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Das Wo beim Was – Theatertopologie

Das Wo beim Was – Theatertopologie

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Es muss nicht immer die erste Reihe an der ersten Geige sein, sollte es auch nicht, denn gerade ganz hinten und ganz oben lernt man loben.
Doch manches Mal bietet der vordere Platz ein grandioses Erlebnis: Kürzlich briet Anette Paulmann als Hausmutti in Armreichweite am Bühnenrand voller Hingabe Rührei. Das war showcooking besser als bei Lanz, direkter und olfaktorisch schon ein Genuss, während sich dabei das Pfanneninnere noch in der dicken Hornbrille der Ausnahmeakteurin spiegelte. Aus der ersten Reihe saß der Enthusiast sozusagen direkt am Essenstisch mit der großen Kunst, durfte selber einen Löffel mitnehmen vom Stück, anstatt wie sonst nur in die Fernsehküche zu lechzen. Das geht übrigens auch vom Balkon: Unvergessen der kollektiv knurrende Magen des ganzen Resipublikums, als Courage Froebess Schnitzel in ihrer Feldküche brutzelte.
Moment jetzt wird’s zu kulinarisch. Bevor wir die Kreditkarte für Kusejs Gorillaaffenküchencirkus zücken müssen – zurück zur Sitzplatznummer. Die Oper verlangt zumindest die dritte Reihe, um nicht nur das Stiefelgeklapper eines Carlos, sondern auch seinen Tenor mitzubekommen – vor allem, wenn weniger Graben als in München ausgehoben wurde. Durch den Pulverduft nach der Cavaradossierschießung erschnuppert man dafür bei der aktuellen Tosca noch vor der verladenen Diva, dass ihr Geliebter tatsächlich das Zeitliche gesegnet hat.
Alles in allem überprüft ja gerade der Stehplatz in der Oper die Akustik des Hauses ebenso wie die Klangfülle der Astralresonanzkörper an der Rampe. Die Wiener Staatsoper schluckt die tiefen Töne wie so manches Haus. Der Sopran trägt sich dagegen glockenklar ins renovierte Rund. Wer da als Bass ankommen will, muss stützen und schicken. Vertrackte Architekturen jenseits des allgemein geliebten Concertgebouws Amsterdam fordern eben alles.
Im Sprechtheater darf es dafür näher dran sein.
Doch dann Obacht: Bühnenblut, Dosenbier, Champagner und Stullenspucke drohen auf die ersten beiden Reihen überzugehen! Mittlerweile wird ja gerne rumgesaut auf modernen Bühnen, selbst in alten Stücken. Eine eigens benötigte Abtropfrinne schützte das RoseBernd-Publikum über Jahre vor der fließenden Dreckbühne. Die Drohung, mit Echtpferd in die erste Reihe zu reiten, verängstige das alte Abopaar dann schon sehr. Mit Gummicape und Hut und Becher lässt es sich da besser aushalten und dann sieht man schließlich jede Regung, jede Zuckung, jedes Lachen, jede Träne, jede… Falte.
Noch schwieriger im Kabarett: Die Angst für den nächsten Gag auf die Bühne geholt zu werden, verdarb einer Begleitung gleich den ganzen Abend. Da half es auch nichts, dass Schauspielkabarettschwergewicht Helmut Schleich die Befürchtung seiner Zuschauer verbalisierte und gleich alle nacheinander zum Kinderliedersingen auf einen Bühnenstuhl bat. Kommen musste dann nämlich keiner.
Es ist demnach gar nicht so einfach akustisch, ästhetisch und abschirmbar zu sitzen. Wie man es macht, es ist verkehrt. Flieht man an den Ausgang nach hinten für etwaiges Aufgeben nach zweieinhalb Stunden Quasirezitation eines wiederentdeckten rumänischen Teilbühnenautors, dann entwickelt sich der Abend so klasse, dass man sich nach vorne wünscht. Erobert man beim wenig besuchten Liederabend die vordere Mitte, fühlt man sich auch nach der endlosesten Zugabe bemüßigt, dem Sänger vor den wenigen Zuhörern ein gutes Gefühl zu geben, wo man sich doch eigentlich nur erst in die Pfälzer und dann ins Bett wünscht.
Tja wo ist fast so entscheidet wie was, aber wann überwiegt das wo das was während das wie irgendwann was wird…?

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Veranstaltungshinweis: Noseland auf dem Snowdance Independent Film Festival in Landsberg am 01.02.2014

Noseland ist in bayerischen Gefilden zu sehen! Und zwar auf dem Snowdance Independent Film Festival in Landsberg am 01.02.2014 um 15.30 Uhr im Stadttheater. Tickets gibts für 7€ an der Theaterkasse. Wers noch nicht gesehen hat – hingehen!

SNOWDANCE ist ein Event-Filmfestival. So werden während SNOWDANCE nicht nur Filme geschaut, sondern es wird auch kräftig gefeiert.

SNOWDANCE bietet in erster Linie ein Forum für unabhängig gedrehte Langfilme, d.h. Filme, die länger als 72 Minuten sind. Unter diesen vorselektierten Filmen (maximal 20) wählt eine Jury mit prominenten Juryvorsitz einen würdigen Preisträger für den Snowdance-Independent-Filmaward aus.
Die Sichtung und öffentliche Vorführung der für den Preis in Frage kommenden Langfilme ist das offizielle Hauptprogramm der zunächst drei Festivaltage. Das filmische Rahmenprogramm bieten 10 vorselektierte, unabhängig hergestellte Kurzfilme, die in einer stadtbekannten Szenebar zu festen Uhrzeiten auf großen Flatscreens gezeigt werden. Dieses “Film-Clubbing” bezieht also die örtliche Szene mit ein. Im Wechsel mit live gespielter Musik werden die Kurzfilme gezeigt und von den Anwesenden bewertet.
Am Ende des Festivals wird der Kurzfilm mit den besten Publikumsbewertungen dem Premierenpublikum vor dem Eröffnungsfilm gezeigt. Parallel zu den Filmveranstaltungen, wird in einem zentralen Gebäude eine Technik-Show stattfinden.
Ebenfalls werden in diesem Rahmen Workshops von führenden Indie-Filmern zu Produktion, Technik und Finanzierung gegeben werden. Die beiden zentralen Veranstaltungen finden am Samstag Abend und am Sonntag Nachmittag statt: Samstags ab 22.00 Uhr wird ein großes Fest in einer großen In-Location gefeiert werden. Mit Live-Bands und bekanntem Electro-DJ. Am Sonntag Nachmittag folgt in einer zentralen Veranstaltung die Preisverleihung mit Vorführung der beiden Gewinnerfilme.

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Staccato – Fegefeuer in Ingolstadt in den Kammerspielen

[singlepic id=1731 w=320 h=240 float=left]Diese Inszenierung gleicht mehr einer Installation, einer Versuchsanordnung, als einer herkömmlichen Adaption. Diese schied bereits bei der Premiere massiv die Geister.
Regisseurin Susanne Kennedy ließ den gekürzten Fleißertext im Studio aufnehmen und spielt ihn nun playback zu den lippensynchron agierenden Darstellern ein. Der Clou dahinter sei, die verschiedenen und gestörten Ebenen einer Sprache, die der Figur nicht mehr gehört – wie eigentlich im postdramatischen Theater üblich – aufzudecken. Welch technischer Aufwand und Arbeit für die Darsteller bei dieser Inszenierungsart erforderlich ist, macht den Effekt fraglich. Ironischerweise werden so die hervorragend sprechenden Kammerspielleute eingespielt, was man sich an so manchem anderen Münchner Haus zur Verständlichkeit wünschen würde.
Kennedy reißt Fleißers Text in Fetzen und lässt diese kurz aufflimmern. Zwischen unendlichen und bisweilen nervenden Lichtblitzen und Sauggeräuschen werden Texte, teils bis zur Belastungsgrenze, wiederholt, überhöht oder heruntergenudelt. Staccatohaft, knapp, verdichtet. Oft nur eine Geste, eine Satz, ein Szenenfragment, das uns die kurz aufgehellte Bühne mit dem grandiosen Licht von Jürgen Kolb erlaubt zu beobachten. Die Figuren agieren statisch, minimal, entrückt und mit einer Nonchalance und Emotionslosigkeit eingesprochen, die einen gewissen Sog entwickelt und die Szenerie noch irrealer erscheinen lässt. Ufos über Ingolstadt. So wirken auch die verbliebenen Figuren, die nicht der Kürzung zum Opfer fielen. Dank der gewitzten Kostüme von Lotte Goos stehen Popper, Zombies, Püppchen und blutleere Barbies in diesem tristen Puppenhauszimmer von Lena Müller, dessen Kruzifixmetronom samt der Wand unheilvoll vibriert.
[singlepic id=1730 w=240 h=320 float=right]Einzelleistungen aus dieser Konzeptproduktion herauszustellen, wird aufgrund des inszenatorischen Korsetts schwierig. Allein die Bereitschaft sich der Idee auszuliefern, kann vielleicht in verschiedenen Frequenzen erkannt werden. Christian Löbers Roelle, eine Mischung aus Travestie, Avatar und Psycho, nutzt seine Präsenz und wird zu recht als Mittelpunkt des Hasses der Kleinstadt prominent ausinszeniert. Er würgt seine Sätze ebenso souverän aus seinem Inneren heraus, wie er fiese kleine Gedanken hauchen kann. Çigdem Teke kann trotz pulsierendem Babybauch, dem Konzept geschuldet, weniger zeigen, als die dämonische Anna Maria Sturm die überartikulierend ein klasse Biest aus dem Tim-Burton-Universum gibt. Kongenial Marc Benjamin und Edmund Telgenkämper als ätherisches Bullyduo aus der Popperhölle. Heidy Forster als Suppe kleckernde Mutter gehören trotz der wenigen Chancen starke Momente im Zusammenspiel mit ihrem Roelle. Kristof Van Booven ersetzt gerade in dieser tontechnisch anspruchsvollen Angelegenheit den Vater beachtlich. Alle zeigen sie ihr Können in den engen Schranken, die ihnen Kennedys Traum lässt.
Am Ende offene Empörung aus dem Publikum über die gebetsmühlenartige, redundante Rosenkranzszenerie, die den Anspruch des Abends inhaltlich komprimiert und zum Ende pointiert: Ins Leere gesprochene Hülsen von unglücklichen Ingolstädter Wiedergängern breiten sich im Lamento über ihre eigene Existenz über den Zuschauerraum aus. Ein starkes Konzept mit schlüssiger Interpretation in einer fragwürdigen Bühnenwirksamkeit.

Besucht wurde die Vorstellung am 22.01.2014

Regie: Susanne Kennedy, Bühne: Lena Müller, Kostüme: Lotte Goos, Sounddesign: Richard Janssen, Licht: Jürgen Kolb, Dramaturgie: Jeroen Versteele, Ton: Katharina Widmaier-Zorn, Martin Sraier-Krügermann, Videogestaltung: Ikenna Okegwo
Mit: Marc Benjamin, Heidy Forster, Kristof Van Booven, Christian Löber, Anna Maria Sturm, Çigdem Teke, Edmund Telgenkämper

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Premiere Die Zirkusprinzessin, 18.01.2014, Anhaltisches Theater Dessau

[singlepic id=1727 w=320 h=240 float=left]Schon oft wurde es totgesagt, aber wenn es in solcher zauberhafter Opulenz gezeigt wird wie die Zirkusprinzessin am Anhaltischen Theater Dessau, dann wird uns das Genre Operette alle überleben.

Fürstin Fedora Palinska ist kürzlich Witwe geworden und hat das Vermögen ihres Mannes geerbt. Nun soll sie sich wiederverheiraten, natürlich mit einem Russen, damit das Geld im Land bleibt. Ein Anwärter wäre Prinz Sergius Wladimir, doch den will die Fürstin auf gar keinen Fall heiraten. Auf Einladung des Zirkusdirektors Stanislawski sieht sie eine Vorstellung des waghalsigen Mr X, der seine Identität verschleiert, in Wahrheit aber der Neffe ihres verstorbenen Mannes ist und die Fürstin glühend liebt. Der Prinz sinnt nach einem erneuten Fehlschlag bei der Fürstin auf Rache und engagiert Mr X, um Fedora eins auszuwischen. Als Adeliger soll er sich ihr vorstellen und sie am besten gleich heiraten. Der Plan gelingt und nach der Trauung enthüllt der Prinz die ihm bekannte Identität des Bräutigams. Seine Kollegen vom Zirkus sind ebenfalls da und die hochmütige Dame wird als Zirkusprinzessin verspottet. Sie selbst liebt zwar Mr X, hat aber zu viel Standesdünkel, um ihn als Ehemann anzuerkennen und trennt sich von ihm. Parallel dazu entwickelt sich eine Romanze zwischen dem Hotelerben Toni Schlumberger und der Zirkusreiterin Mabel Gibson. Mabel tut zwar so, als ob sie Engländerin wäre, ist in Wahrheit aber genauso wie Toni ein echtes Wiener Gewächs. Weil sie ein anständiges Mädchen ist und der Toni scharf auf sie, wird ebenfalls geheiratet. Tonis persönliche Nemesis ist aber die Frau Mama, die in der Dessauer Fassung nach St. Petersburg kommt und ihm ordentlich einheizt. Natürlich gibt es am Ende für alle Beteiligten ein Happy End, aber bis es so weit ist, gibt es noch jede Menge Klippen zu umschiffen.

[singlepic id=1728 w=320 h=240 float=right]Regisseur Wolfgang Dosch ist ein ausgewiesener Operetten-Spezialist und das merkt man in jeder Minute. Da stimmt das Timing, die Personenführung ist fabelhaft und die eingestreuten Gags bringen das Publikum immer wieder zum Lachen. Bereits zu Beginn gibt es eine poetische Note, wenn ein Pierrot den Vorhang öffnet und die Protagonisten durch die ganze Handlung begleitet. Lediglich die Marotte des Prinzen, jedes dritte Wort falsch zu verwenden, hätte ruhig etwas sparsamer verwendet werden dürfen. Leider habe ich nicht alles verstanden, insbesondere, wenn die Sprechstimmen mit Musik unterlegt waren, hörte ich diese kaum. Ich höre tatsächlich etwas schlecht, aber dies hat mir noch nie in Oper oder Operette Probleme bereitet. Ansonsten war es wirklich großartig, die Ausstattung von Stefan Wiel opulent und märchenhaft mit Schlitten, großen Roben der Fürstin und schneidigen Husaren. Es wurde sowohl die Zirkusatmosphäre wie auch die russische Verortung ausgezeichnet transportiert.  Es war in jedem Augenblick etwas geboten auf der Bühne, das ist eine Inszenierung, die man sicher öfter sehen kann und trotzdem noch Neues entdeckt. Das Ballett, von dem man leider hört, dass es politisch gewollt in Dessau abgeschafft werden soll, hatte sichtlich Spaß bei der Sache und konnte sich in den Choreographien von Tomasz Kajdanski so richtig austoben. Der Chor zeigte sich auch sehr spielfreudig, schwamm aber vor allem vor der Pause etwas. Für mich hätte die Anhaltische Philharmonie unter der Leitung von Wolfgang Kluge gerne noch einen Tacken spritziger sein dürfen, an manchen Stellen kam es mir doch ein bisschen langsam vor. Das alles tat aber der guten Stimmung und dem tollen Gesamteindruck des Abends keinen Abbruch.

[singlepic id=1729 w=320 h=240 float=left]David Ameln als Toni und Cornelia Marschall als Mabel zeigten auf jeden Fall die akrobatischen Höchstleistungen des Abends. Singend ein Rad schlagen oder die Partnerin längere Zeit über die Bühne tragen stelle ich mir nicht gerade einfach vor und beide sangen wirklich in jeder Lage sehr gut. Ihr Duett Wenn Du mich sitzen lässt,  fahr ich sofort nach Budapest war einer der Höhepunkte des Abends. Leider zeigten beide ebenso wie Mutter Schlumberger und Pelikan nur Anklänge des  Wiener Dialektes, so hat mir ein bisschen der Schmäh gefehlt. Zusammen mit der Änderung, dass der dritte Akt nicht in Wien spielt, hätte man sich hierfür vielleicht auch was einfallen lassen können.

Ungewöhnlich, aber luxuriös besetzt waren die Partien von Fürstin Palinska mit der Mezzospranistin Rita Kapfhammer und Mr. X mit dem niederländischen Bariton Wiard Withold. Ich bin ja eh ein Fan der tiefen Stimmen und insbesondere Rita Kapfhammer meisterte die Sopranpartie fabelhaft und spielte dabei dabei auch noch leidenschaftlich mit großer Bühnenpräsenz. Dirk Lohr als Prinz Sergius Wladimir mit seinem eilfertigen Adjutanten Tizian Steffen komplettierten den hervorragenden Cast.

Am Ende Standing Ovation von einem begeisterten Publikum, das ist unterhaltsames Theater für Jung und Alt!

Inszenierung Wolfgang Dosch, Musikalische Leitung Wolfgang Kluge, Bühne und Kostüme Stefan Wiel, Choreographie Tomasz Kajdanski, Chor Helmut Sonne, Dramaturgie Felix Losert
Fürstin Fedora Palinska Rita Kapfhammer, Prinz Sergius Wladimir Dirk Lohr, Peter Brusowsky, Adjutant des Prinzen Tizian Steffen, Direktor Stanislawski Thomas Skambraks, Mister X alias Fedja Palinski Wiard Witholt, Luigi Pinelli, Regisseur und Clown Jan-Pieter Fuhr, Miss Mabel Gibson, Zirkusreiterin Cornelia Marschall, Toni Schlumberger David Ameln, Carla Schlumberger, Hotelbesitzerin Christel Ortmann|Kristina Baran, Pelikan, Oberkellner Hasso Wardeck, Olga, Dame an Kassa Jagna Rotkiewicz

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Premiere Elektra, 16.01.2014, Kleines Ensemble München im Theater Blaue Maus

[singlepic id=1706 w=320 h=240 float=left]Kann man ein Stück, das mehrere tausend Jahre auf dem Buckel hat, heute noch spielen? Und zwar so spielen, dass auch der Mensch der Gegenwart sich damit identifizieren kann? Ja, man kann, wie das Kleine Ensemble München bei der Premiere des Stückes Elektra von Sophokles bewies.

Elektra will den Tod des Vaters rächen. Agamemnon wurde von seiner Frau Klytaimnestra und deren Liebhaber Aeghist getötet. Ihr Bruder Orest ist erst einmal geflohen, kehrt aber zurück, um Vergeltung zu üben. Um unerkannt zu bleiben, lässt er verbreiten, dass er bei einem Wagenrennen zu Tode gekommen ist. So weit die griechische Tragödie. Regisseur Manfred Lorenz Sandmeier verlegt die Handlung in eine psychatrische Anstalt. Elektra ist dort eingesperrt, wird sogar fixiert und mit Elektroschocks behandelt. Dennoch sinnt sie weiter auf Rache. Chrisothemis ist eine Mitinsassin, der Alte ein Wärter und Klytaimnestra die Oberschwester. Orest dringt in die Klinik ein und befreit sie. Das war alles sehr schlüssig, vergegenwärtigt den zeitlosen Stoff und reisst den Zuschauer mit. Der Schluß toppt das Ganze aber nochmal mit eingespielten, satirischen Fernsehszenen, bei denen dem Zuschauer schon mal das Lachen im Halse stecken bleibt. Überhaupt wird viel moderne Technik verwendet, der Chor sind Stimmen, die Elektra hört. Leider waren diese durch den (gewollten) Halleffekt kaum zu verstehen.

Das Bühnenbild besteht aus einem kärglich eingerichteten Krankenzimmer. Leider verhinderten die räumlichen Gegebenheiten, dass man ab der dritten Reihe die recht häufigen Szenen auf dem Fußboden sehen kann. Das ist schade, denn die schauspielerischen Lesitungen sind grandios. Der Regisseur Manfred Lorenz Sandmeier sprang selbst als Klytaimnestra ein und war dann mehr ein Aeghist, meisterte seine Rolle aber gut. Andreas M. Bräu als Orest, der das erste Mal für das Kleine Ensemble München spielte, und Martin Wichmann als Alter waren sehr präsent und fesselten das Publikum mit ihren Rollenportraits. Raphaela Zick ist Chrisothemis und spielt diese naiv angelegte Figur mit großer Hingabe. Der Star des Abends ist aber ganz sicher Julia Mann in der Titelrolle. Ihr Schmerz überträgt sich auf das Publikum und mehr als einmal fragtman sich, ob sie nun wahnsinnig ist oder doch zu Unrecht eingesperrt.

Ein sehr intensiver Abend, ein begeistertes Publikum feierte das Ensemble stürmisch. Weitere Vorstellungen am  23./24/25 Januar in der Blauen Maus und am 30/31. Januar und 1.Februar im Peppertheater.

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Veranstaltungshinweis: Wiederaufnahme Ritter Falstaff oder drei Streiche für ein Schepperfass!, 25.01.2014, Kammeroper München im Künstlerhaus

[singlepic id=1712 w=320 h=240 float=left]Kleine Oper für Kinder ab 4 Jahren und die ganze Familie

Musik von Antonio Salieri
Koproduktion der Kammeroper München und dem
Figurentheater Moritz Trauzettel

Wollt ihr einmal einen richtigen Fresssack, Raufbold und Tunichtgut kennenlernen? Der Ritter Sir John Falstaff versteht sich vorzüglich auf all das, was ungezogen ist. Ungeladen kommt er auf ein Fest und schlägt sich den Bauch voll. Zwei Damen macht er schöne Augen, um sich an dem Reichtum ihrer Ehemänner zu bedienen.

Doch die Frauen sind schlauer als Falstaff und halten ihn gekonnt zum Narren. Nur wie lange lässt sich der stolze Ritter das gefallen? Und wer hat am Ende das letzte Wort?

Mit dem vorlauten und unersättlichen Ritter Falstaff hat Shakespeare eine faszinierende Dramenfigur geschaffen. Der Komponist Antonio Salieri hat dem Spitzbuben eine ganze Oper gewidmet. Mit phantasievollen, skurril gestalteten Figuren und Salieris Musik erzählt die Kammeroper München die Geschichte um den ritterlichen Raufbold für Kinder neu.

In “Ritter Falstaff” wird nach Herzenslust gespielt, gelogen, gelacht, gescheppert und gesungen. Ein musikalisches Figurentheater­erlebnis für die ganze Familie!

Vorstellungen am 25.1. und 16.2., jeweils 15 und 17 Uhr im Künstlerhaus München, Karten zu 13€ (Erwachsene) bzw 9€ (Kinder) online

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Charleys Tante, 12.01.2014, Kammeroper München im Künstlerhaus

Über die neue Produktion der Kammeroper München habe ich drüben bei mucbook geschrieben.

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Aller Anfang

Aller Anfang

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Bereits der erste Auftritt kann entscheiden: Wenn er gut läuft, besitzt du die Gunst des Publikums, läuft er schlecht, kannst du dir den kompletten Abend einen Ast spielen und kein Blumentopf wird mehr gewonnen. Schaffst du einen Auftrittslacher oder gar –applaus, dann trägt dich diese Energie ohne Probleme durch alles, was da auf den Brettern noch an Unabwägbarkeiten kommen mag. Eine Aufgabe ist es dagegen, den Griesgram im Parkett mitte vielleicht doch noch zu kriegen, obwohl ihn seine Gattin gezwungen hat, ins Theater zu gehen. Lacht der am Ende und applaudiert erfreut, dann scheint es als seien der Beruf und der Sinn der Bühne nicht verloren.
Gerade Anfänger tun sich mit dem Anfangen natürlich schwer. Da merkt man dann auch noch die Aufregung über das Auftreten und das aufgeputschten Auffangen durch Auf-den-Putz-Hauen. Das ist meistens schon zu viel des vermeintlich Guten.
Trägt man allerdings kein grandioses Lacherkostüm (Mann in Frauenklamotte, Flaschenbodenbrille, Neonleggings) oder wird gott-sei-bei-mir grandios aninszeniert (aus der Kulisse fallend, von der Decke einfliegend), kann das durchaus schwerfallen. Eine alte Theaterregel besagt: der Gute kommt immer von rechts. Eitle Kollegen hassen deshalb das linke Portal mehr als Probenpfeifer. Sicherer ist die sogenannte a-perspektivische Einführung der eigenen Figur: Sabbeln die Kollegen erst einmal vier Dialogseiten über den netten Retter, der da gleich aus der Papptür stolpern wird, dann erwartet sich das geneigte Publikum schon den rechten Kerl. So geschehen bei einer netten Boulevardproduktion, in der ich diesen guten Eindruck dann stante pedem als Arsch wieder zerstören durfte. Das berühmte Spiel mit den Erwartungen entwickelt sich zum dann zum köstlichen Hättste-nicht-gedacht.
Was immer funktioniert ist Understatement. Die schönste Variante davon durfte ich interessanter- beziehungswiese eigentlich logischerweise nicht von einem Schauspieler, sondern von einem Germanisten lernen. Der ehrwürdige Norbert Miller, ein Universalgelehrter, der als Student schnell einmal seine Jean-Paul-Gesamtausgabe aus dem Cordsakkoärmel schüttelte, gibt ein Vorbild und Beispiel, wie man die Gunst des Auditoriums gewinnt, indem man sich verschmitzt unter den eigenen Scheffel stellt: Miller entschuldigt sich mit mindestens drei Lachern regelmäßig für sein Nuscheln, sein Kleben am Manuskript und seinem wirren Gedankenfluss, um anschließend mit sonorstem viennaschwabinger Bass, freisprechend und Perlen der Weisheit webend die Zuhörer an seine Lippen hängt. Chapeau. So gelingt es natürlich leichter, eine Moderation oder einen Conferenciersdienst zu meistern; doch im Stück erlaubt Buch und Anspielpartner diese Extemporefreiheit meist nicht. Es sei denn, man gibt den Frosch und bekommt im III. Akt Fledermaus ohnehin fünfzehn Minuten Narrenfreiheit, bevor die Handlung weitergeht. Auf den freuen sich die Operettenfreunde allerdings sowieso so sehr, dass man nur mehr die Vorschusslorbeeren einlösen muss, was aber auch erst einmal gestemmt werden will.
Es ist verhext und befindet sich im schwebenden Bereich der wechselseitigen Chemie. Das Publikum spürt eine Schwäche oder Unpässlichkeit deinerseits sofort und willst du sie zu angestrengt kriegen, kannst gleich wieder abgehen und es demütiger noch einmal probieren. Die totale Rampensau nämlich benötigt viel schweinisches Testosteron, um gekauft zu werden und nicht in einer Ferkelei zu enden. Wie kompliziert allein der erster Auftritt, der erste Satz wiegt, das beweist, dass ein Germanist den besten Tipp geben muss, da die Magie dieses Berufs, diese gewichtige Frage nicht lösen kann. Egal ob man rechts oder links ins Fegefeuer der Eitelkeiten geworfen wird. Aller Anfang bleibt eben schwer…

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Veranstaltungshinweis: Premiere Elektra, 16.01.2014, Kleines Ensemble München im Theater Blaue Maus

[singlepic id=1704 w=320 h=240 float=left]Zweitausendvierhundertundsiebenundzwanzig Jahre nach der Uraufführung in Athen beweist Elektra von Sophokles ihre Zeitlosigkeit. Denn zu Beginn dieses Jahres inszeniert das Kleine Ensemble München den Klassiker jetzt im neuen Gewande. Am 16. Januar hat die Neuproduktion im alteingesessenen Theater Blaue Maus in der Elvirastraße Premiere.
[singlepic id=1705 w=240 h=320 float=right]Nach der gelobten Einstandsproduktion „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab legt das Ensemble seine zweite Inszenierung mit Sophokles‘ antikem Drama auf. Der griechische Text wird dabei ordentlich entstaubt. Die Geschichte bleibt: Elektra, Königstochter aus Mykene, plant die Rache am Mord ihres Vaters. Zusammen mit ihrer Vertrauten und ihrem verlorenen Bruder rächt sie sich an der verhassten, untreuen Mutter und deren Geliebten Aigisth. Doch das Kleine Ensemble geht darüber hinaus: Alles dreht sich um die Stimmen, um Wahnsinn und die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit der Titelrolle. In dieser interessanten neuen Version hört Elektra (Julia Mann) nämlich Stimmen. Mehr als ihr lieb sind: „Den antiken Chor haben wir als inneren Monolog der Elektra verstanden. Ich ringe sozusagen mit mir selbst. Dazu arbeiten wir mit Video- und Toneinspielungen“ beschreibt Julia Mann die Herangehensweise. Eigens für die Inszenierung produzierte Einspielungen und Videoinstallationen, die unter anderem im Grünwalder Forst und in pädagogischen Einrichtungen entstanden, runden die Geisteswelt um Elektras tragischen Fluch visuell wie akustisch ab. Regisseur Manfred Lorenz Sandmeier verlagert die Handlung der antiken Tragödie in eine psychiatrische Heilanstalt. Doch frei nach „Einer flog über das Kuckucksnest“ stellt sich schnell die Frage: Wer ist verrückt? Patient oder Anstaltsleitung?
[singlepic id=1706 w=320 h=240 float=left]Regisseur Sandmeier: „Um die Unterschiede zwischen wirklich Verrückten und Menschen, die für wahnsinnig gehalten werden, herauszuarbeiten, habe ich diese Aussage so weit verstärkt, dass Elektra in dieser Anstalt tatsächlich die Normalste ist.“ (lacht) „Aktuelle Vorfälle wie der Fall Mollath inspirieren ja derzeit viele Künstler, wie etwa Nina Hagen, die sich für neue Patientenverfügungen einsetzt, die eine Prüfung vor jeglicher Einweisung in eine Anstalt voraussetzt. Diese Konstellation nutzte auch ich als Folie für unseren Blick auf Elektras dramatischen Konflikt. Gerade Schauspieler neigen ja auch zu extremen Gefühlszuständen. Traurige Vorbilder zeigen, wie sich Rolle und Leben zum Schlechteren vermischen. Deshalb war es gerade spannend, mit den Schauspielern bewusst diesen Schritt gemeinsam zu gehen.“ Dementsprechend groß war die Spielfreude der Darsteller, die entweder als Täter in der Anstaltsleitung oder als eventuell psychisch Kranke agieren durften. „Ich habe deshalb die Elektra als “normal” und geistig gesund angelegt. Ich finde eher, dass die Umstände sie zu einer Wahnsinnigen machen. Da ist die Chrysothemis doch bei Weitem beknackter“, so Mann über ihre Elektrainterpretation und die Proben mit ihrer Präsidentinnenkollegin. Raphaela Zick hatte sichtbaren Spaß daran, im Schlafanzug Tarot-Karten zu legen und Halluzinationen zu verkörpern. Ebenso wie Martin Wichmann, der als Pfleger/Alte versucht, seinen Narrenkäfig im Zaum zu halten. „Es war nach vielen jüngeren Rollen eine besondere Freude, einmal meinem natürlichen Alter gemäß den Alten zu verkörpern“ meint das Münchner Offtheaterurgestein mit einem Augenzwinkern. „Zudem kenne ich aus dem privaten Bereich genügend Schicksale, die zwischenzeitlich in der Klapsmühle endeten und die ich vor Ort studieren durfte.“ Schwieriger stellt sich der Fall für Orest dar, den Außenstehenden, dargestellt von Nachtgedankenautor und Schauspieler Andreas M. Bräu, der seine Schwester in der Anstalt erst wiedererkennen muss: „Ich habe versucht, einen ungeliebten Verwandtenbesuch zu spielen, mich auf diesem Weg der entfremdeten Schwester zu nähern. Und es überraschte mich, wie schlüssig das “Wahnsinnskonzept” auf die antiken Verse passt, die sich übrigens wunderschön sprechen lassen“ äußert sich Bräu über die Arbeit an dem Text und mit seinen langjährigen Kolleginnen Mann und Zick, die er auf der Bühne wiedersieht. Umso stärker prickelte die Energie zwischen den eingespielten Kollegen, die zusammen diese intensive Produktion stemmten und nun dem Münchner Publikum nahebringen möchten. Wir werden auch über die Premiere berichten.
Weitere Vorstellungen am 17. und 18. Januar sowie am 23./24./25. Januar in der Blauen Maus in der Elvirastraße 17a und am 30./31. Januar und 1.Februar im Pepper-Theater in der Thomas-Dehler-Straße direkt am Starbucks/Pep Einkaufszentrum. Die Vorstellungen am Donnerstag und Freitag beginnen jeweils um 20:30, die Samstagsvorstellungen jeweils um 19:00 Uhr. Kartenwünsche unter 089/182694 (Blaue Maus) bzw. 089/63891843 (Pepper)

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Veranstaltungshinweis: Premiere Charleys Tante, 09.01.2014, Kammeroper München im Künstlerhaus

[singlepic id=1698 w=240 h=320 float=left]Operette nach dem Lustspiel von Brandon Thomas
Buch & Gesangstexte von Dominik Wilgenbus
Musik von Ernst Fischer Bearbeitung &
Arrangement von Alexander Krampe
Seit der Uraufführung 1892 ist „Charleys Tante“ ein Publikumsrenner. Die größten Schauspieler reißen sich bis heute darum, als falsche Tante und Anstandsdame das viktorianische Oxford aus den Fugen zu bringen, jegliche Prüderie und geheuchelte Moral der Lächerlichkeit preiszugeben. Erstaunlich, dass der Lustspielklassiker nicht längst auch als Operette existiert, schreit doch das Spiel mit echten, falschen, unterdrückten und entfesselten Gefühlen von je nach Musik! Die Kammeroper München ist zur Stelle, um diese Lücke auf bewährte Weise zu schließen: mit Witz, Charme und vor allem der hinreißenden Unterhaltungsmusik von Ernst Fischer aus den 30er bis 50er Jahren. Ob aber dank Überraschung oder Vergnügen – ein verrücktes Abenteuer ist garantiert… „… wenn man eine Tante hat!“

Musikalische Leitung Nabil Shehata
Regie Dominik Wilgenbus
Arrangement Alexander Krampe
Bühnenbild Peter Engel
Kostüme Uschi Haug
Choreographie Bettina Fritsche
Licht Wolfgang Förster
Colonel Sir Francis Chesney: Torsten Frisch
Lord Stephen Spettigue: Stefan Kastner
Charles Wykeham: Maximilian Kiener
Lord Fancourt Babberley: Max Nowka
Donna Lucia d’Alvadorez: Katharina Blaschke
Amy Spettigue: Anne-Katrin Steffens
Ela Delahay: Katharina Konradi
Butler Brasset: Tobias Frank
Orchester der Kammeroper München
Premiere: 9. Januar 2014
Weitere Termine: 11., 12., 23., 24., 25. Januar 2014 14., 15., 16. Februar 2014 2., 3., 4. März 2014 um jeweils 19.00h, Künstlerhaus am Lenbachplatz, Festsaal

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