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Interview mit Harrie van der Plas

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Herr van der Plas, danke, dass Sie Zeit für ein Interview gefunden haben. Könnten Sie uns zu Beginn bitte einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich habe mein Gesangsstudium erst im Alter von 24 Jahren begonnen. Damals war ich Grundschullehrer in Holland, aber in meiner Familie wurde schon immer viel gesungen und musiziert. Mein Bruder ist ebenfalls professioneller Sänger. Mein Vater singt, meine Geschwister spielen Klavier oder Geige. Ich war bereits vom Kindesalter an ein grosser Fan der berühmten Tenöre, wie z.B. Schipa, Björling, Schmidt, Pertile und Fritz Wunderlich. Inspiriert wurde ich dazu durch meinen Vater. In unserem Elternhaus lief im Hintergrund ständig klassische Musik. Aber ich dachte damals, dass es für mich wohl nicht möglich wäre, das mit meiner Stimme zu erreichen. Das war für mich damals so weit weg, das konnte ich mir nicht vorstellen. – Meine Frau ist auch Sängerin und ist damals aus Rumänien geflüchtet … Soll ich erzählen, wie es dazu kam, dass wir uns kennenlernten?

Ja, bitte!

Sie nahm an einem Gesangs-Wettbewerb in der Stadt teil, in der ich geboren wurde. Dem „Internationalen Gesangswettbewerb `s-Hertogenbosch“. Meine Familie war ihre Gastfamilie während dieses Wettbewerbs. So haben wir uns kennengelernt. Sie sagte zu mir: „Du bist sehr begabt. Du solltest Gesang studieren, um professioneller Sänger zu werden.“ So ging ich nach Maastricht, habe für die Hochschule vorgesungen, und bin sofort aufgenommen worden. Ruxandra setzte ihr Studium ebenfalls an dieser Hochschule fort. Ich studierte dort drei Jahre. In dieser Zeit bin ich technisch nicht sehr weit vorangekommen, deshalb suchte ich Rat bei Ileana Cotrubas, die eine Bekannte meiner Familie ist. Ich machte mich auf den Weg nach Nizza und sang für sie vor. Sie meinte, dass es im Moment für meine Gesangskarriere nicht gut aussehen würde und ich schleunigst einen sehr guten Lehrer finden müsste, der mir beibringt, mit meinem Instrument richtig umzugehen. Denn damals war ich bereits 28 Jahre alt. Sie war sehr direkt und sehr ehrlich, was auch wichtig war, da es mich wachgerüttelt hat. Sie half mir, einen neuen Lehrer zu finden, zunächst in Luxemburg – Herr Panthea, und dann in der Nähe von Freiburg – Herr Antonius Niculescu. Als meine Frau ein Engagement in Karlsruhe bekam, ging ich mit ihr mit und besuchte die dortige Opernschule an der Staatlichen Hochschule für Musik. Dort habe ich bei Anton de Ridder noch zwei Jahre studiert. Das Glück war auch, dass die Staatliche Hochschule für Musik in Karlsruhe damals ein Abkommen mit Baden-Baden hatte, wo dann zwei Produktionen in dem dortigen Theater stattfanden. Ich sang Tamino in der „Zauberflöte“ und den Hans in der „Verkauften Braut“. Das Allerwichtigste für einen Sänger ist es, auf der Bühne zu stehen, denn dadurch kann man sich eigentlich erst richtig entwickeln. Natürlich ist eine bestimmte Gesangstechnik Voraussetzung, aber auf der Bühne lernt man am meisten, sammelt Erfahrung, und durch diese Erfahrung wiederum neue Engagements. An das Theater in Karlsruhe kam ich quasi durch meine Frau. Da sie bereits dort engagiert war, organisierte sie einen Termin für ein Vorsingen für mich beim damaligen Intendanten Könemann. Ich sang vor und hatte so das Glück, in Karlsruhe mein erstes Fixengagement zu bekommen. So hat es begonnen.

Sie sind ja auch international bei vielen Gastspielen unterwegs. Gibt es da besonders schöne Erinnerungen an Produktionen oder Aufführungen? Produktionen, die Sie sehr gerne gemacht haben?

Die „Bohème“ in Leeds war eine hervorragende Produktion. Dan Ettinger war damals Korrepetitor. Vor kurzem habe ich mit Dan in Mannheim wieder eine „Bohème“ gemacht. Er ist ein außergewöhnlicher Dirigent und trotz seines Erfolges immer noch der gleiche sympathische Mensch. Das fand ich sehr schön.

2002/2003 sind Sie dann ans Gärtnerplatztheater gekommen. Können Sie sich da noch an Ihre erste Rolle erinnern?

Meine erste Rolle war Werther. Französisches Repertoire hat meiner Stimme immer sehr gut getan, wahrscheinlich wegen der Sprache, selbst wenn diese Produktion damals auf deutsch gesungen wurde. Es war ästhetisch und auch sehr sängerfreundlich inszeniert. Der Charakter des Werther erinnerte mich an meine Zeit als Teenager. Man kann in seinem Charakter etwas von sich selbst wiedererkennen. Ich denke, jeder von uns war schon einmal in der Situation, verliebt zu sein, obwohl diese Liebe nicht erwidert wird. Ich liebe Massenets Musik, da sie romantisch und leidenschaftlich ist.

Sie hatten es schon angesprochen: Mit Ihrer Stimme verbindet der Hörer sehr das italienische und das französische Fach. In der ersten Produktion der Saison 2011/2012 haben Sie hier am Münchner Gärtnerplatztheater den Hans in der „Verkauften Braut“ in deutscher Sprache gesungen, und in Kürze, am 4. Dezember 2011, kommt der Max im „Freischütz“. Kommt es bei Ihnen zu einem Fachwechsel, oder sind das einzelne Ausflüge?

Nein, es ist für mich kein Fachwechsel, sondern eine Erweiterung meines bisherigen Repertoires. – Ich denke, man muss eine Zeit lang in einem Land wohnen, um sich mit der Sprache verbunden zu fühlen. Da Niederländisch und Deutsch beide germanischen Ursprungs sind, ist es ein großer Vorteil für mich, dieses Repertoire zu singen. Ich fühle mich der deutschen Sprache sehr verbunden. Und irgendwie passt es, dass sich alles so gut entwickelt. Ich bin jetzt auch im für dieses Fach richtigen Alter.

Ich freue mich schon sehr auf den „Freischütz“. Ich meine, Hans ist eine etwas lyrischere Partie. Die Rolle des Max kann sehr gefährlich sein, da die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt. Das muss man gesangstechnisch berücksichtigen. Die Gefahr besteht natürlich, wenn man in dieser Lage singt, dass man dazu tendiert, die Stimme zu sehr zu verdunkeln. Oder man denkt: „Ich muss mehr Stimme geben.“ Ich denke, dass ich jetzt so viel Erfahrung habe, dass ich nun damit umgehen kann.

Wie sieht es denn mit der Inszenierung aus von dem „Freischütz“? Können Sie sich damit identifizieren? Kommen Sie gut zurecht mit der Inszenierung von Frau Blankenship?

In dieser Inszenierung ist die Aufmerksamkeit auf Agathe gerichtet. Der erste Teil ist ein Traum, alles, was man sieht, ist eigentlich nicht real, sondern wie in Agathes Träumen. So hat die Regisseurin das gedacht. Somit ist es nicht ganz so einfach, den Charakter zu finden. Denn als Max bin ich dann sozusagen ein Teil des Unterbewußtseins von Agathe. Was ist dann Realität und was ist Traum? Damit befassen wir uns jetzt auch bei den Proben. Wir versuchen, dass die Gefühle nicht träumerische Gefühle sind, sondern echte Gefühle. Ja. Ich glaube, dass wir jetzt während der Proben einen Weg gefunden haben, diesem Charakter Substanz zu geben.

Die musikalischen Besonderheiten der Partie des Max, können Sie dazu noch etwas sagen?

Es ist ein romantisches Werk. Obwohl die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt, ist es trotzdem eine Herausforderung. Ich habe mich ein Jahr mit der Partie beschäftigt, und das ist auch notwendig, um eine Rolle wirklich in den Körper zu bekommen. Und nach den ersten paar Vorstellungen kann man die Partie dann sein Eigen nennen.

Im Libretto heißt es: „Mich umgarnen finstere Mächte“. Welche sind das?

Die finsteren Mächte, denke ich, sind seine eigenen Ängste. Seine Ängste, im entscheidenden Moment zu versagen und zu verlieren, was ihm wichtig ist. Was er liebt. Nämlich Agathe. Ich denke, dass sich diese Angst so hochschaukelt, dass er davon völlig übermannt ist. Er ist sich sozusagen selbst sein größter Gegner: Die finsteren Mächte sind eigentlich alles, was in seinem Kopf geschieht. Und diese Ängste werden durch die Gefühle, die er ihnen verleiht, zur Realität. Das ist für mich das Thema der Arie.

Würde Max noch weiter gehen, um das Glück zu zwingen?

(Lacht auf.) Naja. – Wie weit geht der Mensch? Das ist eine archetypische Frage, nicht wahr? Wie weit geht jemand, um etwas zu erreichen? Ich meine, er wird entlarvt. Denn wenn niemand dahinter gekommen wäre, hätte er dann so weitergemacht? Ich denke schon. Er würde alles dafür geben, um mit Agathe glücklich zu sein. Da er bereits so weit gegangen ist, würde er wahrscheinlich auch weitergehen. Ich halte ihn nicht für eine sehr sympathische Figur, wenn ich mal so sagen darf, ich finde ihn nicht sehr „liebenswert“, da es auch einen Moment gibt, in dem er Agathe schlägt. Und auch in dieser Inszenierung wird das stereotype männliche Verhalten noch intensiviert. Aber wie es nun mal des öfteren der Fall ist mit den Tenören, sie sind immer mal wieder die „Loser“. (Lacht.) Es ist egal, ob es italienische Oper ist oder eben jetzt deutsche. Der Tenor ist vom Charakter her meistens nicht so stark. Max ist da keine Ausnahme. Er lässt sich schnell von seinen Ängsten und seinem Umfeld beeinflussen. Vor allem will er es allen Männern rundherum recht machen, und da er nicht so eine starke Persönlichkeit besitzt, lässt er sich in die Ecke drängen.

Interessiert sich Max denn für die Gefühle seiner Verlobten?

In dieser Inszenierung kommt das auf alle Fälle nicht so heraus, finde ich. Es geht vorrangig um das Erreichen des Ziels, aber er spricht auch immer von seinen Ängsten und davon, was er nicht kann. Er spricht davon, dass Agathe sich sehr freut, ihm zu gehören. Aber dass er sie wirklich liebt, erwähnt er nicht direkt. Also, seine Liebe für sie habe ich nicht entdecken können. In den Texten dieser Inszenierung nicht.

Ist der Wald in dem Fall ein Refugium für Max oder eine Bedrohung?

Natürlich beides. Den Wald könnte man als die dunkle Ecke seines eigenen Geistes sehen: Es sind seine Ängste, er geht auch dort hin, um seinen Ängsten zu begegnen, aber es ist auch der Ort, an dem er denkt, dass niemand ihn beeinflussen und kontrollieren kann. Kein Schwiegervater und niemand kann ihm dort etwas sagen.

Könnten Sie uns noch einen Ausblick auf Ihre zukünftigen Rollen geben, und welche Rollen würden Sie gerne noch in Ihr Repertoire aufnehmen?

Also, als nächstes kommt jetzt „Narraboth“ in Bolzano auf mich zu. Danach Matteo in „Arabella“. Es wäre schön, wenn Wagner auch dazukäme. Ich glaube schon, dass man mit den Aufgaben wächst. Also, vor eineinhalb Jahren hatte ich noch nicht gedacht, dass ich so schnell in dieses Repertoire hineinwachsen würde. Man lernt dabei auch technisch so viel Neues. Und die Stimme selbst weist einem den Weg in die richtige Richtung. Es ist auch sehr spannend. Es kann noch überall hingehen. Das ist das Wunderbare an diesem Beruf.

Denken Sie über ein Festengagement nach in Zukunft, oder dann doch eher an freie Engagements?

Also, so hier am Gärtnerplatztheater war es für mich sehr angenehm. Wenn ich so arbeiten kann wie hier am Gärtnerplatz, würde ich auch ein festes Engagement annehmen. Aber vielleicht muss man auch mal den Sprung wagen und sagen: „Ich werde jetzt freischaffend“. Das ist natürlich dann auch wieder unsicher, aber es bietet die Möglichkeit, an verschiedenen Häusern mit neuen interessanten Menschen zusammenzuarbeiten.

Und haben Sie bestimmte Wunschrollen?

Da wären einige auf meiner Liste. Zum Beispiel „Lohengrin“, „Tannhäuser“, „Meistersinger“, im italienischen Fach Radames und Cavaradossi sowie Andrea Chenier, aber ebenso den Des Grieux in Massenets „Manon“. Ich könnte die Liste noch fortsetzen, da meine Stimme es mir erlaubt, sowohl im deutschen als auch im italienischen und französischen Fach zu Hause zu sein. Ich denke, dass ich wieder ganz neue Horizonte erforschen werde. Es sind spannende Zeiten, und ich freue mich auf die Zukunft.

Dann wünsche ich Ihnen alles Gute und sage vielen Dank für das Gespräch!

Danke schön!

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