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Premiere Carmen, 08.11.2014, Anhaltisches Theater Dessau

[singlepic id=2023 w=320 h=240 float=left]Carmen ist sicher eine der meistgespielten Opern in Häusern rund um den Globus und damit eine der am schwierigsten auf die Bühne zu bringenden, denn schliesslich muss ja immer etwas Neues her und der Zuschauer hat nicht nur szenische, sondern auch musikalische Vergleichsmöglichkeiten ohne Ende. Das Anhaltische Theater Dessau überzeugte mit einem musikalisch großartigen Abend, der keine Vergleiche zu scheuen braucht.

[singlepic id=2022 w=240 h=320 float=right]Das Neue hier war, dass Regisseurin Jana Eimer die Geschichte aus der Sicht Don Josés erzählte, was mich leider nicht überzeugte. Auch wenn ihr mit Marcel Reijans ein stimmlich und szenisch fantastischer Tenor zur Verfügung stand (alles andere wäre vermutlich auch ein Desaster geworden), so hatte sie doch in der Titelrolle mit Rita Kapfhammer ein Ensemblemitglied, die das Haus von den Füßen gerissen hätte, wenn man sie in den Mittelpunkt stellen würde. Statt dessen muss Rita Kapfhammer die Habanera zur Hälfte auf dem Rücken liegend singen (und jagt einem trotzdem noch Schauer über den Rücken), sieht im ersten Akt schon aus wie der leibhaftige Tod und trägt eine mausfarbene Perücke. Und trotzdem zeigte sie die sinnliche und erotische Seite der Carmen, als ob sie tatsächlich die feurige Spanierin ware.

Ich hatte insgesamt den Eindruck, dass die Musik sich dem Szenischen unterordnen musste, so geriet zum Beispiel das Schmugglerquartett sehr wackelig, was vermutlich an der Hyperaktivität auf der Bühne lag. Und das Schlussbild wäre großartig gewesen, hätte Don José seine Carmen nicht von hinten erstochen. Das war kein Mord aus Leidenschaft, sondern aus Heimtücke. Dem Opfer beim Zustechen in die Augen zu sehen ist der Gipfel der Unterwerfung. Die Interpretation der Micaela als Sternenkranzmadonna war so überhöht, dass sie schon wieder fast parodistisch wirkte. Cornelia Marschall bezauberte in der Partie mit glockenhellem Sopran.

[singlepic id=2021 w=320 h=240 float=left]So blieb manches an Fragen offen, weil vieles sich dem unterordnen musste, dass Don José die Handlung, wenn er eigentlich gar nicht auf der Bühne ist, entweder heimlich mitansieht oder halluziniert. Dabei war die Bühne sehr klug durchdacht, ein schräg liegendes großes Kreuz auf einer Drehbühne, das immer wieder neue Räume öffnete und am Ende in blutrotes Licht getaucht ein sehr starkes Bild abgab.

Der Chor war von Helmut Sonne hervorragend einstudiert und auch sehr spielfreudig, ebenso wie der Kinderchor (Dorislava Kuntscheva). Musikalisch war dieser Abend ein Genuß, die anhaltische Philharmonie unter Daniel Carlberg schwelgte in der Musik Bizet und dank der großartigen Sänger wird dieser Abend auch lange im Gedächtnis bleiben.

[singlepic id=2020 w=320 h=240 float=right]Musikalische Leitung Daniel Carlberg, Inszenierung und Bühnenkonzept Jana Eimer, Konzeptionelle Mitarbeit André Bücker, Ausführende Bühnenbildner Nicole Bergmann | Nancy Ungurean, Kostüme Katja Schröpfer, Choreografie Joe Monaghan, Chor Helmut Sonne, Kinderchor Dorislava Kuntscheva, Dramaturgie Ronald Müller

Carmen, Zigeunerin Rita Kapfhammer; Don José, Sergeant Marcel Reijans; Escamillo, Stierfechter Ulf Paulsen; Micaela, Bauernmädchen Cornelia Marschall; Remendado, Schmuggler David Ameln; Dancaïro, Schmuggler Adam Fenger; Frasquita, Zigeunerin Alexandra Joel; Mercédès, Zigeunerin Anne Weinkauf; Zuniga, Leutnant André Eckert; Moralés, Sergeant Pawel Tomczak; Lillas Pastia, Schankwirt Philipp Feige; Stimme Josés Gerald Fiedler; Opernchor des Anhaltischen Theaters; Extrachor des Anhaltischen Theaters; Kinderchor des Anhaltischen Theaters; Statisterie des Anhaltischen Theaters; Anhaltische Philharmonie

Weitere Vorstellungen: 16.11.14, 19.00; 28.11.14, 19.00; 19.12.14, 19.00; 04.01.15, 16.00; 15.02.15, 17.00; 22.03.15, 17.00; 11.04.15, 17.00; 01.05.15, 19.00; 25.05.15, 17.00

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Premiere Die Zirkusprinzessin, 18.01.2014, Anhaltisches Theater Dessau

[singlepic id=1727 w=320 h=240 float=left]Schon oft wurde es totgesagt, aber wenn es in solcher zauberhafter Opulenz gezeigt wird wie die Zirkusprinzessin am Anhaltischen Theater Dessau, dann wird uns das Genre Operette alle überleben.

Fürstin Fedora Palinska ist kürzlich Witwe geworden und hat das Vermögen ihres Mannes geerbt. Nun soll sie sich wiederverheiraten, natürlich mit einem Russen, damit das Geld im Land bleibt. Ein Anwärter wäre Prinz Sergius Wladimir, doch den will die Fürstin auf gar keinen Fall heiraten. Auf Einladung des Zirkusdirektors Stanislawski sieht sie eine Vorstellung des waghalsigen Mr X, der seine Identität verschleiert, in Wahrheit aber der Neffe ihres verstorbenen Mannes ist und die Fürstin glühend liebt. Der Prinz sinnt nach einem erneuten Fehlschlag bei der Fürstin auf Rache und engagiert Mr X, um Fedora eins auszuwischen. Als Adeliger soll er sich ihr vorstellen und sie am besten gleich heiraten. Der Plan gelingt und nach der Trauung enthüllt der Prinz die ihm bekannte Identität des Bräutigams. Seine Kollegen vom Zirkus sind ebenfalls da und die hochmütige Dame wird als Zirkusprinzessin verspottet. Sie selbst liebt zwar Mr X, hat aber zu viel Standesdünkel, um ihn als Ehemann anzuerkennen und trennt sich von ihm. Parallel dazu entwickelt sich eine Romanze zwischen dem Hotelerben Toni Schlumberger und der Zirkusreiterin Mabel Gibson. Mabel tut zwar so, als ob sie Engländerin wäre, ist in Wahrheit aber genauso wie Toni ein echtes Wiener Gewächs. Weil sie ein anständiges Mädchen ist und der Toni scharf auf sie, wird ebenfalls geheiratet. Tonis persönliche Nemesis ist aber die Frau Mama, die in der Dessauer Fassung nach St. Petersburg kommt und ihm ordentlich einheizt. Natürlich gibt es am Ende für alle Beteiligten ein Happy End, aber bis es so weit ist, gibt es noch jede Menge Klippen zu umschiffen.

[singlepic id=1728 w=320 h=240 float=right]Regisseur Wolfgang Dosch ist ein ausgewiesener Operetten-Spezialist und das merkt man in jeder Minute. Da stimmt das Timing, die Personenführung ist fabelhaft und die eingestreuten Gags bringen das Publikum immer wieder zum Lachen. Bereits zu Beginn gibt es eine poetische Note, wenn ein Pierrot den Vorhang öffnet und die Protagonisten durch die ganze Handlung begleitet. Lediglich die Marotte des Prinzen, jedes dritte Wort falsch zu verwenden, hätte ruhig etwas sparsamer verwendet werden dürfen. Leider habe ich nicht alles verstanden, insbesondere, wenn die Sprechstimmen mit Musik unterlegt waren, hörte ich diese kaum. Ich höre tatsächlich etwas schlecht, aber dies hat mir noch nie in Oper oder Operette Probleme bereitet. Ansonsten war es wirklich großartig, die Ausstattung von Stefan Wiel opulent und märchenhaft mit Schlitten, großen Roben der Fürstin und schneidigen Husaren. Es wurde sowohl die Zirkusatmosphäre wie auch die russische Verortung ausgezeichnet transportiert.  Es war in jedem Augenblick etwas geboten auf der Bühne, das ist eine Inszenierung, die man sicher öfter sehen kann und trotzdem noch Neues entdeckt. Das Ballett, von dem man leider hört, dass es politisch gewollt in Dessau abgeschafft werden soll, hatte sichtlich Spaß bei der Sache und konnte sich in den Choreographien von Tomasz Kajdanski so richtig austoben. Der Chor zeigte sich auch sehr spielfreudig, schwamm aber vor allem vor der Pause etwas. Für mich hätte die Anhaltische Philharmonie unter der Leitung von Wolfgang Kluge gerne noch einen Tacken spritziger sein dürfen, an manchen Stellen kam es mir doch ein bisschen langsam vor. Das alles tat aber der guten Stimmung und dem tollen Gesamteindruck des Abends keinen Abbruch.

[singlepic id=1729 w=320 h=240 float=left]David Ameln als Toni und Cornelia Marschall als Mabel zeigten auf jeden Fall die akrobatischen Höchstleistungen des Abends. Singend ein Rad schlagen oder die Partnerin längere Zeit über die Bühne tragen stelle ich mir nicht gerade einfach vor und beide sangen wirklich in jeder Lage sehr gut. Ihr Duett Wenn Du mich sitzen lässt,  fahr ich sofort nach Budapest war einer der Höhepunkte des Abends. Leider zeigten beide ebenso wie Mutter Schlumberger und Pelikan nur Anklänge des  Wiener Dialektes, so hat mir ein bisschen der Schmäh gefehlt. Zusammen mit der Änderung, dass der dritte Akt nicht in Wien spielt, hätte man sich hierfür vielleicht auch was einfallen lassen können.

Ungewöhnlich, aber luxuriös besetzt waren die Partien von Fürstin Palinska mit der Mezzospranistin Rita Kapfhammer und Mr. X mit dem niederländischen Bariton Wiard Withold. Ich bin ja eh ein Fan der tiefen Stimmen und insbesondere Rita Kapfhammer meisterte die Sopranpartie fabelhaft und spielte dabei dabei auch noch leidenschaftlich mit großer Bühnenpräsenz. Dirk Lohr als Prinz Sergius Wladimir mit seinem eilfertigen Adjutanten Tizian Steffen komplettierten den hervorragenden Cast.

Am Ende Standing Ovation von einem begeisterten Publikum, das ist unterhaltsames Theater für Jung und Alt!

Inszenierung Wolfgang Dosch, Musikalische Leitung Wolfgang Kluge, Bühne und Kostüme Stefan Wiel, Choreographie Tomasz Kajdanski, Chor Helmut Sonne, Dramaturgie Felix Losert
Fürstin Fedora Palinska Rita Kapfhammer, Prinz Sergius Wladimir Dirk Lohr, Peter Brusowsky, Adjutant des Prinzen Tizian Steffen, Direktor Stanislawski Thomas Skambraks, Mister X alias Fedja Palinski Wiard Witholt, Luigi Pinelli, Regisseur und Clown Jan-Pieter Fuhr, Miss Mabel Gibson, Zirkusreiterin Cornelia Marschall, Toni Schlumberger David Ameln, Carla Schlumberger, Hotelbesitzerin Christel Ortmann|Kristina Baran, Pelikan, Oberkellner Hasso Wardeck, Olga, Dame an Kassa Jagna Rotkiewicz

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