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Neujahrskonzert, 01.01.2012, Gärtnerplatztheater

Das Gärtnerplatztheater versprach mit dem NJK 2012 ein klangvolles Orchesterprogramm.
Dieses Vorhaben stellte sich aber nur bei eingen Stücken des Abends ein. Als erster Walzer des Konzertes erklang Freudengrüße op.105 von Johann Strauß Vater, ein Walzer der dem Zuhörer nicht gerade in Erinnerung bleibt, nicht nur weil das Orchester  (Gruppe der ersten Geigen) noch nicht zu der gewohnt guten Form gefunden hatte. Dirigentin Catherine Rückwardt und die Musiker präsentierten als nächstes, die von Maurice Ravel orchestrierten, 4 Sätze aus aus Robert Schumanns Carnaval op. 9.
Sehr engagiert ging es weiter mit Emile Waldteufel. Schön klagen die Kompositionen: Sous la voute étoilée, Les Patineurs und Amour et Printemps.
Nach der Pause standen drei Stücke von Josef Strauss auf dem Programm. Der Delirien Walzer, Die Libelle und die Polka Aus der Ferne. Frau Rückwardt wählte zügige Tempi, mit mehr Ruhe hätten die Stücke ihren Charme behalten. Die Moderation hatte wieder Intendant Dr. Peters übernommen, der diesmal allerdings hin und wieder nicht ganz bei der Sache war.
München, Ein Gedächtniswalzer erklang auch, Richard Strauss schrieb ihn als Hommage an München und verarbeitete darin auch die Angriffe auf München im Krieg. Als letztes Stück vor den Zugaben, wurde der Walzer Seid umschlungen Millionen op. 443 von Johann Strauss gespielt, leicht zerfallen durch die Tempowechsel der Dirigentin.
Zugaben: Unter Donner und Blitz, Radetzky-Marsch und nach dem Ausruf der Dirigentin: Sollen wirs noch mal Donnern lassen, ein weiteres mal Unter Donner und Blitz.
Frau Rückwardt kenne ich als gute und sehr engagierte Operndirigentin seit ihrer Frankfurter und Mainzer  Zeit. Das Orchester des Gärtnerplatztheaters schätze ich seit vielen Jahren, aber diesmal sollte es nicht sein.

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Silvesterkonzert, 31.12.2011, Konzerthalle Bamberg

Mit einem festlichen Silvesterkonzert verabschiedete die Bayerische Staatsphilharmonie das alte Jahr 2011 in der Konzerthalle Bamberg.
Zu Beginn des Konzertes erklangen Ausschnitte aus den Facade Suiten Nr. 1 und Nr. 2 von William Walton. Diese Musik lebt von dem quicklebendigen Experimentiercharakter des Stückes. Waltons Klangcollage aus unterschiedlichsten Versatzstücken, von der Polka über den Foxtrott bis zu schottischer und schweizerischer Folklore, erinnert an ähnlich vergnügliche Projekte eines Igor Stravinsky, Sergei Prokofieffs oder Francis Poulenc. Die Bläsergruppen und Solisten hatten sichtlich Freude an ihren Aufgaben. Das Orchester hatte einen guten Abend und mit dem englischen Dirigenten Jeffrey Tate eine gute Wahl für dieses Konzert getroffen.Weiter ging es mit der Spezialität des englischen Musiklebens, die komische Oper, die mit einem Künstlerduo verbunden ist: Arthur Sullivan und William S. Gilbert. Zwischen 1871 und 1896 schuf Sullivan mit seinem Librettisten Gilbert insgesamt  14 Bühnenstücke, die in Ansätzen der französischen und deutschen Operette vergleichbar sind, aber auch Anleihen bei Rossini, bei der romantischen Oper und bei englischen Volksstücken machen.
Es hätten keine besseren Solisten für dieses Fach gefunden werden können wie: die Sopranistin Dame Felicity Lott und der Bariton Richard Suart, ein gefragter Sullivan-Interpret.  Sie sangen in  guter Begleitung der Symphoniker Arien und Duetten aus den Stücken: The Yeomen of the Guard, The Mikado, Iolante, Ruddigore und Patience.
Bei beiden Solisten wird die Interpretation der Stücke groß geschrieben, Sie überzeugen gesanglich wie schauspielerich auf ganzer Linie. Richard Suart gelingen die Höhepunkte des Konzerts: Die Geisterszene When the nightwind howls aus Ruddigore und When you´re lying awake (Nightmare Song) aus dem 2. Akt der Iolante.
Das begeisterte Publikum wurde noch mit einer Zugabe der beiden Sänger bedacht.
Als letztes Stück des Konzerts erklang die Konzertouvertüre op. 40 Cockaigne (In London Town) von Edward Elgar. Diese Ouvertüre ist von 1901 und das Stück ist, so die Erläuterung in der Partitur, vielen Freunden aus den Londoner Orchestern gewidmet. Der Titel Cockaigne bedeutet Schlaraffenland, was sich an seiner effektvollen, brillianten Instrumentation ablesen lässt. Hier durfte das Orchester noch mal alle Vorzüge und Qualitäten zeigen, die es hat. Die Musik kommt fröhlich-beschwingt daher: aufrichtig, gesund, humorvoll, kräftig, nicht jedoch vulgär, um Elgars Vokabeln zu gebrauchen.
Ein schöner Silvesterabend der Bayerischen Staatsphilharmonie und mit britischen Klassikern in das neue Jahr 2012.

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Der Mikado, 08.12.2011, Gärtnerplatztheater

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Das Staatstheater am Gärtnerplatz und der Regisseur Holger Seitz haben sich für eine deutsche Fassung des Stücks “Der Mikado” von Gilbert & Sullivan entschieden. Diese deutsche Fassung ist von Walter Brandin und Arno Assmann und hat einen Erzähler, diesen gibt es im englischen Original nicht. Am Gärtnertheater wird diese Rolle von Thomas Peters sehr eindrucksvoll gestaltet, aber die Dialoge sind an einigen Stellen zu lange. Es hätte gerne gekürzt werden können, und die Übergänge der Szenen Dialog-Musik wäre schneller auf den Punkt gekommen. Nun aber genug davon. Es gibt ja so viel Schönes an der Produktion: Das schlicht gestaltete Bühnenbild von Peter Engel, das von der gelungenen Lichtgestaltung von Hans Guba zum Leben erweckt wird und in jeder Minute eine ganz besondere Atmosphäre entstehen lässt. Schon wenn sich beim langsamen Satz der Ouvertüre der Vorhang öffnet und die roten Lampions leuchten. Kostümbildnerin Sandra Münchow hat zeitlose Kostüme gestaltet, Anzüge in verschiedenen Graustufen mit Zeitungsaufdrucken, beim großen Auftritt des Mikado schwarze Anzüge mit goldgelben Ärmeln und für den Frauenchor bunte blumenbedruckte Kleider mit Schleifen. Holger Seitz kann bei seiner Regie und der Entwicklung der Personenführung ganz auf das spielfreudige Ensemble des Theaters setzen. Ein Glücksgriff ist auch der Dirigent der Produktion Benjamin Reiners: mit dem gut gelaunten und spielfreudigen Orchester blühen die Melodien von Sullivan aus dem Orchestergraben; an dieser Stelle ein besonderes Lob an die Holzbläser.

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Yam-Yam, Mündel von Co-Co, und Nanki-Poo wurden an diesem Abend von Therese Wincent und Mario Podrecnik gespielt. Therese Wincent beeindruckte während der ganzen Aufführung mit ihrer Bühnenpräsenz. In Gesang, Spiel und Choreographie war sie ideal für die Rolle der Yam-Yam. Der gut geführte Tenor von Mario Podrecnik stand ihr in nichts nach. Einen gelungenen Auftritt hatte auch Derrick Ballard als Mikado, mit kräftigem Bass und enormer Autorität. Rita Kapfhammer als älteres Hoffräulein Katisha war voll in ihrem Element, ausgestattet mit kräftigem Mezzo und großer Bühnengeste. Der Scharfrichter von Titipu, Co-Co, der kein Blut sehen kann, mit der Vergangenheit eines Schneiders, wurde gelungen verkörpert von Hardy Rudolz. Dieser hatte an diesem Abend Glück und bekam viel sichere Unterstützung aus dem Orchestergraben. Sehr aufmerksam! Die restlichen Rollen waren rollendeckend und gut besetzt: Sebastian Campione (Pooh-Bah, Minister für alles), Carolin Neukamm (Pitti-Sing), Ulrike Dostal (Peep-Bo) und Gregor Dalal (Pish-Tush, ein Edelmann). Der Chor, in der Einstudierung von Inna Batyuk, sang an diesem Abend sehr klangschön, und auch die Darstellung war wieder sehr gelungen.
Es ist schön, dieses Stück von Gilbert & Sullivan am Staatstheater am Gärtnerplatz zu sehen und zu hören mit dem noch existierenden Ensemble.

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Interview mit Harrie van der Plas

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Herr van der Plas, danke, dass Sie Zeit für ein Interview gefunden haben. Könnten Sie uns zu Beginn bitte einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich habe mein Gesangsstudium erst im Alter von 24 Jahren begonnen. Damals war ich Grundschullehrer in Holland, aber in meiner Familie wurde schon immer viel gesungen und musiziert. Mein Bruder ist ebenfalls professioneller Sänger. Mein Vater singt, meine Geschwister spielen Klavier oder Geige. Ich war bereits vom Kindesalter an ein grosser Fan der berühmten Tenöre, wie z.B. Schipa, Björling, Schmidt, Pertile und Fritz Wunderlich. Inspiriert wurde ich dazu durch meinen Vater. In unserem Elternhaus lief im Hintergrund ständig klassische Musik. Aber ich dachte damals, dass es für mich wohl nicht möglich wäre, das mit meiner Stimme zu erreichen. Das war für mich damals so weit weg, das konnte ich mir nicht vorstellen. – Meine Frau ist auch Sängerin und ist damals aus Rumänien geflüchtet … Soll ich erzählen, wie es dazu kam, dass wir uns kennenlernten?

Ja, bitte!

Sie nahm an einem Gesangs-Wettbewerb in der Stadt teil, in der ich geboren wurde. Dem „Internationalen Gesangswettbewerb `s-Hertogenbosch“. Meine Familie war ihre Gastfamilie während dieses Wettbewerbs. So haben wir uns kennengelernt. Sie sagte zu mir: „Du bist sehr begabt. Du solltest Gesang studieren, um professioneller Sänger zu werden.“ So ging ich nach Maastricht, habe für die Hochschule vorgesungen, und bin sofort aufgenommen worden. Ruxandra setzte ihr Studium ebenfalls an dieser Hochschule fort. Ich studierte dort drei Jahre. In dieser Zeit bin ich technisch nicht sehr weit vorangekommen, deshalb suchte ich Rat bei Ileana Cotrubas, die eine Bekannte meiner Familie ist. Ich machte mich auf den Weg nach Nizza und sang für sie vor. Sie meinte, dass es im Moment für meine Gesangskarriere nicht gut aussehen würde und ich schleunigst einen sehr guten Lehrer finden müsste, der mir beibringt, mit meinem Instrument richtig umzugehen. Denn damals war ich bereits 28 Jahre alt. Sie war sehr direkt und sehr ehrlich, was auch wichtig war, da es mich wachgerüttelt hat. Sie half mir, einen neuen Lehrer zu finden, zunächst in Luxemburg – Herr Panthea, und dann in der Nähe von Freiburg – Herr Antonius Niculescu. Als meine Frau ein Engagement in Karlsruhe bekam, ging ich mit ihr mit und besuchte die dortige Opernschule an der Staatlichen Hochschule für Musik. Dort habe ich bei Anton de Ridder noch zwei Jahre studiert. Das Glück war auch, dass die Staatliche Hochschule für Musik in Karlsruhe damals ein Abkommen mit Baden-Baden hatte, wo dann zwei Produktionen in dem dortigen Theater stattfanden. Ich sang Tamino in der „Zauberflöte“ und den Hans in der „Verkauften Braut“. Das Allerwichtigste für einen Sänger ist es, auf der Bühne zu stehen, denn dadurch kann man sich eigentlich erst richtig entwickeln. Natürlich ist eine bestimmte Gesangstechnik Voraussetzung, aber auf der Bühne lernt man am meisten, sammelt Erfahrung, und durch diese Erfahrung wiederum neue Engagements. An das Theater in Karlsruhe kam ich quasi durch meine Frau. Da sie bereits dort engagiert war, organisierte sie einen Termin für ein Vorsingen für mich beim damaligen Intendanten Könemann. Ich sang vor und hatte so das Glück, in Karlsruhe mein erstes Fixengagement zu bekommen. So hat es begonnen.

Sie sind ja auch international bei vielen Gastspielen unterwegs. Gibt es da besonders schöne Erinnerungen an Produktionen oder Aufführungen? Produktionen, die Sie sehr gerne gemacht haben?

Die „Bohème“ in Leeds war eine hervorragende Produktion. Dan Ettinger war damals Korrepetitor. Vor kurzem habe ich mit Dan in Mannheim wieder eine „Bohème“ gemacht. Er ist ein außergewöhnlicher Dirigent und trotz seines Erfolges immer noch der gleiche sympathische Mensch. Das fand ich sehr schön.

2002/2003 sind Sie dann ans Gärtnerplatztheater gekommen. Können Sie sich da noch an Ihre erste Rolle erinnern?

Meine erste Rolle war Werther. Französisches Repertoire hat meiner Stimme immer sehr gut getan, wahrscheinlich wegen der Sprache, selbst wenn diese Produktion damals auf deutsch gesungen wurde. Es war ästhetisch und auch sehr sängerfreundlich inszeniert. Der Charakter des Werther erinnerte mich an meine Zeit als Teenager. Man kann in seinem Charakter etwas von sich selbst wiedererkennen. Ich denke, jeder von uns war schon einmal in der Situation, verliebt zu sein, obwohl diese Liebe nicht erwidert wird. Ich liebe Massenets Musik, da sie romantisch und leidenschaftlich ist.

Sie hatten es schon angesprochen: Mit Ihrer Stimme verbindet der Hörer sehr das italienische und das französische Fach. In der ersten Produktion der Saison 2011/2012 haben Sie hier am Münchner Gärtnerplatztheater den Hans in der „Verkauften Braut“ in deutscher Sprache gesungen, und in Kürze, am 4. Dezember 2011, kommt der Max im „Freischütz“. Kommt es bei Ihnen zu einem Fachwechsel, oder sind das einzelne Ausflüge?

Nein, es ist für mich kein Fachwechsel, sondern eine Erweiterung meines bisherigen Repertoires. – Ich denke, man muss eine Zeit lang in einem Land wohnen, um sich mit der Sprache verbunden zu fühlen. Da Niederländisch und Deutsch beide germanischen Ursprungs sind, ist es ein großer Vorteil für mich, dieses Repertoire zu singen. Ich fühle mich der deutschen Sprache sehr verbunden. Und irgendwie passt es, dass sich alles so gut entwickelt. Ich bin jetzt auch im für dieses Fach richtigen Alter.

Ich freue mich schon sehr auf den „Freischütz“. Ich meine, Hans ist eine etwas lyrischere Partie. Die Rolle des Max kann sehr gefährlich sein, da die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt. Das muss man gesangstechnisch berücksichtigen. Die Gefahr besteht natürlich, wenn man in dieser Lage singt, dass man dazu tendiert, die Stimme zu sehr zu verdunkeln. Oder man denkt: „Ich muss mehr Stimme geben.“ Ich denke, dass ich jetzt so viel Erfahrung habe, dass ich nun damit umgehen kann.

Wie sieht es denn mit der Inszenierung aus von dem „Freischütz“? Können Sie sich damit identifizieren? Kommen Sie gut zurecht mit der Inszenierung von Frau Blankenship?

In dieser Inszenierung ist die Aufmerksamkeit auf Agathe gerichtet. Der erste Teil ist ein Traum, alles, was man sieht, ist eigentlich nicht real, sondern wie in Agathes Träumen. So hat die Regisseurin das gedacht. Somit ist es nicht ganz so einfach, den Charakter zu finden. Denn als Max bin ich dann sozusagen ein Teil des Unterbewußtseins von Agathe. Was ist dann Realität und was ist Traum? Damit befassen wir uns jetzt auch bei den Proben. Wir versuchen, dass die Gefühle nicht träumerische Gefühle sind, sondern echte Gefühle. Ja. Ich glaube, dass wir jetzt während der Proben einen Weg gefunden haben, diesem Charakter Substanz zu geben.

Die musikalischen Besonderheiten der Partie des Max, können Sie dazu noch etwas sagen?

Es ist ein romantisches Werk. Obwohl die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt, ist es trotzdem eine Herausforderung. Ich habe mich ein Jahr mit der Partie beschäftigt, und das ist auch notwendig, um eine Rolle wirklich in den Körper zu bekommen. Und nach den ersten paar Vorstellungen kann man die Partie dann sein Eigen nennen.

Im Libretto heißt es: „Mich umgarnen finstere Mächte“. Welche sind das?

Die finsteren Mächte, denke ich, sind seine eigenen Ängste. Seine Ängste, im entscheidenden Moment zu versagen und zu verlieren, was ihm wichtig ist. Was er liebt. Nämlich Agathe. Ich denke, dass sich diese Angst so hochschaukelt, dass er davon völlig übermannt ist. Er ist sich sozusagen selbst sein größter Gegner: Die finsteren Mächte sind eigentlich alles, was in seinem Kopf geschieht. Und diese Ängste werden durch die Gefühle, die er ihnen verleiht, zur Realität. Das ist für mich das Thema der Arie.

Würde Max noch weiter gehen, um das Glück zu zwingen?

(Lacht auf.) Naja. – Wie weit geht der Mensch? Das ist eine archetypische Frage, nicht wahr? Wie weit geht jemand, um etwas zu erreichen? Ich meine, er wird entlarvt. Denn wenn niemand dahinter gekommen wäre, hätte er dann so weitergemacht? Ich denke schon. Er würde alles dafür geben, um mit Agathe glücklich zu sein. Da er bereits so weit gegangen ist, würde er wahrscheinlich auch weitergehen. Ich halte ihn nicht für eine sehr sympathische Figur, wenn ich mal so sagen darf, ich finde ihn nicht sehr „liebenswert“, da es auch einen Moment gibt, in dem er Agathe schlägt. Und auch in dieser Inszenierung wird das stereotype männliche Verhalten noch intensiviert. Aber wie es nun mal des öfteren der Fall ist mit den Tenören, sie sind immer mal wieder die „Loser“. (Lacht.) Es ist egal, ob es italienische Oper ist oder eben jetzt deutsche. Der Tenor ist vom Charakter her meistens nicht so stark. Max ist da keine Ausnahme. Er lässt sich schnell von seinen Ängsten und seinem Umfeld beeinflussen. Vor allem will er es allen Männern rundherum recht machen, und da er nicht so eine starke Persönlichkeit besitzt, lässt er sich in die Ecke drängen.

Interessiert sich Max denn für die Gefühle seiner Verlobten?

In dieser Inszenierung kommt das auf alle Fälle nicht so heraus, finde ich. Es geht vorrangig um das Erreichen des Ziels, aber er spricht auch immer von seinen Ängsten und davon, was er nicht kann. Er spricht davon, dass Agathe sich sehr freut, ihm zu gehören. Aber dass er sie wirklich liebt, erwähnt er nicht direkt. Also, seine Liebe für sie habe ich nicht entdecken können. In den Texten dieser Inszenierung nicht.

Ist der Wald in dem Fall ein Refugium für Max oder eine Bedrohung?

Natürlich beides. Den Wald könnte man als die dunkle Ecke seines eigenen Geistes sehen: Es sind seine Ängste, er geht auch dort hin, um seinen Ängsten zu begegnen, aber es ist auch der Ort, an dem er denkt, dass niemand ihn beeinflussen und kontrollieren kann. Kein Schwiegervater und niemand kann ihm dort etwas sagen.

Könnten Sie uns noch einen Ausblick auf Ihre zukünftigen Rollen geben, und welche Rollen würden Sie gerne noch in Ihr Repertoire aufnehmen?

Also, als nächstes kommt jetzt „Narraboth“ in Bolzano auf mich zu. Danach Matteo in „Arabella“. Es wäre schön, wenn Wagner auch dazukäme. Ich glaube schon, dass man mit den Aufgaben wächst. Also, vor eineinhalb Jahren hatte ich noch nicht gedacht, dass ich so schnell in dieses Repertoire hineinwachsen würde. Man lernt dabei auch technisch so viel Neues. Und die Stimme selbst weist einem den Weg in die richtige Richtung. Es ist auch sehr spannend. Es kann noch überall hingehen. Das ist das Wunderbare an diesem Beruf.

Denken Sie über ein Festengagement nach in Zukunft, oder dann doch eher an freie Engagements?

Also, so hier am Gärtnerplatztheater war es für mich sehr angenehm. Wenn ich so arbeiten kann wie hier am Gärtnerplatz, würde ich auch ein festes Engagement annehmen. Aber vielleicht muss man auch mal den Sprung wagen und sagen: „Ich werde jetzt freischaffend“. Das ist natürlich dann auch wieder unsicher, aber es bietet die Möglichkeit, an verschiedenen Häusern mit neuen interessanten Menschen zusammenzuarbeiten.

Und haben Sie bestimmte Wunschrollen?

Da wären einige auf meiner Liste. Zum Beispiel „Lohengrin“, „Tannhäuser“, „Meistersinger“, im italienischen Fach Radames und Cavaradossi sowie Andrea Chenier, aber ebenso den Des Grieux in Massenets „Manon“. Ich könnte die Liste noch fortsetzen, da meine Stimme es mir erlaubt, sowohl im deutschen als auch im italienischen und französischen Fach zu Hause zu sein. Ich denke, dass ich wieder ganz neue Horizonte erforschen werde. Es sind spannende Zeiten, und ich freue mich auf die Zukunft.

Dann wünsche ich Ihnen alles Gute und sage vielen Dank für das Gespräch!

Danke schön!

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Interview mit Katja Stuber

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Frau Stuber, danke schön, dass Sie zwischen den Proben zum Freischütz am Gärtnerplatztheater und den Proben beim Bayerischen Rundfunk die Zeit für ein Interview gefunden haben. Könnten Sie uns bitte einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich war von klein auf begeistert von Musik und habe daheim in der Oberpfalz immer im Chor gesungen. Zwei Jahre vor dem Abitur besuchte ich zum ersten Mal einen Gesangsunterricht an der heimischen Musikschule. Erst begann ich aber ein Lehramtsstudium, für Realschule, mit den Fächern Deutsch und Musik. Noch während dieser Zeit habe ich über meine Gesangslehrerin an der Musikhochschule, Frau Angelica Vogel, den Anreiz bekommen, doch zu überlegen, ob ich ins Hauptfach Gesang wechseln oder das zusätzlich studieren möchte. Das interessierte mich schon, und ich probierte ein bisschen blauäugig die Aufnahmeprüfung. Prompt klappte es in München an der Musikhochschule. Dort habe ich bei Christian Gerhaher vier Jahre studiert, danach zwei Jahre im Aufbaustudium bei Ruth Ziesak in Saarbrücken. Das erste Engagement kam hier am Gärtnerplatztheater gleich nach dem Ende des Studiums in München. Ich wurde von der Musikhochschule als Stipendiatin für den Deutschen Bühnenverein vorgeschlagen. In diesem Vorsingen für die Auswahl der Stipendiaten saß der Intendant des Gärtnerplatztheaters, Herr Dr. Peters. Er gab mir dann die Möglichkeit, als Schwangerschaftsvertretung ein Jahr lang fest im Ensemble hier am Gärtnerplatztheater zu singen. Danach ging es weiter mit Gastpartien hier am Haus, in der „Zauberflöte“ und im „Orpheus“ und in der aktuellen Spielzeit eben als Sandmännchen/Taumännchen in „Hänsel und Gretel“, Papagena in der „Zauberflöte“ und Ännchen im „Freischütz“.

Gab es da eine Produktion, die besonders Spass gemacht hat?

Eigentlich haben alle Produktionen besonders Spass gemacht. Das war einfach alles super zum „Einstieg“, weil die Partien sehr überschaubar waren. Barbarina und Papagena sind Repertoirepartien, aus dem Studium bekannt, und Sandmännchen/Taumännchen auch. Neu war die Operette „Boccaccio“, eine Wiederaufnahme. Die Fiammetta zu singen war insofern eine neue Erfahrung, als mir erstens das Stück unbekannt war und zweitens, weil es ein anderes Arbeiten ist, in eine Wiederaufnahme-Produktion einzusteigen. Der „Boccaccio“ war auch sehr aufwendig inszeniert in Kostüm, Bühne usw. In meinem Jahr als Ensemblemitglied gab es zwei Neuinszenierungen, „Orpheus in der Unterwelt“ und „Zauberflöte“. Das war auch noch mal eine neue Erfahrung, wenn man so eine ganze Produktion vom Konzeptionsgespräch bis zur Premiere mitbekommt.

Jetzt kommt am 4. Dezember der „Freischütz“, das Ännchen. Wie erarbeiten Sie sich eine neue Rolle?

Es ist eine Repertoire-Partie. Die Arien sind bekannt, die habe ich häufig schon vorgesungen, in Diplomprüfungen und auch zum Beispiel letztes Jahr in Bayreuth. Dadurch, dass es eine Wiederaufnahme ist, bekommt man Noten und DVD vom Haus. Ich habe mir erst mal die DVD angeschaut. Im Vorfeld habe ich mich natürlich schon öfter mit dieser Oper beschäftigt. Lustigerweise habe ich während meines Praktikums fürs Lehramtsstudium eine Schulstunde im Musikunterricht mit dem Thema „Freischütz“ gehalten.

Können Sie sich mit der Inszenierung von Frau Blankenship identifizieren?

In einigen Punkten. In einigen auch weniger. Es ist schwer, sich manche Sachen anzueignen, die man jetzt vom Typ her vielleicht ein bisschen anders anlegen würde. Das Ännchen ist sehr burschikos in der ganzen Inszenierung, was schon auch Spass macht zu spielen, sie hat aber nie eine weiche Seite, was mir so ein bisschen fehlt. Außerdem ist die ganze Inszenierung wahnsinnig rabiat und oft fast brutal, es wird ständig mit Gewehren und Jagdmessern hantiert und diese werden auch zuhauf eingesetzt. Ännchen schießt auch, zwar nur mit einem gesprochenen „Peng“ angedeutet, aber trotzdem: Es sind ein paar so Sachen, die mir schon ein bisschen widerstreben, muss ich sagen, aber – ja. Man macht es dann halt trotzdem.

Was sind denn die musikalischen Besonderheiten der Partie?

Die Partie an sich liegt für einen Sopran relativ tief, gerade in den Ensembles. Man braucht aber in den Arien auch eine gute Höhe. Der Stimm-Ambitus ist also sehr groß. Ansonsten ist musikalisch-stimmlich alles drin. Es gibt sowohl Koloratur also auch große lyrische Bögen.

Und die Charakterunterschiede zwischen Ännchen und Agathe?

Ännchen ist hier eher der burschikose Typ. In Max verliebt, in dieser Inszenierung, oder sie denkt sich ständig, warum er eigentlich immer nur dieser traurigen Agathe hinterherrennt, wobei Ännchen doch eigentlich die viel interessantere Person ist. Sie ist aber sehr jugendlich dargestellt mit ihren Zöpfen usw., von daher unterscheidet sie sich schon sehr von der Agathe. Diese ist die weinerliche, absolut nicht starke Frau in der Inszenierung. Sie wird sogar öfter von Max geschlagen! Das ist auch so ein Punkt, den ich nicht ganz nachvollziehen kann. Das passiert am Ende von unserem Terzett: Die Frau, die sich zwar von ihrem Zukünftigen durch Schläge demütigen lässt, aber ihm dann doch hinterherläuft…

Ännchen macht sich über Agathes Aberglauben lustig. Aber als sie die Totenkrone statt des Brautkranzes in Händen hält, wird es ihr doch ein wenig mulmig zumute. Ist sie doch ebenfalls abergläubisch?

Ich glaube sie ist immer hin- und hergerissen zwischen der entsetzlichen Realität und ihrem Charakter-Typus. In einer schrecklichen Situation „Wie? Was? – Entsetzen! Dort in der Schreckensschlucht!“ denkt sie: „Ach, es wird schon alles gar nicht so schlimm sein, wie es da erscheint.“ Also, sie hat schon immer etwas Positives, oder versucht, überall etwas Positives zu sehen. Die Stelle mit dem Totenkranz ist wieder ähnlich: Erst wirkliches, von ihr auch gefühltes Entsetzen, dann animiert sie den Chor: „Singt einfach weiter, schnell, wir biegen das schon wieder um.“ Also, sie weiß um den Aberglauben, verfällt ihm aber selber nie wirklich. Das ist mit ihr vermutlich so wie beim Horoskope-Lesen. Man liest sie zwar, aber glaubt nicht wirklich daran. So geht es mir jedenfalls. Vielleicht passt das auch zum Ännchen.

Wie sieht es denn überhaupt mit der Rolle der Frau in dieser Oper aus?

Die zwei unterschiedlichen Charaktere, Ännchen und Agathe, fallen schon auf. Die Frauenfigur ist an sich recht schwach gezeichnet, finde ich, gerade in dem Fall von Agathe. Die Männer werden sehr dominant dargestellt. In die Richtung schlüpft Ännchen, indem sie eben, in schweren Stiefeln, mit Gewehr und Messern hantiert und herumläuft. Sie sympathisiert sogar stark mit der männlichen Seite.

Sie haben ja noch bis Januar einige Aufführungen in München. Können Sie uns da einen kleinen Ausblick geben?

Jetzt im Dezember kommen nach dem „Freischütz“ noch die „Hänsel und Gretel“-Vorstellungen mit Sandmännchen/Taumännchen. Im nächsten Jahr dann noch ein paar Mal die „Zauberflöte“. Ansonsten bin ich viel mit Konzerten unterwegs. Im Dezember habe ich mit dem Bayerischen Rundfunkchor ein Weihnachtskonzert und im Januar und Februar folgen zahlreiche Liederabende, die mich durch ganz Deutschland führen werden.

Sie haben im Sommer dieses Jahres in Bayreuth im neuen „Tannhäuser“ debütiert. Wie war die Arbeit am Hügel?

Spannend. Überwältigend. Sechs Wochen lang ein Wahnsinns-Aufwand, der betrieben wird, um fünf riesige Opern auf die Bühne zu bringen. Die Logistik mit den Proben vor allem in Räumlichkeiten, die oft für diese Zwecke nicht ausreichen. Das war zum Beispiel beim „Tannhäuser“ insofern ein Problem, weil eben die Probebühne leider nicht das komplette Bühnenbild fassen konnte. Deswegen haben manche Sachen auf der Probebühne funktioniert, die so letztendlich, als wir auf der großen Bühne waren, plötzlich nicht mehr hundertprozentig funktionierten. Die Wege waren plötzlich weiter, die Entfernungen, die die Sänger im Dialog zurückzulegen hatten, waren wesentlich größer usw. Für mich war es total beeindruckend, die Sängerkollegen dort zu erleben in diesen riesigen Partien. Insgesamt hätte ich es mir nie träumen lassen, mal Wagner singen zu dürfen an so einem „heiligen“ Ort. Das war eine tolle Erfahrung: Ein Rollen-Debüt, Hügel-Debüt und überhaupt Wagner-Debüt!

Sie sind neben der Oper eine sehr gefragte Konzert- und Liedinterpretin, von Alter Musik bis zur Moderne. Welchen Reiz übt das Konzert bzw. das Lied auf Sie aus?

Einen Liederabend zu bestreiten ist für mich die Königsdisziplin, weil es fast nichts Direkteres oder Unmittelbareres gibt zwischen Pianist, Sänger und Publikum. Man ist einfach so blank und in allem ausgeliefert, und das über eineinhalb Stunden. Das hat man auf der Theaterbühne nicht so. Dort hat man sein Kostüm und seine Maske, und irgendwo ist da noch eine Wand dazwischen.

Am 11. November 2011 haben Sie eine Uraufführung im Frankfurter Dom gesungen, von Gerhard Müller-Hornbach, und im Anschluss ein altbekannter Komponist, Händel. Wie gestaltete sich die Arbeit?

Ich kannte den Dirigenten Gerhard Jenemann und den Süddeutschen Kammerchor vorher noch nicht. Im Vorfeld habe ich natürlich sofort um die Noten für diese Uraufführung angefragt, die aber noch nicht fertig waren, sondern noch im Kopf des Komponisten … Das war spannend, weil man natürlich nicht weiß, was man kriegt. Ich kannte den Komponisten Gerhard Müller-Hornbach persönlich nicht, und er hatte mich vorher auch noch nicht gehört. So blieb die Frage, ob dieses Stück für mich überhaupt singbar ist. Der Komponist besuchte die Proben und gab noch den einen oder anderen Tipp, zu seinen Klangvorstellungen usw. Dann fand die Uraufführung im Frankfurter Dom statt, der uns allen aber wegen der akustischen Verhältnisse zum Verhängnis wurde. Der Klang verschwamm in jede Richtung, das war unser Hauptproblem. Der Sprecher Peter Fricke sprach mit Mikrofon, das hatte sich so ergeben. Er saß damit plötzlich zu nah an den Ersten Geigen und somit waren diese über die Lautsprecher zu dominant. Im Kirchenraum wirkte es eben insgesamt ganz anders als in dem kleinen Probenraum, den wir vorher zur Verfügung hatten.

Es ist ja auch bestimmt interessant dann, mit dem Komponisten selber mal sprechen zu können, was man ja – (lacht)

Jaja, eben, genau. Und um so schöner, wenn es ihm dann auch noch gefällt, was man aus seiner Idee macht.

Jetzt im Dezember kommt noch mal in der Akademie der Schönen Künste ein neues Projekt, mit Christian Gerhaher und Gerold Huber: Haydn – „Schöpfung“ als Einführung für Kinder.

Genau. Das ist quasi mein Konzert des Jahres, wenn ich das so sagen darf. Weil es einfach eine wahnsinnige Ehre für mich ist, mit meinem Lehrer, meinem Dozenten und Mentor auftreten zu dürfen, gerade auch in dem schönen Rahmen der Akademie. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Wir treffen uns nächste Woche und besprechen das Konzept. Christian Gerhaher wird das ganze Konzert moderieren, und in Auszügen werden die Arien vorkommen, meistens aber nicht in ganzer Länge. Ich weiß noch nicht genau, wie das Konzept insgesamt aussehen wird, aber auf jeden Fall aufbereitet für Kinder, das wird wunderbar. Es werden ganze Schulklassen dabei sein.

Schön.

Ja. Ich freue mich sehr.

Und 2012 gibt es auch wieder einen vollen Terminplan bei Ihnen, nicht?

Genau. Glücklicherweise. (lacht)

Wie sieht es da dann aus? Also, die Liederabende haben Sie schon erwähnt –

Es werden zwei Projekte mit Thomas Hengelbrock und dem Balthasar-Neumann-Ensemble dabei sein: Im März die Marienvesper von Monteverdi und im Juni der „Orfeo“ von Monteverdi, hier mit der Partie der Eurydike. Damit geht es mitunter nach Paris, darauf freue ich mich sehr. Im Mai gibt es noch eine neue Operninszenierung, und zwar von Joseph Schuster: „Il marito indolente“. Das wird Dominik Wilgenbus inszenieren, mit dem ich viel in der Kammeroper München zu tun hatte. Das wird bei den Tagen Alter Musik in Regensburg aufgeführt. Im Juni geht es dann schon wieder nach Bayreuth. Mitte Juni beginnt die Probenzeit und die Vorstellungen laufen bis Ende August. Und dann steht die erste Susanna an, im „Figaro“, das wird in einer kleinen Produktion von der „Neue Philharmonie München“ veranstaltet. Die Aufführungen sind im Cuvillies-Theater in München zu sehen. Darauf freue ich mich sehr.

Wir uns auch! Sehr schön! Vielen Dank!

Danke auch!

 

 

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Interview mit Robert Sellier

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Herr Sellier, vielen Dank, dass Sie die Zeit gefunden haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Vielleicht können Sie uns zum Einstieg etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Mein Werdegang … Im allgemeinen oder an diesem Theater?

Im allgemeinen.

Ja, also, ich bin in München geboren, habe nach dem Zivildienst in Augsburg Gesang studiert, bin dann noch zu Studienzeiten sozusagen von Herrn Dr. Peters „entdeckt“ worden, in Augsburg. Der hat eine Hochschul-Produktion gesehen und hat mich daraufhin am Theater Augsburg für den Ferrando in „Cosi fan tutte“ und den Roderigo in „Othello“ verpflichtet und hat mir dann einen Vertrag angeboten hier am Gärtnerplatztheater.

Und wie ist dann hier die Entwicklung gewesen von Ihnen am Theater?

Entwicklung? Ich weiß nicht, wie weit Entwicklung … ich habe eigentlich in der ersten Saison schon tolle Partien singen dürfen. Es ist nicht so, dass sie mir erst mal kleinere Rollen gegeben haben und irgendwann später dann Hauptpartien – sondern ich war eigentlich von Anfang an in dem lyrischen Fach, also quasi erstes Fach, mit Tamino und Fenton und Almaviva, schon in der ersten Spielzeit. Genau. Aber das waren eigentlich alles nur Wiederaufnahmen. Erst in der zweiten Spielzeit war der Frederic in den PIRATEN meine erste wirklich große Premiere.

Nun kommt eine Neuproduktion von Sullivans PIRATEN heraus – Entschuldigung, MIKADO.

(Lacht.) Wir sagen auch immer aus Versehen PIRATEN, denn die PIRATEN haben sich so eingeprägt. Ich rede auch immer wieder von PIRATEN.

Erste Frage dazu: Waren Sie schon mal in Japan?

Nein. Ich war in Korea, in Taiwan und in Thailand, aber noch nie in Japan.

MIKADO ist ja Kritik an der damaligen britischen Gesellschaft in japanisches Gewand gepackt. Sehen Sie da aktuelle Bezüge?

Also, man kann natürlich dieses Stück sehr gut benutzen, um heutige politische Mißstände oder politischen Filz aufzuzeigen. Es geht ja sehr viel um Ämterhäufung und Ämterverstrickung und Korruption, und das alles. Das wird da sehr, sehr deutlich aufs Korn genommen. Und das ist, glaube ich, ein Thema, das nie ausstirbt. Korruption hat es immer gegeben. Solange es einen Staat oder eine Regierung gegeben hat, hat es Korruption gegeben. Sobald es Ämter gibt, gibt es Korruption. Sehe ich so.

Und da nimmt natürlich auch die jetzige Neuproduktion darauf Bezug, wahrscheinlich?

Ja. Es fallen nicht direkt Namen, aber ich glaube, das Publikum versteht schon sehr deutlich, dass das nicht etwas ist, was ausschließlich im 19. Jahrhundert stattgefunden hat.

Können Sie erklären, warum MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Da fehlt mir der Überblick. Also, ich kenne sonstige Stücke von Gilbert & Sullivan eigentlich nicht. Ich kann es jetzt nur mit PIRATEN vergleichen. PIRATEN ist auch ein fantastisches Stück. Ich finde MIKADO ein bisschen reichhaltiger noch. Es ist weniger romantisch, sage ich jetzt mal, sondern es geht wirklich mehr in Richtung Politik. Wahrscheinlich hat das einfach zu Gilbert & Sullivans Zeiten mehr eingeschlagen. Und weil die Handlung ein bisschen komplexer ist, und weil – die Texte sind absolut brillant, obwohl wir ja tatsächlich nur deutsche Übersetzungen haben. Aber auch diese Übersetzung, die wir vorliegen haben, ist ziemlich brillant, finde ich. Sowohl in den Dialogen als auch in den musikalischen Nummern. Und MIKADO ist länger als PIRATEN und, wie gesagt, komplexer.

In der Produktion – beziehungsweise in der deutschen Übersetzung – ist der Erzähler dabei. Hilft dem Ganzen das dann, durch die Übersetzung, und die Führung durch den Erzähler im Stück? Im Gegensatz zum Original – macht es das verständlicher?

Natürlich funktioniert das Stück auch ohne Erzähler. Aber ich finde unsere Version mit Erzähler sehr schön, eigentlich. Wenn es um Willkür, und auch um Beamtenwillkür und so weiter geht, haben wir dann eben noch die zusätzliche Ebene des Erzählers, der auch sozusagen willkürlich Figuren beeinflusst oder verändert, oder der einfach Szenarien baut. Das funktioniert sehr gut, finde ich.

Ist der Humor dieses Stücks englischer Humor, oder ganz allgemeingültig?

Es ist auf jeden Fall kein derber Humor. Es gibt ja Stücke, die dann eher so in der Mundart angesiedelt sind, selbst „Fledermaus“, wo der Humor manchmal eher derb ist, oder wenn es in Richtung Wienerisch geht, oder was weiß ich. Das ist – ich wollte jetzt schon PIRATEN sagen, nein (lacht) – das ist MIKADO nicht: Dieser Humor ist doch eher ein spitzfindiger, politischer, trockener und wahrscheinlich dadurch englischer Humor. Also diese Absurdität. Die Absurdität, die aber dann unterspielt wird. Wir befinden uns in ziemlich verrückten Situationen: Wenn z.B. verhandelt wird, wann genau Nanki-Poo enthauptet werden soll: in einem Monat. Dass er aber dafür Yum-Yum doch noch heiraten darf. Wie gratuliert man jetzt jemandem zu seiner Hochzeit, der einen Monat später geköpft wird??? Und all das wird ganz „normal“ verhandelt. In einem sehr hübschen, normalen Konversationston. Das ist, finde ich, etwas typisch Englisches: dass man sich über völlig bekloppte Situationen sehr gepflegt unterhält. Das finde ich sehr charakteristisch für den englischen Humor.

Was sind die Gemeinsamkeiten bzw. die Unterschiede zwischen den PIRATEN und MIKADO im Speziellen, wenn man die zwei Stücke vergleicht?

Naja, das Ganze – der Background ist irgendwie anders. Es geht, wie gesagt, in den PIRATEN sehr wenig um Politik. Da geht es vielleicht um Polizisten, die unfähig sind, um Generalmajore, die unfähig sind, um Piraten, die unfähig sind, weil sie viel zu freundlich sind. In „Titipu“ bzw. bei MIKADO geht es weniger um Unfähigkeit, sondern da geht es eher, ja, um individuelle Bestechlichkeit, jeder kocht so sein eigenes Süppchen. Es geht mehr um Egoismus. In den PIRATEN geht es darum: Die Piraten sind viel zu gutherzig und viel zu altruistisch eigentlich. In MIKADO ist jeder ziemlich egoistisch. Der eine häuft Ämter an, der andere ist, „nur“ um seinem eigenen Tod oder seiner eigenen Hinrichtung zu entgehen, selbst Scharfrichter geworden, und alle sind sie irgendwie scharf auf Hinrichtungen überhaupt. Die sind so ein bisschen „Kopf-ab-Fetischisten“, habe ich das Gefühl. MIKADO ist blutrünstiger, ein bisschen mehr für Erwachsene. Die Optik wird auch sehr hübsch sein. Aber bei den Piraten war unsere Optik natürlich sehr Postkarten-Piraten-Idyll. Bei MIKADO ist es tatsächlich eher eine fernöstliche Optik, relativ spartanisch, und mit vielen rechten Winkeln. Aber auch sehr ästhetisch, finde ich.

Und musikalisch gesehen die Unterschiede?

In der Qualität, finde ich, sind beide Stücke sehr gut, muss ich sagen. Es gibt, ja, wie es auch bei den PIRATEN gab, so Anklänge an Robert Schumann, an die deutsche Romantik, das haben wir in MIKADO genauso. Also, ich finde, beide Stücke haben absolut Hits und Hit-Qualitäten. In MIKADO sind noch mehr und auch größer besetzte Ensembles.

Gibt es also besondere fernöstliche Anklänge?

Ja, doch, es wird zitiert, aber man merkt, dass die nicht wirklich tief geforscht haben über fernöstliche Musik, sondern da kommen halt pentatonische Klischees (singt: lalala…), solche Dinger gibt es dann immer. Außerdem etwas Percussion: Ein Tempelgong, große Trommel, wenn dann der Mikado auftritt, dass man so ein bisschen dieses Martialische hat. Also – ein Klischee wird so ein Stück weit bedient. Aber die Musiksprache ist normalerweise doch sehr ähnlich wie bei PIRATEN. Also, sehr europäisch, muss ich sagen.

Wie hat der Regisseur Ihre Figur in dem Stück angelegt? Bleiben für Sie persönlich da noch Freiheiten in der Interpretation der Rolle, oder ist das vom Regisseur her sehr klar definiert?

Nein, es bleiben eigentlich immer Freiheiten. Es war nicht so, dass der Regisseur vorgibt, du musst genau das und das tun, und so schauen, und so gehen, und das und das fühlen. Dafür ist Holger Seitz eigentlich auch bekannt, dass er mit den Darstellern – dann auch mit beiden Besetzungen durchaus unterschiedlich – das gemeinsam entwickelt; eben weil der Darsteller seine eigene Körperlichkeit und seinen eigenen Erfahrungshorizont mitbringt, seine eigenen Qualitäten. Wir diskutieren schon über einzelne Farben oder über einzelne Reaktionen in bestimmten Situationen. Wie ist Nanki Poos Beziehung zu seinem Vater, kennt er seinen Vater überhaupt? Und so weiter. Und trotzdem ist die Arbeit doch in einem sehr positiven Sinne oberflächlich, das heißt, wir forschen nicht zu tief in der Psychologie der Figuren, weil dann die Komödie nicht mehr funktioniert. Also diese absurden Dialoge, die funktionieren nicht, wenn man alles psychologisch begründet und ganz natürlich spielt; sondern es muss eine gewisse Künstlichkeit im Sinne von Unterspielen haben, im Sinne von „trocken“. Klipp-klapp, hat es Holger Seitz immer genannt. Klipp-Klapp-Komödie. Es hat etwas von Boulevard-Komödie. Wo es einfach durchrauschen muss, ohne dass man groß nachfragt: Ja, was meine ich denn jetzt ernst?, oder: Wie ist das denn jetzt gemeint? An den Dialogen haben wir auch sehr viel geprobt, dass die wirklich auf Tempo sind und wirklich auf den Punkt, und dass jede Pointe sitzt, ja. Es war eine anstrengende und sehr schöne Arbeit.

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Wie ist das denn allgemein bei Ihnen? Es gibt ja die sehr schönen Seiten des Sänger-Daseins, aber auch die schwierigen Seiten. Wie würden Sie das sehen?

Also die schönen Seiten: Wenn man arbeiten darf, ja, wenn man als Sänger Arbeit hat, sich bei Proben einbringen darf, und vor allem wenn man dann am Abend singen darf, ist das wunderschön. Natürlich, dass man jedes Jahr, jeden Herbst, um seinen Arbeitsplatz bangt, manchmal zu Unrecht, manchmal zu Recht, jetzt in unserem Fall für alle zu Recht, ist natürlich eine unschöne Komponente. Aber das gehört dazu, und wir wussten das alle von Anfang an, dass man als Solist an einem deutschen Theater, wenn man nicht fünfzehn Jahre an einem Haus aushält oder ausgehalten wird, dass man dann einfach sich jederzeit auf einem Schleudersitz befindet. Das ist so.

Nun ist das ja ein krasser Schnitt jetzt gewesen, von dem neuen Intendanten, natürlich.

Ja.

Haben Sie da in Zukunft schon Pläne, wie es bei Ihnen weitergeht, allgemein, ein neues Engagement, oder Pläne für die Zukunft?

Ich habe schon Vorstellungen wie es weitergehen kann. Es gibt für mich Gründe – auch private, dass ich meine Zukunft sehr offen halten muss. Das heißt, ich werde wahrscheinlich nicht sofort wieder in ein festes Engagement gehen und suche auch nicht unbedingt danach, sondern ich würde gerne freischaffend tätig sein und meine Konzerttätigkeit auch weiter ausbauen, die nächsten zwei Jahre vielleicht. Wer weiß. Vielleicht möchte ich mich dann doch wieder an ein Haus fest binden, ich weiß es noch nicht.

Mit neuen Rollen, die noch dazukommen?

Ja, es gibt schon Rollen, die mich in Zukunft mal interessieren. Ja. Trotzdem gibt es auch Rollen, die ich jetzt natürlich einfach weiterhin singen sollte. Ich denke, ein Haus, das sich sozusagen für mich interessiert, wird sich wahrscheinlich auch für meinen Tamino interessieren, weil das im Moment doch meine Vorzeige-Rolle ist.

Und neue Rollen, die Sie im Blickfeld haben, die kommen?

Ja, da träume ich schon sehr lange davon: Ich möchte einmal einen Monteverdi-„Orfeo“ singen. Ich weiß noch nicht, wann und wie und wo das passieren wird, aber ich halte Augen und Ohren offen nach einer Gelegenheit. Das ist etwas, was mir sehr am Herzen liegt, was ich dringend mal machen möchte. Was mich sonst noch interessieren würde, das liegt noch an unserer „Death in Venice“-Produktion: Dieser Britten hat es mir sehr angetan. Ich würde gerne mal in die Fußstapfen von Peter Pears treten und nach jüngeren Rollen von Peter Pears forschen. Britten hat natürlich für seinen Lebensgefährten so fantastische Partien geschrieben, und da werde ich mich auch darum kümmern die nächsten Jahre, da ein bisschen was zu studieren.

Dann wünsche ich Ihnen für die Zukunft und vor allem für die Premiere am Samstag alles Gute, und bedanke mich für das Gespräch!

Vielen Dank auch!

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Präsentation des neuen gemeinsamen Internetportals der Münchner Bühnen, 15. November 2011

Seit heute nun auch in München was es z.B. in Berlin und Hamburg schon länger gibt. Ein gemeinsames Internetportal der Münchner Bühnen unter www.muenchenbuehnen.de!
Die Präsentation dieser Seite fand heute morgen im Capriccio-Saal der Bayerischen Staatsoper statt. Nach der Begrüßung und Vorstellung der beteiligten Bühnen, momentan neun, von Frau Schieferle (Bay. Staatsoper), konnte man an den bereit gestellten Laptops das neue Portal testen und Fragen stellen.
Im Moment sind neun der Münchner Bühnen unabhängig von ihrer Trägerschaft (Bayerische Staatsoper, Münchner Kammerspiele, Residenztheater, Staatstheater am Gärtnerplatz, Volkstheater, Schauburg, Metropoltheater, GOP Varieté-Theater und die Bayerische Theaterakademie August Everding) beteiligt.
Aber es wurde immer betont, dass gerne weitere Münchner Bühnen dem Netzwerk beitreten können, um es noch umfassender zu machen.

Es ist schön für die kulturinteressierten Touristen und auch die Münchner Theatergänger, dass sie nun die Möglichkeit eines zusammnengefassten Spielplans der Münchner Theater haben.
Die Seite bietet nicht nur den detaillierten Spielplan, sondern auch Inszenierungsfotos, Videotrailer, News und schnellen Zugang zum Online-Kartenkauf.
Viel Erfolg und hoffentlich viele Theater, die sich beteiligen!

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Premiere Les Contes d’Hoffmann, 31.10.2011, BSO

Nach längerer Zeit zeigt die Bayerische Staatsoper eine Neuproduktion von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in der Regie von Richard Jones. Mit viel Vorfreude auf diese Premiere machte ich mich am 31.10. auf den Weg in die Maximilianstraße mit dem Ziel Staatsoper.

Die musikalische Seite des Abends war ein großer Pluspunkt. Constantinos Carydis am Pult des Staatsorchesters entfachte mit Eleganz und Esprit die wunderbaren Melodien der Offenbach-Oper, trotz einer neuen Mischfassung, die nicht immer schlüssig klingt. Das Sängerensemble wurde von Diana Damrau, die erstmals alle vier Frauenpartien interpretierte, angeführt. Der Sopran von Frau Damrau hat alle Möglichkeiten: Die Koloraturen der Olympia sowie die dramatischen und lyrischen Phrasen von Giulietta und Antonia. Bei der Darstellung der Olympia gelang ihr ein wahres Kabinettstück, aber auch die Zeichnung der Abgründe von Giulietta sowie Antonia waren sehr glaubhaft in der Interpretation. Rolando Villazón als Hoffmann gelang es, das Publikum mit seiner Bühnenpräsenz zu packen, sein Tenor hat nicht mehr ganz die Stärke und den Glanz von früher, ist aber nach seinen Stimmproblemen wieder auf einem guten Weg. Die Bösewichte der Oper Coppélius/Dapertutto/Miracle/Lindorf wurden von John Relyea mit schwarzem Bass gesungen. Eine Überraschung des Abends war Nicklausse/Muse von Angela Brower, sie überzeugte mit ihrem Mezzo und dem natürlichen Spiel! Schön, wenn man so eine Sängerin im Ensemble hat. Aus der übrigen Besetzung stach der Tenor Kevin Conners als Cochenille/ Pitichinaccio/ Franz hervor. Okka von der Damerau (Stimme aus dem Grab), Ulrich Reß (Spalanzani), Dean Power (Nathanael), Tim Kuypers (Hermann), Christian Rieger (Schlémil) und Christoph Stephinger (Crespel, Luther) waren rollendeckend besetzt.

Der Staatsopernchor in der Einstudierung von Sören Eckhoff hat seine Aufgaben vom Orchestergraben und auf der Bühne gut gemacht. Der Regisseur Richard Jones setzt auf seine solide Personenführung und dekorative Ausstattung. Das Einheitsbühnenbild, ein Zimmer mit nach Szene wechselnder Dekoration mit links anschließendem Korridor wurde von Giles Cadle gestaltet. Durch die gelungene Beleuchtung von Mimi Jordan Sherin werden alle Akte gut in Szene gesetzt. Die Kostüme wurden von Buki Shiff genau zu jedem Akt passend entworfen. Sehr phantasievoll und bunt im Olympia-Akt.

Die Inszenierung hat gute Einfälle, es ist eine Produktion mit hohem Schauwert, mit buntem Olympia-Akt und vielen schönen Details in den beiden Folge-Akten.
Fazit: Hingehen, anschauen und die Musik genießen!

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