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Interview mit Derrick Ballard

[singlepic id=1106 w=240 h=320 float=left] Sehr geehrter Herr Ballard, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Bitte erzählen Sie uns doch etwas zu Ihrem Werdegang.

Sehr gerne, vielen Dank. – Zu meinem Werdegang: Ich bin in Denver auf die Universität gegangen, habe dort fünf Jahre Musik und Gesang studiert, und danach bin ich nach New York umgezogen, um dort meine Karriere weiterzuführen. Dort habe ich dann Privatunterricht genommen bei einem sehr guten Gesangslehrer namens Mark Oswald, ein Bariton, und ich habe bei ihm sechs Jahre lang studiert, bevor ich nach Deutschland kam.

Nachdem ich nach Deutschland kam, habe ich an der Staatsoper unter den Linden in Berlin gastiert. Dann habe ich mein erstes Festengagement in Kassel bekommen. Ich war vier Jahre dort, und danach zwei Jahre in Oldenburg, und jetzt bin ich in meiner zweiten Spielzeit am Gärtnerplatztheater.

Wie kamen Sie zu dem Beruf des Opernsängers?

Wow. Ich habe immer im Chor gesungen, und in der Sommerpause, bevor ich an der Uni angefangen habe, habe ich Gounods „Faust“ gesehen. Und sofort dachte ich: Das will ich machen, genau das.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Alles mögliche. Ganz viel Gospel und ein bisschen Klassik. In meiner Familie haben wir eher Gospelmusik gehört, weil mein Vater auch eine Zeitlang Gospelmusik gesungen hat.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein, zum Glück nicht. Ich merke nicht, wenn irgendetwas schiefgeht.

Spielen Sie ein Instrument?

Nein, ich spiele ein bisschen Gitarre und ein sehr kleines bisschen Klavier. Aber als Instrument – hm, nein, gar keines.

Sie haben gerade schon erwähnt, dass Sie als Kind Gospel gehört haben. Mögen Sie auch jetzt noch andere Musikrichtungen?

Ich fände es irgendwie interessant, wenn man Klassik mit Rock kombinieren und dazu singen könnte. Leider geht das nicht, denn sonst wird man entweder in der Oper oder im Pop nicht ernst genommen. Aber grundsätzlich hätte ich wohl Lust, irgendwie in einer Rockband zu singen.

Ja. (beide lachen) – Es gibt ja diese sogenannten Crossover Artists, Peter Hoffmann ist natürlich ein Beispiel dafür, und Sie haben natürlich schon recht, dass er dann vielleicht auch nicht mehr so ernst genommen wurde im klassischen Bereich.

Ja, das stimmt leider, und ich finde auch, man muss ein bisschen aufpassen, denn normalerweise kann man eines oder das andere viel besser. Das heißt, wenn man das nicht so gut macht wie normalerweise, das finde ich auch schade. Aber trotzdem würde ich mir sowas wünschen. (lacht)

Haben Sie eine Opernaufnahme, die Sie privat am liebsten hören?

Ja, mein Vorbild ist Samuel Ramey. Oder zwei eigentlich, Samuel Ramey und José van Dam. Die höre ich wahnsinnig gerne, denn ich mag einfach, was sie mit der Musik machen. Das ist auf so einem hohen Niveau, und das tut mir gut, so etwas zu hören.

Ich hätte Sie jetzt auch noch nach Ihren musikalischen Vorbildern gefragt, aber auch nach Ihren szenischen Vorbildern. Ich denke gerade zum Beispiel an Ihre Rolle des Kecal, da spielen Sie auch sehr intensiv. Hatten Sie auch Schauspielunterricht, und haben Sie szenische Vorbilder?

Nein, Schauspielunterricht hatten wir an der Uni zum Beispiel nie, oder nie offiziell. Ich habe das quasi zufällig studiert im Opernstudio, da hatte man ein paar Stunden mit Schauspiellehrer und so. Aber so offiziell habe ich das nie gelernt. Es ist eher einfach eine Gefühlssache. Wenn man das wirklich ehrlich spielt und versucht, nichts extra draufzutun – ich finde, das funktioniert am besten.

Sie sprechen Deutsch und Englisch. Haben Sie noch weitere Sprachen, die Sie sprechen und in denen Sie auch singen?

Ja, singen schon. Man lernt natürlich Italienisch und Französisch fürs Singen. Auf Italienisch kann ich Kaffee bestellen, mehr nicht, leider. Das gleiche gilt für Französisch. Ich habe auch ein bisschen Russisch gelernt fürs Singen, aber davon spreche ich wirklich kein Wort. Das würde ich gerne auch mal lernen.

Ist es dann schwierig, ein Lied oder eine Oper richtig zu interpretieren, wenn man die Sprache nicht kennt?

Ja, aber ich übersetze jedes Wort, wenn ich ein Stück in einer anderen Sprache singe, denn ich finde es auch wichtig, wenn man das singen will, dass man ganz genau weiß, was man singt. Sonst kann man das überhaupt nicht rüberbringen. Also, für mich ist es total wichtig, das wörtlich zu übersetzen.

Sie sind ja in Amerika aufgetreten und auch hier in Deutschland – haben Sie noch weitere internationale Auftritte gehabt?

Ja, ich habe einmal in Mexico City gesungen mit dem National Symphony Orchestra of Mexico, aber sonst Amerika und Deutschland.

Amerika hat ja nun ein ganz anderes System, was die Theater angeht. Diese Ensembletheater, die man hier in Deutschland hat, gibt es ja dort zum größten Teil nicht. Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Leben hier als Opernsänger ergeben, und was sind die Unterschiede zu Amerika?

Ich glaube, der allergrößte Unterschied ist, dass dieses Festsystem in Amerika nicht existiert. Das heißt, man ist immer freischaffend und man arbeitet immer Stück für Stück. Es gibt so viele Sänger dort, und im Vergleich so wenige Opernhäuser, dass ich sagen würde, wahrscheinlich singt dort nur das beste halbe Prozent. Und es ist so eine Glückssache, ob man am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt ist. Hier finde ich es viel einfacher, eine Karriere aufzubauen, das gefällt mir sehr. Und auch ein Teil vom Ensemble zu sein.

Und wie unterscheidet sich das in den Proben zum Beispiel?

In den Proben zwischen den beiden Ländern? In Amerika stellt man ein Stück in zwei oder drei Wochen, inklusive Endproben, auf die Bühne, bis zur Premiere. Hier ist es normalerweise sechs bis acht Wochen. Ich fände was dazwischen ideal. Denn teilweise kommt man in Deutschland an einen Punkt, wo man denkt: Ich kann das Stück einfach nicht mehr proben, es geht mir so auf die Nerven. In Amerika dagegen ist es teilweise zuwenig geprobt. Ich fände vier bis fünf Wochen wirklich ideal.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was vertragen Sie überhaupt nicht?

Ja, ich glaube, bei mir – ich bin halt nicht wirklich empfindlich. Ich kann praktisch alles machen, was ich möchte, ohne stimmliche Nachteile. Aber ich finde es auch gut, generell genug zu schlafen. Das ist vielleicht das Einzige, was ich unbedingt brauche.

Brauchen Sie als Opernsänger Kondition, und tun Sie etwas dafür?

Auf jeden Fall. Singen ist Sport. Punkt. Und man muss wirklich körperlich gesund sein und eine gewisse Ausdauer haben, denn sonst kommt man nicht durch irgendeine Partie. Es ist sehr, sehr wichtig, dass man diese Ausdauer hat.

Müssen Sie besonders diszipliniert leben?

Besonders nicht, würde ich sagen, aber man muss schon ein bisschen darauf achten. Und je älter man wird, um so mehr merkt man es.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Erst mal Noten besorgen. Dann, was ich persönlich mache: Ich höre mir das ganze Stück an, einfach, dass ich weiß, von wo bis wohin geht es. Dann nehme ich meinen kleinen gelben Stift in die Hand, und ich markiere meine Partie. Wenn es in einer anderen Sprache ist, dann würde ich dann wörtlich übersetzen, und es dann ganz langsam angehen mit Notenlernen. So am Klavier für mich. Wenn ich das einigermaßen kann, dann fange ich an mit Korrepetition mit einem Pianisten, der das spielen kann.

Als nächstes kommt ja jetzt die Wiederaufnahme des „Freischütz“, in dem Sie die Rolle des Kaspar singen. Sie haben auch schon die Premiere gesungen, letztes Jahr im Oktober. Können Sie sich mit der Inszenierung identifizieren?

Ja, mit meiner Figur eher als mit der Inszenierung insgesamt. Aber man hat natürlich seine eigenen Ideen, und ich bin eher ein Traditionalist, was Produktionen angeht, und ich bin immer ganz skeptisch am Anfang, wenn das nicht ganz traditionell ist. Das muss ich mir abgewöhnen. Aber ich fand das eigentlich sehr schön, und die Arbeit mit den Kollegen hat wirklich geholfen, diese Figur zum Leben zu bringen.

Sind Sie selbst abergläubisch?

Nein, bin ich nicht.

Warum hat Agathe etwas dagegen, dass Max mit Kaspar Umgang hat?

Ich glaube, Agathe weiß schon, dass Kaspar kein guter Typ ist und nicht jemand, mit dem man irgendwas zu tun haben soll. Sie weiß das schon. Natürlich ist Max ein bisschen hin und her gerissen, denn er will unbedingt die Agathe haben, aber er will auch unbedingt akzeptiert werden in diesem Männerkreis.

Was war denn da genau mit Agathe?

Das ist immer offen gewesen. Es gab irgendwas in der Vergangenheit zwischen Kaspar und Agathe, und ich glaube, genau deswegen warnt sie den Max immer, dass er nichts mit Kaspar zu tun haben soll.

Die Angst ist ein bestimmendes Element im „Freischütz“. Wovor hat Kaspar Angst?

Vor Samiel. Denn das ist quasi die Quelle seiner Macht, aber das kann ihn genausogut und jederzeit komplett zerstören. Ich glaube, davor hat Kaspar Angst.

Der Wald ist ja ein Refugium – oder ist er eine Bedrohung?

Ja – beides. Je nachdem, zu welcher Jahreszeit, zu welcher Uhrzeit, was man dort vorhat – es kann beides sein.

Gibt es musikalische Besonderheiten des Kaspar?

Die ganze Partie, muss ich sagen. Es ist einfach wunderbar zu singen, es liegt sehr, sehr gut stimmlich. Er hat das eine Lied, „Hier im irdischen Jammertal“, und natürlich die große Arie. Die sind beide sehr schön zu singen. Dieses Terzett am Anfang macht ja auch Spass. Wolfsschlucht ist wunderbar. Und ich finde auch, ganz am Ende, wenn der Kaspar stirbt – die Musik ist wirklich beeindruckend.

Gibt es auch etwas an der Partie, was Ihnen nicht so gefällt?

Ach, gefallen tut mir das Ganze. Das Schwierige daran ist, das Lied zu singen und dann Dialog und direkt die große Arie danach singen, das ist sehr anstrengend.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Jedesmal habe ich ein bisschen. Ich finde, für mich, wenn ich nicht ein bisschen Lampenfieber habe, dann sind die Vorstellungen meistens nicht so gut. Ich tue nichts dagegen. Ich weiß ungefähr, was ich kann, und ich versuche das einfach ehrlich und mit hundert Prozent Energie zu geben.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Beste? Die Musik, die man singen darf und die Partien, die man verkörpern darf. – Das Schlimmste daran finde ich teilweise, dass man ganz wenig zuhause ist. Es gibt viele Reisen, und es macht Spass, aber irgendwann ist es auch ein bisschen lästig.

Sie haben vorhin gesagt, Sie haben sich erst relativ spät für den Beruf des Sängers entschieden. Gab es da auch irgendwann mal die Idee, etwas anderes zu machen?

Oh, tausende Sachen. Ich wollte mal Baseball-Spieler werden, ich wollte mal Tierarzt werden. Astronaut, aber ich glaube, das ist häufig bei Jungs. Alles mögliche. (lacht)

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Haben Sie eine Wunschpartie?

Ich habe mehrere. Ich würde gerne mehr Barockmusik singen, das liegt mir sehr gut. Ich würde natürlich gerne Verdis König Philipp singen, oder Attila, solche Sachen. Meine Liste ist lang.

Können Sie uns schon einen Ausblick geben, wie es weitergeht?

Ich werde in der nächsten Spielzeit freischaffend tätig sein. Ich habe schon ein paar Konzerte, und natürlich ist man für jedes Vorsingen bereit, aber Konkretes gibt es noch nicht so viel. Aber zu diesem Zeitpunkt in der Spielzeit ist das auch relativ normal, und ich bin mir sicher, irgendetwas wird schon kommen.

Dann sage ich herzlichen Dank für das Gespräch, und viel Spaß bei der Wiederaufnahme vom „Freischütz“!

Vielen Dank!

(Interview vom 01. Dezember 2011)

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