgeregt durch die spannende Geschichte, die – eigentlich ganz untypisch für unsere Zeit – auch einmal völlig entschleunigt erzählt wird. Der Gegensatz zur stillen Momo ist Maximilian Mayer als Fremdenführer Gigi, der durch die Grauen Herren zu einem unglücklichen Schlagerstar gemacht wird und der sowohl gesanglich als auch spielerisch eine gewohnt souveräne Leistung bietet. Holger Ohlmann als Straßenkehrer Beppo ist eine weise Vaterfigur für die Titelheldin. Er ist eigentlich der einzige ihrer Freunde, der sich nicht für Erfolg und Ruhm den Grauen Herren unterwirft, sondern weil diese behaupten, Momo in ihrer Gewalt zu haben.
Foto: Christian POGO Zach
Einzig bei dem Kampf zwischen den überlebenden Grauen Herren gegen Momo und Kassiopeia am Ende kommt etwas Action auf, ansonsten ist es durchaus angenehm, dass die Heldin mit der Schildkröte einfach ab und zu zu ruhiger Musik langsam über die Bühne wandert, ganz im Kontrast zu den immer hektischer werdenden Menschen, die von den Bösewichten den Stücks zum Zeitsparen gedrängt werden.
Auch der Hüter der Zeit, Meister Hora, ist ein überaus entspannter Charakter. Hier singt und spricht der Chor die Texte des mysteriösen Mannes und Ballettensemble-Mitglied Matteo Carvone kommuniziert auf der Bühne mit fließenden Tanzbewegungen, zuerst als alter, dann als jüngerer Zeithüter. Mit dem langsam schwingenden Pendel im Hintergrund und dem bunt erleuchteten Bühnenbild ist dies eine wunderschöne Szene.
Die Kostüme von Momo und ihren Freunden sind von Tanja Hofmann fantasievoll und bunt gestaltet, während die Grauen Herren mit Leuchtkrägen ein dämonisches und unheimliches Aussehen verliehen wird. Besonders Ilia Staple als Chef-Grauer-Herr wirkt mit Glatze und höchsten Sopran-Tönen ziemlich unheimlich. Dieses bedrückende Gefühl in Anwesenheit der Antagonisten wird durch kleine Details effektvoll verstärkt, wie etwa die Tatsache, dass die Menschen in ihrer Anwesenheit frieren.
Foto: Christian POGO Zach
Regisseurin Nicole Claudia Weber ist es gut gelungen, ohne die Handlung bewusst in unsere Zeit zu versetzen, immer wieder Parallelen in unseren gestressten Alltag zu zeigen. Ich konnte einiges aus meinem Leben in München wiedererkennen, wenn die Leute mit dem Coffee to Go in der Hand panisch zu U-Bahnen rennen, weil sie sonst fünf Minuten auf die nächste warten müssten. Auch Kinder verlernen es scheinbar immer mehr, nicht dauerhaft von verschiedensten Eindrücken berieselt zu werden, wurde manch junger Zuschauer spätestens nach einer halben Stunde doch schon sehr unruhig.
Ich kann diese neue Oper aber auf jeden Fall für die ganze Familie empfehlen, vor allem, wenn man nach der stressigen Weihnachtszeit auch tatsächlich ein Stück zum Entspannen sucht. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene hat diese Inszenierung optisch, musikalisch und erzählerisch viel zu bieten und vielleicht macht es ja manchem Nachwuchs auch neugierig auf die Werke von Michael Ende.
Ein paar Möglichkeiten gibt es in dieser Saison noch, Momo zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass es auch 2019/2020 wieder aufgenommen wird.
https://www.gaertnerplatztheater.de/de/produktionen/momo.html?m=362
Dirigat: Michael Brandstätter
Regie: Nicole Claudia Weber
Bühne: Judith Leikauf, Karl Fehringer
Kostüme: Tanja Hofmann
Choreografie: Roberta Pisu
Video: Meike Ebert, Raphael Kurig
Licht: Michael Heidinger
Dramaturgie: Michael Alexander Rinz
Momo: Anna Woll
Gigi, Fremdenführer: Maximilian Mayer
Beppo, Straßenkehrer: Holger Ohlmann
Erster Grauer Herr: Ilia Staple
Zweiter Grauer Herr: Valentina Stadler
Dritter Grauer Herr: Ann-Katrin Naidu
Vierter Grauer Herr: Alexandros Tsilogiannis
Fünfter Grauer Herr: Stefan Bischoff
Sechster Grauer Herr: Timos Sirlantzis
Siebter Grauer Herr: Martin Hausberg
Meister Hora: Matteo Carvone
Herr Fusi, Friseur: Frank Berg
Nicola, Maurer: David Špaňhel
Bibigirl: Caroline Adler
Erstes Traumgirl: Elaine Oritz Arandes
Zweites Traumgirl / Frau: Frances Lucey
Drittes Traumgirl / Fräulein Daria: Gerwita Hees
Kassiopeia: Ina Bures
Nino, Wirt: Yegor Pogorilyy
Herr Fusis Lehrbub: Benjamin Weygand
Junge mit dem Vogelkäfig: Clemens von Bechtolsheim
weitere Graue Herren: Martin Emmerling, Christian Weindl, Marco Montoya
Chor, Kinderchor und Orchester des Staaatstheaters am Gärtnerplatz
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Corinna Klimek am 5. März 2015 23:35 [singlepic id=2072 w=320 h=240 float=left]Eine berühmte Romanvorlage und bekannte Adaptionen machen eine Neuinterpretation schwierig. Das Team um Regisseur Josef Köpplinger konnte mit der Uraufführung des Musicals Gefährliche Liebschaften trotzdem neue Akzente setzen.
Die Marquise de Merteuil ist eine Meisterin im Intrigenspiel um Macht und Sex. Sie möchte, dass der Vicomte de Valmont eine ehemalige Klosterschülerin verführt, die kurz vor der Heirat mit einem Grafen steht. Dieser war einst der Liebhaber der Marquise und hatte sie verlassen, das hat sie ihm nicht verziehen. Doch Valmont ist hinter der prüde-verschlossenen Madame de Tourvel her, ihre Eroberung sieht er als sein Meisterstück. Sollte ihm dies gelingen, winkt ihm als Belohnung eine Liebesnacht mit der Marquise, die gegen ihn gewettet hat. Anfangs läuft alles nach Plan, aber als Valmont sich in Madame de Tourvelle verliebt, wenden sich die Intrigen der Marquise gegen sie selbst.
[singlepic id=2073 w=320 h=240 float=right]Dass das Stammhaus am Gärtnerplatz mittlerweile seit fast drei Jahren geschlossen ist, bedeutet Unannehmlichkeiten, aber auch Chancen. Die Musicaluraufführung von Gefährliche Liebschaften im wundervollen Rokokoambiente des Cuvilliéstheaters spielen zu können, ist definitiv eine. Die aufwendigen Kostüme von Alfred Mayerhofer passen perfekt in die Zeit und lassen ein Gefühl für die Zeit aufkommen. Die Bühne von Rainer Sinell ist schon fast sensationell in ihrem raffnierten Understatement: eine Treppe, ein Podest, ein riesiger Spiegel und ein paar wechselnde Möbel auf einer Drehbühne lassen vom Opernhaus über ein intimes Bouduoir bis hin zum Nonnenkloster alles entstehen. Das Podest ist wirklich genial: der Boden wechselt immer wieder, schachbrettartige Fliesen, fließender Stoff, Blätter und rinnendes Blut werden passend zur jeweiligen Handlung angezeigt. Zusammen mit dem Spiegel, der beweglich ist und in verschiedene Höhen und Neigungswinkel gefahren werden kann, ergeben sich je nach Sitzposition des Betrachters verschiedene faszinierende Einblicke. Das Licht von Michael Heidinger und Regisseur Josef Köpplinger ist sehr athmosphärisch.
[singlepic id=2056 w=320 h=240 float=left]Zusammen mit seinem Co-Regisseur und Choreograf Adam Cooper gelingt letzterem eine überzeugende Umsetzung des bekannten Stoffes. Es passiert sehr viel auf der Bühne, so dass man schon sehr genau oder am Besten mehrfach hinschauen muss, um alles mitzubekommen. Manches passiert sogar gleichzeitig, da wird ein Brief geschrieben und gelesen, in einem Zug oder nahtlos ineinander übergehend. Briefe spielen natürlich eine große Rolle, ist doch die literarische Vorlage von Choderlos de Laclos ein Briefroman. Als besonders beeindruckend empfand ich die Szene, als die Briefe der Marquise vom Himmel fallen und einer mit ein bisschen Verzögerung schon fast majestätisch zu Boden schwebte. Die Regie arbeitet die Figuren sehr gut heraus, vor allem der Wandel der Madame de Tourvel von der zurückhaltenden, fast schon vergeistigten Prüden zur rückhaltlos verfallenen Liebenden war gut nachvollziehbar. Und ja, es gibt einigen Sex in diesem Stück, schließlich gehts ja darum. Aber er ist immer mit Gefühlen verbunden – Gier, Liebe, Hass – so dass man das Gefühl hat, die Darstellung gehört
[singlepic id=2049 w=320 h=240 float=right]Das Libretto von Wolfgang Adenberg bietet eine ansprechende Umsetzung des Stoffes, er hält die Spannung den ganzen Abend. Die Musik von Marc Schubring erschließt sich so richtig leider erst beim mehrfachen Hören. Sein Anspruch, sie von Parfüm zu Gift zu verwandeln, hat zur Folge, dass bis kurz vor der Pause kein einziger wirklich eingängiger Song dabei ist, allerdings dreht er dann mit Valmonts Allmächtig auch mächtig auf. Nach der Pause beginnt das Gift zu wirken und das Erzähltempo wird schneller und die Melodien eingängiger. Das Orchester unter Andreas Kowalewitz arbeitete feinste Klangnuancen heraus, die dem Stück Tiefe verliehen. Die Sänger überzeugten in ihren jeweiligen Rollen, sie spielten sehr expressivund leidenschaftlich und sangen auch ganz hervorragend.
Standing Ovation für eine gelungene Uraufführung eines Musicals, das die deutsche Musiktheaterlandschaft bereichert.
Musik von Marc Schubring, Buch und Liedtexte von Wolfgang Adenberg. Nach dem Roman von Choderlos de Laclos. Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz, Regie Josef E. Köpplinger, Choreografie u. Co-Regie Adam Cooper, Bühne Rainer Sinell, Kostüme Alfred Mayerhofer,Licht Michael Heidinger / Josef E. Köpplinger, Video Raphael Kurig / Thomas Mahnecke, Dramaturgie Michael Otto
Marquise de Merteuil Anna Montanaro, Vicomte de Valmont Armin Kahl, Madame de Tourvel Julia Klotz, Cécile de Volanges Anja Haeseli, Chévalier de Danceny Florian Peters, Madame de Rosemonde Gisela Ehrensperger, Madame de Volanges Carin Filipčić, Azolan Erwin Windegger, Joséfine de Fontillac / Madame Gérard u. a. Anna Thorén, Émilie / Nonne u. a. Nazide Aylin, Julie u. a. Evita Komp, Christine / Opernsängerin u. a. Eva Aasgaard, Victoire u. a. Johanna Zett, Prévan u. a. Carl van Wegberg, Belleroche / Gérard u. a. Peter Neustifter, Jean / Comte de Gercourt u. a. Jörn Linnenbröker, Steuereintreiber / Priester u. a. Florian Hackspiel, Statisterie und Kinderstatisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Dauer 2 Stunden 45 Minuten, Altersempfehlung ab 15 Jahre
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