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Gespräch Frank Goosen, 21.03.2019, Leipziger Buchmesse

®Kiepenheuer&Witsch

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Die Veranstaltung begann mit Frotzeleien über die zahlreichen Schilder auf der Messe mit „… erlesen“. Dabei sei es kein neues, sondern ein altes Trendwort. Noch schlimmer als Kneipen mit Namen wie „Blumenbar“ und „Wunderbar“ fände er Wortspiele mit „Haar“ bei Frisörsalons, wie zB. „Haarmony“ usw.

Die Moderatorin Doris Akrap hatte sich bei Wikipedia über Frank Goosen informiert und schnell stellten die beiden fest, dass die Informationen weder vollständig noch alle korrekt sind. Sein Vater hatte einen Elektrobetrieb und wird erwähnt, seine Mutter machte die Buchhaltung und wird nicht erwähnt. Außerdem fehle seine Omma (sic) im Wikipediaeintrag, dabei sei sie für ihn besonders wichtig gewesen. Sie lebte länger als seine Eltern. Bis 1985 habe sie eine Dienstwohnung im Bochumer Rathaus gehabt und von ihr habe er das Quasseln gelernt. Bis 1985 musste er weder Papier noch Büromöbel kaufen, das habe dort einfach so rumgestanden. Bei ihrem Auszug habe sie die Badewanne mitgenommen, die Stadt habe dann direkt Kopierer reingestellt. 2010 habe er bei einem Besuch dort noch die gleichen Prilblumen auf den Kacheln und den orangefarbenen Rasiererhalter seines Großvaters gesehen.

Bei der Band „Vatermörder“ habe er nur zwei Mal zufällig mit ihnen auf der Bühne gestanden – sei jedoch nie Bandmitglied gewesen. (Das steht inzwischen nicht mehr bei Wikipedia.) Dafür sei er stolzes Mitglied der Deutsche Akademie für Fußball-Kultur und gehöre zur Jury für die Sprüche des Jahres von denen er gleich ein paar seiner Lieblinge zitierte. (z.B. Manuel Neuer „Wir schießen so wenig Tore, vielleicht heißen wir deshalb auch die Knappen.”) Über den deutschen Fußball zwischen 1933-45 rede keiner, daher wüssten auch die wenigsten, dass der VfL Bochum 1938 durch die Zusammenlegung von drei Vereinen entstand sei – damit die Gauhauptstadt Bochum auch einen großen Fußballverein habe.

Über die sieben Jahre im Vorstand des VfL Bochum könne er aus juristischen Gründen nicht viel erzählen, müsse einen Roman darüber schreiben, in dem alles erfunden sei. Es sei im Fußball alles so absurd geworden, nicht nur bei den großen Vereinen. In den Vorstand sei er aufgrund eines Anrufs gekommen, ob er bereit sei, auch Verantwortung zu übernehmen, nachdem er sich sehr kritisch über den Verein geäußert hatte.

Auf die Verfilmung seiner Bücher angesprochen, wollte Frank Goosen lieber über vor 2018 entstandenen Filme sprechen. „Liegen lernen“ von 2003 sei ein sehr schöner Film, „Sommerfest“ habe ihm gut gefallen und zu „So viel Zeit“ (2018) meinte er mit einem Augenzwinkern, es sei ein tolles Buch.

„Tresenlesen“ sei durch einen Zufall entstanden. Jochen Malmsheimer habe in einer bestimmten Kneipe gesessen und zu fortgeschrittener Stunde aus einem Roman von Flann O’Brien vorgelesen, wozu er von Harry Rowohlt inspiriert wurde. Am dritten Abend seien es von Robert Gernhardt inspirierte Texte gewesen und später auch eigene Texte. Nach Frank Goosens Meinung gebe es niemanden, der so mit Sprache umgehe wie Jochen Malmsheimer und er habe die Zusammenarbeit sehr geschätzt.

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Bei der WDR-Serie „Unser Land in den 80ern“ sei es um die Suche nach der Seele des Ruhrgebiets gegangen. Der Titel sei nicht von ihm gewesen. Er sei quer durch das Land gereist, habe alte und neue Orte besucht, die unterschiedlichsten Menschen getroffen und bedauere es immer, dass viel zu selten im Fernsehen Menschen auftauchen, die „Pott sprechen“. Ein Freund https://de.wikipedia.org/wiki/David_Schraven von ihm werde gelegentlich für die „Tagesthemen“ interviewt und habe die Erfahrung gemacht, dass er unterschätzt werden, wenn er „Pott spreche“. Gerade deshalb würde er es immer wieder gezielt einsetzen.

Dann ging es um sein neues Buch Kein Wunder, in dem die aus Förster, mein Förster bereits bekannten Figuren im Mittelpunkt stehen, Fränge, Brocki und Förster, allerdings schon Jahrzehnte früher. Schauplatz sind Bochum und Berlin im Jahr 1989. Fränge sei ein hedonistischer Typ, lebe in Berlin, weil es uncool sei, untauglich zu sein. Also tue Fränge so, als ob er aus Widerstand in Berlin lebe, wo er eine Freundin im Westen habe und eine im Osten. Daher sei Fränge gegen einen möglichen Mauerfall. Frank Goosen wollte im Ruhrgebiet in jener Zeit in einen größeren Zusammenhang stellen und zeigen, dass der Mauerfall auch Auswirkungen auf das Leben im Westen auswirkte.

Mitte/Ende der 80er Jahre sei das Ruhrgebiet dabei gewesen, fast cool zu werden. Es seien immer mehr Filme im Ruhrgebiet gedreht worden, es habe immer mehr Freizeitangebote gegeben, wie z.B. Tour de Ruhr. Werner Schmitz aus Bochum habe ungewollt die Regionalkrimis erfunden, dabei wollte er nur über etwas schreiben, das er gut kenne.

In den 80ern seien viele von der ZVS an die Ruhruni in Bochum geschickt worden, wo es damals rund 40.000 Studenten gab. Sicher sei die Architektur nicht so pralle, aber es gebe eine super Kneipenszene rund um das Bermudadreieck, gute Theater usw. In den 80ern habe man in Bochum seine Freundin ins Theater eingeladen, nicht ins Kino. So habe er manche Stücke mehrmals gesehen, stets in anderer weiblicher Begleitung. So seien viele positiv von Bochum überrascht gewesen, auch wenn die Uni selbst komplett aus Beton sei. Die Geisteswissenschaften seien damals schon schwarz-gelb angemalt gewesen, dabei habe gerade diese Farbkombination nichts mit Geisteswissenschaften zu tun. (Dieser Witz musste einigen im Publikum erklärt werden :grin)

In seinem neuen Roman habe er bewusst die gewisse gemeinsame Kaputtheit von Ostberlin und einigen Stadtteilen in Bochum genutzt. Während Brocki Ostberlin für das Reich des Bösen halte, aus dem bestimmt jeder weg wolle, idealisiere Fränge es etwas wegen seiner Freundin. Förster stehe in der Mitte und versuche, sich unvoreingenommen anzunähern.

Die Kaulsdorfer Seen als Schauplatz habe ihm ein Bekannter empfohlen, weil viele Häuser dort älter als die DDR waren, meist aus den 1920er Jahren und es so gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Berlin und Bochum gebe. Die meisten im Roman genannten Kneipen gebe es in Bochum tatsächlich, nur eine habe er erfunden.

Die Herkunft der Figuren in „Kein Wunder“ sei sehr unterschiedlich, daher könne er durch sie auch verschiedene Perspektiven darstellen. Er selbst sei Menschen wie Förster erst auf dem Gymnasium begegnet. Dort habe er oft das Gefühl gehabt, in der Mitte zu stehen, irgendwie außen vor zu sein und weder zu den einen noch den anderen zu gehören. Seiner Meinung nach die typische Situation eines Aufsteigers in den 70er Jahren. Doris Akrap merkte an, dass diese Perspektive in Wenderomanen selten sei.

Er habe einen Freund gefragt, was man mit den 25 Mark Zwangsumtausch in der DDR kaufen konnte und eventuell gewinnbringend in der BRD verkaufen. So sei er auf den Juwel-Campingkocher gekommen, der mit Benzin betrieben wurde und bekam auch ein Exemplar, das noch fabrikneu eingepackt war, mit eingestanztem Produktionsdatum. Dieses Datum liege genau 30 Jahre vor dem Erscheinungstag von „Kein Wunder“. Das sei nicht so geplant gewesen, sondern zufällig durch eine Produktionsverzögerung so gekommen.

Zum Abschluss wünschte Doris Akrap Frank Goosen und seinem neuen Roman viel Erfolg.

Das Hörbuch ist auf meinem Wunschzettel gelandet.

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Lesung aus EINSAME WELTREISE von Alma Karlin, 23.03.2019, Leipziger Buchmesse

© Aviva Verlag

© Aviva Verlag

Ohne die Veranstaltung bei der taz wäre ich vermutlich nie auf das neu entdeckte Einsame Weltreise der bereits 1950 verstorbenen Alma Karlin aufmerksam geworden.

Doris Akrap moderierte die Veranstaltung mit Jerneja Jezernik (Verlegerin) und Britta Jürgs (Herausgeberin) vom Aviva Verlag.

Alma Karlin wurde 1889 in Cilli geboren, damals Teil Österreich-Ungarns, heute slowenisch, und gehörte zur deutschsprachigen Minderheit. Von Geburt an halbseitig gelähmt, werden ihr nur geringe Überlebenschancen gegeben. Sie bereiste alleine die Welt und starb 1950 verarmt, zurück in Cilli.

Jerneja Jezernik war fasziniert von dieser vielseitig interessierten Frau, die zu den zehn größten Weltreisenden gehörte. Als erste Frau war sie von 1919 bis 1927 insgesamt 8 ½ Jahre alleine am Stück unterwegs, verfügte über geringe finanzielle Mittel, stammte aus kleinbürgerlichen Milieu. Alma Karlin besaß eine Schreibmaschine namens Erika und wollte schreiben. In Cilli war sie zweisprachig aufgewachsen, sprach Deutsch als Muttersprache und Slowenisch. Auf ihren Reisen konnte sie meist gut mit den Menschen vor Ort kommunizieren, weil sie noch zahlreiche weitere Sprachen lernte, wie z.B. Russisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, sowie Sanskrit, Chinesisch und Japanisch.

Nach der Besetzung ihrer Heimat durch Deutschlang wurde sie als eine ersten verhaftet, später versteckte sie Dissidenten. Nach dem zweiten Weltkrieg war die deutsche Sprache wegen der Nazis verpönt und sie half vielen Flüchtlingen. Erst nach der Unabhängigkeit Sloweniens kam es zur Wende und sie gehört wieder zum Kanon der slowenischen Literatur, auch wenn manche sie nicht als slowenische Autorin gelten lassen wollen, weil sie auf Deutsch schrieb. In der sozialistischen Föderation Jugoslawien spielte Alma Karlin keine Rolle und geriet etwas in Vergessenheit.

Heute ist sie in ihrer Heimat hochaktuell, obwohl ihr Werk ins Slowenische übersetzt werden muss, spricht die Jugend an und inspirierte Filme und Zeichentrickfilme. Die slowenische Post widmete ihr eine Sondermarke. Zwischen den beiden Weltkriegen war sie die meistgelesene Reiseschriftstellerin.

Das Manuskript ihrer Autobiographie Ein Mensch wird liegt in Ljubljana in der Nationalbibliothek, wo Jerneja Jezernik es las. Dieses Buch ist ebenfalls im Aviva Verlag erschienen.

Britta Jürgs war sofort interessiert an der slowenischen Reiseschriftstellerin. Bei der Lektüre ihrer Bücher gefiel ihr die Sprache und Alma Karlins Blick auf die Welt. Ihr lakonischer Stil habe sie sofort gepackt.

Doris Akrap merkte an, dass Alma Karlin mit sich selbst sehr hart ins Gericht gegangen sei, wenn sie ihr Verhältnis mit der Welt und ihrem Körper beschreibt. Die Ärzte erwarteten nicht, dass sie älter als 12/13 Jahre werden würde und ihrer Mutter wurde die Schuld für die Behinderung der Tochter gegeben, weil sie bei der Geburt bereits 45 Jahre alt war.

Alma Karlins Motivation zur so genannten einsamen Weltreise sei u.a. gewesen, es der Welt zu zeigen. Sie sei oft verliebt gewesen, immer in Männer, die hochintellektuell waren, oft Künstler, körperliche Liebe sei ihr jedoch nicht möglich gewesen, für die Kunst wollte sie rein bleiben. Der Kontakt zu Künstlern habe ihr viel gegeben, aber auch zu vielen traurigen Momenten in ihrem Leben geführt.

Weil es immer wieder Schwierigkeiten mit den Visa gab, konnte sie nicht alle Länder besuchen, die sie gerne gesehen hätte. Das Visum für Japan erhielt sie ohne Probleme und es wurde ein Auszug aus ihrem Bericht über den Aufenthalt dort vorgelesen.

Britta Jürgs wurde bei der Lektüre bewusst, wie gefährlich es damals für alleinreisende Frauen war, erst recht, wenn man sich nur einfache Unterkünfte leisten konnte. Alma Karlin musste immer wieder unterwegs Geld für die nächste Etappe verdienen. In Südamerika machte sie schlechte Erfahrungen mit anderen Menschen, wurde ausgeraubt. Mit der Zeit sei sie bitter geworden. Auf der anderen Seite habe sie von Frauen dort eine unglaubliche Solidarität erfahren und es sei immer wieder deutlich, dass sie mit den falschen Erwartungen einer Europäerin auf die Reise ging.

Jerneja Jezernik (deren wunderbares und fast akzentfreies Deutsch sehr beeindruckend war), kann sich kaum vorstellen, wie es damals für Frauen war, alleine durch die Welt zu reisen. Heute sei eine junge Frau (deren Namen ich leider nicht verstand) auf den Spuren von Alma Karlin unterwegs, aber gemeinsam mit ihrem Freund. Derzeit sei sie in Hawaii und interviewe viele Frauen, wie es vor 100 Jahren für eine Alleinreisende gewesen sein könne.

Für Britta Jürgs war es interessant zu lesen, wie offen und gleichzeitig europäisch Alma Karlin ist, offen mit eurozentrischem Blick ging sie in die Welt, nicht nationalistisch für ihr Herkunftsland und stellte sich gegen die Vorurteile anderer reisender Frauen in Amerika. Natürlich sei auch sie nicht frei von Vorurteilen gewesen, war Kind ihrer Zeit und nachdem sie in Peru schlechte Erfahrungen mit Männern machte, habe sie besonders rassistische Ausdrücke für die Männer von dort verwendet.

In Japan hingegen sei sie als Frau gleichwertig gewesen, habe sich voll akzeptiert gefühlt und gleichzeitig selbst als minderwertig empfunden.

Ihre zeitgenössischen Leser hätten ihre Berichte nicht als rassistisch empfunden, dafür bemängelt, dass sie judenfreundlich schreibe, sei die Wahrnehmung heute genau umgekehrt.

In ihren Berichten ist zu lesen, dass Mischehen und deren Kinder damals weltweit nicht erwünscht waren und aus der jeweiligen Gesellschaft ausgestoßen wurden. In unserer globalisierten Welt habe sich das gewandelt.

Das Manuskript der Autobiographie tippte Jerneja Jezernik ab und hörte vom Bibliothekar, dass das Material von Alma Karlin zu den meist erforschten und ausgeliehenen gehört.

In ihren Büchern gebe es sowohl feministische Aspekte und es werde spekuliert, ob sie homosexuell war, weil sie mit einer Freundin zusammenlebte. Ihre ganze Persönlichkeit sei so mannigfaltig, passe in kein Regelfach und spreche daher sehr viele Menschen an.

Dann wurde der Anfang ihrer Autobiographie vorgelesen, in der Alma Karlin selbstironisch schildert, dass ihre Verwandtschaft es als Segen empfand, dass sie Einzelkind blieb und von ihren Plänen für die Reise nach Japan. Sie bezeichnete sich selbst als „Zusammenkratzerl“ aufgrund ihrer mehrfachen Behinderung.

Jerneja Jezernik arbeitet an einer Biographie über Alma Karlin und versucht, deren komplexe Persönlichkeit zu verstehen. Zur Freude von Britta Jürgs direkt auf Deutsch, denn es sei schwierig eine Biographie über eine deutschsprachige Schriftstellerin aus dem Slowenischen zu übersetzen.

Zum Abschluss lud Jerneja Jezernik die Anwesenden ein, im Frühjahr oder Herbst nach Slowenien zu reisen oder literarisch auf die Spuren von Alma Karlin die Welt zu erkunden. Doris Akrap freut sich auf mehr slowenische Literatur in der nächsten Zeit, da Slowenien 2020 Gastland der Frankfurter Buchmesse sein wird.

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Orpheus in der Unterwelt – zur Neuinszenierung am Nationaltheater Mannheim

23. Februar 2019

Amelia Scicolone Copyright: Hans Jörg Michel

Amelia Scicolone
Copyright: Hans Jörg Michel

Satire pur, diese ganze Story – Eurydike und Orpheus sind kaum verheiratet, da interessiert er sich schon für Geigerinnen (mit Schärpe „Sexy Violin 2012“) und tarnt es als Kunst. Sie steht ihm in nichts nach und vergnügt sich im Getreidefeld mit einem Schäfer, der sich – oh weh! – als Unterweltgott Pluto herausstellt. Ja, und was will ein Unterweltgott schon mit einer Lebenden anfangen? Also befördert er flugs Eurydike vom Leben zum Tod. Orpheus kommt das ganz gelegen – nur muss er sich zähneknirschend der „Öffentlichen Meinung“ beugen. Diese (7 Damen in biederen Faltenröckchen und mit Schärpen, die sie als „Miss Thermomix“ oder „Miss Gemütlichkeit“ oder „Miss Kehrwoche“ ausweisen) legt Orpheus nahe, doch bei Jupiter seine Gattin zurückzufordern. Blöd gelaufen.

Derweilen ist im Olymp die Hölle los: Die Götter springen um auf der Bühne verteilten Planeten herum. Jupiter ist zum Gespött geworden, weil sein götterbekanntes Fremdgehen mit menschlichen Schönen nicht nur seine Gattin Juno fuchsteufelswild macht, sondern auch alle Götter herzlich über ihn lachen („Hahaha! Nun schaue nicht so fromm darein, wir kennen dich, Jupiterlein!) Nicht nur hier ist die deutsche Sprache schrecklich sperrig – schade, dass man dieses Werk immer noch nicht auf Französisch zeigt. Mannheim macht hier zuweilen einen netten Trick und lässt die Texte zwar auf Deutsch singen, verfremdet in den Übertiteln aber auf erfrischende Weise. Da steht mal eine Passage auf Griechisch und wird dann erklärend zusammengefasst, mal übertitelt man im Mannheimer Dialekt oder macht den Text beim Fliegenduett durch Ersetzen der Vokale durch s und z unlesbar. Das Publikum prustet los, als Jupiter seine wilde Götterhorde für die Ankunft von Orpheus und der Öffentlichen Meinung sortiert und der Übertitel verkündet: „Leider verzögern sich die nachfolgenden Arien und Musikstücke aufgrund einer unvorhergesehenen Betriebsstörung“. Ich frage mich allerdings, warum dann nicht gleich das französische Original, wenn man doch dem Publikum ohnehin nicht zutraut, den Gesangstexte zu verstehen und einen separaten Gag in die Übertitel legt? Die „Betriebsstörung“ dauert jedenfalls nur kurz und lässt das Raumschiff landen, dem Orpheus entsteigt, gefolgt von den 7 Damen der Öffentlichen Meinung.

Ensemble Copyright: Hans Jörg Michel

Ensemble
Copyright: Hans Jörg Michel

Eurydike (Amelia Scicolone) singt und spielt wunderbar. Diese Eurydike macht eine Entwicklung durch, die ungeheuerlich ist. Von einer Frau, die einen Mann heiratet, mit dem sie anscheinend nicht viel verbindet (sein Geigenspiel findet sie fürchterlich, seine Kunst interessiert sie nicht), die dann bei den Göttern herumgereicht und als Objekt der Begierde betrachtet wird – diese Eurydike wirft am Schluss selbst den Blitz, um Orpheus zum Umdrehen zu bewegen. Sieg der Emanzipation und Orpheus wird von den hübschen Geigerinnen in den Orchestergraben geleitet, wo er fürderhin deren Job übernehmen kann.

Ein alter Bekannter aus München, Benjamin Reiners, inzwischen stellvertretender GMD in Mannheim, hält souverän die Fäden zusammen und arbeitet augenzwinkernd die musikalischen Scherze und Anspielungen Offenbachs heraus. Besonderes Lob gebührt den drei Geigerinnen, die im Kostüm vom Graben auf die Bühne und zurück wechseln – Chapeau, Mesdames!

Das Mannheimer Publikum ist hingerissen, lacht und applaudiert und amüsiert sich. Ein gelungener Abend.

 

 

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Gratwanderung zwischen Spaß und Tragik – Gedanken zu „Anatevka“ an der Komischen Oper Berlin

7. Februar 2019

Eine graue Wand und eine Schranktür. Ein Junge mit dicken weißen Kopfhörern fährt auf einem Skateboard über die Bühne. Oh weh, denke ich. Schon wieder eine Inszenierung, die eine alte Geschichte ins Jetzt versetzt. Doch dann: Der Junge verstaut das Skateboard im Schrank zwischen alten Mänteln und zieht einen Geigenkasten hervor. Er spielt eine kleine Melodie und auf einmal treten Menschen aus dem Schrank und bevölkern die Bühne – Anatevka entsteht aus der Erinnerung, die die kleine Melodie hervorruft. Es scheint nicht die Erinnerung des Buben zu sein, dafür ist er zu jung … ist es die Erinnerung der Geige? Dessen, der sie einst gespielt hat?

Ein wunderbares Bild und ein genialer Schachzug von Regisseur Barrie Kosky, den Zuschauer hineinzuziehen in eine Welt, mit der er scheinbar so überhaupt nichts zu tun hat. Ich bin fasziniert. Wie ein Kaleidoskop entsteht diese fremde Welt des osteuropäischen Schtetls Anatevka mitten in Berlin.

Das Bühnenbild besteht aus alten und teilweise recht renovierungsbedürftigen Gründerzeitmöbeln, die wie auf einem Flohmarkt übereinander gestapelt herumstehen und durch ihre Schranktüren die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Auf- und Abgänge der Protagonisten bieten. Es entsteht ein Bild wie auf einer Sepia-Fotografie. Dominierend sind alle Farbtöne zwischen Beige, Braun, Grau und Schwarz – und die Farben, die sich in den Kostümen dazwischenmischen wirken ebenfalls mehr wie einem dezent kolorierten Schwarzweißbild entstiegen.

Wir erfahren, wie wichtig die Tradition in dieser Gesellschaft ist: sie gibt Halt, Zusammenhalt zwischen Menschen, die immer bedroht sind. Bedroht von Armut, von Einschränkungen und Pogromen, von mehr oder weniger offenen Anfeindungen der Christen um sie herum. Die Tradition regelt das gesamte Leben, den Tagesablauf und alle Feste, die auch einem bestimmten Schema zu folgen haben.

Tewje, der berühmteste Milchmann der Geschichte (Markus John), gehört mit Leib und Seele in die Gesellschaft, die hier gezeichnet wird und hinterfragt den Sinn der Tradition nicht. Bis, ja, bis die erste seiner Töchter, Zeitel (Talya Lieberman), aufbegehrt gegen die Heiratspläne ihrer resoluten Mutter (Dagmar Manzel), die die Älteste mit dem reichen Metzger des Dorfes verkuppeln will. Das ist Tradition und die Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind. Doch dieses Kind rebelliert. Heimlich verlobt sich Zeitel mit dem armen Schneider Mottel (Johannes Dunz). Tewje, der seine Töchter über alles liebt, beginnt zu sinnieren: „Andrerseits… andrerseits…“ und er stimmt letztlich der Verbindung zu. Nur: wie das jetzt seiner Frau beibringen? Ein angeblicher Traum (wunderbar schrill als verstorbene Großmutter: Sigalit Feig) bringt Golde zu der „selbst gewonnenen“ Einsicht, dass Mottel doch die allerbeste Partie für ihre Tochter ist.

Das Glück der Aufmüpfigen scheint besiegelt und es wird ein ausgelassenes Hochzeitsfest gefeiert (auch hier mischt sich immer wieder der kleine Fiedler unter das Volk auf der Bühne). Beinahe kommt es zum Eklat, weil der Verehrer der zweiten Tochter Hodel etwas revolutionäre Flausen im Kopf hat und nicht nur die gesamte russische Gesellschaft umkrempeln will, sondern auch ganz konkret im Dorf anfängt und die Tanzregeln (nur Männer!) auf den Kopf stellt. Offen tanzt er mit Hodel, was erst einen Aufschrei der Empörung hervorruft, dann aber die Festgesellschaft, inklusive dem Rabbi, im lustigen Tanz vereint. Solcherart in bester Feststimmung trifft es den Zuschauer wie ein Keulenschlag, als Rassisten die Hochzeitsfeier überfallen, alle zusammentreiben und mit dem wertvollen Gut des Tewje, der Milch aus seinen vollen Eimern überschütten. Hier fließt kein Tröpfchen Blut und doch gefriert dem Zuschauer das seine. Das hat in seiner Eindrücklichkeit und in dem sepia-schwarz-grau gehaltenen Bühnenbild einen ähnlichen Effekt wie der schwarz-weiß gedrehte Film „Schindlers Liste“. Betroffen sieht das Publikum den Vorhang zur Pause fallen.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: auch Hodel darf mit ihrem Verehrer ziehen, schweren Herzens lässt Tewje sie gehen. Nur die dritte heiratsfähige Tochter Chava, die einen Christen liebt, wird von ihrem Vater verstoßen. Seine Liebe und sein Abwägen haben Grenzen, über diesen Schatten kann er einfach nicht springen. Hervorragend gespielt und gesungen macht es Markus John dem Publikum verständlich – alles, was ihm wertvoll ist, kann er einfach nicht opfern für das Glück seiner Tochter. So gibt es auch kein Happy-End: Das Dorf Anatevka wird durch ein Pogrom aufgelöst, die Gemeinde in alle Winde zerstreut. Tewje und Golde emigrieren mit den jüngeren Töchtern nach Amerika – ob sie jemals wieder ihre großen Töchter sehen werden?

Diese Inszenierung gleitet nie ab in Kitsch, nie in Verklärung einer „guten alten Zeit“. Klischees werden zwar bedient (die Haartracht der Männer z.B.) aber nie übertrieben. Durch die Figur des jungen Fiedlers, der immer wieder als staunender Beobachter durch die Szene huscht bekommt das Publikum einen Einblick in eine ihm fremde Gesellschaft. Wie ein neugieriges Kind hat der Zuschauer Teil an einer Welt, zu der er nicht gehört, der er aber durch irgendwas verbunden ist – durch ein altes Erbstück (Geige) oder den gemeinsamen Abend im Theater.

Die sprechende Singweise des Stücks kommt besonders Dagmar Manzel entgegen, die eine herrlich resolute Golde gibt. Dass Anatevka dabei manchmal wie ein Vorort von Berlin wirkt, tut dem Genuss keinen Abbruch, wirkt nur in den Szenen mit der Heiratsvermittlerin Jente etwas seltsam. Auch die Opernstimmen der drei Töchter passen sich hervorragend dem Stil des Stücks an und wirken nie aufgesetzt. Nur im Orchester hätte ich mir bei den Klarinetten etwas mehr Klezmer-Klang gewünscht – aber das ist so eine spezielle Spieltechnik, dass es nicht verwundert, wenn klassisch ausgebildete Klarinettisten etwas anders klingen dabei. Wie sagte Klezmer-Großmeister Giora Feidman sinngemäß: Man nehme sich eine Zeitung und spiele die Nachrichten mit der Klarinette – wenn dann die Zuhörer verstehen, was in der Welt los ist, dann ist es richtig… So betrachtet habe ich wohl die Zeitung gehört, aber nicht die Nachrichten darin.

Am Schluss dieser Derniere (hoffentlich nur für diese Spielzeit!) gab es dann noch eine Auszeichnung: Die Theatergemeinde Berlin verlieh dem Stück und allen Beteiligten eine Urkunde für die „Beste Aufführung der Spielzeit 2017/18“. Dem Publikum scheint es genauso gefallen zu haben wie mir. Bravi tutti!

Musikalische Leitung Koen Schoots
Inszenierung Barrie Kosky
Choreographie Otto Pichler
Bühnenbild Rufus Didwiszus
Co-Bühnenbild Jan Freese
Kostüme Klaus Bruns
Dramaturgie Simon Berger
Chöre David Cavelius
Licht Diego Leetz
Sounddesign Sebastian Lipski, Simon Böttler

Besetzung
Tevje, Milchmann Markus John
Golde, seine Frau Dagmar Manzel
Zeitel, seine älteste Tochter Talya Lieberman
Hodel, zweite Tochter Alma Sadé
Chava, dritte Tochter Maria Fiselier
Sprintze, vierte Tochter Lisa Mendez
Bielke, fünfte Tochter Liliane Fehsenfeld
Lazar Wolf, Metzger Carsten Sabrowski
Mottel Kamzoil, Schneider Johannes Dunz
Perchik, Hodels Verehrer Ezra Jung
Jente, Heiratsvermittlerin Barbara Spitz
Fruma-Sara, Lazar Wolfs erste Frau / Oma Zeitel, Goldes Großmutter Sigalit Feig
Rabbi Peter Renz
Fedja, ein junger Russe Ivan Turšić
Wachtmeister Karsten Küsters
Mendel, Sohn des Rabbi Dániel Foki
Motschach, Gastwirt Jan-Frank Süße
Awram, Buchverkäufer Carsten Lau
Nachum, Bettler Tim Dietrich
Schandel, Mottels Mutters Saskia Krispin
Der Fiedler auf dem Dach Raphael Küster
Chorsolisten der Komischen Oper Berlin
Tänzer Shane Dickson, Damian Czarnecki, Davide De Biasi, Zoltan Fekete, Michael Fernandez, Paul Gerritsen, Csaba Nagy, Hunter Jaques, Christoph Jonas, Daniel Ojeda, Marcell Prét, Lorenzo Soragni

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Lesung T.C. Boyle, 07.02.2019, Lichtburg Essen

©Hanser

©Hanser

„Guten Abend meine Damen und Herren. Willkommen“, begrüßte der gut gelaunte T.C. Boyle die gut 1100 Zuschauer. Er freue sich, wieder im Land der „greatest readers on earth“ zu sein. Die Moderatorin Margarete von Schwarzkopf erzählte, dass sie seine Bücher möge und dieses habe sie besonders mitgenommen. Das Licht zeigt den Lesern die frühe Zeit der LSD-Partys. Bei der Themenauswahl und beim Schreiben sei ihm nicht bewusst gewesen, dass das 50. Jubiläum von Woodstock anstehe. Ihn habe interessiert, wie LSD entstand und dass es aktuell wieder klinische Studien mit LSD als Medikament gebe und wer war Timothy Leary?

Im August 1969 fand in Woodstock das heute weltberühmte Festival statt, das sehr geprägt wurde durch gewisse Drogen. T.C. Boyle war mit seiner zukünftigen Frau selbst dort.

Anfangs sei Timothy Leary ein ehrenwerter angesehener Professor gewesen, der später bei seinen selbsterfundenen Experimenten zu weit gegangen sei. Dies alles noch vor der Hippiezeit und T.C. Boyle fragte sich, wie es von den konservativen 1950er Jahren recht schnell zu den Hippies und Jimi Hendrix gekommen sei. Das Jahr 1963 sei eine Zeit des Übergangs gewesen, die Beatles wurden in Großbritannien zunehmend populär.

Margarete von Schwarzkopf erzählte, dass er seine Frau er aufgrund ihrer deutschen Wurzeln Frau B nenne, und er vielleicht auch durch seine irischen Wurzeln Geschichtenerzähler geworden sei.

So wie zuvor bei Dr. Sex schildere er auch bei Das Licht das Leben einer historischen Persönlichkeit aus der Perspektive einer fiktiven Figur. Ihn habe weniger die detaillierte Schilderung der Trips interessiert als die Persönlichkeit von Timothy Leary. Wie sei es ihm gelungen, anderen Menschen von seinen Ansichten zu überzeugen, seien die Auswirkungen gut oder schlecht. Im Mittelpunkt seines neusten Buches steht Fitz, ein Schüler von Timothy Leary, sowie dessen Frau Joanie.

Auf Englisch heiße das Buch Outside Looking In, was seiner Meinung die Erfahrungen eines LSD-Trips gut beschreibe. Man habe das Gefühl, den eigenen Körper zu verlassen und von außen auf das Leben zu schauen. Weil dieser Titel sich nicht gut übersetzen lasse, habe der Hanser Verlag nach einem anderen Titel gesucht und er habe Das Licht vorgeschlagen. Timothy Leary habe LSD das „Sakrament“ genannt und in der Regel sei man nach der Einnahme von LSD sehr lichtempfindlich.

Leary habe auf der Suche nach der Erleuchtung LSD entdeckt und damit nach religiöser Erleuchtung gestrebt. T.C. Boyle erzählte, er sei in einer irisch-katholischen Familie aufgewachsen, habe aber mit elf Jahren beschlossen, Wissenschaftler zu werden und nicht mehr zur Kirche zu gehen. Seine Mutter habe ihn nicht gezwungen, weiter mitzugehen. Gleichzeitig sei er selbst sehr abergläubisch und später habe er auch noch die Existentialisten entdeckt, die nicht weniger „voodoo“ seien.

Bei der Beschreibung der Trips habe er auf eigener Erfahrungen zurückgegriffen, allerdings habe er schon lange keine Drogen mehr genommen. LSD verändere das Gehirn und in seinem Alter wolle er nichts mehr riskieren. Heute seien seine Arbeit, die Natur und Musik seine Drogen. Margarete von Schwarzkopf empfahl die Arte Dokumentation über T.C. Boyles Leben, die am Vorabend im Fernsehen gezeigt wurde.

Margarete von Schwarzkopf fragte T.C. Boyle, warum er nicht nach Europa ziehe, wohin er viele persönliche und berufliche Verbindungen habe. Weil er an Demokratie, Frauenrechte, die Umwelt und Bildung glaube. Er tweete jeden Tag gegen Trump und wolle zu dessen Niedergang aus den USA beitragen.

Im New Yorker erscheine am 11.02. eine Kurzgeschichte von ihm, Asleep at the Wheel (vorgelesen vom Autor und er habe in seinen „Letters from America“ davon erzählt, ins Weiße Haus zu gehen und Trump mit Pu der Bär das Lesen beizubringen.

Gregor Henze las aus dem ersten Kapitel von Das Licht, gefolgt von T.C. Boyle mit einem Abschnitt auf Englisch und abschließend wieder Gregor Henze mit einem Abschnitt auf Deutsch über den ersten LSD-Trip von Fitz und Joanie.

Die deutsche Ausgabe seiner Bücher erscheine auf seinen ausdrücklichen Wunsch zuerst, denn er wolle sich so beim Hanser Verlag bedanken, der es ihm ermögliche, nach Deutschland zu reisen. Ihm sei bewusst, dass viele seiner deutschsprachigen Fans die Originalausgabe vorziehen würden, aber Hanser solle alle zwei Jahren für einigen Monate in den Genuss dieser Exklusivrechte kommen.

Die Verfilmungen seiner Bücher würden ihm oft sehr gut gefallen, so z.B. die von Wellville, in die Arbeiten am Drehbuch und Set mische er sich grundsätzlich nicht ein. Er wolle sein eigenes künstlerisches Leben nicht auf Eis für jahrelange Produktionsarbeiten. Sein eigener Lieblingsfilm sei The Big Lebowski, den er unzählige Male angeschaute, bevor er ihn richtig verstanden habe.

Beim Schreiben höre er immer Musik, oft Klassik oder Jazz, aber auf keinen Fall Rock’n’Roll, weil die Texte ihn beeinflussen würden. Beim Verfassen eines bestimmten Abschnitts von Das Licht habe er tagelang Mozarts Requiem gehört, das könne man bestimmt auch beim Lesen spüren.

Aldous Huxley habe zwei Bücher über seine eigenen Erfahrungen mit Drogen geschrieben, diese seien eine seiner wichtigsten Inspirationsquellen für Das Licht gewesen. Huxley habe mit indianischen Pilzen experimentiert. Auch seine fiktive Figur Fitz sei auf der Suche nach dem Licht, nach Gott, auf einer Erleuchtung, die über sein gewöhnliches Leben hinausgehe. Sowohl Timothy Leary als auch Fitz seien Alkoholiker, auch das liege vielleicht schon in seinen eigenen irischen Genen. Er habe sich selbst die Frage gestellt, warum sie so weit vom Weg abweichen würden.

Margarete von Schwarzkopf versuchte vergeblich, ihm seine Einstellung zu den Figuren zu entlocken. Ihrer Ansicht nach sei Leary eher kalkulierend, Fitz unsicher und warmherzig. T.C. Boyle kommentierte nur augenzwinkernd, das könne man so sehen und er bedanke sich für ihre Meinung. Die Dynamik zwischen den beiden habe ihn fasziniert. Fitz sei Leary sowohl nach Mexiko als auch nach Milbrook gefolgt, wo dann zwölf Erwachsene und acht Kinder eine frühe Kommune bildeten. Einige hätten sogar geglaubt, dass LSD den Kindern zu einer höheren Intelligenz verhelfen würde. Milbrook sei heute noch im Privatbesitz und er konnte das Gebäude nicht besuchen, sondern nur von außen anschauen und darüber lesen.

Nach der Lektüre des Buchs würde sie mit Sicherheit kein LSD mehr nehmen wollen, erzählte Margarete von Schwarzkopf und fragte ihn, wie es gewesen sei, die Trips für das Buch zu schreiben. Als Künstler habe er wissen müssen, worüber er schreibe, aber für ihn seien z.B. auch Traumsequenzen in Büchern langweilig. Deshalb habe er nicht alles im Detail beschrieben, sondern vieles der Phantasie seiner Leser überlassen.

Damals hätten viele an die heilende Wirkung von LSD geglaubt, unter anderem Cary Grant, der die Legalisierung sehr befürwortet habe. Dafür sei leider im Buch kein Platz gewesen und er habe es nicht mit Gewalt unterbringen wollen. Dann fragte T.C. Boyle mit fast völlig ernstem Gesicht, ob schon jemand erzählt habe, dass auf Seite 25 ein kleiner Punkt sei mit einem Pfeil „hier lecken“.

Nach den Terranauten hätte dieses Buch auch gut Die Psychonauten heißen können. Die Menschen dürften nicht vergessen, dass auch wir eigentlich Tiere seien, die von einem Pilz so außer Gefecht gesetzt werden könnten, so wie Katzen durch Katzengras. Er liebe absurde Geschichten und man brauche Liebe im Leben, das so absurd sei und an dessen Ende immer irgendwann die Todesstrafe stehe.

Das Licht sei für ihn auch eine tragische Geschichte, Szenen einer Ehe. Auf seine Weise liebe er Fitz und Joanie. Das Buch werde abwechselnd aus der Perspektive von Fitz und Joanie erzählt. Eigentlich habe er auch eine Szene aus der Perspektive ihres Sohns Corey geschrieben, diese hätte jedoch nicht ins Buch gepasst. Vielleicht werde er dem Vorschlag von Margarete von Schwarzkopf folgen und diese Szene als Kurzgeschichte veröffentlichen. Aber er arbeite inzwischen an etwas Neuem, worüber er in den nächsten sechs Monaten noch nicht sprechen werde. Er könne nur verraten, dass es um das Bewusstsein von Tieren gehe. In zwei Jahren würde uns das Buch in Deutschland vorstellen.

Damit endete die knapp zweistündige Veranstaltung ohne Fragen aus dem Publikum und T.C. Boyle signierte geduldig zahlreiche Ausgaben von Das Licht.

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  Chor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Ensemble  © Christian POGO Zach

Chor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Ensemble © Christian POGO Zach

 Am 30. Januar 1933 begann in Deutschland der Krieg gegen die Operette. 86 Jahre und einen Tag später wurde wieder eine Schlacht gegen die Bagatellisierung dieser Form des Musiktheaters gewonnen. Früher wurde in Berlin, am schönen Nollendorfplatz Operette gesungen, heute wird der Nollendorfplatz in der Operette besungen. Das kommt dabei raus, wenn man Operette wiederbelebt. Und genau das hat das Autorenteam um Thomas Pigor geschafft. Er, Konrad Koselleck, Christoph Israel und Benedikt Eichhorn liefern die ohrwurmträchtige Musik, die den höchstgescheiten Blödsinn aus Gesellschaftskritik, Erotik und pointierter Unterhaltung untermalt.

Das Gärtnerplatztheater holte mit Drei Männer im Schnee eine Operetten-Uraufführung auf die Bühne, die die Operettenwelt vor 1933 aufnahm und ins heute brachte. Erich Kästner, seine Bücher wurden verbrannt, schrieb 1934 den Roman, machte eine Komödie daraus, die mehrfach verfilmt wurde. Jetzt hat sie auch die Chance eine Klassiker des musikalischen Unterhaltungstheater zu werden, spätestens wenn unter anderen Abraham wiederentdeckt und das weiße Rössl einmal nicht springen soll. Auf der Bühne wird die Handlung auf den Jahreswechsel 1932/33 gelegt. Wir wissen heute, dass die Ausgelassenheit nicht einmal einen Monat später endete, die Personen im Stück nicht. Sie leben einfach. Noch ist Operette Operette. So folgt den ganzen Abend ein Lacher auf den anderen.

Das ganze Ensemble ist großartig. Der Multimillionär Tobler (Erwin Windegger), der armen Mann spielt, aber doch jeder Zeit die Sicherheit hat, sofort wieder in das reiche Leben zurückzukehren, bleibt der Menschenfreund, der sich trotz bestem Willen nicht in die Gefühle anderer versetzen kann. Zutiefst menschlich, wer kann kann schon aus seiner Haut. Da bleibt es nur ehrlich zu sein und offen für anderes. Das ist er und diese Gabe wünscht man jedem. So kann er endlich der Welt zu offenbaren, dass die Haushälterin Kunkel (Dagmar Hellberg) für ihn mehr bedeutet. Der arbeitslose Erfinder Dr. Hagedorn (Armin Kahl) ist Objekt der Gesellschaft. Er selbst kann durch alle Mühen wenig bewegen. Er bekommt, weil man ihn für reich hält, Zuwendung. Die ist nicht ehrlich. Anerkennung bleibt erst einmal verwehrt. Er findet aber dann die Liebe in Hilde Tobler (Julia Klotz), die knallharte Geschäftsfrau, die sich in den Naturgewalten am Wolkenstein dem Gefühl hingibt, und dieses wohl auch dauerhaft zulässt. Aber das weiß der Wolkenstein allein. Toblers KammerdienerJohann Kesselhuth (Alexander Franzen) hat die Welt der gesellschaftlichen Klassen verinnerlicht. Er darf sie aber auch wechseln. Im Gegensatz zu seinem Chef stilsicher in die andere Richtung. So kann er doch noch für Bequemlichkeit sorgen, wenn diesem die Rolle des armen Schluckers nicht mehr gefällt.

  Laura Schneiderhan, Florine Schnitzel, Alexander Bambach (Ensemble), Peter Neustifter (Toni Graswander), Susanne Seimel (Mrs. Sullivan), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth), Katharina Wollmann (Ensemble)  © Christian POGO Zach

Laura Schneiderhan, Florine Schnitzel, Alexander Bambach (Ensemble), Peter Neustifter (Toni Graswander), Susanne Seimel (Mrs. Sullivan), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth), Katharina Wollmann (Ensemble) © Christian POGO Zach

Auch Johann findet seine Liebe, kann auch offener werden. Es wäre zu wünschen, wenn er nicht nur am Berliner Nollendorfplatz mit Toni Graswander (Peter Neustifter), dem Tiroler Skilehrer, dauerhaft glücklich werden könnte. Letzterer träumt davon, aus der Enge der Tiroler Bergwelt herauszukommen, nach Innsbruck, vielleicht sogar ganz weit weg, nach München. Für den Zuschauer wäre es tragisch. Denn wer würde sonst die Skistunde Skifahr’n im Schnee mit dem Graswander Toni anführen, die zur großen Steppnummer auf Skiern wurde. Auch wenn sie nicht ganz unfallfrei abläuft. Liebevoll klischeehaft wird die österreichische Dorfbevölkerung, die unter anderem das Hotelpersonal darstellt, gezeigt. Hotelpagen, die dauernd die Hand aufhalten (Maximilian Berling, Alexander Bambach, Christian Schleinzer) sorgen für viele Lacher. Der mit allen verwandte Eisbahnwart Sepp Graswander (Stefan Bischoff) weiß, wie man andere einspannen kann. Für das heimatselig-österreichische Kolorit sorgte der hinterlistige, auf seinen Vorteil bedachte Portier Polter (Eduard Wildner) musikalisch. Sein immer für telefonische Erreichbarkeit sorgender Hoteldirektor Kühne (Frank Berg) war bei seiner Degradierung richtig erleichtert, weil die Verantwortung von ihm fiel. Karriere und gleichzeitig jederzeit jeden Wunsch anderer erfüllen zu wollen, geht halt nicht. Zu Beginn des Silvester-Kostümballs sorgte Polter, auch typisch österreichisch, für einen besonderen Lacher, als er über SA-Uniformierte sagte: „Das sind keine Nazis, das sind Österreicher“. Als am Morgen danach die junge Schottin Mrs. Sullivan (Susanne Seimel) plötzlich das „Kostüm“-Hemd eines dieser Österreicher trug, blitzte bei mir unter dem Schnee ein Grüner Hügel hervor.

  Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn), Erwin Windegger (Eduard Tobler), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth)  © Christian POGO Zach


Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn), Erwin Windegger (Eduard Tobler), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth)
© Christian POGO Zach

Ein ähnliches Erlebnis hatte ich bereits, als die männerverführende Frau Calabré (Sigrid Hauser) sich musikalisch als besonders anpassungsfähige Frau vorstellte (Ich pass’ mich an). Warum dachte ich sofort bei dem SCHWARZ-WEIßEM Kleid und den ROTen Haaren an die Alternative zu schwarz-rot-gold. Vielleicht lag es an den auf die Spitze gestellten rechten Winkeln? Auf jeden Fall eines von vielen tollen Kostümen von Dagmar Morell. Aber zurück zu Frau Calabré. Ihr heimtückisches Benehmen, ihren Willen durchzusetzen, erschauderte einen bei aller Komik. Gänzlich kam dieses Gefühl, als sie im Schlussbild, erblondet und sittsam gekleidet, neben ihrem Nazi-Ehemann stand. Warum musste ich da an die Kinder im Führerbunker denken und an ihre Mutter, die erst mit einem Großindustriellen und später mit dem Propagandaminister verheiratet war? Jetzt fällt es richtig schwer, auf alle anderen auf der Bühne zurückzukommen. Da gab es noch eine vom Kinderchor, Chor, die später immer wieder zum Lachen bringende Auftritte hatten, sowie dem Ensemble gesungenen Ouvertüre. Ganz modern also, da weiß das Publikum gleich, dass es keine Hintergrundmusik zur Unterhaltung mit dem Sitznachbarn ist. Und ohne die Menschen am Rande mit den ganz kleinen Geschichten (Florian Sebastian Fitz, Alexander Moitzi, Laura Schneiderhan, Florine Schnitzel, Katharina Wollmann, Martin Emmerling, Christian Weindl, Corinna Klimek, Veronika Kröppel und Kim Mira Meyer) hätte auch viel Stimmung gefehlt.

  Sigrid Hauser (Frau Calabré), Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn)  © Christian POGO Zach


Sigrid Hauser (Frau Calabré), Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn)
© Christian POGO Zach

Mich berührt also gute Operette. Ich hatte fast drei Stunden einen Heiden Spaß, habe mich selten so gut amüsiert. Die Musik setzte sich sofort in mir fest und ich hätte mitsingen können, obwohl ich sie das erste Mal hörte und sie doch anspruchsvolle Brüche in sich trug. Man hatte dauernd das gute Gefühl der Geborgenheit, alles zu kennen, jedoch merkte man immer, es ist alles ganz neu. Josef E. Köpplinger hat es wieder geschafft im klassisch geprägtem Bühnenbild von Rainer Sinell Menschen zu zeigen, die ganz nah bei uns sind, die einen berühren, mit denen man mitfühlt, auch wenn man herzhaft über sie lachen kann. Ist nicht das Lachen der beste Weg ins Nachdenken zu kommen? Wenn jeder ein klein wenig davon mitnimmt, dann haben wir uns die Operette zurückerobert.

DREI MÄNNER IM SCHNEE
Revueoperette

von Thomas Pigor
Nach dem Roman von Erich Kästner
Musik von Konrad Koselleck, Christoph Israel, Benedikt Eichhorn und Thomas Pigor
Orchestrierung von Konrad Koselleck
Kreative Mitentwicklung: Michael Alexander Rinz
Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Uraufführung am 31. Januar 2019

Altersempfehlung ab 12 Jahren

Dirigat Andreas Kowalewitz
Regie Josef E. Köpplinger
Choreografie Adam Cooper
Bühne Rainer Sinell
Kostüm Dagmar Morell
Licht Michael Heidinger, Josef E. Köpplinger
Dramaturgie Michael Alexander Rinz

Eduard Tobler Erwin Windegger
Hilde Tobler, seine Tochter Julia Klotz
Dr. Fritz Hagedorn Armin Kahl
Johann Kesselhuth, Toblers Kammerdiener Alexander Franzen
Claudia Kunkel, Hausdame bei Toblers Dagmar Hellberg
Portier Polter Eduard Wildner
Hoteldirektor Kühne Frank Berg
Frau Calabré Sigrid Hauser
Toni Graswander Peter Neustifter
Sepp Graswander Stefan Bischoff
Tierhändler Seidelbast / Herr Calabré Florian Sebastian Fitz
Emir von Bahrein Alexander Moitzi
Liftboy Christian Schleinzer
Mrs. Sullivan Susanne Seimel
Zimmermädchen 1 Laura Schneiderhan
Zimmermädchen 2 Florine Schnitzel
Zimmermädchen 3 Katharina Wollmann
Page Beppi Maximilian Berling
Page Franzl Alexander Bambach
SA-Mann Martin Emmerling, Christian Weindl
Milchfrauen Corinna Klimek, Veronika Kröppel, Kim Mira Meyer
Chor, Kinderchor und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

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Uraufführung Drei Männer im Schnee, 31.01.2019, Gärtnerplatztheater

Foto: Christian POGO Zach

Nach dem Jahreswechsel ist der Winter inzwischen doch wieder in München angekommen, passend zur neuesten Uraufführung im Gärtnerplatztheater. Drei Männer im Schnee, frei nach dem Roman von Erich Kästner aus dem Jahr 1934, wurde von Kabarettist und Liedermacher Thomas Pigor zusammen mit den Komponisten Konrad Koselleck, Christoph Israel und Benedikt Eichhorn, im Auftrag des Theaters geschaffen. Intendant Josef Köpplinger führte selbst Regie in dieser neuen Revueoperette. Die Grundgeschichte um die drei “Schneemänner” Eduard Tobler, Fritz Hagedorn und Johann Kesselhuth wurde für die Münchner Bühnenversion erweitert, sodass alle drei und nicht nur Hagedorn eine Liebesgeschichte erleben dürfen.

Setzt man sich mit der Geschichte des Gärtnerplatztheaters auseinander, so findet man bald heraus, dass vor allem in der Zeit der Nationalsozialisten das Genre der Revueoperette äußerst beliebt war, um die Menschen ins Theater zu locken und vielleicht auch von den politischen Vorgängen abzulenken. Daher hat diese Theaterform nach Ende des Zweiten Weltkriegs durchaus in ihrem Ansehen gelitten. Dem möchten die Künstler des Gärtnerplatztheaters nun wieder etwas entgegenwirken, schließlich kann solch ein bunter, aufwändiger und vor allem humorvoller Theaterabend auch für das heutige Publikum noch eine große Freude sein.

Da die Handlung der Operette zu Beginn der Dreißigerjahre spielt, wird das Thema der beginnenden NS-Zeit sehr wohl in einer kleinen Szene angedeutet, von den Protagonisten jedoch noch als harmlose Spinnerei abgetan, schließlich ist man ja nicht in Deutschland.

Im Mittelpunkt der Operette stehen die drei bereits erwähnten Herren, die gemeinsam einen Urlaub in den Alpen verbringen. Dieses hat die Firma des reichen Industriellen Tobler im Rahmen eines Wettbewerbes verlost. Der Erfinder Fritz Hagedorn würde sich zwar statt der Reise lieber eine Anstellung oder zumindest Geld wünschen, fährt aber dann trotzdem nach Österreich, wo er durch eine Verwechslung für den reichen Geschäftsmann gehalten und deshalb nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wird. Auch Tobler reist nämlich unter dem Pseudonym Schulz in die Berge, denn er möchte mal erleben, wie man als einfacher Mann behandelt wird. Begleitet wird er von seinem Kammerdiener Johann, der ihm ab und zu heimlich ein Essen ausgeben soll. Trotz der Standesunterschiede freunden sich die drei Männer an und lassen im Grand Hotel beim Schneemann-Bauen und einer Kostümparty zu Silvester ihrem inneren Kind freien Lauf. Für große Verwirrung sorgen nun eher die Frauen, zum einen die männermordende Frau Calabré, die sich dem vermeintlich reichen Hagedorn an den Hals wirft, als auch Toblers Tochter Hilde und seine Hausdame Claudia, die ihm hinterher reisen und ihn überreden wollen, ein lukratives Geschäft mit einem reichen Araber abzuschließen.

Foto: Christian POGO Zach

Ganz operettenhaft gibt es viele Irrungen und Wirrungen in diesem Stück sowie natürlich auch eine große Portion Humor. Dass das Ende natürlich dann im Zeitraffer alle Handlungsstränge zusammenführt und gut ausgehen lässt mag manchen Fan von zeitgenössischem Theater vielleicht stören, der Laune der Zuschauer schadet es jedoch nicht im Geringsten. Es ist schön, dass hier – wie eben auch häufiger im Gärtnerplatztheater – einfach noch gute Unterhaltung ohne großen moralischen Vorschlaghammer geboten wird.

Und noch etwas ist wundervoll anzusehen: eine wahre Schlacht an aufwändigen Kostümen und Bühnenbildern! Der Schnürboden und die Drehbühne werden voll ausgenutzt und verwandeln die Bühne so von der Berliner Fabrik mit rauchenden Schornsteinen im Hintergrund in die gemütliche Wohnung Toblers mit schlafender Katze. Und schließlich in das wundervolle Jugendstil-Hotel, Skipisten, Seilbahnen und eine urige Berghütte. Dazu passen die farbenfrohen Kostüme von Dagmar Morell, die ebenfalls das Flair der Dreißiger auf die Bühne zaubern.

Regisseur Josef Köpplinger bietet den Zuschauern eine rasante Inszenierung, in der auch im Hintergrund immer etwas los ist. Wie gewohnt arbeiten der Intendant und sein Team mit sehr viel Liebe zum Detail, das keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt. Ein Highlight ist definitiv die Ski-Steppnummer von Adam Cooper, die Ensemble und Statisten auf der „schneebedeckten“ Bühne zum besten geben dürfen. Auch ohne Beteiligung des Balletts ist vom ruhigen Paartanz bis zu wuseligen Massenszenen auch tänzerisch einiges geboten.

Foto: Christian POGO Zach

Ein großes Lob muss man natürlich auch dem wundervollen Ensemble aussprechen, dessen Freude an dieser Produktion ansteckend ist. Erwin Windegger gibt einen sympathischen Eduard Tobler, der selbst als unfreiwillige Putzkraft im Grand Hotel eine kindliche Freude an den Tag legt. Ganz im Gegensatz zu seiner Tochter Hilde, gespielt von Julia Klotz, die weitaus erwachsener und geschäftsmäßiger wirkt und erst in ihren sanften Annäherungen an Fritz Hagedorn ihre roamntische Seite zeigt. Ähnlich resolut ist Dagmar Hellberg als Haushälterin Kunkel, trotzdem scheint sie die Verrücktheiten ihren „Chefs“ durchaus sympathisch zu finden. Armin Kahl gibt den arbeitslosen Erfinder Hagedorn anfangs etwas grummelig, aber auch er wird von seinen neuen Freunden mit guter Laune und Optimismus angesteckt, wenn er nicht gerade vor Frau Calabré flüchtet. Diese wunderbar aufdringliche Femme Fatale gibt Sigrid Hauser. Der Dritte im Bunde schließlich ist Kammerdiener Johann, gespielt von Alexander Franzen, der die Annehmlichkeiten des Rollentauschs mit seinem Chef sichtlich genießt und ebenfalls zarte Liebesbande knüpfen darf.

Tatsächlich und verdientermaßen sind inzwischen die Karten für Drei Männer im Schnee ziemlich rar geworden, ich hoffe sehr, dass man dieses Gute-Laune-Stück auch in der nächsten Spielzeit wieder auf der Bühne erleben darf!

DREI MÄNNER IM SCHNEE
Revueoperette

von Thomas Pigor
Nach dem Roman von Erich Kästner
Musik von Konrad Koselleck, Christoph Israel, Benedikt Eichhorn und Thomas Pigor
Orchestrierung von Konrad Koselleck
Kreative Mitentwicklung: Michael Alexander Rinz
Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Uraufführung am 31. Januar 2019

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Sepp Graswander Stefan Bischoff
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Zimmermädchen 2 Florine Schnitzel
Zimmermädchen 3 Katharina Wollmann
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Chor, Kinderchor und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

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Premiere Ball im Savoy, 19.01.2019, Staatstheater Nürnberg

Was hat eine Frau von der Treue?

Zur Premiere von Paul Abrahams Operette „Ball im Savoy“ am Staatstheater Nürnberg am 19. Januar 2019

Stehen uns nicht immer unsere Gefühle im Weg? Können wir noch gescheit sein, wenn uns unsere Gefühle lenken? Diese Fragen stellten sich wieder einmal bei mir ein. Nach einjähriger Hochzeitsreise kommt das Paar verliebt heim. Da ruft schon die Vergangenheit. Eine verflossene Liebe ruft den Gemahl, der mit seinem sequenziell-polyamorphen, türkischen Freund, diese unliebsame Begegnung mit Vergnügen hinter sich zu bringen versucht. Frau bekommt Hilfe von ihrer Cousine, die den Nachteil eine Frau zu sein nicht einsieht. Die Frauen kämpfen für gleiche Rechte und am Schluss siegt wie meist in der Operette die Liebe.

Regisseur Stefan Huber bedient sich hier nicht dem Operngesang, sondern besetzt die Rollen vorrangig mit singenden Schauspielerinnen, männliche wie weibliche. Die Geschlechter spielen den ganzen Abend keine oder eine ganz große Rolle. Rollenbilder werden gezeigt, aber besetzt sind sie oft entgegengesetzt. Beim „hohen Operettenpaar“ wird hier traditionell gespielt. Tobias Bonn als Ehemann und Friederike Haas als seine Gattin. Beide überzeugen gerade in ihren Zweifeln. Beim Buffopaar wird dann gewechselt. Werden komische Figuren komischer, wenn man gerade diese mit dem Gegengeschlecht besetzt? Auf jeden Fall waren Andreja Schneiders Mustafa Bei und Christoph Martis Daisy Parker fabelhaft, wenn sie ihre Pointen setzen durften. So spürte jeder, wie wichtig gut sprechende Darstellerinnen für die Operette sind. Wie oft habe ich mich schon gegruselt, wenn zwar schöne Töne zu hören waren, aber bei den Dialogen mir das Gespür für Betonungen oder sogar das Textverständnis fehlte. An diesem Abend war es größtenteils das Gegenteil. Wunderbar. Die verflossene war das gesangliche Highlight der Operette. Tangolita wurde gespielt von Andromahi Raptis, die auch sprachlich ebenbürtig zu ihren Schauspielerinnenkollegen agierte. Als Cem Lukas Yeginer in Rolle der Schneiderin auf die Bühne trat, um aus der anständigen Ehefrau ein Flittchen zu machen, fühlte ich mich an eine Dame erinnert, die jahrelang im Privatfernsehen Wohnräumen ein neues Image verpasste. Später wechselte er die Rolle zum extrem kurzsichtigen Junganwalt, der erst ein Abenteuer in allen Ehren mit einer anständigen Frau suchte und später den (nicht) betrogenen Gatten bei der Scheidung vertreten sollte.

Bevor sich der Vorhang öffnete, erlebte man die erste Überraschung: im Graben fand man keine Musikerinnen, sondern Palmen, die eine Showtreppe umrahmten, die auf die Bühne führte. Nicht ganz einfach, die Auftritte wirken zu lassen, wenn man mit dem Rücken zum Publikum Stufen erklimmt. Auf der Bühne spielte alles in variablen Art Deco-Elementen, die mit der Tänzergruppe zum Szenenwechsel tanzten. Die Tänzer füllten den Ballsaal, waren Begleiter der Modetanzikone Daisy, die den „Känguru“ nach Europa brachte, bildeten aber auch die Bauchtanzgruppe. Bei der Komik und der Travestiebesetzung blieb das sich doch nicht betrügende Ehepaar nicht so im Gedächtnis wie sie begleitenden Personen. Es mag daran liegen, dass die Darstellung der „Geschwister Pfister“, mit der Rampensau Ursli die Inszenierung prägt. Denn es wurde die Operettenrolle von der Pfisterrolle gespielt. Aber auch in dieser Schachtelung schafft es Stefan Huber den Charakteren eine Persönlichkeit zu geben, die einen berührt. Man lacht mit ihnen, ist berührt, aber man lacht sie nicht aus. Gerade die Rolle des Mustafa Bei berührt einen bei aller Komik. Denn die Komik wird aus bestehenden Vorurteilen geholt. Es ist jemand, der zwischen Kulturen oder Zeiten wandelt, eine nicht verlassen kann und in der anderen nicht vollständig ankommt. Sind nicht viele von uns nicht in ähnlicher Lage? Können und wollen wir mit den Veränderungen um uns herum mithalten oder an unseren Erfahrungen und unserer (auch geschönten) Erinnerung festhalten? Genau dieser Zwiespalt kam unheimlich humorvoll rüber. Die Reise nach Nürnberg hat sich gelohnt und verlangt nach Wiederholung.

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Veranstaltungshinweis: Die Peter Kreuder Story, 18.01.2019, Silbersaal im Deutschen Theater

Die Peter Kreuder Story – Seine Münchner Zeit

„Sag´ zum Abschied leise „Servus“

“Der letzte Tag meines Lebens soll sehr schön gewesen sein“ – mit diesem Satz begann Peter Kreuder in den frühen 70er-Jahren seine Autobiographie.
Es ist schwer vorstellbar, dass der letzte Blick zurück auf ein Leben wie seines nicht schön gewesen ist. Als wohl berühmtester deutscher Komponist der Moderne dürfte ihm Tristesse fremd gewesen sein. Er wusste sicher auch: Dieses Lebenswerk ist für die Ewigkeit. 2019 wäre Peter Kreuder 114 Jahre alt geworden.
Eine musikalische Reise zum „König der Evergreens“
Nun ist sein Erbe und die Liebe zum Jazz in einem ganz besonderen Rahmen zu erleben. Anlässlich ihres 80. Geburtstags wird Peter Kreuders Witwe Ingrid Kreuder-Coryell aus Michigan / USA nach München reisen, um ihren runden Geburtstag mit den Besuchern der Peter Kreuder Story zu feiern. Der Abend wird eine Hommage voller Musik, Bilder, Geschichten und Anekdoten über den außergewöhnlichen Künstler Peter Kreuder, die von dem Schauspieler Andreas Michael Roth charmant und witzig erzählt werden.

Jazz-Trio mit Sänger

Wie wunderbar ist es, dass dieser Abend in Peter Kreuders Lieblingsbesetzung, einem Jazztrio mit Sänger, im Silbersaal des Deutschen Theaters stattfindet. Man könnte fast sagen, das Deutsche Theater und der Silbersaal waren damals Peter Kreuders Wohnzimmer.
Hören Sie an diesem Abend ausgewählte Evergreens und Kreuders Hits wie „Ich brauche keine Millionen“, „In einer Nacht voller Seligkeit“ oder „Zwischen Heute und Morgen“ – ein Titel, der unter anderem auch von Hildegard Knef und Milva für ein Millionenpublikum interpretiert wurde.
Peter John Farrowski, begleitet von Dr. Peter Wegele am Flügel und dem Munich Jazz Trio legten bei ihren Arrangements der Songs größten Wert darauf, das musikalische Herzblut Peter Kreuders auch im 21. Jahrhundert wieder zum Leben zu erwecken. Als Gast wird der Trompeter Helly Kumpusch den Abend bereichern

Peter Kreuder – Deutschlands musikalische Legende

1922 setzte Kreuder, noch nicht einmal volljährig, zum ersten Mal seinen Fuß in den Silbersaal des Deutschen Theaters Münchens, trat dort als Pianist auf. Viele Erinnerungen, wie sein Erfolg als Kapellmeister des Hauses und rauschende Ballnächte im Deutschen Theater, kamen in den folgenden Jahrzehnten dazu.
Der „König der Evergreens“ wurde 1905 in Aachen geboren und wuchs genau in jene Zeit hinein, in der in Deutschland echtes Showbusiness aufblühte. Er prägte diese Epoche entscheidend mit.
Peter Kreuder schrieb unter anderem Musik zu 188 Filmen und elf Musicals, darunter „Lola Montez“, das im August 2003 zur Uraufführung im Deutschen Theater München kam; Musik, die so genial und eingängig war, dass man einfach nicht um sie herumkam. Auch die Titelmelodie der Muppet Show stammte aus Kreuders Feder!
Zarah Leander und Johannes Heesters verloren ihr Herz an den berühmten “Peter Kreuder-Anschlag” des Klavierkünstlers, mit Josephine Baker war er auf Welttournee.
Zu Kreuders bekanntesten Hits zählt unter anderem: Sag’ beim Abschied leise „Servus“. Peter Kreuder starb 1981 in Salzburg.
Die Peter Kreuder Story wurde von dem Kreativteam Farrowski/Roth/Wegele geschrieben und entwickelt

Peter John Farrowski (Gesang, Autor)

Er studierte Oboe und Gesang an der Hochschule für Musik in München und trat seine erste Stelle am Mozarteum Salzburg an. Peter John Farrowski arbeitet mit großen Orchestern unter Sergiu Celibidache und Leonard Bernstein im klassischen Bereich genauso wie mit Sting, Gianna Nannini oder Helen Schneider im Popbusiness. Nach längeren Auslandsaufenthalten war er 13 Jahre am Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Er hat seine eigene Produktionsfirma Showstoppers Production und unterrichtet in München und St. Gallen/CH Gesang. 2018 hatte er zusammen mit Andreas Michael Roth Premiere mit dem verrückt musikalischen Mundart Musical „Dinner with Gershwin oder doch nur Palatschinken im Dreivierteltakt!“ in München sowie auch in der Schweiz. Mehr Infos über weitere Eigenproduktionen finden man auf www.showstoppersproduction.de

Andreas Michael Roth (Erzähler, Autor)

Der Schweizer Schauspieler ist ein Mann für viele Fälle, so nannten ihn einige Kritiker. Ob als Dr. Otto Siedler im „Weissen Rössl“, als Butler Jacob bei „La Cage aux Folles“ oder in den Klassikern „Der zerbrochene Krug“ und Shakespeares „Romeo und Julia“, er ist und bleibt wandlungsfähig. Zurzeit spielt er in der Schweizer Mystery Serie „Sandstone“ in der Rolle des „lachenden Mannes“. 2018 hatte er Premiere mit dem verrückt musikalischen Mundart Musical „Dinner with Gershwin oder doch nur Palatschinken im Dreivierteltakt!“ in München sowie auch in der Schweiz. Als Regisseur ist Andreas Michael Roth schweizweit tätig.

Dr. Peter Wegele (Pianist, Arrangeur, Musikalische Leitung)

Der Jazzpianist und Arrangeur Peter Wegele studierte an der Grazer
Musikhochschule und nahm dort an Seminaren von Ray Brown, Joe Pass, Wynton Marsalis, Bob Brookmeyer, Chuck Israels, Barry Harris, Clark Terry, Bill Dobbins und anderen teil. Konzerte führten ihn neben Gastspielen in ganz Deutschland in die USA (New York), Großbritannien (Leeds International Festival of Music), sowie nach Slowenien, Italien, Finnland, Frankreich, Dänemark, Serbien, Ungarn, Rumänien, Slowakei, Österreich, Schweiz. Er arbeitete mit Musikern wie Mark Murphy, Lee Harper, Eric Stevens, Antonio Koudele, Klemens Pliem, Omar Belmonte, Edir dosSantos, Philipp Weiss, Nizza Thobi, Luisa Celentano, Maurizio Nobili, Sandro Luzzo, Giacomo di Benedetto, Raquelle Chavis, Liz Howard, sowie Grupo Veneno do Brasil, Aventura Cubana, Thomas Bendzko Bigband, Orchester Fink und Steinbach, Palingenesis, Jazztett Forum Graz und vielen anderen zusammen. Neben etlichen hundert Konzerten, Fernseh- und Rundfunkaufnahmen war Peter Wegele Pianist und Arrangeur für CD-Aufnahmen von u.a. Philipp Weiss (Bennett Studios New York), Nizza Thobi (Jerusalem/München), Thomas Bendzko Bigband, Dox Octet (Jazz, Belgrad/München), The Funny Valentines (Vocal Jazz Quartett), Posterity (Jazz), Darja Svajger (Chanson). Im Juni 2007 CD Aufnahmen mit Annedore Wienert in den RTS Studios in Maribor/Slowenien für sein Projekt Neccesarily Two („Oboe und Englischhorn treffen auf die Welt der Blue Notes“). Im August 2015 und März 2016 CD Aufnahmen in Palermo mit Lelio Gianetto (bass) und Sergio Calí (drums).
Arrangeur und musikalischer Leiter der Hans-Albers-Revue mit dem Schauspieler Tommi Piper. Weitere Schauspieler, mit denen Peter Wegele zusammenarbeitete: Loretta Stern, Ilse Ritter, Gunnar Möller, Michele Cuciuffo, Aurel Manthei, Lukas Turtur, Charles M. Huber, Ralf Novak, Joseph Hannesschläger, Pavel Fieber. Er begleitete die Schauspieler der Comedian Harmonists um Ben Becker anlässlich des 75. Geburtstages von Josef Vilsmaier.
Komponist für den preisgekrönten Film „The Secret Behind” sowie erster Preis beim Benelux Song Award für den Jazztitel „Taxi”, zusammen mit Philipp Weiss. Arrangeur der Hymne „Beyond the Game“ für die World Cyber Games in Köln. In Zusammenarbeit mit Florian Moser Arrangeur für mehrere Kino- und Fernsehfilme, sowie die Neugestaltung des Openers der Fernsehserie „Marienhof”. In Zusammenarbeit mit Florian Moser Co-Arrangeur für Konstantin Wecker für die Musicals „Peter Pan“, „Sorbas“, „Wachgeküsst“ und „Oliver Twist“. Pianist, Korrepetitor und musikalischer Leiter für die Freilichtspiele Schwäbisch Hall (Sugar, Im weißen Rössl, Kiss Me, Kate, Jesus Christ Superstar), für das A-gon Theater München (Mandela, Der kleine Lord, Aschenbrödel), das Projekt „Anatevka – wir sind angekommen“ der jüdischen Gemeinde München, sowie das Stadttheater Ingolstadt.
Pianist und Arrangeur für den Paolo Conte Liederabend im Münchner Residenztheater. (Michele singt, Paolo Conte nicht). 2018 Arrangeur für das Singspiel am Nockherberg (Musik: Tobias Weber)
Vorträge über Filmmusik in Deutschland, Österreich, Italien, Großbritannien und den USA.
Buchveröffentlichungen in Österreich und den USA (Max Steiner), sowie in Zeitschriften und Büchern in Deutschland, Österreich und Großbritannien. Mehrere Workshops an der August Everding Musicalakademie (Jazzgesang fürMusicaldarsteller). Filmmusikworkshops mit Konzerten in Zusammenarbeit mit dem Goetheinstitut und dem Konservatorium Palermo.

Das Munich Jazz Trio

Seit nunmehr 25 Jahren spielen Peter Wegele, Tobias Weber und Björn Kellerstrass, kurz das Munich Jazz Trio, zusammen. Die Musiker, die auch auf Theaterbühnen oder für Film- und Musicalprojekte arbeiten, spielen in den unterschiedlichsten Formationen und kehren doch immer wieder zurück zum klassischen Trioformat, um dort die Tradition der Interpretation des American Songbooks zu pflegen.
Tobi Weber ( Bass ,Saiteninstrumente)
1968 hat ursprünglich Viola und Gitarre studiert und sich mittlerweile auf
Saiteninstrumente aller Art und Musikelektronik spezialisiert. Er arbeitet als Instrumentalist und
Komponist vor allem in den Bereichen Theater und Zeitgenössische Musik. Er ist u.a. Mitglied
beim Ensemble für Neue Musik NEUES KOLLEKTIV MÜNCHEN, Musikalischer Leiter bei der in
Berlin ansässigen Theatercompany NICO AND THE NAVIGATORS, Musikalischer Leiter und
Komponist des Singspiels am Nockherberg und arbeitet als freier Musiker im In und Ausland.
Björn Kellerstrass ( Schlagzeug, Percussion)
beginnt im Alter von 10 Jahren Klavierunterricht zu nehmen, mit 14 kommt das Schlagzeug dazu-
Studium „Pauken und Schlagwerk“ am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium bei Adel Shalaby 1991-1995, Abschluß „Musikreife“ 1994,
danach 1994-1996 Studium „Zusatzfach Jazz“ ebendort bei Werner Schmitt
Tätigkeit als Musiklehrer (Schlagzeug, Percussion, Stabspiele) an der Pierre-van-Hauwe Musikschule Inning seit 1992
1998-2001 Stellvertreter und rechte Hand vom Chef beim Notenversand Kurt Maas
2001-2003 Schlagzeuglehrer an der Musikschule Planegg-Krailling
seit 2007 Schlagzeuglehrer an der Musikschule Geretsried
2011-2013 Leiter der Pierre-van-Hauwe Musikschule Inning
2013-2017 Leiter der Stadtkapelle Geretsried
seit 2014 Schlagzeuger der „Al Jones Band“ (Blues)
seit 1984 Schlagzeuger und vereinzelt Vibraphonist in zahllosen Jazz-, Rock, Soul-, Funk-, Disco- und Bluesformationen von Schüler- bis Galaband, von Trio bis Orchester
Helly Kumpusch Trompete
HELLY KUMPUSCH – er spielt Trompeten von den größten volkstümlichen Hits, über Schlager bis hin zu anspruchsvollen Jazz- und Swingproduktionen. Würde man sich seine Beiträge von Instrument und Stimme in den deutschsprachigen Tonstudios aus den Radioprogrammen wegdenken, wäre es jeden Tag viele Minuten still. Zu seinen Referenzen zählen Interpreten wie Brunner & Brunner, Francine Jordi, Patrick Lindner, Olaf Berger, Janis Nikos, Susan Ebrahimi, Kristina Bach, Geraldine Olivier, Uta Bresan, Patrizio Buane, Chip & Chesney Hawkes, uva……
Er produziert Künstler aus nahezu allen Genres und Himmelsrichtungen in seinem HELLYWOOD-Tonstudio in Bezau im Bregenzerwald. Mit Brunner & Brunner war er auf Tournee (Ich liebe Dich Tour 2006/2007) und Udo Jürgens begleitete er zweimal bei „Wetten Dass…….?“ (2008 und 2011). So war er schon in den unterschiedlichsten Funktionen bei vielen namhaften TV-Shows dabei. Sei es als Musiker oder Produzent.
Mit seiner Helly-Kumpusch-Band ist er in den gehobenen Ballsälen und Jazzbrunches Europas zu Hause. Aber auch als Begleitband hat er sich schon international einen hervorragenden Namen gemacht.
Eine Produktion von Showstoppers Production München 2018
www.showstoppersproduction.de

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Momo, 17.12.2018, Gärtnerplatztheater

Aufgrund meiner Reise nach Prag habe ich leider wieder einmal die Premiere im Gärtnerplatztheater verpasst, aber bereits einen Tag später durfte ich neue Familienoper Momo mit der Musik von Wilfried Hiller und Texten von Wolfgang Adenberg besuchen. Und das diesmal in Begleitung meiner Schwester, die zwar kein großer Opernfan aber dafür eine umso größerer Michael Ende-Liebhaberin und -kennerin ist.
Ich kann mich dunkel erinnern, die Romanvorlage vor langer Zeit gelesen zu haben, eher im Gedächtnis ist mir die Zeichentrickserie aus dem Jahr 2003 geblieben. Trotzdem ist mir in dem gut zweistündigen Opernabend schon aufgefallen, dass die Handlung natürlich sehr gerafft wurde, was aber auch durchaus verständlich ist. Schließlich sollte auch die Zeit dieser Familienoper kindgerecht sein.

Foto: Christian POGO Zach

Erst einmal fällt das imposante Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf auf, die diesmal praktisch alles nutzen, was die Bühne des Gärtnerplatztheaters zu bieten hat: die Drehbühne, die fünf Podeste, Videoprojektionen und vieles mehr. Schon alleine in dieser Hinsicht eine atemberaubende Show!
Sehr kindgerecht ist auch durchaus, dass nicht durchgängig gesungen wird. Opern gehören schließlich nicht mehr zum gewohnten Unterhaltungsrepertoire für das junge Publikum, deshalb ist es durchaus sinnvoll, eine Mischung aus Schauspiel und Musiktheater zu bieten. Dafür braucht man natürlich auch das richtige Ensemble. Als Momo wurde die junge Schauspielerin Anna Woll gewählt, die ihrer (nicht singenden) Figur mit ihrer zurückhaltenden und ruhigen Art genau das verleiht, was Michael Ende in seinem Buch beschreibt. Sie führt völlig unaufgeregt durch die spannende Geschichte, die – eigentlich ganz untypisch für unsere Zeit – auch einmal völlig entschleunigt erzählt wird. Der Gegensatz zur stillen Momo ist Maximilian Mayer als Fremdenführer Gigi, der durch die Grauen Herren zu einem unglücklichen Schlagerstar gemacht wird und der sowohl gesanglich als auch spielerisch eine gewohnt souveräne Leistung bietet. Holger Ohlmann als Straßenkehrer Beppo ist eine weise Vaterfigur für die Titelheldin. Er ist eigentlich der einzige ihrer Freunde, der sich nicht für Erfolg und Ruhm den Grauen Herren unterwirft, sondern weil diese behaupten, Momo in ihrer Gewalt zu haben.

Foto: Christian POGO Zach

Einzig bei dem Kampf zwischen den überlebenden Grauen Herren gegen Momo und Kassiopeia am Ende kommt etwas Action auf, ansonsten ist es durchaus angenehm, dass die Heldin mit der Schildkröte einfach ab und zu zu ruhiger Musik langsam über die Bühne wandert, ganz im Kontrast zu den immer hektischer werdenden Menschen, die von den Bösewichten den Stücks zum Zeitsparen gedrängt werden.
Auch der Hüter der Zeit, Meister Hora, ist ein überaus entspannter Charakter. Hier singt und spricht der Chor die Texte des mysteriösen Mannes und Ballettensemble-Mitglied Matteo Carvone kommuniziert auf der Bühne mit fließenden Tanzbewegungen, zuerst als alter, dann als jüngerer Zeithüter. Mit dem langsam schwingenden Pendel im Hintergrund und dem bunt erleuchteten Bühnenbild ist dies eine wunderschöne Szene.
Die Kostüme von Momo und ihren Freunden sind von Tanja Hofmann fantasievoll und bunt gestaltet, während die Grauen Herren mit Leuchtkrägen ein dämonisches und unheimliches Aussehen verliehen wird. Besonders Ilia Staple als Chef-Grauer-Herr wirkt mit Glatze und höchsten Sopran-Tönen ziemlich unheimlich. Dieses bedrückende Gefühl in Anwesenheit der Antagonisten wird durch kleine Details effektvoll verstärkt, wie etwa die Tatsache, dass die Menschen in ihrer Anwesenheit frieren.

Foto: Christian POGO Zach

Regisseurin Nicole Claudia Weber ist es gut gelungen, ohne die Handlung bewusst in unsere Zeit zu versetzen, immer wieder Parallelen in unseren gestressten Alltag zu zeigen. Ich konnte einiges aus meinem Leben in München wiedererkennen, wenn die Leute mit dem Coffee to Go in der Hand panisch zu U-Bahnen rennen, weil sie sonst fünf Minuten auf die nächste warten müssten. Auch Kinder verlernen es scheinbar immer mehr, nicht dauerhaft von verschiedensten Eindrücken berieselt zu werden, wurde manch junger Zuschauer spätestens nach einer halben Stunde doch schon sehr unruhig.
Ich kann diese neue Oper aber auf jeden Fall für die ganze Familie empfehlen, vor allem, wenn man nach der stressigen Weihnachtszeit auch tatsächlich ein Stück zum Entspannen sucht. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene hat diese Inszenierung optisch, musikalisch und erzählerisch viel zu bieten und vielleicht macht es ja manchem Nachwuchs auch neugierig auf die Werke von Michael Ende.
Ein paar Möglichkeiten gibt es in dieser Saison noch, Momo zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass es auch 2019/2020 wieder aufgenommen wird.

https://www.gaertnerplatztheater.de/de/produktionen/momo.html?m=362

Dirigat: Michael Brandstätter
Regie: Nicole Claudia Weber
Bühne: Judith Leikauf, Karl Fehringer
Kostüme: Tanja Hofmann
Choreografie: Roberta Pisu
Video: Meike Ebert, Raphael Kurig
Licht: Michael Heidinger
Dramaturgie: Michael Alexander Rinz

Momo: Anna Woll
Gigi, Fremdenführer: Maximilian Mayer
Beppo, Straßenkehrer: Holger Ohlmann
Erster Grauer Herr: Ilia Staple
Zweiter Grauer Herr: Valentina Stadler
Dritter Grauer Herr: Ann-Katrin Naidu
Vierter Grauer Herr: Alexandros Tsilogiannis
Fünfter Grauer Herr: Stefan Bischoff
Sechster Grauer Herr: Timos Sirlantzis
Siebter Grauer Herr: Martin Hausberg
Meister Hora: Matteo Carvone
Herr Fusi, Friseur: Frank Berg
Nicola, Maurer: David Špaňhel
Bibigirl: Caroline Adler
Erstes Traumgirl: Elaine Oritz Arandes
Zweites Traumgirl / Frau: Frances Lucey
Drittes Traumgirl / Fräulein Daria: Gerwita Hees
Kassiopeia: Ina Bures
Nino, Wirt: Yegor Pogorilyy
Herr Fusis Lehrbub: Benjamin Weygand
Junge mit dem Vogelkäfig: Clemens von Bechtolsheim
weitere Graue Herren: Martin Emmerling, Christian Weindl, Marco Montoya

Chor, Kinderchor und Orchester des Staaatstheaters am Gärtnerplatz

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