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Psychologen in der Küche – „Schatzi und Vinschgerl“ im Teamtheater

[singlepic id=1975 float=left w=320 h=240]Jede Party endet in der Küche. So auch hier, doch das Ende muss kein glückliches sein. Nach exzessiven Abenden und mit viel Alkohol schaut der Zuschauer in die Küche zweier Münchner Paare, die ihre Erfahrungen und ihre Beziehungen diskutieren und sich vor allem aneinander abarbeiten. Dabei wird weitergesoffen, gestritten, gekämpft und wenig geliebt.

Wie viel hält der Partner noch aus? Was kann er akzeptieren? Woran zerbricht er?

Autorin Andrea Limmer stellt zwei sehr unterschiedliche Paare gegenüber. Während der die einen aufbrausen und toben, unterdrücken die anderen alles, das den häuslichen Reihenhausfrieden brechen würde. Während dort geschrien und geweint wird, ziehen die anderen stumm über das hassgeliebte Gegenüber her. Ebenso konträr die Figuren, der Softie im Katerkostüm, der brav seiner dominanten Frau den Nudelsalat hinterherfährt wird mit dem eifersüchtigen, cholerischen Vinschgerl kontrastiert, der auch schon mal ausfallend wird und zulangt. Die Damen hin- und hergerissen zwischen Beziehungsarbeit, -müdigkeit und ihrer Rolle als Frau mit Selbstbewusstsein, dosierter Unterwürfigkeit und kühler Verachtung gegenüber dem postmodernen Mann. Das erzeugt Reibung und es fliegen die Fetzen. Die Wortwitze mit versuchtem Lokalkolorit zünden dabei nicht immer. Manchmal tendieren die Dialoge sehr zu küchenpsychologischem Talkshoweinerlei.

[singlepic id=1974 float=right w=320 h=240]Die Simultanmontage gelingt und zum überstürzten Ende hin nach Hochzeit und Versöhnung holpert die Handlung noch in eine surrealistische Gefängnisposse, die Regiesseur Ludo Vici geschickt als Puppenspiel löst. Unentschlossener seine teils grobe Personenregie mit viel überraschender Aktion und verwirrenderweise immer wieder eskalierender Gewalt am Küchentisch. Die Bühne von Claus Zey integriert neben dem Küchenprospekt mit Fanclubidentifikation passend Videoinstallationen und der schöne Teamtheaterraum wird gut genutzt. Vici versucht mehr aus dem Pärchenboulevard herauszuholen, als vielleicht angedacht war.

Leicht überartikuliert, doch mit guter Grundenergie gibt Philipp Künstler den grobschlächtigen, intellektuell versnobten Vinschgerl mit der authentisch niederbayernden Autorin Andrea Limmer als Schatzi an seiner Seite. Limmer wirkt zerbrechlich und dabei streitlustig und tendiert am Rande des Outrierens zum Kabarett. Julia Mann zeigt gut geführt neue Farben im unvorteilhaften Katzenkostüm. Andreas Mayer bleibt wie seine Softierolle blass als armer schwarzer Kater, der der Freundin eine gute Affäre mittlerweile gönnt, da wenig mehr als Gewohnheit von der Beziehung übrig blieb.

[singlepic id=1973 float=left w=320 h=240]So endet der Zuschauer zwischen Küchenpsychologie, kaputten Beziehungen und der Gewissheit, dass Mann und Frau nicht zusammenpassen, bis in einer Flughafenzelle die einzige Lösung für verlorene Liebe und Entfremdung zwischen Paaren wartet: Humor und Verständnis.

Dann klappt‘s auch in der Küche.

 

Besucht am 4.10.14. Weitere Vorstellungen am 9/10/16/23/24. Oktober um 20:30 im Teamtheater.

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Premiere Elektra, 16.01.2014, Kleines Ensemble München im Theater Blaue Maus

[singlepic id=1706 w=320 h=240 float=left]Kann man ein Stück, das mehrere tausend Jahre auf dem Buckel hat, heute noch spielen? Und zwar so spielen, dass auch der Mensch der Gegenwart sich damit identifizieren kann? Ja, man kann, wie das Kleine Ensemble München bei der Premiere des Stückes Elektra von Sophokles bewies.

Elektra will den Tod des Vaters rächen. Agamemnon wurde von seiner Frau Klytaimnestra und deren Liebhaber Aeghist getötet. Ihr Bruder Orest ist erst einmal geflohen, kehrt aber zurück, um Vergeltung zu üben. Um unerkannt zu bleiben, lässt er verbreiten, dass er bei einem Wagenrennen zu Tode gekommen ist. So weit die griechische Tragödie. Regisseur Manfred Lorenz Sandmeier verlegt die Handlung in eine psychatrische Anstalt. Elektra ist dort eingesperrt, wird sogar fixiert und mit Elektroschocks behandelt. Dennoch sinnt sie weiter auf Rache. Chrisothemis ist eine Mitinsassin, der Alte ein Wärter und Klytaimnestra die Oberschwester. Orest dringt in die Klinik ein und befreit sie. Das war alles sehr schlüssig, vergegenwärtigt den zeitlosen Stoff und reisst den Zuschauer mit. Der Schluß toppt das Ganze aber nochmal mit eingespielten, satirischen Fernsehszenen, bei denen dem Zuschauer schon mal das Lachen im Halse stecken bleibt. Überhaupt wird viel moderne Technik verwendet, der Chor sind Stimmen, die Elektra hört. Leider waren diese durch den (gewollten) Halleffekt kaum zu verstehen.

Das Bühnenbild besteht aus einem kärglich eingerichteten Krankenzimmer. Leider verhinderten die räumlichen Gegebenheiten, dass man ab der dritten Reihe die recht häufigen Szenen auf dem Fußboden sehen kann. Das ist schade, denn die schauspielerischen Lesitungen sind grandios. Der Regisseur Manfred Lorenz Sandmeier sprang selbst als Klytaimnestra ein und war dann mehr ein Aeghist, meisterte seine Rolle aber gut. Andreas M. Bräu als Orest, der das erste Mal für das Kleine Ensemble München spielte, und Martin Wichmann als Alter waren sehr präsent und fesselten das Publikum mit ihren Rollenportraits. Raphaela Zick ist Chrisothemis und spielt diese naiv angelegte Figur mit großer Hingabe. Der Star des Abends ist aber ganz sicher Julia Mann in der Titelrolle. Ihr Schmerz überträgt sich auf das Publikum und mehr als einmal fragtman sich, ob sie nun wahnsinnig ist oder doch zu Unrecht eingesperrt.

Ein sehr intensiver Abend, ein begeistertes Publikum feierte das Ensemble stürmisch. Weitere Vorstellungen am  23./24/25 Januar in der Blauen Maus und am 30/31. Januar und 1.Februar im Peppertheater.

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Gott, Kot und Fleisch – Die Präsidentinnen im Peppertheater

Die Wichtigkeit dieser kleinen Münchner Keller- und Privatbühnen steht ohne Zweifel. Doch den Abend den drei Vollblut- und sicherlich unkommerziell motivierten Bühnentiere mit ihren Präsidentinnen hingestellt haben, beweist erneut, das Qualität nicht vom Kapital abhängt und Großes auch im kleinen, armen Theater geschaffen werden kann.

Nicht gerade leicht haben es die dreisten Drei sich dabei gemacht, indem sie Werner Schwabs schweren Brocken auf die Pepperbühne gehievt haben. Denn wenig passiert bei dem großen Textstück einer Sezierung dreier großer Frauenfiguren der Theaterbühne. Dialog und Monolog entschlüsseln langsam und grausam zynisch die Schicksale dieser kaputten Personen zwischen Geschlecht, Erinnerung und Lebensentwurf. Das braucht spielen und eine Distanz wie Nähe zu diesen kalten Karikaturen, diesen gebrochenen Menschen voller Leere und Boshaftigkeit und unendlicher Traurigkeit. Drei etablierte Bühnenfrauen haben sich diesem Schwab angenommen und bringen ihn brillant und pointiert auf die Bühne ohne dabei den Fehler zu machen, diesen Brocken als etwas anderes zu nehmen, als er ist – ein theatraler Seidlfilm, noch überzeichneter und in seiner Eindeutigkeit große Karikatur der modernen Vorstadt und der gebrochenen Frau. Manfred Lorenz Sandmeier nimmt sich in seiner Regie zurück, stellt die Frauen sparsam und auf den Text konzentriert im angedeuteten Wohnzimmer nebeneinander und lässt sie agieren, arbeitet die Rollen präzis heraus und lässt den Text sprechen. Mehr braucht es nicht.

Julia Mann gibt die Erna als verkapptes, spleeniges Wrack mit übermenschlichem Sohnkomplex. Mutig, sicher und mit Gespür für Komik gehört ihr die erste Hälfte mit manchmal etwas Hang zur Attitüde. Diese Ticks verträgt das Stück zu Auflockerung der harten Realität. Die macht die Enthaltsamkeit und Lebensverneinung von Erna spürbar, die sich alles spart, vom Gefühl zu Nähe zum Leben. Präsent und bühnenwohl und übersteigert authentisch in jeder Sekunde. Kongenial daneben die Spiegelfigur Grete von Raphaela Zick. Die regelmäßige Pepperdienerin und Bühnenliebling bekannt auch als Mephisto und Elisabeth aus Maria Stuart zeigt hier ihre beste Leistung auf hohem Niveau in der chargierenden, dem Wahn verfallenen Grete. Diese Frau ist zu bemitleiden und offenbart einen tiefen, grausamen Kern hinter der herzigen, schlampigen Oberfläche, den Zick auslotet und tief in die Figur blicken lässt. Mit jeder Träne über dem überzogenen Kajal überzeugt Zick vor allem in der zweiten Hälfte, die sie dominiert. Mann macht es ihr dabei nicht leicht, man sieht großen Akteurinnen immer dabei zu, wie sie miteinander ringen, die Figuren auf die Spitze treiben und sich immer auch einen gelungenen Darstellerwettbewerb liefern. Durch ihr junges Alter wird Schwabs Distanziertheit zu seinen Figuren, die gerne in der dritten Person von sich fabulieren nur noch deutlicher.

Dazwischen und witzigerweise alterstechnisch umgedeutet Waltraut Borchmann als rührenden, naive Mariedl. Zurückhaltend in der ersten Hälfte brilliert sie in ihrer großen Schlusserzählung ebenso wie in ihrer physischen Darstellung, die dem Zuschauer Mitleid für diese entrückte, alte Mariedl erzeugt, die wahrlich nichts trübt, bis sie an ihrer Zurückhaltung und dem Ausnutzen zerbricht. Sie komplettiert das Trio der verlorenen Seelen, die sich aneinander abarbeiten, da Hoffnung, Glück und Zukunft fehlen. Darum gehen sie aufeinander los, verachten sich und demütigen ihre gegenseitigen Schicksale. Der böse Witz funktioniert auch in der kühlen Lösung, die den Glauben an das Gute endgültig zu Grabe trägt. Hoffentlich aber arbeiten diese grandiosen Drei noch regelmäßig und auf diesem Niveau miteinander. München braucht diese Präsidentinnen.

 

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