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Corinna Klimek am 5. März 2012 23:59 [singlepic id=1137 w=240 h=320 float=left]Liebe Inge, herzlichen Dank, dass du dich bereiterklärt hast zu einem Interview auf dem Blog “Nacht-Gedanken”. Stellst du dich kurz vor?
Mein Name ist Inge Löhnig, ich bin Autorin von Kriminalromanen und lebe in der Nähe von München mit meiner Familie und einem betagten Kater.
Ursprünglich bist du Grafikdesignerin. Wann hast du angefangen mit dem Schreiben?
Puh. So genau kann ich das gar nicht sagen. Vor vielen Jahren habe ich den ersten Romanversuch gestartet und irgendwann in die Tonne getreten. In der Folge habe ich mir Fachbücher über das Schreiben besorgt und Workshops besucht. So langsam nahm dann Dühnforts erster Fall Gestalt an. Fünf Jahre habe ich daran geschrieben. Als ich mich dann an den Folgeband wagte, habe ich mir eine Agentin gesucht. Auf diesem Weg kam Dühnfort zu Ullstein. Dann hat es noch eineinhalb Jahre gedauert, bis das Buch erschien.
Dühnfort hat ja gleich von Anfang an voll eingeschlagen. Wie findest du deine Geschichten um Dühnfort, oder auch für deine Jugendromane? Oder finden sie dich?
Meistens finden sie mich. Es gibt Themen, die springen mich an und lassen mich nicht mehr los. Bei Dühnforts erstem Roman hat eine Radtour den Ausschlag gegeben. Mein Mann und ich sind durch den Sauerlacher Forst geradelt und haben auf einer einsamen Lichtung im Wald eine Kapelle entdeckt. Dort haben wir Rast gemacht, und ich dachte mir: “Wow! Das wäre eine klasse Location für einen Mord.” Um diese Ausgangssituation herum habe ich dann mit dem Ideenspinnen begonnen. Wer ermordet jemanden an einer Kapelle, die in einem einsamen Wald liegt und warum? Um diese Ideen spinnen sich wieder neue, das ist wie so ein großes Wollknäuel oder mehrere Wollknäuel, die sich miteinander verheddern.
Beim zweiten Roman war ein Zeitungsartikel ausschlaggebend, sich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen. Beim dritten Roman war es das Blättern in den Rechercheunterlagen des zweiten. In diesem Fall hat mich das Thema wirklich angesprungen. Ich habe dann relativ früh angefangen, den dritten Roman zu schreiben, obwohl gerade erst Dühnforts erster Fall erschienen war. Bei dem Jugendbuch stand die Idee plötzlich im Raum, jemand könnte verschwunden sein. Und um diese Ausgangssituation herum habe ich dann eine Geschichte gewoben. Beim zweiten Jugendbuch war auch ein Zeitungsartikel Auslöser. Es ging darin um einen zehnjährigen Jungen, der mit drei kleineren Geschwistern ganz alleine in Berlin lebte. Die Mutter war einfach ausgezogen. Einen Vater gab es schon lange nicht mehr. Die Frage, weshalb dieser Junge sich keine Hilfe holte, hat mich lange beschäftigt. Sie war der Ausgangspunkt für “Scherbenparadies”, meinen zweiten Jugendroman.
Sitzen deine Figuren mit am Frühstückstisch?
Das kann man so sagen. Meine Hauptfiguren sind schon sehr präsent in meinem Leben.
Hast du einen bestimmten Schreibrhythmus, und was tust du, wenn es mal nicht so gut läuft?
Ich habe tatsächlich Schreibrhythmus. Bisher begann mein Schreibtag um sechs Uhr morgens, denn um diese Zeit habe ich meinen Kopf frei. Seit ich hauptberuflich schreibe, ist die Schreibzeit in den Vormittag gerutscht. Und der zweite Teil der Frage? Richtige Schreibkrisen habe ich noch nicht erlebt. Es gibt aber regelmäßig Punkte, an denen ich stecken bleibe und am Vormittag nur eine halbe Seite schaffe oder so eine Stelle immer wieder umkreise und nicht weiter komme. Inzwischen weiß ich, woran das liegt. Da gibt es drei mögliche Gründe. Erstens: Ich kenne eine Figur noch nicht gut genug, um zu wissen, wie sie sich in der Situation, die es nun zu beschreiben gilt, verhalten würde. Der zweite – der häufigste – Grund: Ich habe etwas noch nicht genau ausrecherchiert. Hier ein aktuelles Beispiel aus Dühnforts viertem Fall: Meine Rechtsmedizinerin muss sich zu einem tödlichen Autounfall äußern. Da steht dann im Kapitelplan: “Doktor Weidenbach erklärt Unfallablauf und Todesursache.” Soweit die graue Theorie. Und nun muss ich der Frau schlaue Worte in den Mund legen. Ich muss also wissen, was eine Rechtsmedizinerin jetzt sagen würde, und das geht nur mit Recherche. In diesem Fall habe ich mit dem ADAC telefoniert, und die Verletzungsmuster in einem meiner Fachbücher über Todesermittlungen nachgelesen. Diese scheinbaren Kleinigkeiten und Details recherchiere ich meistens während der Schreibphase. Sie sind häufig ein Grund, weshalb ich meinen Text umkreise und nicht weiterkomme, bis ich dann kapiere, woran es liegt und mir sage: “Hallo, Inge, jetzt aber! Bitte: Telefon, Fachbuch, guck, wer dich da beraten kann.” Und der dritte Grund ist die Polizeiarbeit. Dühnfort ist Kriminalhauptkommissar bei der Münchner Mordkommission. Ich will keinen Superhelden aus ihm machen, à la Schimanski und Co, für die Regeln und Grenzen nicht gelten. Ich möchte seine Arbeit realistisch beschreiben. Doch Polizeiarbeit ist in weiten Teilen todlangweilig. Ich muss mir daher überlegen, wie ich sie interessant darstelle.
Deine Dühnfort-Romane spielen in München und im Münchner Umland, sie atmen die Umgebung, in der sie spielen. Gehst du diese Wege real ab?
Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Viele der Örtlichkeiten, die ich beschreibe, kenne ich, ohne sie vorher nochmal abgehen zu müssen. Und die anderen sehe ich mir natürlich genau an.
Schreibst du auch unterwegs, oder nur an deinem Schreibtisch?
Ich bin keine Unterwegs-Schreiberin. Ich kann das einfach nicht. Ich muss alleine in meinem Arbeitszimmer sein, um mich in die Geschichte hineinfallen lassen zu können.
Welche Phase eines Buches ist für dich die anstrengendste?
Ich finde Schreiben überhaupt nicht anstrengend. Die erste Phase in der Entwicklung eines Romans geht Hand in Hand mit der Recherche. Diesen Teil finde ich ungemein spannend. Dabei lerne ich häufig interessante Menschen kennen und gewinne neue Einblicke. Ein Beispiel: Im vierten Dühnfort-Roman spielt eine Bogenbauerin eine Rolle. Sie baut Bögen für Streichinstrumente. Dieses Berufsbild musste ich recherchieren und war dafür einen Tag bei einem Geigenbauer in der Werkstatt, der auch einen Bogenbauer beschäftigt. Ich durfte zusehen, tausend Fragen stellen und fotografieren. Das war ein spannender und interessanter Tag. Die zweite Phase ist die Schreibphase: Da bin ich dann wirklich monatelang ganz für mich. Das ist eine Zeit der Einsamkeit. Die Tür zum Arbeitszimmer ist zu, ich muss und will alleine sein. Die schönsten Momente sind die, in denen die Figuren beginnen, sich selbst zu schreiben und mir das Heft des Handelns aus der Hand nehmen wollen, wenn ich nicht groß überlegen muss und der Text einfach fließt.
Was ich außerdem sehr mag, ist das Überarbeiten. Ich überarbeite meine Manuskripte drei-, viermal, bevor sie ins Lektorat gehen. Wie wirkt ein Satz, wenn ich ihn umstelle oder ein Wort herausnehme oder durch ein treffenderes ersetze? Oft ändere ich ganze Absätze, um eine bestimmte Stimmung zu erzielen. Dieses Feilen, bis der Text so ist, wie ich ihn mir erhofft habe, ist eine ungeheuer befriedigende Arbeit. Und dann bin ich ein Fan des Kürzens. Aus meinem ersten Dühnfort-Roman, der ursprünglich 550 Seiten hatte, habe ich 110 Seiten herausgeworfen. Danach war er gut, so, wie ich ihn haben wollte. Bei dieser Aktion habe ich das Kürzen schätzen gelernt. Ich habe Ballast abgeworfen, und das hat der Sache gut getan. Mein Fazit lautet also: Ich empfinde keine Phase des Schreibens als anstrengend oder belastend.
Du hast gerade schon deinen ersten Dühnfort-Roman erwähnt. Wie ist dir Tino Dühnfort das erste Mal begegnet?
Das erste Mal eigentlich gar nicht. (Lacht.) Er sollte keine eigene Perspektive bekommen. Ursprünglich sollte Agnes die eine Hauptfigur sein, und ihr Gegenspieler, dieser Mann, der zuerst ein Kind entführt und dann zwei Frauen ermordet, die andere Hauptrolle bekommen. Der Ermittler sollte eigentlich nur aus der Sicht dieser beiden Figuren wahrgenommen werden. Also sehr begrenzt. Als ich dann einen Workshop im Münchner Literaturhaus für “Krimiautoren und solche, die es werden wollen” besuchte, meinten plötzlich alle Teilnehmer, dass das nicht geht. Ich habe darauf gehört. Bis dahin kannte ich von Dühnfort nur ein paar vage Fakten. Seinen Namen, dass er aus Hamburg kommt, und dass er ein grüblerischer, nachdenklicher Mensch ist. Mehr nicht. Als ich dann die erste Szene aus seiner Sicht schrieb, hat er sich selbst hingestellt, war auf einmal da.
Dann müssen wir ja dem Workshop sehr dankbar sein. (Kichert.) Du hast Jugendromane geschrieben, du schreibst die Reihe um Konstantin Dühnfort. Gibt es noch ein Genre, in dem du gerne mal schreiben würdest, und was hält dich davon ab?
Mich würde es reizen, mal aus der Sicht eines Bösewichts zu schreiben und ihn zur Hauptfigur zu machen. Das Genre bliebe also dasselbe. Ja, was hält mich davon ab? Verträge für zwei Dühnfort-Romane und einer für ein Jugendbuch. Es wird also noch dauern, bis ich mich an ein derartiges Projekt setzen kann.
Da können wir uns ja auf die nächsten Jahre noch freuen! – Welches Genre liest du gerne selbst, und hast du einen Lieblingsautor?
Ich lese neben Krimis und Thrillern gerne Familienromane. Fantasy ist jetzt nicht so meins. Diese lustigen Frauenbücher lese ich schon zwischendrin gerne, aber ich denke, Familienromane, Krimis, Thriller, das ist meine Welt. Lieblingsautor? Da gibt es etliche. Im Bereich Krimi lese ich die skandinavischen und die britischen Autoren sehr gerne. Val McDermid ist eine Lieblingsautorin von mir, Ruth Rendell, alias Barbara Vine. Karin Alvtegen, die Nichte von Astrid Lindgren, schreibt wahnsinnig tolle Krimis. “Schatten” ist eins meiner Lieblingsbücher. Henning Mankell natürlich. Dann bin ich ein Fan von Paul Auster und seit dem vergangenen Sommer auch ein Fan seiner Frau, Siri Hustvedt. Ich habe die erst vor kurzem entdeckt. Sie schreibt grandios und ist meine Entdeckung des letzten Jahres.
Hast du literarische Vorbilder?
Eigentlich die, die ich gerade erwähnt habe. Ich begeistere mich ja für sie, weil sie eine ganz eigene Art haben, ihre Geschichten zu erzählen. Sie erzählen Geschichten nicht einfach um einer Geschichte willen. Es liegt ein Thema darunter. Eine Art Subtext, der sich durchzieht und das versuche ich in meinen Romanen ja auch. Ich schreibe keine Whodunnits, sondern Whydunnits. Mich interessiert, warum Menschen sich so verhalten, wie sie sich verhalten.
Lässt du dich von Musik beim Schreiben inspirieren?
Selten. Und wenn, dann geht eigentlich nur Klassik. Außer beim Jugendroman. Beim zweiten spielen zwei Musikstücke eine große Rolle. Die habe ich mir während des Schreibens doch immer wieder angehört, um auch in die Stimmung meiner beiden Figuren in diesem Roman zu kommen.
Wie hoch ist dein aktueller SUB?
Der hat leider nie geahnte Höhen erreicht. Früher habe ich Bücher verschlungen. Leider komme ich momentan nicht dazu. Ich kann keine Krimis lesen, während ich selbst einen schreibe. Entweder bekomme ich Depressionen, weil sie so toll geschrieben sind, oder ich bin total ungnädig und würde jedes Wort auf die Goldwaage legen. So kommt keine Freude auf. Während der Schreibphase lese ich also andere Genres.
Du hast vorhin erwähnt, es kommt ein Dühnfort Fünf und auch ein Dühnfort Sechs. Kannst du uns darüber schon ein bisschen was verraten?
Dühnfort Fünf ist fertig geplant, geplottet. Den muss ich jetzt “nur noch” schreiben. Es ist schwierig, etwas darüber zu sagen, ohne zuviel zu verraten. Letztlich geht es um eine Grenzüberschreitung, die eigentlich nicht wirklich schlimm wäre. Ausschlaggebend war ein Zeitungsartikel, nach dessen Lektüre ich gespürt habe, in dieser Situation steckt Potential, das sollte man mal zu Ende denken, und sehen, was man daraus schlimmstenfalls machen könnte. Am Ende kommt etwas heraus, das ich als einen “Reigen des Verderbens” bezeichnen möchte.
Dein vor kurzem erschienener Roman “Schuld währt ewig”, der vierte aus der Reihe um Konstantin Dühnfort, ist nur zwölf Tage nach dem Erscheinungsdatum in die zweite Auflage gegangen. Was ist das Beste daran, eine erfolgreiche Autorin zu sein, und was ist das Nervigste?
Ja, das Beste ist, dass ich niemals damit gerechnet hätte. Anfangs war das Schreiben ein Hobby. Meinen ersten Roman wollte ich nicht veröffentlichen, den habe ich wirklich für mich geschrieben. Ich wollte wissen, ob ich es schaffe, einen Krimi zu schreiben, den ich gerne lesen würde. Erst beim zweiten Roman habe ich mich bei Agenten beworben und bin dann schnell untergekommen Also, das Tollste ist gewissermaßen, dass da ein Traum in Erfüllung gegangen ist, den ich nie geträumt habe.
Inzwischen verdiene ich meine Brötchen mit Schreiben. Das ist einfach klasse. Wenn mir jemand vor fünf Jahren gesagt hätte, dass ich heute hier sitze und ein Interview führe, ich hätte ich ihn sicher ausgelacht. Und nervig ist nichts. Es ist ein tolles Gefühl, Autorin zu sein. Manchmal bekomme ich natürlich Leser-Reaktionen, die nicht so toll sind. Mir ist es jetzt zweimal passiert, dass mich Leser einfach angerufen haben. Einmal samstags beim Mittagessen-Kochen rief eine ältere Dame an. Sie musste unbedingt ihren Ärger loswerden, dass in “Der Sünde Sold” eine Katze getötet wird. Die andere Leserin hat mich abends um zehn angerufen. Sie hatte das dringende Bedürfnis mir zu sagen, dass ich die tollste deutsche Autorin bin, die sie kennt. Das schmeichelt natürlich schon.
Andererseits hat das auch etwas Unheimliches. Das muss ich ehrlich zugeben. Wer mich im Internet finden will hat meine Kontaktdaten in drei Minuten raus und kann mich anrufen oder mir Mails schicken. Und da sind eben nicht nur nette dabei. Ich habe auch schon anonyme Mails bekommen und gegen einen dieser Absender tatsächlich Anzeige erstattet.
Da ging es um den zweiten Dühnfort-Band. Kannst du uns den Zusammenhang kurz erklären?
Zwei kleine Szenen des Buchs spielen einer Station im Krankenhaus Großhadern. Ich hätte niemals gedacht, dass jemand daran Anstoß nehmen könnte. Denn letztlich geht es bei diesen Szenen darum, zu zeigen, dass Dühnfort ein sehr freundschaftliches und gutes Verhältnis zu seiner Kollegin Gina hat. Also habe ich Gina ein gesundheitliches Problem angedichtet und sie ins Krankenhaus geschickt und Dühnfort besucht sie dort. Und ein wenig recherchefaul wie ich manchmal bin, habe ich einfach eine Station beschrieben, auf der ich tatsächlich mal war. Und … nun ja, die Einrichtung des Zimmers, die fehlenden Vorhänge und einiges mehr, das war nicht so schön und ich habe es so beschrieben. Eines Tages kam eine E-Mail mit einem Phantasienamen@gmx.de als Absender, also für mich nicht nachzuvollziehen, wer wirklich dahinter steht. Man mokierte sich über meine Darstellung der Station. Unterschrieben war die Mail mit “Im Namen aller Mitarbeiter der Station XY”. Ich habe dummerweise darauf reagiert und ein Gespräch angeboten, denn es war nie meine Absicht, jemandem auf die Zehen zu treten. Postwendend kam eine Antwort. Die war wirklich gruselig, denn die gute Frau – also, ich habe vermutet, dass es eine Frau war – schrieb: Ich wüsste ja, wo sie zu finden sei, also, wenn ich mit ihr reden wollte, könnte ich antanzen, und im übrigen wäre ich gar nicht auf ihrer Station gelegen, sondern auf der Nachbarstation. Da ist mir der Kinnladen heruntergeklappt. Woher wusste diese Frau, dass ich als Patientin auf dieser Station gewesen war? Beziehungsweise eben nicht auf dieser, sondern auf einer anderen und wann. Denn das wusste sie auch. Ich hätte das selber nicht mehr gewusst. Die Folge war eine schlaflose Nacht. Am nächsten Tag habe ich mit dem Datenschutzbeauftragten der Münchener Kliniken telefoniert, dem ist der Kinnladen heruntergefallen wie mir. Er hat mir zur Anzeige geraten, denn so wie es aussah, hatte jemand in meine Patientenakte geguckt.
Ich wollte wissen, wer da hinter diesen Mails steckt. Ich hatte mir beim besten Willen nicht vorstellen können, dass es alle Mitarbeiter dieser Station sind, und habe Anzeige erstattet. So ist es mir tatsächlich gelungen, die Mailschreiberin aus der Anonymität zu holen und ihr zu zeigen: ich weiß wer du bist. Das Erschreckende daran war für mich, dass tatsächlich alle Mitarbeiter der Station hinter diesen Mails standen. Und das Lustige daran, dass niemand mein Buch gelesen hat. Man kannte nur die zwei kurzen Szenen.
Hat dich dieser Vorfall bewogen, deine Orte noch mehr zu verfremden?
Ja. Das ist so. Wobei ich das nicht müsste. Aber man weiß einfach nicht, wem man unwissentlich auf die Zehen tritt und was für Folgen das haben kann.
Hast du auch noch eine lustige Anekdote aus deinem Autorenleben für uns?
Lustig? Da muss ich jetzt gerade mal nachdenken. – Doch, ja. Da gibt es eine lustige Geschichte. Ich habe durch einen Zufall einen ehemaligen Kriminalhauptkommissar der Münchener Mordkommission kennengelernt, der mich seit meinem ersten Buch berät. Gerade bei meinem ersten Dühnfort-Roman habe ich so jede Menge Basics der Polizeiarbeit gelernt. Als der Roman dann fertig war, habe ich meinem Berater das Manuskript zu lesen gegeben, und er rief mich völlig entsetzt an und sagte: “Frau Löhnig, das machen’s aber nicht noch mal.” – Ich fragte: “Ja, was denn?” – “Am Ende ist der Täter tot. Und das ist für einen Kriminaler das Schlimmste überhaupt.”
Ein Kriminaler will den Täter natürlich lebend erwischen, damit auch das kleinste Detail des Falls noch restlos geklärt werden kann. Wenn der Täter tot ist, dann geht das nicht mehr. – “Frau Löhnig, das machen Sie aber nicht noch mal!” (Beide lachen).
Dann sage ich herzlichen Dank für das Gespräch, und viel Erfolg mit Dühnfort Vier, Fünf und Sechs!
Ich danke dir, Corinna!
Inge Löhnig wurde 1957 in München geboren. Sie studierte an der renommierten Akademie U5 in München Grafik-Design und arbeitete anschließend in verschiedenen Werbeagenturen, zuletzt als Art-Directorin auf einem Mode-Etat.Heute lebt sie als freiberufliche Grafik-Designerin und Autorin mit ihrer Familie und einem betagten Kater in der Nähe von München. „Der Sünde Sold“, war ihr erster Roman mit Kriminalhauptkommissar Konstantin Dühnfort und Auftakt der Serie, die bei Kritikern und Lesern einhellige Begeisterung auslöst: „Meisterhafte Erzählkunst“ schrieb die Süddeutsche Zeitung. „Mehr davon“ wünscht sich die Frauenzeitschrift FREUNDIN. Neben Romanen für Erwachsene schreibt die Autorin auch Jugendbücher.
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Corinna Klimek am 29. Februar 2012 23:00 [singlepic id=1130 w=240 h=320 float=left] Frau Daum, herzlichen Dank, dass Sie uns zur Wiederaufnahme von “Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” am Gärtnerplatztheater ein kurzes Interview geben. Wie sehen Sie die Jenny?
Jenny ist in die Prostitution hineingeboren, die Mutter war auch Prostituierte, das erzählt sie ja ganz am Anfang in ihrem “ach bedenken Sie, Herr Jack O’Brian” und sieht in dieser Profession überhaupt nichts Schlimmes. Die Jenny ist nicht die Intelligenteste, nicht die Liebevollste, sie ist ein Kind dieses Milieus. So sehe ich sie.
Und wie ist ihr Charakter?
Sie ist das, was man in ihr sehen möchte, wie bei der Lulu auch, ist sie eine Projektionsfläche für Männerwünsche. Und ich denke, für sie zählt nur noch das eigene Vergnügen. Sie säuft gerne und und verdient gerne Geld mit ihrem Körper, denn Geld zu haben ist ihr ein Vergnügen. Aber ich denke, sonst hat sie nicht viel Charakter.
Sie haben gerade schon die Männerwünsche angesprochen. Jim Mahoney fragt sie nach ihren Wünschen, und Jenny antwortet: “Dafür ist es noch zu früh”. Hätte das die große Liebe werden können zwischen Jim und Jenny?
Das hätte Jenny nie zugelassen, weil sie in Männern immer nur Kunden sieht und nie eine verwandte Seele oder einen Menschen. Jenny trennt zwischen Männern, die sind Kunden, und Privatem, was sie wahrscheinlich gar nicht hat, höchstens ihre Mädchen.
Deswegen wäre es Jim auch nie gelungen, sie zu überreden, ihm zu helfen?
Nein. Einer der sie kauft, der sagt, “vielleicht nehme ich sie” – das würde für sie nie in Frage kommen, dass da ihr Herz mitspielt.
Aber Jim war verliebt in Jenny, oder?
Weil ihm sonstige Wärme gefehlt hat und Männer ja oft genug Sex mit Wärme, ja mit Liebe verwechseln.
Aber sie sagt ihm, dass sie ihn vermissen wird.
Nein, sagt sie nicht. Sie sagt nur: ja, ich bin Deine Witwe und nie werde ich Dich vergessen, wenn ich jetzt zurückkehre zu den Mädchen. Sie sagt nicht, dass sie ihn vermissen wird. Nichts davon, gar nichts.
Gegen Ende gibt es einen Song, “Where is the telephone?”, der den Eindruck macht, als ob er nicht ganz dazugehören würde. Wie kommt das?
Das ist der Benares-Song. Unsere Mahagonny-Fassung ist relativ zusammengestrichen worden. Es fehlt ja auch “Gott kam nach Mahagonny”, aber dieser Benares-Song ist ein Ausdruck für die Hilflosigkeit, die die Jenny dann im Endeffekt doch noch befällt angesichts dessen, dass Jim in der herrschenden Gesellschaftsordnung zum Tode verurteilt ist. Ich denke nicht, dass sie so um ihn trauert und deshalb letztendlich die Gedanken umkippen und dann in dieses etwas traurige Lied einfließen. “There is no money in this land, there is no boy to shake with hands”, und dieses “where is the telephone” ist wahrscheinlich der Hilfeschrei, wo ist die bessere Welt, wo ist der, der mir hilft, wo sind die Menschen, die bereit sind, mir zu helfen. Das Telefon als Kommunikationsmittel nach außen. Und diese bessere Welt, Benares, gibt es auch nicht mehr – ein Erdbeben hat es zerstört! Es ist, wie es ist –keine Hoffnung in Sicht. So sehe ich es, und vielleicht ist das völlig falsch gedacht. Und Jenny denkt eigentlich auch gar nicht so sehr an Jim, sondern sie sieht sich und die ganze Gesellschaft in der Geschichte und am Ende steht auch sie auf und sagt: können uns und Euch und niemand helfen.
Können Sie sich mit der Inszenierung identifizieren?
Ja, absolut. Der Regisseur Thomas Schulte-Michels hat uns jegliche Freiheit gelassen, die Figuren passend zu dem, was wir für die Figuren empfinden und wie wir sie körperlich ausdrücken können, zu spielen. Die Alternativbesetzung für die Jenny, Elaine Ortiz Arandes, spielt vollkommen anders, sieht sie auch vollkommen anders, das war für den Regisseur genauso gut und genauso richtig, solange es so empfunden wurde. Und weil ich es halt so spielen darf, wie ich es sehe, wie ich die Jenny für mich zurechtgelegt habe, kann ich mich absolut damit identifizieren. Jetzt bin ich natürlich keine Prostituierte und ich sehe die Welt auch nicht so wie sie, aber ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie sich ein Mensch fühlt, der nie etwas anderes war als Ware.
Sie waren letztes Jahr auf Gastspiel mit Mahagonny in Istanbul. Wie hat das türkische Publikum reagiert auf ihre doch recht freizügige Art und Kleidung?
Ich habe gedacht, dass ich vielleicht Buhs bekommen könnte oder dass die Frauen mich böse anschauen würden. Es war genau anders herum. Sie konnten absolut zwischen der Künstlerin Heike Susanne Daum und der Rolle, die ich verkörpere, unterscheiden. Ich habe in keinster Weise irgendwelche Anfeindungen gespürt oder habe mich schämen müssen für wie freizügig ich da sitze, breitbeinig, jeder kann den Slip sehen. Da dachte ich schon, oje, das könnte vielleicht schwierig werden, war es aber in keinster Weise. Das Publikum war sehr, sehr offen und hat, fand ich, auch noch etwas mehr mitgelebt in dem Stück, weil sie den Text mitgelesen haben. Bei uns in München gibt es ja keine Übertitel, und wenn dann mehrere gleichzeitig singen, versteht man auch nicht immer unbedingt den Text. Das türkische Publikum konnte richtig mitlesen und hat dann auch an vielen Stellen reagiert, wo unser Publikum am Gärtnerplatz nicht reagiert, also für uns hörbar und spürbar reagiert. Ich fand es ganz großartig, wie das Publikum in Istanbul Mahagonny aufgenommen hat. Und sie haben ja auch in der Kritik geschrieben, ein sehr, sehr aktuelles Stück. Das größte Verbrechen auf dieser Welt ist, kein Geld zu haben. Dann ist man nichts und niemand mehr.
Herzlichen Dank und Toi Toi Toi für die Wiederaufnahme!
Herzlichen Dank, ich freu mich schon drauf!
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Corinna Klimek am 28. Februar 2012 20:02 [singlepic id=1133 w=320 h=240 float=left]Liebe Nina, herzlichen Dank, dass Du Dich bereiterklärt hast, uns ein Interview zu geben. Stellst Du Dich kurz vor?
Mein Name ist Nina George, ich rauche nicht mehr, ich schreibe, ich brauche das Schreiben wie andere vielleicht das Atmen, ich liebe meinen Mann, ich liebe Hamburg und hey, Corinna, schön, dass Du hier bist.
Herzlichen Dank! Das war schon meine nächste Frage: Du schreibst seit 1992 in wechselnden Genres, brauchst Du das Schreiben wie die Luft zum Atmen?
Ich habe mir mal kurzfristig überlegt, was ich statt des Schreibens machen würde: Ich wäre vielleicht Gärtnerin, weil ich es liebe, mit den Händen in der dreckigen Erde rumzuwühlen, oder ich würde vielleicht das machen, was ich irgendwann auch mal gelernt habe, nämlich kellnern. Aber das macht nicht im mindesten so viel Lust, ja es ist eine ganz seltsame Lust, es ist auch eine Qual und das Schreiben ist auch eine …. es ist kein Liebeslied. Aber es ist der einzige Weg für mich, um zu leben.
Du schreibst Kurzgeschichten im Krimigenre, Du schreibst Romane wie Die Mondspielerin, Du schreibst Kolumnen und Sexratgeber unter Deinem Pseudonym Anne West. Wie findest Du Deine Geschichten, oder finden sie Dich?
Das Erstaunliche ist, dass es sehr leicht ist, Geschichten zu finden. Das Schwierige ist, sich zu entscheiden, welche ich erzählen will! Vielleicht bin ich auch deshalb Schriftstellerin geworden, weil ich sogar, wenn ich schlafe und wenn ich träume, das Gefühl habe, ständig auf Empfang zu sein. Ich nehme ganz viel wahr, ich sehe, wie Menschen miteinander umgehen, was sie erzählen. Meist habe ich das Gefühl, ich spüre die verschiedenen Stimmungen, Gefühle und Emotionen im Raum. Ich mache mir viel Gedanken, ich lese viel, ich denke permanent in einer Geschwindigkeit, die mir auch manchmal Angst macht. Das Schreiben ist eine Art Möglichkeit, mich zu entscheiden, was möchte ich davon festhalten, was möchte ich nochmal erzählen, was möchte ich insoweit festhalten, weil es mir wichtig ist? Wie kann ich es noch besser beschreiben?
Das Schlimme am Schreiben ist bei jedem Roman, bei jeder Kurzgeschichte: was lasse ich weg? Und das tut mir manchmal sehr weh. Die ersten paar Jahre habe ich den Fehler gemacht, dass ich immer alles, was ich weiß, in jeder Geschichte erzählen wollte. Ich wollte alle meine Weisheit, die ich bis dahin, so mit 25, 27, 32 angehäuft hatte, in jede Geschichte verpacken, bis ich dann irgendwann einmal gemerkt habe, so funktioniert das Schreiben nicht. Das Schwierige ist das Entscheiden. Ja.
Hast Du einen bestimmten Schreibrhythmus und brauchst Du eine bestimmte Umgebung dafür?
Ich bin sehr gerne alleine, ich möchte, dass man mein Gesicht nicht sieht, während ich schreibe, weil ich mich erinnere, weil ich mich dann auch erinnere an Sachen, die nicht schön sind, die nicht harmonisch sind, an Liebeskummer, an Lügen, an Betrügereien, an sehr traurige Sachen, an Dramen, an Krieg, an Mord und Totschlag, an Sex, an Abgründe. Ich möchte nicht, dass man mich dabei beobachtet, wie ich all diese Dinge nochmal durchdenke und wie ich sie kühl versuche, in Worte zu fassen. Ich schreibe jeden Tag, bis auf die Zeit meiner Krankheitsphase. Der Arbeitsablauf ist ganz einfach: ich stehe auf, ich schmeiß die Kaffeemaschine an oder mache mir einen Bohnenkaffee. Früher habe ich mir eine Zigarette angezündet, die erste von ungefähr 50 am Tag, heute mache ich das nicht, sondern lese erst mal ein bisschen Internetzeitung, und wenn der erste Kaffee durchgelaufen ist, setze ich mich mal ran und kuck mal, was ich heute mache. Ich habe sehr viele journalistische Kunden, dadurch ist bereits ein ungefährer Wochenplan vorgeben.
Und was tust Du, wenn es mal nicht so gut läuft?
Dann gehe ich schwimmen, dann gehe ich raus oder ich lege mich hin und schlafe. Schreibblockaden als solches weiß ich, wie man sie überwindet. Es gibt vielleicht auch nicht unbedingt Blockaden, es gibt vielleicht Momente, die ich auch kenne, wo ich leer geschrieben war, einfach leer, wo mich nichts mehr auf der Welt je reizte festzuhalten oder anderen Menschen nochmal neu nachzuerzählen.
Es gibt so ein paar Tricks, um mich wieder ans Schreiben zu bringen, vielleicht nützt es dem einen oder anderen, wenn er merkt: Uahh, weißes Blatt, es schaut mich an. Uahh, mir fällt nix ein. Ich fange an zu beschreiben. Ich nehme mir ein schönes Bild und fange an es zu beschreiben, oder wie es wohl zu der Situation auf diesem Bild kam. Da kann ich eine x-beliebige Postkarte, einen x-beliebigen Fotoband aus meiner Bibliothek nehmen, ich schlage eine x-beliebige Seite auf, sehe ein Paar, das zum Beispiel Tango tanzt und erdenke mir, wie kam es dazu? Und dann fange ich an, einfach mal zu dokumentieren, was haben die an, wie sehen die aus, und plötzlich merke ich: Ach so, ach, geht doch noch, du musst dich jetzt nicht aus dem Fenster rollen oder arbeitslos melden.
Oder ich nehme mir ein ausgesprochen schlechtes Buch und danach bin ich dann so empört, dass so etwas gedruckt wird und davon überzeugt, dass, wenn so etwas gedruckt wird, hey!, dann kann ich auch schreiben. Und das kann ganz wunderbar gegen Selbstzweifel oder Kreativleere helfen. Also liebe Kollegen: bitte nicht jedes schlechte Buch wegschmeißen, es hilft über eine Schreibblockade. (kichert)
Hast Du dazu extra einen Stapel angelegt?
Der Stapel schlechter Motivationsbücher? Nein, aber ich kenne die Bücher ganz genau. Ich werde jetzt keine Titel nennen, sonst werde ich geteert und gefedert. Ich habe einmal den Fehler gemacht, mich geschmäcklerisch abfällig über Autoren zu äußern, die noch leben. Das macht man nicht.
Welche Phase eines Buches oder einer Kurzgeschichte ist für Dich die anstrengendste?
Das Schreiben! Wenn ich eine Geschichte durchdenke, das ist schon ein sehr großer Teil, der dauert extrem lang, bis ich weiß, wo beginne ich die Geschichte und wie endet sie. Diese Phase dauert sehr lang, aber wenigstens kann ich das überall machen. Es tut nicht weh und ich kann drum herum denken, ich geh aufs Klo und denk da ein bisschen oder beim Einschlafen denke ich ein bisschen, oder im Bus denke ich ein bisschen, ich denke ständig darüber nach, aber das ist vergleichsweise einfach. Die schwierigste Phase ist, das, was ich dann im Kopf habe – wenn ich zum Beispiel genau weiß, das muss sich so oder so anfühlen –, das dann in Worte umzusetzen. Es ist ein bisschen so wie beim Shoppen. Du hast ein bestimmtes Kleid, einen bestimmten Fummel, bestimmte Jeans vor Augen, und man rast durch jeden verdammten Laden und findet es nicht! Manchmal ist genau das auch beim Schreiben so: ich habe ein bestimmtes Gefühl, ein bestimmtes Bild, eine bestimmte Nachricht, eine bestimmte Vorstellung einer Figur, die ich vermitteln möchte – aber ich schaffe es nicht. Das macht mich rasend. Das sind solche Momente, da überlege ich mir das mit dem Gärtnern oder Kellnern doch wieder sehr genau, weil da habe ich endlich meine Ruhe und muss mich nicht damit herumquälen, dass ich es trotz meiner 20-jährigen Berufserfahrung mal nicht schaffe, eine verdammte Situation so zu erklären, dass sie perfekt erzählt ist.
Du bist ja sehr vielseitig. Aber gibt es noch ein Genre, in dem Du noch nicht geschrieben hast, das Du aber gerne mal ausprobieren möchtest? Und was hält Dich davon ab, es zu tun?
Drei Genres habe ich noch, die ich unbedingt gerne schreiben will. Das erste ist Fantasy, ich habe eine Idee, die würde für eine… hmm… Septologie reichen. Minimum. Ich habe ebenfalls noch ein paar Ideen für historische Romane, hauptsächlich 18. Jahrhundert, Vorabend der Revolution. Und ich möchte auch noch ein erzählendes Sachbuch über Schmerz schreiben.
Was hält mich davon ab? Schiss. Ich bin seit 12 Jahren selbständig und habe eine ganze Zeit von der Hand in den Mund gelebt, das heißt, das Geld kam rein, wurde für die Fixkosten und Steuern ausgegeben und Punkt. Ich hatte kein Sparkonto, kein Nichts, kein Garnichts. Jetzt habe ich seit geraumen Jahren ein kleines Sparkonto, hab eine Altersvorsorge, und ein Sicherheitsteil von mir sagt: Du musst auch leben, und zwar im Kopf frei leben können, um zu schreiben, das heißt, ich halte zum Beispiel nichts von dem armen Poeten, der nur deshalb kreativ sein kann, weil er arm ist und sich bloß nicht mit so etwas Schmutzigem wie Geld abgibt.
Es hält mich davon ab, dass ich Schiss habe, einen Teil meines journalistischen Einkommens aufzugeben, um Zeit und Kraft zu haben für die anderen Projekte. Um genau zu sein: es genau das, womit ich mich seit zwei, drei Jahren in Gedanken beschäftige, diesen Mut zu haben, zu springen. Und Marianne, die Figur aus der Mondspielerin, hat mir das vorgemacht, sie ist gesprungen. Auf der anderen Seite hat sie auch gar nichts mit mir zu tun. Aber dieser Mut, zu springen, mehr und mehr von Büchern zu leben – ich nehme immer noch Anlauf.
Welches Genre liest Du selbst gerne und hast Du einen Lieblingsautor oder ein literarisches Vorbild?
Ich lese alles, was mich interessiert. Ich bin überhaupt nicht genrefixiert, ich war sogar sehr erstaunt, als ich irgendwann im Laufe der Jahrzehnte feststellen musste: hö, Bücher werden ja in Genres aufgeteilt, und wenn ich einen Liebesroman habe, da kann nicht noch ein Toter drin vorkommen und auch keine Zeitreise, sonst finden die das alle doof. “Die” heißt: die Verlage, die Agenten, es hat sich so ein unglaubliches Schubladendenken festgesetzt die letzten 15 Jahre.
Ich lese alles, ich habe einige Lieblingsautoren, die sich seitdem ich in der Pubertät war kaum geändert haben. Es ist vielleicht wie mit Liedern, wie ich sozialisiert oder geprägt wurde mit Songs aus den Achtzigern, bin ich auch mit Autoren dieser Zeit aufgewachsen, und sie haben mich quasi in einer Lebensphase erreicht, wo ich noch ganz formbar war, wo meine Gefühlslandschaft sich geformt hat, und die haben sich in mich hineingefurcht und hineingedübelt. Sie haben dort ihren Platz bis heute. Das ist zum Beispiel Stephen King, das ist John Irving, das ist die gute Elizabeth Dunkel, die kein Mensch mehr kennt, – sie hat Der Fisch ohne Fahrrad geschrieben, die Mutter der Frauenromane, der intelligenten Frauenromane.
Ich hatte außerdem immer ein Faible für Sagen und Fabeln, Krimis sind relativ spät dazu gekommen, heute lese ich sehr, sehr viele Krimis, auch sehr gerne von deutschsprachigen Autoren, die werden immer besser, vor allen Dingen die Frauen, Holladiewaldfee. Skandinavier kann ich durch die Bank nicht leiden, Isländer auch nicht, weil ich sie nicht verstehe, ich mag britische und amerikanische zeitgenössische Literatur, Biografien, Bildbände, alles rund um Frauenrecht, Frauen, Frauen, Frauen, immer wieder Frauen – ach, verdammt, ich befürchte, ich lese alles. Ich bin so ein Allesfresser, ich bin wie eine Möwe, die alles frisst, und so picke ich mich durch die Bücherlandschaft wie ein Flugsaurier.
Du hast gerade schon von Songs gesprochen, die Dich geformt haben. Lässt Du Dich von Musik beim Schreiben inspirieren? Und welche Musik hörst Du auch sonst gerne?
Ich habe das mal probiert, Schreiben und Musik, und habe feststellen müssen, das ist wie Schreiben und Alkohol, das funktioniert mit einem Song oder mit einem Glas, und dann komme ich durcheinander, dann höre ich meine Gedanken nicht mehr, dann kann ich mich nicht konzentrieren, dann ist mein Sandkasten oder mein mentaler, literarischer Spielgarten, der ist dann auch vollgemüllt mit zu vielen Informationen. Es reicht, wenn meine eigenen Gedanken in meinem Spielgarten sind, meine Gefühle, aus denen ich dann schöpfe und etwas Neues erschaffe. Wenn dann auch noch ein Lied dabei ist und auch noch Alkohol, das wird zu voll im “Blumenbeet”, das wird eine Riesengartenparty, da kann kein Mensch mehr was mit anfangen.
Das bedeutet praktisch, Musik höre ich ganz unabhängig von allem anderen. Ich spiel selber auch Klavier, nie vor Zuhörern, aber ich bin sehr glücklich dabei.
Aber Musik zum Schreiben? Ich erinnere mich an zwei, drei Mal, wo ich das Gefühl von Musik versucht habe in einen Roman zu übertragen, was sehr schwierig ist. Musik sagt Dinge, die Wörter niemals ausdrücken können. Bei der Mondspielerin habe ich das gemacht, indem ich ein und dasselbe Lied immer wieder gehört habe, Piazollas Libertango, um diese Bilder und Emotionen, die dann in mir entstehen und wohl auch in anderen, zu übersetzen. Das mache ich nicht unbedingt wieder. Musik sollte Musik bleiben, und die Musik der Worte unabhängig davon sein.
Du warst ja mal Opernstatistin. Hat es Dich nie auf die Bühne gezogen?
Es hat mich einst immer auf die Bühne gezogen, ich war mir sicher, dass ich Schauspielerin werde, seit ich wusste, was Schauspieler so machen. Wobei, wenn ich Schauspielerin sage, dann meine ich tatsächlich Theater, nicht Fernsehen! Fernsehen, das habe ich mir schon mal so als junges Mädchen von acht, neun Jahren … Ich habe Laientheater gespielt und habe dann mit 18, 19 angefangen, mich bei den Schauspielschulen zu bewerben. Und musste unfassbar scheitern. Offenbar war ich nicht gut genug oder war in dem Jahr nicht der Typ. Das war das Jahr, wo die Generation Hübsch sehr viele blonde Mädchen produziert hatte und ich bin nunmal dunkel und knubbelig. Ich weiß nicht, woran es außerdem lag, vermutlich war ich einfach nicht gut genug. Als ich kurz in Augsburg lebte und hörte, dass dort am Theater Statisten gesucht seien, bin ich mit Herzklopfen hin. Es war ganz einfach, Komparsin zu werden, es kam einfach nur darauf an, genügend Zeit zu haben, nicht Talent. Zeit hatte ich, vormittags habe ich gearbeitet in einer Männerzeitschrift-Redaktion in München, und so konnte ich bei den Opern entweder unter einem Bett mal hervorkriechen und so tun als sei ich eine Schabe, oder ich spielte Teil eines wütenden Mobs. Einmal durfte ich sogar etwas sagen. Weiß ich das noch? Nein, so eine große Rolle war es nicht. “In ihr steckt der Teufel, in ihr steckt der Teufel”. Jaja, großes Tennis.
Beim Theaterspielen hat man ja eine relativ direkte Interaktion mit dem Publikum, die ja einem Autor irgendwie fehlt. Hast Du das vermisst?
Nein, denn obgleich ich unglaublich gerne Theater spielen wollte, litt ich unter entsetzlichem Lampenfieber. Man musste mir eigentlich nur das Wort Bühne zeigen, da sass ich schon auf dem Klo. Obwohl, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, während des Laientheaters, da hatte ich kein Lampenfieber, da war ich ein bisschen aufgeregt, klar, wer kuckt und so und mache ich das alles ordentlich, aber erst nachdem ich so bei den Vorsprechen gescheitert war, hatte ich Lampenfieber. Und die Interaktion wurde mir eigentlich auch vergällt, dadurch, dass dort Juroren saßen in den Schauspielschulen, die mir hauptsächlich Ablehnung entgegengebracht haben. Dieter Bohlen ist dagegen geradezu kuschelig! Und ich war jung, 18, 19, und ihre Urteile haben mich so beeindruckt, dass ich manchmal noch heute, wenn ich eine Lesung habe, Sorge habe, dass einer aufsteht, mit dem Finger auf mich zeigt und sagt: “Die kann doch gar nicht schreiben! Die kann doch gar nicht lesen! Und warum trägt sie ne Hose? Ist doch ne Frauenrolle, die sie gerade vorliest! Die soll man was anderes machen was auch mit “Sch” anfängt, wie wärs mit Scheibenwischerin!” Aber dann nehme ich mein verschrecktes 19-jähriges Mädchen innerlich an die Hand und sage: und wenn schon. Wär doch ne lustige Sache, wenn da jemand aufsteht!
Heute genieße ich Lesungen sehr, denn die Aufmerksamkeit, die Begeisterung, die Zuneigung, die ich vom Publikum erhalte, lässt mich immer besser lesen und manchmal geradezu bühnenhaft agieren. Ich habe dann wieder in meine ureigene Spielfreude gefunden. Mein Lesungspublikum die letzten 10, 12, 15 Jahre, das hat mir geholfen, diese heißgeliebte und so verunsicherte Spielfreude zu reanimieren. Und eigentlich gefällt mir das Lesen aus eigenen Erzählungen besser. Ich habe meine Texte, meine Figuren, und ich muss mich nicht mit so einem naiven Gretchen rumplagen oder mit so einer Kuh aus Nachtasyl, die wie blöde so einem Heini nachgloint, der sie verlässt. Also es ist mir lieber, wenn ich meine Figuren vortragen und leiden lassen kann, dann weiß ich wenigstens, was die Autorin uns damit sagen wollte ….
Dein Mann ist auch Schriftsteller. Lest ihr gegenseitig Test und er ist er Dein größter Kritiker und umgekehrt?
Wir sind einander die größten Fans. Wir lesen nicht gegen und sagen: Kuck mal, da ist eine Länge, oder: Kuck mal, das ist aber doof, sondern wir loben das Gute, und reden vorher ganz viel darüber. Dieser Prozess des Redens, des Planens und des Entscheidens ist ja ein wahnsinnig großer Prozess. Das Schreiben besteht ja nicht nur aus Hinsetzen und Tippen, sondern aus dem Denkprozess. Wir reden sehr, sehr, sehr viel über Ideen, über Plots, über Figuren, über Stimmungen, die wir erzeugen wollen, aber haben auch beide festgestellt, Jens hat einen komplett anderen Erzählton als ich, und ich kann ihn nicht kopieren und er nicht mich. Das ist merkwürdig, weil wir sehr viel kopieren können, also manchmal machen wir uns den Scherz zu schreiben wie … xy. Das gelingt ganz gut, manchmal für eine halbe Seite oder eine Seite, gar kein Problem. Ich glaube sogar, 50 Prozent aller Autoren könnte ich kopieren im Ton, aber meinen Mann nicht, ich weiß nicht, wie er das macht, der Sauhund. (lacht) Jens ist allerdings für mich ein guter Scriptdoctor. Wenn ich mal nicht weiter weiß, dann schicke ich ihm das, er schaut drauf und meistens sagt er, “Süße, kuck doch mal, Du hast doch schon alles angelegt, Du kannst da den Faden weiterziehen oder dort.” Mein Mann ist mein drittes Auge, wenn ich blind für meinen Text geworden bin. Und umgekehrt bin ich ihm eine gute Figurenhilfe. Ich kann Figuren gut machen – und er kann gut plotten. So ergänzen wir uns.
Du hast letztes Jahr den DeLia-Preis für den besten Liebesroman mit der Mondspielerin gewonnen. Hat sich seitdem etwas geändert für Dich?
Nein, glaube ich nicht. Nein. Außer dass ich viele neue hinreißende KollegInnen aus dieser DeLiA-Autorengruppe kennengelernt habe. Das ist ein großer Gewinn.
Du hast vorhin gesagt, Du liebst Hamburg. Gibt es auch eine andere Stadt, in der Du leben könntest, oder willst Du hier nicht mehr weg?
Hach, im Sommer habe ich ja eine kennengelernt. Sie ist dreckig, sie ist laut, sie ist brutal, sie ist unglaublich sexy, sie ist viel zu anstrengend, sie heißt New York. Ich glaube, nicht, dass ich dort leben möchte im Sinne von 10, 20, 30 Jahre, für immer, aber ich würde gerne ein Zeitlang dort sein. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Stadt so eine Wirkung hat, ich dachte immer, das sei daher geschriebener Marketingscheiß, aber in der Tat, in New York hatte ich immer das Gefühl, es kann was passieren, Abenteuer, es kann sich was bewegen, ich kann hier alles machen! Natürlich kann man nicht alles machen, es gibt z.B. selten unhöflichere Polizisten als die in New York, aber dennoch, dieses Gefühl von: mach doch, mach doch was Du willst, das war unglaublich viril und vibrierend, ich habe das selten. Ich habe das, glaube ich, noch nie bei einer Stadt so erlebt. Aber ansonsten, in Hamburg werde ich leben, werde ich alt werden, werde ich lieben, werde ich bleiben, aber ich werde immer mal wieder kleine Ausflüge machen.
Wie hoch ist dein aktueller SUB?
Ich rechne in Breite. Ich glaube 60 Zentimeter breit, die stehen so, tackatackatack, dann habe ich noch so einen Stapel daneben, das sind vielleicht 5 Bücher, das sind, ohh, das sind jede Menge, lass es 40 Bücher sein.
Nicht viel.
Nein, ich lese ja ständig alles weg. Wenn der SUB zu feist wird, dann besteht die Gefahr, dass der Berg mich voruwrfsvoll anstarrt, na, das kann ich ja ab! So einen wachsenden Bücherbaum? Nee, dann wird es einsortiert und wenn ein Buch erst einmal in meiner Bibliothek einsortiert ist, dann ist es weg, einfach verschwunden.
Kannst Du uns schon etwas über Dein aktuelles Projekt sagen?
Nein, ich habe alles auf Eis gelegt, nachdem ich einen Bandscheibenvorfall hatte und mein Vater gestorben ist, so dass ich auch zurückrudern muss von der Absicht, einen Provenceroman zu schreiben. Die Hauptfigur dadrin trauerte nämlich einer Liebe hinterher, die schon vor langen Jahren gestorben ist und er lebt immer noch in dem Damals und macht sich erst heute auf den Weg, wieder sein eigenes Leben zu finden. Aber ich konnte die Vorstellung nicht aushalten, darüber zu schreiben, wie es ist, jemanden zu verlieren, den man mehr geliebt hat als alles. Das möchte ich nicht schreiben. Nicht jetzt, vielleicht in ein paar Jahren. Deswegen bin ich im Moment vorsichtig im Herumdenken, ich bin mir noch nicht sicher. Ich möchte Geschichten erzählen über ein sehr starkes Gefühl, das jeder von uns schon einmal hatte, das lebensverändernd ist, das schmerzt, das einen dazu bringt, das ganze Leben nochmal neu zu überdenken, die Vergangenheit und die Zukunft. Dieses starke Gefühl, was so eine Art Vorwegnahme des eigenen Todes ist, hat einen sehr beknackten Namen: Liebeskummer. Aber Liebeskummer bringt Dich um bei lebendigem Leibe. Und ich möchte um dieses Gefühl herum eine Geschichte schreiben. Ich weiß nicht, warum das unbedingt, es erscheint mir nötig!
Aber im Moment bin ich auf der Suche nach meiner Heldin, ich weiß nur, wie sie in dieses Liebeskummerloch gestoßen wird, und ich habe neulich ein paar Zeilen notiert, wie es endet, aber dazwischen liegen noch 300 Seiten! Ich habe noch nicht mal einen Namen für sie, ich habe schon zwei Freundinnen für sie, ja, und ich habe auch ihren Ex, den sie in verrückten Minuten immer noch liebt, obwohl er ihr so weh getan hat, aber ich bin noch nicht viel weiter.
Ich will außerdem ein Buch über Schmerz schreiben. Über Schmerz und wie er die Welt verkleinert. Körperlicher Schmerz, der auch Deine Seele verändert. Und wie man da wieder raus kommt. Ich habe mir Schmerzgeschichten angehört im Rückenzentrum am Michel, wo ich mich versucht habe, wieder aufzurichten, und es ist erstaunlich, wie viel Schmerz in der Welt ist und wie unsichtbar er ist! Wie viele Menschen Schmerzen haben. Manche rollen ihn auf wie einen Faden, um ihn in den Griff zu kriegen, manche stellen sich eine Kugel vor, machen sie ganz klein und stecken ihn in die Tasche, damit er nicht so viel Raum einnimmt. Ich habe auch einen Weg gefunden, mit meinem Schmerz umzugehen. Und darüber möchte ich gerne schreiben, um jenen, die keinen haben, aber Menschen an der Seite haben mit Schmerzen, mit denen anders umzugehen, besser umzugehen, aber auch, um sich selber zu schützen, weil wir Schmerzgeplagten – ach, wir sind auch unglaublich vereinnahmend. Und wir sind ungeduldig. Sehr. Und wir sind innerlich furchtbar einsam. Darüber würde ich gerne schreiben. Ich werde ein Konzept machen, ich werd schauen, mit welchem Verlag ich drüber rede, denn ich halte es für wichtig, darüber zu sprechen, denn jetzt kann ich es. Es ist eine Welt hinter dieser Welt, die Welt des Schmerzes. Davon möchte ich erzählen.
Du bist eine erfolgreiche Autorin. Was ist das Beste daran und was das Nervigste?
Das Beste daran … obwohl, muss ich zurückstellen, muss ich mal kurz im Hinterkopf überlegen. Das Schlechteste daran ist, dass Erfolg rein gar nichts bringt für die innere Ruhe oder das innere Glück oder für das Lebensglück oder für das Verhältnis zwischen den Menschen, die mir etwas bedeuten. Also es ist völlig egal, ob ich erfolgreich bin oder nicht! Es ist so etwas von schnuppe, dass man sich manchmal fragen muss, warum streben Menschen nach Erfolg? Weil im Grunde ist es wurscht für eine gewisse Form des lebenswichtigen Glücks. Erfolg heißt nicht, dass Du besser lieben kannst, mehr geliebt wirst, dass Du kreativer bist oder weniger kreativ, es heißt noch nicht mal, dass Du besser die Welt verändern kannst, nur weil man Dir eher zuhört. Das ist das Blöde am Erfolg, dass an ihn so viel gehangen wird, das das Leben angeblich glücklich macht – und Überraschung! Es ist nicht so.
Was das Schöne daran ist. Ich vergesse es manchmal, aber jetzt, wo ich drüber nachgedacht habe, das Schöne an meiner Sorte Erfolg ist – ich kann machen, was ich will. Weitestgehend. Ich habe meine Verpflichtungen, aber ich kann zu einem unglaublich großen Teil machen, was ich will. Und das ist ein unfassbar tolles Gefühl. Das Allerschönste an dieser Selbstständigkeit und einem wie auch immer Erfolg, ob nun finanziell oder inhaltlich: ich kann ausschlafen. Ich habe es schon immer gehasst, das Geräusch des Weckers. Immer. Ich kann bis nachts eins, zwei, drei bestens arbeiten, aber ich kann es nicht leiden, wenn ich vor elf irgendwo sein muss. Oder aufstehen muss. Womöglich kämmen! Das ist das Beste am Erfolg: ich kann ausschlafen!
Erzählst Du uns noch eine Anekdote aus Deinem Autorenleben? Oder auch zwei?
Mein Pseudonym Anne West sorgt immer dafür, dass sich Menschen anders benehmen. Männer wollen gerne mit mir recherchieren oder behaupten: Ich hab das alles gar nicht nötig, ohne dass sie überhaupt wissen, über was ich schreibe, oder wie ich schreibe oder was meine Prinzipien sind. Ich verkaufe ja zum Beispiel keine Gelinggarantien für Sex, weil ich das einfach albern finde, total albern. Dass alle auch so tun, als ob Sex nichts mit der Persönlichkeit zu tun hat, nervt mich total. Aber Leute wissen halt nicht, dass ich sehr bei Verstand bin, wenn ich meine Sexbücher schreibe und reagieren, als ob sie mit jemandem sprechen, der als Arbeitskleidung nur irgendwie einen Bindfaden durch den Schritt und zwei Briefmarken vornerum trägt. Sie reagieren seltsam. Es hat mir ja auch noch nie jemand vorgeworfen, dass ich so viele Leichenberge angehäuft habe, warum regt sich keiner über meine Leichenberge auf, über Mord und Totschlag und Gemeinheit, ich hab so gemeine Geschichten geschrieben? Nein, mir wird vorgeworfen, wenn sich mal irgendwie zwei liebhaben. Ist jetzt nicht so richtig eine Anekdote, seh ich ein ….
Jetzt aber: eine Anekdote: im Rahmen des Krimifestivals “Mord am Hellweg” mache ich ab und zu neben Lesungen auch Moderationen, und eine Krimilese-Moderation wurde mal in Unna gemacht. In einem gewissen Etablissement, kurz gesagt, in einem Puff. Der Chef kam nach der Show – wir hatten drei Schriftsteller, wir hatten einen Striptease, wir hatten eine Vorführung einer Domina – auf mich zu, zeigte sich sehr begeistert und meinte: “Du Mädel, Du kannst ja echt toll schreiben, und wenn das mal nichts mehr mit dem Schreiben wird – (zwinker, zwinker) – kannste bei mir anfangen. Tolle Beine hast Du ja schon mal.” Frechheit!
Wie konnte er nur übersehen, dass ich auch tolle Hände habe!
Gibt es eine Frage, die Du schon immer mal beantworten wolltest, die aber noch keiner gestellt hat?
Träumst Du Geschichten? Ja ich träume Geschichten. Wenn ich nachts träume, dann habe ich manchmal das Gefühl, das ist mein anderes, mein zweites Leben. Und manchmal träume ich Geschichten und schreibe sie auf. Weil sie gute Geschichten sind. Ja, manchmal träume ich Romane …
Herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast!
Ich danke Dir, liebe Corinna!
Die Schriftstellerin und Journalistin Nina George, geboren 1973 in Bielefeld, schreibt Romane, Krimis, Science-Thriller, Kurzgeschichten, Kolumnen, Reportagen.
Zu ihren Kunden gehören und gehörten u.a. TV Movie, Das Hamburger Abendblatt, die JOY, Der Hamburger, die Bild am Sonntag, Für Sie, Fit for Fun, und etwa ein Dutzend weiterer Magazine. Georges Pseudonym Anne West gilt mit zwölf Sachbüchern und Kurzgeschichtenbänden als erfolgreichste deutschsprachige Erotika-Autorin, die u.a. vom Papst verboten wurde (Weltbild-Affäre 2011). Unter ihrem zweiten Pen-Name Nina Kramer veröffentlichte George 2008 den ersten deutschen Thriller, der sich mit den ethischen Verbrechen der Reproduktionsmedizin auseinander setzt: Nina Kramer und “Ein Leben ohne mich”. Für ihren Roman “Die Mondspielerin” wurde George mit der DeLiA 2011, dem Literaturpreis für den besten Liebesroman des Jahres, ausgezeichnet. Mit “Das Licht von Dahme” war George 2010/2011 für den renommierten Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte ‘Kurzgeschichte’ nominiert, mit “Das Spiel ihres Lebens” (Aus: Scharf geschossen, kbv) ist sie 2012 nominiert. Bisher erschienen rund 80 (Nicht nur Krimi-)Kurzgeschichten.
Nina George lebt im Hamburger Grindelviertel, ist eine nicht sehr strenge-Nicht-Mehr-Raucherin und zudem gern verheiratet. Sie engagiert sich für den Schutz des geltenden Urheberrechtes auf der Site https://www.facebook.com/pages/AutorInnen-und-Verlage-für-Urheberrechte/197507973665930
https://www.facebook.com/NinaGeorge.Schriftstellerin, http://www.ninageorge.de
Foto © Marion Losse
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Corinna Klimek am 23. Februar 2012 16:06 Andreas Kowalewitz und das Orchester eröffneten den Abend mit dem Hauptthema des Te Deums in D-Dur von Marc-Antoine Charpentier, weithin bekannt als sogenannte Eurovisionsmelodie. Danach gab es ein Uraufführung eines Werkes von Charles Kalman, der anwesend war. La Parisienne hieß der Walzer und lies tatsächlich so etwas wie Pariser Frühlingsluft durch das schönste Theater Münchens wehen.
Danach folgte das fast schon obligate Musikquiz, diesmal allerdings in neuer Form: Nationalhymnen sollten erkannt werden, ganz ehrlich, ich hätte keine einzige gewusst. Erschreckt haben mich allerdings die Leute, die um mich rum sassen. Da wurde debattiert und sich unterhalten, als würde man sich im Café befinden und im Hintergrund klimpert einer auf dem Klavier. Ich finde so ein Verhalten respektlos gegenüber denjenigen, die vielleicht viel Arbeit in so einen Abend gesteckt haben und auch in diesem Moment arbeiten.
Ähnlich wie mir ging es wohl den Kandidaten. Bei der Auflösung kamen teilweise die Botschaftsvertreter des jeweiligen Landes auf die Bühne und Marianne Larsen sang die Hymne ihres Heimatlandes Dänemark. Sozusagen außer Konkurrenz sang Cornel Frey dann noch den Schweizer Psalm, ziemlich anspruchsvoll für eine Nationalhymne. Nachdem es einen Gleichstand bei den Punkten der Kandidaten gab – oder auch nicht, ich bin da nicht so ganz durchgestiegen – sollte passend zum Thema Fußball EM ein Torwandschießen das Quiz entscheiden. Hier bekam Andreas Kowalewitz neben seinen beiden bezaubernden Assistentinnen prominente Unterstützung: Sepp Maier, die Katze von Anzing, stand ihm zur Seite und versorgte die Kandidaten mit Profitipps. Nicht nur ein toller Fußballer, sondern auch ein begnadeter Entertainer. Ich habe bisher nicht gewusst, dass Torwandschießen so unterhaltsam sein kann. Nachdem er dann auch mal dirigieren durfte, natürlich den Bayerischen Defiliermarsch, ging es nach einer unterhaltsamen ersten Hälfte in die Pause.
Den zweiten Teil eröffneten die beiden reizenden Assistentinnen, die sich als Geigerinnen entpuppten. Danach spielte eine Putzfrau mit fesche Wadln auf einer roten Posaune und Rita Kapfhammer sang eine herrliche Parodie der Schönheitskönigin von Schneizlreuth. Es folgten weitere Musikstücke wie das Katzenduett von Rossini, Casta Diva aus Norma von Cornel Frey, die Arie von Frau Fluth aus den Lustigen Weibern von Windsor von Stefanie Kunschke und das Couplet der Herzogin von Gerolstein von Rita Kapfhammer. Geleitet wurde das Orchester in diesem Teil von Lukas Beikircher, die Solisten begleitete teilweise Martin Steinlein am Flügel. Das war ein herrlicher Spaß, am Ende gab es viel Applaus und eine Zugabe, den Galop Infernal aus “Orpheus in der Unterwelt”, das man ja diese Spielzeit leider nur noch außerhalb Bayerns zu Gesicht bekommt.
Leider war dies auf absehbare Zeit das letzte Faschingskonzert im schönsten Theater Münchens. Aus is und gor is, und schad is, daß wor is!
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Corinna Klimek am 22. Februar 2012 16:26 Die nächste und zugleich letzte (I stand corrected: vorletzte) Premiere im Gärtnerplatztheater vor dem großen Umbau ist eine Oper von Detlev Glanert mit einem Libretto von Werner Fritsch und Uta Ackermann. Sie handelt von Joseph Süß Oppenheimer, Geheimer Finanzrat am Hofe des württembergischen Herzogs Karl Alexander, wurde 1999 in Bremen uraufgeführt. Die Premiere wird die 6. Inszenierung dieses Stückes sein, was für eine moderne Oper schon ganz beachtlich ist.
Hört man den Namen des Protagonisten, so muss man fast unweigerlich an den unsäglichen Propagandafilm von Veit Harlan denken. Doch nicht erst im 3. Reich ist der markanten Figur Unrecht getan worden. Er fiel einem Justizmord zum Opfer, ausgelöst durch Intrigen und seine Prunksucht und dem Wunsch, geadelt zu werden. Glanert und seine Librettisten versuchen nicht, ihn zu idealisieren, sondern ihn als Menschen mit Licht- und Schattenseiten zu zeigen. Die Oper beginnt mit der Kerkerszene, zu der sie auch immer wieder zurückkehrt. Dazwischen gibt es Rückblicke ins Leben Joseph Süß’. Dies greift auch das Bühnenbild des bekannten Bühnenbildners Peter Sykora auf. Er unterteilt die Bühne mit Stelen, die die verschiedenen Räume begrenzen und gleichzeitig aber Durchblicke erlauben. So soll man, auch wenn die Handlung zum Beispiel in der Wunderkammer von Süß spielt, immer an den Kerker erinnert werden. Das Bühnenbild ist wohl eher zeitlos, während die ebenfalls von Sykora stammenden Kostüme eindeutig der Zeit des Geschehens zuzuordnen sind. Der Regisseur Guy Montavon, gebürtiger Schweizer und derzeit Intendant in Erfurt, kann sicher als die beste Wahl angesehen werden. Einerseits kann er als Nichtdeutscher unbefangener an den Stoff gehen, andererseits wird in seinem Opernhaus seit 10 Jahren jedes Jahr ein Werk uraufgeführt, er ist also mit neuer Musik bestens vertraut. Trotzdem habe er gezögert, berichtete er, nicht wegen Glanert, den er als einen der größten lebenden Komponisten bezeichnet hat, sondern wegen der schwierigen Thematik. Er zeigte sich begeistert von Komposition und Libretto, insbesondere die Chorteile hob er hervor. Aber auch Joseph Süß, der inmitten all der Hektik lyrisch und nobel seinem Ende entgegen gehe. Gary Martin, der die Partie übernommen hat, sang begleitet von Anke Schwabe am Flügel, zwei wirklich sehr schöne Beispiele. Ein weiterer musikalischer Beitrag kam von Karolina Andersson, die die Graziella singt. Montavon bezeichnete sie als comic relief, als Hofopernsängerin zeige sie die Relation zum Theater. Bezüge zum 3. Reich habe er weitgehend vermieden, die Ausgrenzung wegen Religionszugehörigkeit sei nicht zeitgebunden. Deutlich werde dieser Bezug allerdings beim Blick in den Orchestergraben, dort fehlen ganze Instrumentengruppen wie Hörner oder Streicher. Dies war nach 1933 ein häufiges Bild, da die Musiker jüdischer Abstammung Berufsverbot hatten und deshalb im Graben fehlten.
Der Komponist Detlev Glanert wird die Endproben begleiten und auch zur Premiere anwesend sein. Nach anfänglicher Skepsis hat mich dieser Vormittag überzeugt, dass es ein spannender Theaterabend wird. Die Vorstellung dauert rund 90 Minuten, außer bei der Premiere gibt es eine halbe Stunde vor Beginn eine Einführung, die man wohl nicht versäumen sollte.
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Corinna Klimek am 21. Februar 2012 14:41 Gestern war die wohl leider letzte Wiederaufnahme der schönen Inszenierung dieses selten gespielten Stückes. Ich habe drüben bei mucbook drüber berichtet.
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Corinna Klimek am 19. Februar 2012 17:11 [singlepic id=1078 w=320 h=240 float=left]Dieser Abend zeigte mal wieder deutlich, dass auch die elfte Vorstellung eines Stückes noch viel Neues bringen kann. In diesem Fall war es ein ungewöhnliches Rollendebüt. Innerhalb eines Tages arbeitete sich Sebastian Campione in die Partie des Mikado ein, normalerweise singt er die Rolle des Ministers für alles Andere Pooh-Bah in diesem Stück. Ohne ihn hätte die Vorstellung ausfallen müssen, wurde in der Ansage mitgeteilt. Da sieht man mal wieder einen der Vorteile des Ensembletheaters. Die Solisten sind mit Leib und Seele dabei und tun alles, damit Stücke gespielt werden können. Hätte die Besetzung nur aus Gästen bestanden, wäre das sicher nicht der Fall gewesen.
Und Sebastian Campione hat es richtig gut gemacht. Bis hin zur Choreografie gab er einen fast perfekten Mikado, das ist in Anbetracht der Kürze der Vorbereitungszeit wirklich bewundernswert. Ich hoffe, die Theaterleitung hat sich ihm gegenüber erkenntlich gezeigt. Auch das restliche Ensemble war bis auf eine Ausnahme wunderbar, lediglich Ko-Ko kiekste sich durch den Abend wie ein pubertierender Oberschüler im Stimmbruch, das sollte vielleicht witzig sein, passt aber überhaupt nicht zu der Rolle. Frances Lucey sang die Arie der Yum Yum The Moon and I an diesem Abend besonders innig, Robert Sellier überzeugte als Nanki-Poo mit Spielwitz und schönem Tenor. Rita Kapfhammer begeisterte wie immer als resolute Katisha, sie spielt und singt, was das Zeug hält und doch trieb ihr Alone and yet alive die Tränen in die Augen. Franziska Rabl und Milica Jovanovic bezauberten als Pitti-Sing und Peep-Bo, Holger Ohlmann und Daniel Fiolka als Pooh-Bahh und Pish-Tush ergänzten das bestens aufgelegte Ensemble hervorragend und Thomas Peters glänzte in der undankbaren Rolle des Erzählers.
Der Chor zeigte, wie immer, Spielfreude kombiniert mit präzisem Gesang und Benjamin Reiners kitzelte aus dem Orchester noch ein bisschen mehr Schwung heraus und unterstützte die Sänger wo es ging.
Ein schöner Abend, Danke an alle Beteiligten!
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Corinna Klimek am 15. Februar 2012 23:40 Über diesen tollen Abend habe ich mal wieder drüben bei mucbook geschrieben.
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Corinna Klimek am 11. Februar 2012 18:49 [singlepic id=1129 w=320 h=240 float=left]Ein Mann, der viele Frauen haben kann, aber die eine, die er will, die bekommt er nicht. Eine Story, wie aus dem Leben gegriffen. Sie ist zwar in diesem Fall schon etwas älter, nämlich knapp zweihundert Jahre, aber durchaus noch aktuell. Deshalb macht es auch Sinn, dass Regisseur Thomas Enzinger das Stück quasi in die Gegenwart verlegt, es spielt auf einem Kreuzfahrtschiff des Bey Mustafa. Verschiebbare Wände (Bühne und Kostüme Toto) schaffen intime Räume wie das Boudoir der Isabella genauso wie das Sonnendeck des Schiffes.
Die Inszenierung besticht vor allem durch witzige Einfälle und die totale Übereinstimmung mit der Musik. Dadurch gelingt es, die Geschichte auch ohne Worte zu erzählen. Das hilft ungemein, denn entgegen der Tradition des Gärtnerplatztheaters wird diese Oper von Gioachino Rossini in der Originalsprache mit deutschen Übertiteln, die leider teilweise sehr schlecht lesbar sind, aufgeführt. So, wie Thomas Enzinger das Stück auf die Bühne gebracht hat, könnte es auch in Mandarin gesungen werden und man würde die Handlung trotzdem verstehen.
Bereits zu Beginn stellt sich der Zuschauer die Frage, warum der Bey eine so bezaubernde Elvira wie Ella Tyran links liegen lässt, mit zuweilen aufblitzendem strahlendem Lächeln und glockenhellem Sopran zieht sie jeden Zuschauer auf ihre Seite. Nach dem Willen von Mr Großkotz soll sie mit dem Sklaven Lindoro (hervorragend Cornel Frey) verheiratet und in dessen Heimat Italien abgeschoben werden. Der möchte da zwar gerne hin, allerdings nicht mit einer Frau im Schlepptau, wünscht er sich doch nichts sehnlicher als wieder mit seiner geliebten Isabella zusammen zu sein. Die ist allerdings eine Frau mit Tatkraft und Energie und macht sich selbst auf die Suche nach ihm und landet Mary-Poppins-Like just auf dem Schiff des Bey. Hier zieht sie alle Register und tanzt nicht nur dem verliebten Bey auf der Nase herum, sondern auch Taddeo, der sie verehrt, sie in die Ferne begleitet und sich durch Lindoros Abwesenheit Chancen bei ihr ausgerechnet hat. Der Schluss ist etwas überraschend, passt aber ausgezeichnet zur Deutung von Enzinger.
[singlepic id=1128 w=240 h=320 float=right]Besonders gut hat mir an diesem Abend Juan Fernando Gutiérrez gefallen. Seine Stimme ist im Vergleich zur letzten Spielzeit noch voller und runder geworden und sein Spielwitz passt genau zur Rolle. Wenn er eine klitzekleine Pause zwischen “Grazie” und “obbligato” macht, weiß man, was man von dem Dank zu halten hat. Gleichermaßen beliebt beim Publikum sind Stefan Sevenich als Bey und Rita Kapfhammer als Isabella. Bei der kultigen Saunaszene zeigt Herr Sevenich sein ganzes tänzerisches und akrobatisches Können. Bei allem Applaus dafür darf man aber nicht vergessen, dass er quasi nebenbei noch eine umfangreiche und schwierige Partie meistert. Die Rolle des Mustafa ist mit ihm wirklich optimal besetzt. Das gleiche gilt für die Isabella von Rita Kapfhammer. Neben enormen Stimmumfang zeigt sie auch unglaubliche Bühnenpräsenz. Wer von den Herren im Zuschauerraum möchte da nicht mit dem Bey tauschen, wenn er sich mit ihr mit ihr zum “Kaffeetrinken” trifft, nachdem sie sich zuvor in lasziv-erotischer Weise für das Treffen fein gemacht hat.
Die Rollen des Haly und von Elviras Vertrauten Zulma sind mit Derrick Ballard und Carolin Neukamm luxuriös besetzt. Dem Herrenchor merkt man an, dass sie Spass an dieser Produktion haben, sie singen, tanzen und wirbeln über die Bühne, dass eine Lust ist. Das Orchester unter Lukas Beikircher lief zu gewohnter Höchstform auf und rundete diesen ausgezeichneten Opernabend ab.
Leider kommt diese hervorragende Produktion nur noch viermal, dann verschwindet sie wohl für immer. Also schnell los und Karten sichern!
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Corinna Klimek am 13. Januar 2012 08:32 Über diese Premiere habe ich drüben bei mucbook geschrieben.
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