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Der Freischütz, Premiere am 30.09.2010, Gärtnerplatztheater

Für mich war das eine doppelte Premiere: das erste Mal im schönsten Theater Münchens und zum ersten Mal einen Freischütz überhaupt. Ich bin ja eigentlich schon ziemlich aufgeschlossen, aber diese szenische Umsetzung finde ich persönlich nicht sehr gelungen. Die Bambi-Idylle, die auf den Eisernen Vorhang vor Beginn projiziert wird, macht falsche Versprechungen.

Die Bühne ist schwarz-weiß gehalten und dreht sich. Oft. Die Perspektive war teilweise so verzerrt, dass ich das Gefühl hatte, die Wände kippen um beim Drehen. Die einzigen Male, wo mir die Bühne wirklich gut gefallen hat, sind die Momente, in denen die weißen Streben wie Gitterstäbe wirken, die die Protagonisten einsperren.  Die Wolfsschlucht, die nach Aussage der Regisseurin besonders gruselig sein soll, ist hell erleuchtet und besteht aus weißen, schräg gestellten Planken. Gruselig ist eigentlich nur, dass die Gewalt, die Agathe hier angetan wird, von der Regisseurin als dunkle Erotik bezeichnet wurde. Wenn man dem Zuseher Vorstellungskraft zubilligt, kann das, was sich im Kopf abspielt, viel grauenvoller als das Dargestellte sein. Das geht natürlich nicht, wenn man die Holzhammermethode verwendet.

Das Ganze als Traum Agathes zu inszenieren, ist natürlich möglich, aber ich fand es nicht zwingend umgesetzt. Vor allem fand ich zu viele Versatzstücke aus der letzten Inszenierung der Regisseurin am Haus, dem Märchen vom Zaren Saltan: das Bett und die Hauptfigur in verschiedenen Größen bzw. Alterstadien, den Teddybären, sogar das Schreiten der dunklen Braut war exakt das Gleiche wie das eines Miltrissa-Doubles im Zaren. Dort hat es fantastisch funktioniert, hier langweilt es mich. Richtig gelungen fand ich nur die Rollenanlage von Ännchen und dem Eremiten, wobei man zumindest mit dem Verständnis des letzteren Probleme haben könnte, wenn man nicht in der Einführung war.

Die Kostüme sind manchmal ein Farbklecks, meistens eher comichaft-überzeichnet, der Herrenchor als Kunomultiplikation, die Damen als lebendige Zielscheiben und schwangere Brautjungfern, kann man so machen, muss man aber nicht.

Musikalisch war die Premiere aber Top. Angefangen vom Orchester unter dem fabelhaften Roger Epple über den von Jörn Hinnerk Andresen hervorragend einstudierten und absolut präsenten Chor bis hin zu den Solisten war es ein Genuss, zuzuhören. Vor allem Christina Gerstberger als Ännchen, Derrick Ballard als Kaspar und Sebastian Campione als Eremit haben es mir angetan. Aber auch Sandra Moon als Agathe, Tilmann Unger als Max und Juan Fernando Gutiérrez als Ottokar zeigten sehr gute Leistungen.

Heute Abend wird sich zeigen, ob die Inszenierung durch mehrfaches Ansehen gewinnt.

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2 comments to Der Freischütz, Premiere am 30.09.2010, Gärtnerplatztheater

  • Ulla

    Ich freue mich schon auf meinen nächsten Freischütz: Tilmann Unger und Derrick Ballard fand ich einfach klasse, und auch fast alles andere war supidupi (‘tschuldigung wegen der vielen Fachausdrücke), und wenn ich das nächste Mal reingehe, hat das Orchester die Overtüre so oft geübt, daß sie hundert pro so klingt, wie sie soll, und vor allen Dingen bleiben mir dann beim Schlußapplaus die neckischen Söckchen der Regisseurin erspart, die für mich das Gesamtkunstwerk Opernaufführung schon ein wenig beeinträchtigt haben. Eine Socke war türkis, die andere war – äh, habe ich verdrängt, jedenfalls nicht türkis, und mir ist selbstverständlich bewußt, daß dies sowohl die Unkonventionalität der Frau Blankenship bekundet, die ja als Halb-Österreicherin einen entsprechenden Ruf zu verteidigen hat, als auch die Dualität Tragik-Komik des Theaters und des Lebens als solches etcetera blabla. Schon erstaunlich, daß sie sich selbst nicht besser inszenieren kann – aber vielleicht war sie zu sehr damit beschäftigt, die Sänger zum Spielen zu bringen (wie sie wohl gesagt hatte), nachdem die sonst ja anscheinend immer nur wie festgenagelt rumstehen (echt komisch, immer wenn ich diese Sänger zuvor gesehen habe, haben sie auch gespielt). Manche Sänger sind ja auch gleich viel entspannter, wenn die Regisseure erst mal weg sind. Heißt es. Halali!

  • Liebe Ulla, es klang schon beim ersten Mal sehr gut, auf mein Lieblingsorchester lass ich nix kommen. Und das mit den unterschiedlichen Socken der Regisseurin war bei der Einführung (orange-lila, sehr aparte Kombination), bei der SIE definitiv nicht waren, aber viel besser war es bei der Premiere auch nicht. Aber immerhin sah sie nicht aus, als ob sie gerade aus dem Bett gestiegen ist und sie konnte ganze Sätze formulieren, das habe ich an größeren Häusern schon anders erlebt. Über den Inhalt der Sätze lässe sich natürlich trefflich streiten, oder auch nicht. Ich empfehle übrigens mindestens eine Vorstellung mit der Alternativbesetzung, die sind nämlich genauso gut. Mindestens. Und sie können auch eine ebene Wolfsschlucht realistisch bespielen.

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