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Lesung Claire Hajaj, 14.03.2015, Leipzig Messe

[singlepic id=2079 w=320 h=240 float=left]Zu Beginn der leider auf der Messe sehr knapp gehaltenen Veranstaltung erzählte Claire Hajaj, wer sie selbst ist und wie sie auf die Idee zu Ismaels Orangen kam.

Nach der Geburt ihrer inzwischen fünfjährigen Tochter habe sie sich Gedanken gemacht, was für Mensch sie werden solle. Ihre Tochter trage zwei Kulturen in sich, denn ihr Vater stamme aus Jaffa und ihre Mutter sei Jüdin, deren Mutter wiederum eine Überlebende des Holocaust. Die beiden Familien ihrer Tochter seien noch nie gemeinsam in einem Raum gewesen, Claire Hajaj und ihr Mann heirateten in London, wo sie sich auch kennengelernt hatten.

In “Ismaels Orangen” erzählt sie die Geschichte ihrer eigenen Familie und hofft, dass ihre Tochter irgendwann durch dieses Buch ihre eigenen Wurzeln besser verstehen wird und auch, dass die beiden Kulturen eine sehr ähnliche Geschichte, ähnliche Hoffnungen, Träume und Trauer haben. Dass es mehr Gemeinsamkeiten gibt, als die Szenen von gegenseitigem Mord und Totschlag in den Abendnachrichten vermuten lassen.

Ein junges jüdisches Mädchen flieht aus Europa und trifft einen jungen Palästinenser, der in Jaffa aufwächst und in der Autowerkstatt seines Bruders Geld verdient. Claire Hajaj erzählt, dass die meisten ihr bekannten Palästinenser von der 4000 Jahre alten Hafenstadt Jaffa träumen, die Juden hingegen von Jerusalem. Ihr eigener Vater stamme aus Jaffa und so entschied sie, ihre Geschichte in Jaffa beginnen zu lassen.

Jaffa, die große multikulturelle Stadt des britischen Protektorats, in der Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen in Frieden miteinander lebten. Ihrer Meinung nach wurde der Konflikt von außen importiert. Der Junge in ihrer Geschichte weiß nur das, was er von den Erwachsenen und anderen Kindern hört, kennt das Gesamtbild noch weniger als die Erwachsenen.

Dann wurde ein kurzer Abschnitt vom Anfang des Buches vorgelesen, das im Jahr 1948 beginnt. Salim ist sieben Jahre alt und die Atmosphäre in Jaffa ist sehr angespannt, denn die Flucht steht bevor. In dieser Zeit werden alle Beziehungen auf die Probe gestellt. Die Familien von Salim und seinem gleichaltrigen Freund Elia haben beschlossen, einen Schlusstrich unter die Freundschaft der beiden zu ziehen. Die beiden Jungen verstehen die Situation nicht und ihr letzter gemeinsamer Abend wird einfühlsam geschildert.

Claire Hajaj ist der Ansicht, dass Sehnsucht (deep longing) nach einem Ort, den man nicht verlassen wollte, Unglück bringe. Man solle sich von den Steinen lösen, um seinen Frieden finden zu können. Ob man dort zu Hause sei, wo wir geboren wurden und unser Großvater aufwuchs? Ob man sich über die Herkunft definiere oder über das was man selbst aufgebaut und bestimmt hat? Das sei für die meisten Juden und Palästinenser die Grundfrage ihres Lebens. Ihrer Meinung nach ist es eine Tragödie ein selbstgebautes Heim aufzugeben, um in ein Heim zurückzukehren, das man früher verlassen musste.

Wie finden wir Frieden in unserem Herzen ist ihre zentrale Frage und dabei sollten Religonen außen vor sein.

Der Titel des Buchs soll an Ismael erinnern, den Sohn Abrahams, der sowohl als Stammvater Israels gilt als auch der Araber und im Islam als einer der Propheten gilt.

Die Veranstaltung machte mich noch neugieriger auf das Buch, das mich von der Grundidee her sehr stark an das ebenfalls auf einer wahren Geschichte basierenden *Lemon Tree” von Sandy Tolan erinnert hatte.

Informationen beim Verlag und Leseprobe *klick*

Claire Hajaj, 1973 in London geboren, hat ihr bisheriges Leben zwischen zwei Kulturen, der jüdischen und der palästinensischen, verbracht und versucht, sie zu vereinbaren. In ihrer Kindheit lebte sie sowohl im Nahen Osten als auch im ländlichen England. Sie bereiste alle vier Kontinente und arbeitete für die UN in Kriegsgebieten wie Burma oder Baghdad. Sie schrieb Beiträge für den BBC World Service, außerdem veröffentlichte sie Artikel in Time Out und Literary Review. Ihren Master in Klassischer und Englischer Literatur hat sie in Oxford gemacht. Zur Zeit lebt sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Beirut.

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Lesung Titus Müller, 14.03.2015, Zeigner-Haus Leipzig

[singlepic id=2077 w=240 h=320 float=left]Am 14.03.2015 las Titus Müller im Ernst-Zeigner-Haus aus seinem neuen Roman Berlin Feuerland, der im März 1848 in Berlin spielt. In einer Zeit des Umbruchs, großer Standesunterschiede und sozialer Spannungen.

Wenn wir heute Armut sehen, wäre es uns unangenehm und wie antrainiert würden die Meisten wegschauen. 1848 wurde anders damit umgegangen, viele Menschen aus den oberen Schichten wollten ganz genau hinschauen und es gab sogar Führungen, bei denen feine Damen die dunklen Seiten der Großstädte kennenlernen wollten.

Die Hauptfigur Hannes zeigt einigen reichen Damen, wie die Menschen im Armen- und Industrieviertel Feuerland leben. Hannes selbst besitzt einen Strohsack, einen verbeulten Topf und ein einziges Buch, den Brockhaus Band A-E und hofft aus einem Ausweg aus dem Elend, wenn er alle Artikel darin liest und versteht. Wenn er baden geht, dann 4. Klasse mit gebrauchtem Spreewasser und ohne Seife.

Anders als heute durften Kinder ab neun Jahren täglich bis zu zehn Stunden arbeiten, auch wenn eigentlich schon Schulpflicht galt. Die Fabrikanten argumentierten, bei ihnen würden die Kinder Ausdauer, Ordnung, Pünktlichkeit und Fleiß lernen.

Berlin wuchs in jener Zeit rasant und genauso schnell stieg durch den Einsatz von Maschinen die Arbeitslosigkeit, denn Tischler, Schuster und viele andere Berufsgruppen konnten nicht so billig herstellen wie die Fabriken ihre standardisierten Waren. Die Droschkenfahrer verloren Kunden an die ersten Pferdebuslinien, die Einführung der Eisenbahnen erzwang im ganzen Land eine standardisierte Einheitszeit.

Der zweite Lesungsabschnitt zeigt eine Tour aus der Perspektive von Alice, der 20-jährigen Tochter des Kastellans des Berliner Stadtschlosses, die das Leben ihrer Eltern langweilig und bieder findet. Die Gegensätze zwischen Hannes und den von ihm durch Feuerland geführten Damen könnte größer nicht sein. Während Hannes nur einen Topf besitzt, hängt bei Alice feines Geschirr als Dekoration an den Wänden und er verdient am Tag weniger als eine Droschkenfahrt kostet.

Freunde von Hannes sind an der Vorbereitung eines Aufstands beteiligt und erwarten von ihm, dass er mitmacht bei einer Revolution, die in Deutschland viel veränderte. Das Volk wollte mehr soziale Gerechtigkeit, Versammlungsfreiheit und Einiges mehr, während der König und vor allem sein Polizeichef zunehmend beunruhigt sind von den Menschenmassen.

Die Idee zu diesem Roman kam über seinen Lektor, durch den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und Titus Müller fand es spannend, dass heutzutage ein Schloss gebaut wird, in dem kein König mehr leben wird, überlegte, wie das Leben im und um das Stadtschloss damals war, las Tagebücher und zahllose andere Quellen. Den Ablauf der historischen Ereignisse habe er nicht verändert, in seinem Roman sei abgesehen von Hannes und Alice wenig erfunden.

Titus Müller erzählte mit viel Leidenschaft von den historischen Persönlichkeiten, die in “Berlin Feuerland” mitspielen, wie z.B. König Friedrich Wilhelm IV., dessen Bruder und Nachfolger Wilhelm, den Stadkommandanten Ernst von Pfuel, der keine Schlacht in Berlin wollte und der engste Freund von Kleist war, den recht unbekannten Polizeidirektor Minutoli, Alexander von Humboldt, der damals inkognito in Berlin lebte, Theodor Fontane und viele andere. Für ihn sind die Momente spannend, in denen Menschen ihr Leben für ihre Überzeugungen riskierten, sich in Sekundenbruchteilen für ihr Gewissen oder ihre Karriere entscheiden mussten.
Die Psyche der fiktiven und historischen Figuren interessiert ihn, ihre Motive und Entwicklung und seine Begeisterung sprang auf das Publikum über. Fast hatte man den Eindruck, er hätte eine Zeitreise gemacht, so lebendig erzählte er über das Leben damals und die Menschen.

Das Leben damals käme uns so anders vor und doch sei vieles unserem heutigen Leben schon sehr ähnlich. Damals hätten die Menschen für vieles gekämpft, das uns selbstverständlich scheint, vor allem für politisches Mitspracherecht, während heute viele nicht mehr wählen gehen.

Sein nächstes Buch wird Mitte des 20. Jahrhundert spielen, genaueres zum Thema wurde noch nicht verraten.

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Vorschau: Du sollst nicht lieben, 19.03.2015, Schauspielensemble Südsehen im Theater Blaue Maus

Georg Kreisler

DU SOLLST NICHT LIEBEN

Musikalische Komödie
mit Musik von Bach, Beethoven, Schubert u.a.

LOTHAR, nicht mehr ganz taufrischer Junggeselle mit Promotion und Bindungsängsten, trifft auf die wesentlich jüngere SONJA, die auf der Suche nach einem Vater für ihre Tochter ist. So wie LOTHAR hat sie ihn sich jedoch nicht vorgestellt und geht merklich auf Distanz. Auch LOTHARs Einstellung zur Ehe ändert sich, nicht zuletzt, da er ja – endlich – zur Sache kommen will. Aber die langersehnte Liebesnacht verläuft anders, als erwartet:

Es siegt der Pragmatismus – LOTHAR hat das Alleineleben satt und SONJA wählt den bequemen Weg, der sich bald schon als der unbequemere herausstellt: LOTHAR geht mit seiner Sekretärin fremd. Aber SONJA bleibt ihm nichts schuldig…

Georg Kreislers Komödie ist ein Georg Kreisler (fast ausschließlich) mit klassischer Musik: In einer bitter-süßen Nicht-Romanze werden die schönsten Liebesthemen der klassischen Musik mit Kreisler-Texten ironisch variiert.

Es spielen Ulrike Dostal und Amadeus Bodis
Regie Robert Ludewig

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Premiere am 19.03.2015 um 20:30 im Theater Blaue Maus, Elvirastr. 17a in München
Karten zu:  18,- / 12,-  und unter  089 182694 oder www.theaterblauemaus.de

Weitere Vorstellungen im Theater Blaue Maus 20.03 und 21.03.2015 | www.theaterblauemaus.de
Sowie in der Einstein-Kultur am 10.05.2015 | www.einstein-kultur.de

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Uraufführung Gefährliche Liebschaften, 22.02.2015, Gärtnerplatztheater (im Cuvilliéstheater)

[singlepic id=2072 w=320 h=240 float=left]Eine berühmte Romanvorlage und bekannte Adaptionen machen eine Neuinterpretation schwierig. Das Team um Regisseur Josef Köpplinger konnte mit der Uraufführung des Musicals Gefährliche Liebschaften trotzdem neue Akzente setzen.

Die Marquise de Merteuil ist eine Meisterin im Intrigenspiel um Macht und Sex. Sie möchte, dass der Vicomte de Valmont eine ehemalige Klosterschülerin verführt, die kurz vor der Heirat mit einem Grafen steht. Dieser war einst der Liebhaber der Marquise und hatte sie verlassen, das hat sie ihm nicht verziehen. Doch Valmont ist hinter der prüde-verschlossenen Madame de Tourvel her, ihre Eroberung sieht er als sein Meisterstück. Sollte ihm dies gelingen, winkt ihm als Belohnung eine Liebesnacht mit der Marquise, die gegen ihn gewettet hat. Anfangs läuft alles nach Plan, aber als Valmont sich in Madame de Tourvelle verliebt, wenden sich die Intrigen der Marquise gegen sie selbst.

[singlepic id=2073 w=320 h=240 float=right]Dass das Stammhaus am Gärtnerplatz mittlerweile seit fast drei Jahren geschlossen ist, bedeutet Unannehmlichkeiten, aber auch Chancen. Die Musicaluraufführung von Gefährliche Liebschaften im wundervollen Rokokoambiente des Cuvilliéstheaters spielen zu können, ist definitiv eine. Die aufwendigen Kostüme von Alfred Mayerhofer passen perfekt in die Zeit und lassen ein Gefühl für die Zeit aufkommen. Die Bühne von Rainer Sinell ist schon fast sensationell in ihrem raffnierten Understatement: eine Treppe, ein Podest, ein riesiger Spiegel und ein paar wechselnde Möbel auf einer Drehbühne lassen vom Opernhaus über ein intimes Bouduoir bis hin zum Nonnenkloster alles entstehen. Das Podest ist wirklich genial: der Boden wechselt immer wieder, schachbrettartige Fliesen, fließender Stoff, Blätter und rinnendes Blut werden passend zur jeweiligen Handlung angezeigt. Zusammen mit dem Spiegel, der beweglich ist und in verschiedene Höhen und Neigungswinkel gefahren werden kann, ergeben sich je nach Sitzposition des Betrachters verschiedene faszinierende Einblicke. Das Licht von Michael Heidinger und Regisseur Josef Köpplinger ist sehr athmosphärisch.

[singlepic id=2056 w=320 h=240 float=left]Zusammen mit seinem Co-Regisseur und Choreograf Adam Cooper gelingt letzterem eine überzeugende Umsetzung des bekannten Stoffes. Es passiert sehr viel auf der Bühne, so dass man schon sehr genau oder am Besten mehrfach hinschauen muss, um alles mitzubekommen. Manches passiert sogar gleichzeitig, da wird ein Brief geschrieben und gelesen, in einem Zug oder nahtlos ineinander übergehend. Briefe spielen natürlich eine große Rolle, ist doch die literarische Vorlage von Choderlos de Laclos ein Briefroman. Als besonders beeindruckend empfand ich die Szene, als die Briefe der Marquise vom Himmel fallen und einer mit ein bisschen Verzögerung schon fast majestätisch zu Boden schwebte. Die Regie arbeitet die Figuren sehr gut heraus, vor allem der Wandel der Madame de Tourvel von der zurückhaltenden, fast schon vergeistigten Prüden zur rückhaltlos verfallenen Liebenden war gut nachvollziehbar. Und ja, es gibt einigen Sex in diesem Stück, schließlich gehts ja darum. Aber er ist immer mit Gefühlen verbunden – Gier, Liebe, Hass – so dass man das Gefühl hat, die Darstellung gehört

[singlepic id=2049 w=320 h=240 float=right]Das Libretto von Wolfgang Adenberg bietet eine ansprechende Umsetzung des Stoffes, er hält die Spannung den ganzen Abend. Die Musik von Marc Schubring erschließt sich so richtig leider erst beim mehrfachen Hören. Sein Anspruch, sie von Parfüm zu Gift zu verwandeln, hat zur Folge, dass bis kurz vor der Pause kein einziger wirklich eingängiger Song dabei ist, allerdings dreht er dann mit Valmonts Allmächtig auch mächtig auf. Nach der Pause beginnt das Gift zu wirken und das Erzähltempo wird schneller und die Melodien eingängiger. Das Orchester unter Andreas Kowalewitz arbeitete feinste Klangnuancen heraus, die dem Stück Tiefe verliehen. Die Sänger überzeugten in ihren jeweiligen Rollen, sie spielten sehr expressivund leidenschaftlich und sangen auch ganz hervorragend.

Standing Ovation für eine gelungene Uraufführung eines Musicals, das die deutsche Musiktheaterlandschaft bereichert.

Musik von Marc Schubring, Buch und Liedtexte von Wolfgang Adenberg. Nach dem Roman von Choderlos de Laclos. Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz, Regie Josef E. Köpplinger, Choreografie u. Co-Regie Adam Cooper, Bühne Rainer Sinell, Kostüme Alfred Mayerhofer,Licht Michael Heidinger / Josef E. Köpplinger, Video Raphael Kurig / Thomas Mahnecke, Dramaturgie Michael Otto

Marquise de Merteuil Anna Montanaro, Vicomte de Valmont Armin Kahl, Madame de Tourvel Julia Klotz, Cécile de Volanges Anja Haeseli, Chévalier de Danceny Florian Peters, Madame de Rosemonde Gisela Ehrensperger, Madame de Volanges Carin Filipčić, Azolan Erwin Windegger, Joséfine de Fontillac / Madame Gérard u. a. Anna Thorén, Émilie / Nonne u. a. Nazide Aylin, Julie u. a. Evita Komp, Christine / Opernsängerin u. a. Eva Aasgaard, Victoire u. a. Johanna Zett, Prévan u. a. Carl van Wegberg, Belleroche / Gérard u. a. Peter Neustifter, Jean / Comte de Gercourt u. a. Jörn Linnenbröker, Steuereintreiber / Priester u. a. Florian Hackspiel, Statisterie und Kinderstatisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Dauer 2 Stunden 45 Minuten, Altersempfehlung ab 15 Jahre

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