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Corinna Klimek am 26. Juli 2011 18:09 Nachdem ich die Lesung in Leipzig dieses Jahr verpasst hatte, bot sich hier die Gelegenheit, das versäumte nachzuholen. Und wer schon einmal eine Lesung des sympathischen Autors besucht hat, weiß, dass sich dafür auch lange Anfahrtswege lohnen.
In diesem Fall war kein weiter Weg nötig, den die Lesung fand im Restaurant Ludwigs statt, dass in München direkt am Viktualienmarkt liegt. Die Veranstalter hatten sich alle Mühe gegeben, den Raum lesungsgerecht herzurichten, allerdings war es sehr warm und der Autor, der ein mittelalterliches Kostüm trug, war wirklich nicht zu beneiden. Außerdem wurde während der Lesung an der Bar gearbeitet und trotz Mikrofon waren diese Hintergrundgeräusche sehr störend.
Zu Beginn erklärte uns der Autor seine Gewand. Es war die typische Kleidung eines Edelmannes, Rogers de Bezers oder Rudolf von Habsburg könnten so etwas getragen haben. Besonders Hallo gab es im Publikum, als es an die Beinlinge und die Bruche ging und Richard Dübell blieb es auch nicht erspart, einmal ganz kurz die Haube aufzusetzen 😉
Nach einer kurzen Einführung in die Thematik des Romans las der Autor eine Szene vom Beginn des Romans und zwar diejenige, die in den Besuch des Bischofs und seiner Entourage im Hospiz mündet. Wer die Szene kennt, weiß, dass es hier viel zu Lachen gab. Denn wie kein zweiter versteht es Richard Dübell jeder Figur Leben einzuhauchen, indem er sie mit einer anderen Stimme versieht. Danach gab es eine kleine Pause, in der der Autor Bücher signierte, während draußen schon mal der Weltuntergang geprobt wurde.
Im zweiten Teil gab es dann eine eher zarte Stelle, die Nacht, in der Rogers und Yrmengard das erste Mal allein sind. Auch hier kamen die Emotionen sehr gut rüber, unterstützt noch durch leise, passende Musik und Töne. Danach beantwortete Richard Dübell sehr geduldig Fragen des Publikums. Am Ende dieses sehr gelungenen Abends gab es viel verdienten Applaus für ihn.
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Corinna Klimek am 19. Juli 2011 18:10 Da ich den Freischütz zwar unheimlich gerne mag, aber die aktuelle Inszenierung am schönsten Theater Münchens szenisch ziemlich unterirdisch finde, war ich sehr gespannt auf die halbszenische Umsetzung im Rahmen des Jubiläumskonzertes zum 150-jährigen Bestehen der Chorgemeinschaft Fürstenfeldbruck.
Regisseur Michael Stacheder brachte das Wunder fertig, auf der eher kleinen Bühne ca. 80 Mitwirkende des Chores unterzubringen und den Solisten trotzdem noch Freiraum zum Spielen zu geben. Er verlegte die Handlung in die Fünfziger Jahre, was in sich stimmig war und die Geschehnisse stärker an das Publikum heranbrachte. Ein guter Teil davon dürfte sich eh an die Zeit noch erinnern 😉 Die Personenführung der Solisten war gut, besonders die Idee, den Samiel (ganz ausgezeichnet Joachim Birzele) auch als Erzähler auftreten zu lassen, das straffte die Handlung etwas und lies keine Längen aufkommen. Auch sonst machte Michael Stacheder aus wenig viel, zum Beispiel hat mir die Wolfsschluchtszene sehr gut gefallen, trotz sicher eingeschränkter technischer Möglichkeiten war es ziemlich gruselig.
Die Solisten waren durch die Bank hervorragend. Torsten Frisch spielte und sang bei seinem Rollendebüt den Kaspar sehr eindringlich, genauso wie Tenor Adrian Cave den Max. Auch die Frauenseite war exzellent besetzt, Monika Rebholz als Agathe und Sonja Adams als Ännchen haben mir wirklich ganz ausgezeichnet gefallen, in den Duetten harmonierten beide Stimmen ganz wunderbar. Die restlichen Rollen waren mit Holger Ohlmann, Thomas Hohenberger, Martin Ohu und Adrian Sandu sehr gut repräsentiert. Der Chor spielte ein bisschen mit und sang sehr schön, auch wenn es mich etwas gewundert hat, dass einige Herren noch vom Blatt singen mussten. Das Orchester unter Klaus Linkel fand genau den richtigen Weber-Ton, dramatisch und sanft zugleich.
Am Ende viel Jubel für alle Beteiligten, eigentlich schade, dass es nur eine Vorstellung gab. Das hätte ich mir glatt nochmal angesehen.

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Corinna Klimek am 13. Juli 2011 00:00 Über diese Vorstellung habe ich wieder drüben bei mucbook geschrieben.
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Corinna Klimek am 9. Juli 2011 01:22 Mich reizt am Gastspielen besonders die Möglichkeit, ein vertrautes Stück mal auf einer anderen Bühne zu erleben und zu sehen, wie es in einer anderen Umgebung als dem schönsten Theater Münchens wirkt.
Das Gastspiel am Bosporus war aber in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Da war zuerst einmal das Stück: Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Würde dieses am Gärtnerplatz sehr beliebte Stück in einer sich von unserer Kultur unterscheidenden angenommen werden? Die Organisatoren des 2. Istanbuler Opernfestival waren sich ihrer Sache sicher und der Publikumszuspruch gab ihnen recht. Zwei sehr gut besuchte Vorstellungen, ein in großen Teilen junges, türkisches Publikum folgte dem Geschehen auf der Bühne hochkonzentriert und feierte die Protagonisten am Ende mit Standing Ovations.
Diese waren auch mehr als verdient und galten sicherlich auch denjenigen, die nicht auf der Bühne standen, ohne deren gemeinsame Anstrengungen diese beiden Abende aber nicht möglich gewesen wären.
Denn gerade in diesem Stück wird die Drehbühne viel genutzt, fahren Stühle aus der Versenkung hoch, spielen Teile am Bühnenrand vor einem schwarzen Vorhang. Der Aufführungsort hätte unterschiedlicher nicht sein können: ein Amphitheater über dem Bosporus mit Felsenbühne und ohne Vorhang. Die Herausforderungen, die der Spielort an Bühnentechnik, Möbler, Beleuchtung, Ton, Orchester, Chor und Solisten stellte, wurden bravourös gemeistert. Schon allein, wie die drei großen Stühle, die die Klimax im Wachstum der Stadt Mahagonny symbolisieren, den Berg hinaufgeschafft und dort fixiert wurden, um in der Pause mit vereinten Kräften auf die Bühne getragen zu werden, hätte eigentlich einen Sonderapplaus verdient gehabt. [singlepic id=982 template=caption w=256 h=170 float=left]
Die Inszenierung wurde den Gegebenheiten angepasst, besonders gefallen hat mir, dass das Publikum in der vollen Breite der Bühne miteinbezogen wurde. Bei der zweiten Vorstellung saß ich ganz unten, und dieses Erlebnis war ganz besonders intensiv. Trotz der Intimität des schönsten Theater Münchens kommt man ja den Darstellern nie so nahe wie hier. Auch die Auftritte fanden teilweise aus den Rängen statt und sorgten für besondere Publikumsnähe.
Die Akustik war außerordentlich, und das Orchester unter Andreas Kowalewitz klang wirklich fabelhaft. Auch war die Textverständlichkeit außerordentlich gut, so dass ich einige Stellen für mich neu entdeckte und mitnehme in das wunderbare Theater am Gärtnerplatz, wenn das Stück dort in der nächsten Spielzeit Wiederaufnahme hat.
Der Chor glänzte, wie schon so oft, durch Spielfreude und präzisen Gesang und wurde bestens von Inna Batyuk, der stellvertretenden Chordirektorin am Gärtnerplatz, geleitet.
Die Besetzung war an beiden Abenden gleich, was ebenfalls bemerkenswert ist, denn die Partien, die von der Opernarie bis zum Musical reichen, sind sicher nicht ganz einfach zu singen. Alle Solisten waren wirklich unglaublich gut und machten diesen Abend zu einem besonderen Erlebnis. Wolfgang Schwaninger, Harrie van der Plas, Gregor Dalal, Martin Hausberg, Cornel Frey, Stefan Sevenich, Marianne Larsen und Heike Susanne Daum wurden zu Recht vom Publikum gefeiert.
Es hat sich gelohnt, diesen Abstecher mitzumachen, das wunderbare Ensemble des Gärtnerplatztheaters mal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Danke für diese tolle Zeit an alle Beteiligten!
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Corinna Klimek am 3. Juli 2011 08:40 Meine Meinung zur Premiere des geduldigen Sokrates findet sich bei mucbook. Dort wird in Zukunft hin und wieder mal was von mir zu Lesen sein.
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Corinna Klimek am 2. Juli 2011 15:11 [singlepic id=980 template=caption w=255 h=384 float=left]
Vielen Dank, Frau Gerstberger, dass Sie sich zu diesem Interview bereiterklärt haben. Können Sie uns kurz in eigenen Worten erzählen, wovon die Oper „Der geduldige Sokrates“ handelt?
Zwei Prinzessinnen lieben denselben Prinzen: Melito. Die Figur der Rodisette, das bin ich, liebt wahrhaftig, Edronica oberflächlicher. Melito ist sehr sehr jung, und kann es anfangs nicht recht einordnen, wenn sich Frauen um ihn streiten oder sich für ihn interessieren. Der andere Prinz, Antippo, liebt beide Prinzessinnen. Von diesem wollen die beiden Damen aber gar nichts wissen. Die klassische Geschichte: Der, der die beiden Frauen will, ist nicht interessant, aber der, der sich nicht entscheiden kann, ist hochinteressant. Dann gibt es natürlich Sokrates, der mit zwei Frauen verheiratet ist und darunter wahnsinnig leidet, weil diese ständig streiten. Ihm ist völlig klar, dass es nicht erstrebenswert ist, zwei Frauen zu haben. Die Oper läuft darauf hinaus, dass Rodisette für ihr Recht kämpft, Melito nicht mit einer anderen Frau teilen zu müssen. Dies tut sie so überzeugend, dass der „hohe Rat“ beschließt, Sokrates über den Fall richten zu lassen. Nach einem „Rededuell“ der beiden Prinzessinnen erkennt Sokrates die wahre Liebe der Rodisette und spricht ihr Melito zu.
Sie haben die Partie der Rodisette schon angesprochen – gibt es da noch weitere Besonderheiten bei dieser Rolle?
Es ist eine junge Frau, die sehr genau weiß, was sie will und was sie nicht will. Es gibt eine gewisse Parallele zur Pamina. Eine Frau, die bis zur letzten Konsequenz liebt bzw. kämpft und deshalb den Weg des Freitods durchaus gehen würde.
Welche Freiheiten hatten Sie – oder haben Sie – bei der Interpretation dieser Rolle?
Es war eine wunderbare Arbeit mit Axel Köhler. Meine intuitive Rolleninterpretation hat sich sehr gut mit seinen Vorgaben verbunden. Wir hatten sehr viel Spaß bei den Proben. Er ist ein Regisseur, der anfangs sehr klare Richtlinien gibt, seine Sänger aber dann frei laufen lässt.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Partie, und was ist das Schwierigste?
Die Musik Telemanns ist sehr anspruchsvoll und wunderschön. Beim Arbeiten habe ich wieder viel gelernt. Die Rolle der Rodisette wurde von Telemann mit wunderbaren Melodien ausgestattet.
Sie sind doppelt besetzt mit Stefanie Kunschke. Sie sind ja auch sicher privat eher unterschiedliche Persönlichkeiten. Beeinflusst das die Herangehensweise an die Rolle?
Ja, immer. Jede Künstlerin interpretiert auf ihre eigene Art.
Muss man Barockmusik mögen, um diese Oper zu mögen?
Nein nicht unbedingt. Telemann war zu seiner Zeit ja der Popmusiker für die Leute damals. Die Musik ist sehr abwechslungsreich, wunderschöne Melodien, rasante Duette…
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Corinna Klimek am 30. Juni 2011 18:36 Zuerst mal muss ich ein wenig meckern: auch wenn es diesmal wesentlich besser verkauft war als beim ersten Mal Anfang Juni, das Durchschnittsalter war jenseits von Gut und Böse. Und auch wenn sich meine 80-jährige Theaterfreundin beharrlich verweigert, scheint es im fortgeschrittenen Alter in Mode zu kommen, bei Liedern, die einem vage bekannt vorkommen, mitzuklatschen. Und weil das mit dem Hören oft nicht mehr so gut funktioniert, haut das halt auch mit dem Takt nicht immer ganz so hin. An diesem Abend wars ganz besonders schlimm. Und der Boden des Orchestergrabens, der hochgefahren zur Vorbühne wird, ist schon arg schäbig. Kann man da nicht was drüber tun? Dann tanzt es sich bestimmt auch besser.
Aber genug des Gemaules, der Rest war fabelhaft. Angefangen bei der Stückauswahl, die halt nicht das übliche Repertoire einer Operettengala abspulte, sondern Highlights aus bekannten, aber nicht ganz so oft wie die Fledermaus gespielten Operetten bot. So gab es zum Beispiel drei Lieder aus “Wie einst im Mai”, auch der “Ball im Savoy” war mit zwei Stücken vertreten, “Paganini”, “Die Zirkusprinzessin”, “Das Feuerwerk” und die “Hochzeitsnacht im Paradies” ergänzte die ungewöhnliche Stückauswahl. Und selbst bei den drei Liedern aus “Im weißen Rössl” standen die nicht ganz so bekannten Stücke am Beginn, bevor das titelgebende Lied den Schlusspunkt setzte. Diese Auswahl hört man nicht alle Tage, schade, dass das Operettenkonzert nur zweimal auf dem Spielplan des schönsten Theater Münchens stand.
Fabelhaft agierte das Orchester unter dem jungen, enorm talentierten und leider, leider scheidenden Dirigenten Benjamin Reiners. Fabelhaft waren auch die Solisten, die nicht nur ganz hervorragend sangen, sondern auch, wie es in der Operette halt so üblich ist, tanzten und sich den Stücken entsprechend verkleiden. So sang die famose Rita Kapfhammer, die sich hier einmal mehr für das Genre empfohlen hat, “Spiel auf Deiner Geige” aus “Venus in Seide” in einem wirklich atemberaubenden Kleid und Christina Gerstberger gab eine barocke Primadonna bei dem entsprechenden Lied aus “Der arme Jonathan”. Für Heiterkeitsausbrüche beim Publikum sorgte auch das Kostüm von Marianne Larsen als “Julischka aus Budapest”. Die männlichen Solisten nutzten ihre Möglichkeiten ebenfalls und so trug Daniel Fiolka bei dem Gassenhauer “Mein Mädel ist nur eine Verkäuferin” einen passenden gestreiften Anzug. Stimmlich waren alle Solisten, noch nicht genannt sind Stefanie Kunschke, Tilmann Unger, Dirk Lohr und Mario Podrečnik, in allerbester Form und trugen die genau auf sie zugeschnittenen Stücke hervorragend vor. Besonders Frau Kunschke, die am nächsten Tag die Premiere vor sich hatte, und Frau Gerstberger, die am Sonntag “dran” ist, ist es hoch anzurechnen, dass sie den Wechsel von Barockoper zur Operette (und hoffentlich auch wieder zurück) spielend geschafft haben.
Ein sehr schöner Abend, der mit der Zugabe “Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände” aus “Viktoria und ihr Husar” ein bisschen wehmütig zu Ende ging.
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Corinna Klimek am 29. Juni 2011 23:41 Bei diesen Interviews muss ich vorausschicken, dass es leider nicht möglich war, sie persönlich zu führen, da ich aus persönlichen Gründen verhindert war. Ich bedanke mich bei den Befragten für ihre Bereitschaft, die Fragen schriftlich oder telefonisch zu beantworten. Ausführliche Gespräche mit den einzelnen Solisten folgen dann in der nächsten Spielzeit.
Thérèse Wincent
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Erzählen Sie uns doch ganz kurz, wovon die Oper „Der geduldige Sokrates“ handelt.
Es ist eine Oper über den griechischen Philosophen Sokrates und seine zwei Ehefrauen, und zum anderen auch über den Prinzen Melito und seine zwei Verehrerinnen, die Prinzessinnen Rodisette und Edronica, es sind also tatsächlich zwei parallel geführte Geschichten. Dazu kommen noch die Schüler des Sokrates und der Chor von „Bewunderern“ sowie Nicia, Melitos Vater, der seinen Sohn gerne verheiratet sehen möchte, und Antippo, der ebenfalls unbedingt eine der Prinzessinnen ehelichen möchte.
Erzählen Sie uns von Ihrer Partie.
Meine Partie ist die der Amitta, die Zweitfrau des Sokrates. Sie streitet sich die ganze Zeit mit der anderen Ehefrau, Xanthippe!
Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation dieser Rolle?
Es ist eine tolle Erfahrung, mit dem Regisseur Axel Köhler zusammenzuarbeiten. Er hat uns dazu ermutigt, in die Rollen, die wir spielen, unsere eigenen Ideen einzubringen und hat dann Nuancen zu unseren Charakteren herausgearbeitet, die uns selbst möglicherweise nicht eingefallen wären. Natürlich darf man nicht vergessen, dass wir hier Stereotype darstellen!
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Partie? Was ist das Schwierigste an Ihrer Partie?
Das Beste an meiner Rolle ist die Energie, die für jede Szene erforderlich ist. Amitta ist so überzogen dargestellt, das ist wundervoll! Ich würde sagen, dass das Schwierigste auch genau das ist: die Energie! Diese Partie fordert einem alles ab, obwohl die Rolle selbst gar nicht so groß ist.
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Zwei Frauen sind ja offensichtlich zu viel für einen Mann. Finden Sie, ein halber Mann ist zuwenig?
Amitta findet das auf jeden Fall, ja.
Sie sind doppelt besetzt und sicher privat völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Beeinflusst das die Herangehensweise an die Rolle?
Wir hatten und haben die Freiheit, ganz individuell an unsere Rolle heranzugehen, wenn es nötig ist.
Die Musik des „Sokrates“ wird ja hoch gelobt. Trotzdem: Muss man Barockmusik mögen, um diese Oper zu mögen?
Man muss keineswegs ein ausgesprochener Barockopern-Fan sein, um diese Oper zu mögen; sie ist sehr leicht und heiter. Ich hoffe also, dass die komischen Elemente, denen doch durchaus ernsthafte Themen zugrunde liegen, so klar herauskommen, dass unsere Zuschauer danach mit einem Lächeln auf den Lippen nach Hause gehen!
Robert Sellier
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Erzählen Sie ganz kurz, wovon die Oper „Der geduldige Sokrates“ handelt.
Nehmen wir an, jeder Mann müsste per Gesetz zwei Frauen heiraten… Sokrates macht es vor – er hat selbst zwei sehr temperamentvolle Frauen, die ihn und seine sprichwörtliche Geduld bis ins Letzte fordern. Neben seinem Hauptberuf als Betreiber einer Philosophenschule (seine Schüler sind noch nicht besonders fortgeschritten und eher mit irdischen Dingen beschäftigt) berät er noch den König Nicia bzw. dessen Sohn Melito, der mit dieser Doppel-Zwangs-Ehe zunächst völlig überfordert ist.
Erzählen Sie von Ihrer Partie.
Die Partie des Melito: Der überaus attraktive Prinz Melito hat mit Frauen noch keinerlei Erfahrung, aber großes Misstrauen. Und so wird die Aufgabe, zwei Frauen zu wählen, für ihn zur unlösbaren Qual. Seine Phobie löst sich sehr bald durch den direkten Körperkontakt zu beiden Frauen, und nun will er beide. Leider ist Platz eins aber schon von einer dritten besetzt… er muss sich also für eine der beiden entscheiden. Glücklicherweise hebt der Vater die erste Verlobung auf und Melito darf nun wirklich beide, die er will, heiraten. Doch wollen die zwei Frauen sich einen Mann teilen???
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Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation dieser Rolle?
Die Interpretation dieser Rolle entsteht während der sieben Wochen Probenzeit in ständigem Austausch mit dem Regisseur und dem Dirigenten und auch den direkten Partnerinnen auf der Bühne. Da es eigentlich keine Interpretationsvorlage gibt, habe ich natürlich große Freiheit – aber auch Verantwortung für die Rolle.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Partie? Was ist das Schwierigste an Ihrer Partie?
Melito hat vier herrliche und sehr unterschiedliche Arien, erstaunlicherweise alle in Moll. Moll war aber in der Entstehungszeit der Oper durchaus nicht nur mit Trauer oder Trübsal konnotiert, eher mit Empfindsamkeit, Weichheit, Sinnlichkeit. Die Schwierigkeit dieser Partie (eigentlich aller Partien) liegt in der Gestaltung der Rezitative, die sprachlich sehr anspruchsvoll und komplex sind, die rhythmisch aber fast immer dem gleichen Duktus folgen. Das Ganze lebendig zu gestalten, ohne dabei das Continuo abzuhängen, war die schwierigste Aufgabe.
Die Musik des „Sokrates“ wird ja hoch gelobt, es ist die Rede von „leichten Verweisen auf Mozart“ oder „klingt so, als hätte Bach Opern geschrieben“. Da drängt sich fast die Frage auf: Muss man Barockmusik mögen, um diese Oper zu mögen?
Telemanns Musik war zu seiner Zeit gefragter als die seines Kollegen J.S. Bach. Das bedeutet aber für uns Aus- und Aufführende, dass man sich ziemlich intensiv mit den Hörgewohnheiten der Zeit, den stilistischen Manieren, der historischen Aufführungspraxis auseinandersetzen muss, um dieser Musik gerecht zu werden. Denn Telemanns Musik ist viel stärker vom barocken Zeitgeist und der barocken Ästhetik abhängig als J.S. Bachs Musik, ist in diesem Sinne auch „barocker“ als Bach. Daher sollte man auch als Zuhörer seine barocken Hör-Erwartungen nicht an Bach orientieren (vor allem nicht an Aufnahmen vor 1980).
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Corinna Klimek am 28. Juni 2011 18:13 [singlepic id=978 template=caption w=277 h=384 float=left]
Frau Kunschke, vielen Dank, dass Sie uns ein Interview geben. Würden Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?
Ich habe an der Musikhochschule in Köln studiert. Zunächst Schulmusik und evangelische Religion auf Lehramt. Und kam dann zum Operngesang, weil mir das Singen im Studium sehr viel Spaß gemacht hat. Dann bin ich relativ bald in Gast-Engagements schon während meines Studiums gewesen, an der Oper Bonn und auch am Theater Hagen.
Das Theater hat mich dann nicht mehr losgelassen. Es macht einfach großen Spaß. Ich bin dann in mein erstes Festengagement nach Lübeck gegangen. Da war ich knapp vier Jahre. Dann war ich kurze Zeit in Augsburg, habe auch einen Fach-Wechsel gemacht, und konnte dann mit nach München ans Gärtnerplatztheater kommen. Und darüber freue ich mich ganz besonders.
Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Als Kind habe ich ganz unterschiedliche Musik gehört. Ich habe selber früher viel im Chor gesungen. Erst im Kinderchor in der Schule, später dann in A-cappella-Gruppen. Die Musik habe ich natürlich auch gerne zu Hause gehört. Ich habe später Querflöte gespielt und daher im klassischen Bereich mehr sinfonische Musik gehört.
Ansonsten waren ABBA und Boney M in der Grundschule so meine Gruppen. Später ganz viel Neue Deutsche Welle: Ideal, UKW, Nena, Spliff. Danach Sting, U2, die Stones oder Genesis, die höre ich heute noch sehr gerne. Aus dem Jazz Al Jarreau oder Diane Schuur, Lee Ritenour (E-Gitarre) oder Jamie Cullum. Ganz unterschiedliche Sachen: Gwen Stefani, Mary G Blidge aber auch mal Mariza, die Fadosängerin. Das heißt, privat höre ich als Ausgleich sehr wenig Opernmusik.
Machen Sie auch noch andere Musik außer Oper bzw. klassischer Musik?
Früher habe ich im Studium in mehreren A-cappella-Gruppen gesungen, zum Beispiel Jazz-Standards mehrstimmig oder auch Stücke im Unterhaltungsbereich. Jetzt im Augenblick bin ich schon eher auf die Oper konzentriert. Innerhalb dieses Bereiches glaube ich, dass ich sehr flexibel bin. Durch mein Schulmusikstudium, in dem ich auch Blockflöte als Hauptfach hatte, mache ich sehr gerne häufig Alte und auch Neue Musik.
Sie haben schon erwähnt, Sie haben Querflöte gespielt – spielen Sie noch andere Instrumente?
Wir müssen alle im Studium Klavier als Nebenfach nehmen. Das habe ich dann auch gehabt. Blockflöte war in der Schulmusik mein Hauptfach. Gesang war ursprünglich mein Pflichtfach. Da bin ich erst im Laufe des Studiums draufgekommen, als ich für meinen Pflichtfachabschluß an einem Kurs der Hauptfächler teilnehmen durfte. Blockflöte habe ich später als Instrument innerhalb der Instrumentalpädagogik studiert. Das Fach Blockflöte habe ich dann auch –neben dem Fach Gesang- an Musikschulen unterrichtet und war öfter Mitglied der Jury für Jugend musiziert.
Haben Sie das absolute Gehör?
Nein, habe ich nicht. Aber ich fühle beim Singen mittlerweile die Tonhöhen relativ genau.
In welchen Sprachen singen Sie, und welche Sprachen sprechen Sie?
Ich verstehe verschiedene deutsche Dialekte, aber ich spreche sie nicht: Kölsch, westdeutsches Platt, was sehr an das Niederländische erinnert. Dann natürlich Englisch und Französisch. Französisch spreche ich auch sehr gerne. Man singt natürlich Italienisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch (einige Lieder habe ich auf Spanisch gesungen). Auch Schwedisch, in bestimmten Liedern von Grieg. Aber ich würde jetzt nicht behaupten, dass ich diese Sprachen spreche. Da muss man sich sehr gut coachen lassen, damit man das singen kann und ganz genau weiß, welches Wort welche Bedeutung oder was für ein Bild vermittelt.
Welche Vorbilder haben Sie, musikalisch oder auch szenisch?
Schwierig zu sagen. Über viele Jahre war Barbara Bonney mein ganz großes Vorbild. Die berührt mich als Sophie und Pamina. Lucia Popp ist es aktuell immer wieder. Und in der Popmusik bin ich fasziniert von dem Phänomen Michael Jackson: Wie ein Mensch in so einer Perfektion existieren kann auf der Bühne und sich so ausschließlich als Mensch dahingeben kann. Das ist schon sehr extrem, und das gibt einem vielleicht auch zu denken. Das finde ich unglaublich. Es hat aber gleichzeitig eine ganz große Gefahr als private Person den Boden unter den Füßen zu verlieren, wenn man sich so ausschließlich und extrem hingibt. Aber das finde ich schon faszinierend. Im klassischen Bereich sind es immer wieder ganz unterschiedliche Vorbilder. Ich bin ein Fan der Sopranistin Anja Harteros. Es gibt so viele. Das wechselt immer mal je nach Partie.
Hatten Sie schon internationale Auftritte?
Ich war schon mit einigen Chören im Ausland unterwegs und habe viele Oratorien gesungen. In Moskau habe ich im Tschaikowski-Konservatorium gesungen. Im Tschaikowsky-Saal das Brahms-Requiem. Wir waren in Belgien mit einer Gruppe. In Brüssel mit Alter Musik, über das Goethe-Institut. Ich war schon in England, in Spanien, in der Schweiz, in Schweden, in Italien, mit Orchestern und mit Kammermusik, aber auch mit Oratorienkonzerten. In Sachen Oper war ich schon in Holland unterwegs.
Würden Sie sagen, Sie haben eine 38-Stunden-Woche?
Das kann man bei uns ganz schwierig umrechnen. Was den Kopf betrifft, sind es viel, viel mehr Stunden, von der Art und Weise her, sich damit zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Wenn man jetzt nur die Zeit nimmt, in der ich dort stehe und probe, sind es manchmal weniger, manchmal aber auch mehr. Das variiert sehr stark. Wenn ich jetzt z.B. für ein Projekt sehe, wie viel Zeit ich zum Beispiel an Unterricht investiere – denn ich nehme ja immer noch begleitend Gesangsunterricht oder Korrepetitionen für eine Partie, die vielleicht im kommenden Jahr auf mich zukommt – dann sind es mehr Stunden. Das wäre mal eine interessante Sache auszurechnen, wie viel Mehrarbeit ich da investiert habe. Sicher, wenn das Theater aus seiner Sicht die Stunden errechnet, die ich hier stehe, würde ich sagen: das schwankt. Es gibt sicher Tage, wo ich morgens aufstehe und schon vor dem Frühstück darüber nachdenke, wie ich mich ernähre, weil wir gleich Probe haben. Dann habe ich eine Mittagspause von vielleicht zwei bis drei Stunden, und danach gibt es schon wieder den Maskentermin, weil abends eine Klavierhauptprobe ist. Die geht dann vielleicht bis 23 Uhr. Das kann passieren, aber es gibt eben auch Tage, wo man nur etwas musikalisch vorbereiten muss.
Gibt es Komplikationen, die sich aus dem besonderen Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben?
Es gibt schon Abspracheprobleme, sicher. Wenn man gerne etwas regelmäßig machen möchte -einen Tanzkurs oder eine Sportart- wird es schon schwierig, das zu organisieren, weil unser Tagesplan immer erst einen Tag vorher bis 14 Uhr bekannt gegeben wird. Das heißt, ich kann nicht sagen, ob ich in einer Woche am Dienstag wirklich irgendwo hingehen kann. Das ist ein Problem. Aber es gibt im Laufe der Zeit schon Spielräume. Man kennt sich ja innerhalb des Ensembles, und dann kann man auch mal etwas absprechen. Ich kann nicht im Voraus sagen, ob ich jetzt zum Geburtstag meiner Eltern ins Rheinland fahren kann. Das ist manchmal wirklich schwierig.
Was tut Ihrer Stimme gut, und was verträgt sie überhaupt nicht?
Das richtige Maß zwischen Einsatz und auch wieder Ruhe, das tut ihr gut. Was tut meiner Stimme nicht gut? Schreien vielleicht nicht unbedingt. Es sei denn, es ist wirklich gestützt und einmal, dann kann man das vertragen. Was verträgt meine Stimme nicht? Ja, Zugluft. Lebensmittel? Nein. Ich würde jetzt nicht direkt vor dem Singen Nüsse oder Eis essen. Aber es ist auch keine Katastrophe. Ich würde sagen, das Wesentlichste für die Stimme ist Wasser und Schlaf. Das ist das Beste.
Für so eine Aufführung braucht man ja auch Kondition. Was tun Sie dafür?
Man muss schon gucken, dass man sich eine gewisse Flexibilität erhält. Das heißt, Sport schadet nicht. Einfach immer wieder für eine gute körperliche Disposition zu sorgen, also sich auch immer mal wieder entspannen, wenn man Stress hat. Einfach mal in die Badewanne legen oder sich massieren lassen. Das wäre eigentlich für mein Traum-Opernhaus eine echte Investition: ein Fitness-Studio oder einen Masseur am Haus zu haben. Wir sind Hochleistungssportler bezogen auf unser Stimmorgan, die Halsmuskulatur und die Arbeit mit dem ganzen Körper.
Wie diszipliniert muss ein Sänger leben?
Schon sehr diszipliniert. Also, man muss sich wirklich auf jede Probe sehr unterschiedlich einstellen. Einrechnen, wie viel Zeit man braucht, um sich einzusingen. Die Woche auch im Voraus sehen. Was kommt noch auf mich zu. Singe ich wirklich in der Probe aus, oder was habe ich für Vorstellungen in der Woche. Das heißt, man muss wirklich ein bisschen vorausschauend sein. Mit seinen Energien und auch mit seiner Planung.
Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?
Ich lese mir als erstes einmal den Klavierauszug durch. Richtig wie ein Theaterstück oder einen Roman. Und sehe erst mal, was mir das sagt. (lacht) Dann lese ich etwas darüber und versuche, mich in Form von verschiedenen Medien zu informieren. Dann fange ich an mit Proben. Erst alleine, dann entweder mit dem Korrepetitor oder ich gehe zum Unterricht zu meiner Lehrerin. Dann habe ich zu einem viel späteren Zeitpunkt – meistens Monate später- die erste Korrepetition im Haus. Vielleicht auch eine Probe mit dem Dirigenten, der mir sagt, was er sich ganz konkret musikalisch vorstellt. Dann gehen irgendwann die szenischen Proben los.
Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?
Das Beste ist, nach einer Vorstellung ins direkte Gespräch mit Zuschauern zu kommen. Denn es ist ein Luxus, wenn man so ein direktes Feedback zu seiner Arbeit bekommt. In diesem Zusammenhang ist natürlich der Applaus das Tollste. Wenn man den Austausch zwischen Publikum und Bühne spürt oder jemand sagt, dass ihn etwas berührt hat, freut mich das. Es ist ein Luxus, den ein anderer Beruf leider nicht hat. Ich kann ja dem Bäcker um die Ecke leider nicht für sein leckeres Brot applaudieren. Aber das Tollste sind einzelne Momente, die man auf der Bühne hat, wo man denkt: Ah, jetzt bin ich mit der Rolle verschmolzen, oder es macht besonderen Spaß zu singen. Das ist so ähnlich wie beim Sport – wie so eine Art Flow. Das stellt sich nicht immer ein, aber den gibt es. Und das ist etwas ganz Tolles, ein erhebendes, zeitloses, unerklärbares Gefühl. Da hinzukommen ist aber manchmal auch das Nervigste, weil es ein nicht ganz einfacher Weg ist. Aber das nimmt man dann auch in Kauf.
Was wären Sie in einem anderen Leben geworden?
Tierärztin war ein Berufswunsch von mir bis ich achtzehn war. Ich finde, es gibt sehr viele Dinge, die Spaß machen können. Ich unterrichte sehr gerne. Also zum Beispiel Gesangslehrerin. Da sind wir wieder beim Gesang. Ich lerne gerne andere Kulturen kennen. Vielleicht Reiseführerin. Eine Reisende.
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Erzählen Sie uns bitte von Ihrer Partie in der aktuellen Produktion „Der geduldige Sokrates“.
Meine Partie ist die der Rodisette. Sie hat einen Gegenpart, die Edronica. Wir sind beide athenische Prinzessinnen und beide verliebt in den Prinzen Melito. Wir kämpfen beide um die Gunst dieses Prinzen. Ich bin die Zurückhaltende, Schüchterne, die am Anfang nicht so richtig weiß, wie man ein männliches Wesen erobert. Edronica ist da schon etwas forscher. Ich komme erst im Laufe der Geschichte darauf, während ich Edronica sehe mit ihren Tricks und Maschen. Und ich lerne im Verlauf des Stücks, mir auch ein paar Tricks einfallen zu lassen, um ihn zu gewinnen. Rodisette ist auf jeden Fall eine sehr empfindsame Frau. Sie spielt nicht mit Gefühlen, sondern sie ist eher ein ernsthafterer Typ. Edronica spielt ein bisschen mehr mit den Männern und setzt Mittel ein, um sie zu gewinnen. Man kann sie schnell wieder überzeugen, vielleicht auch jemand anderes zu lieben. Das ist bei mir in der Rolle als Rodisette nicht möglich, bei mir ist es klar: Ich liebe den einen, und ich setze mich für den einen ein, um die Liebe des Lebens zu gewinnen. Ich will auf keinen Fall eine von zwei Frauen sein. Es war im alten Griechenland sehr oft der Fall, dass man zwei Frauen hatte. Und es wird in dem Stück auch diskutiert mit Sokrates, ob es vielleicht eine Möglichkeit ist, dass man zwei Frauen hat. Es gab auch Griechen, die noch Knaben zu Hause hatten neben ihrer Ehefrau. Sokrates beschließt im Lauf der Geschichte: Nein, zwei Frauen soll es nicht geben. Das ist etwas, was Rodisette entspricht, wo sie sich treu bleibt und sagt: Ich will wirklich alleine diesen Mann haben. Das ist der Hauptkernpunkt dieses Stücks – für mich als Rodisette.
Ist das Frauenbild, das in dieser Oper vermittelt wird, heute noch zeitgemäß?
Nein, das glaube ich nicht. Das antike Griechenland hatte ja ganz andere Vorstellungen davon, was Frauen so machen und wie viele Frauen jemand hat. Nein, nein. Die gegenwärtige Gesellschaftsordnung hat sich zumindest offiziell geändert, aber sie ist auch aus ihr entstanden.
Kann man als emanzipierte Frau trotzdem Spaß an dieser Oper haben?
Ja. (lacht) Kann man. Sicher. Mit einem Augenzwinkern kann man das, und man lernt dabei auch sehr viel.
Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation der Rolle?
Ich denke, es muss schon am Klavierauszug, an der Musik oder am Text bleiben. Wenn man den Text genau kennt und gelesen hat, ist eigentlich klar im Klavierauszug vorgegeben, dass ich die Rolle jetzt nicht völlig anders interpretieren kann. Den Rest kann man schon ein bisschen mit beeinflussen. Ob Rodisette immer nur dieser weiche Typ bleibt oder ob sie vielleicht zwischendurch mal bissig wird oder etwas angriffslustiger, da kann man noch differenzieren. Ich denke, das werden die Besetzungen ganz unterschiedlich angehen. Das kann man beeinflussen, aber immer in Absprache mit der Regie, damit man es nicht überzeichnet, sondern das Ganze immer noch im Sinne der Regie gestaltet.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Partie, und was ist das Schwierigste daran?
Was mir sehr gut gefällt ist, dass Rodisette ihren Prinzipien treu bleibt, dass sie da ehrlich bleibt. Selbst, wenn sie sich zwischendurch auf dieses Gezanke mit Edronica einläßt. Das finde ich einen sympathischen Zug, zu sagen: Nein, ich will den, den ich liebe, nicht teilen. Das finde ich schon toll in dieser griechischen Gesellschaft. Gleichzeitig ist es das darstellerische Problem, dass die Figur da nicht zu einseitig rüberkommt. Aber ich hoffe doch, dass es gelingt, das Ganze lebendig zu halten.
Haben Sie noch eine Wunschpartie, die Sie noch nicht gesungen haben?
Meine Wunschpartien darf ich in der nächsten Spielzeit singen. Einmal Marie in der „Verkauften Braut“. Da gibt es jetzt schon Vorproben für dieses erste Projekt in der nächsten Spielzeit. Das macht unheimlichen Spass. Es ist einfach so schön, in der Musik zu baden und schöne Linien zu singen. Eine andere Traumpartie ist auch die Agathe im „Freischütz“. Das kommt dann Ende des Jahres. Darauf freue ich mich sehr. Pamina in der „Zauberflöte“ bleibt es weiterhin. Es gibt schon Traumpartien, mit denen ich mich erst noch auseinandersetze und überlege, was dann als Nächstes kommen könnte. Es würde mir schon Spass machen, in die Operette ein bisschen weiter hineinzuwachsen. Ich würde auch gerne die Gräfin im „Figaro“ singen, zum Beispiel. Die Micaela mal auf Französisch zu singen, das wäre auch ein Traum. Oder mal eine Rusalka, das fände ich auch toll.
Ist es nicht schwierig, in zwei Neuproduktionen gleichzeitig zu stecken, wenn jetzt die ersten Proben für die „Verkaufte Braut“ schon beginnen?
Ja. Das ist schon ein extremer Unterschied, stilistisch und auch stimmlich. Telemann muss ich ganz schlank singen und sehr kopfig. Viele Verzierungen mit einbauen, was mir auch großen Spass macht. Aber das geht halt nur, wenn man die Stimme ganz schlank führt. Bei der „Braut“ ist wieder mehr gefragt, dass man schöne, große, weiche Bögen singt, wo man den ganzen Stimm-Muskel ausfährt, aber natürlich auch immer schlank führt dabei. Aber da muss man schon körperlich ein bisschen anders ran und einfach andere Phrasen gestalten. Das sind schon sehr extreme Unterschiede, Smetana und Telemann. Da muss man sehr flexibel arbeiten.
Sie haben schon die Marie und die Agathe erwähnt. Gibt es weitere neue Partien in der nächsten Spielzeit (2011/2012)?
Ja, es gibt noch das Füchslein Schlaukopf in „Das schlaue Füchslein“ von Janácek. Darauf freue ich mich sehr. Das ist dann musikalisch wieder etwas völlig anderes. Die Partie kenne ich noch nicht, da werde ich mich in der Sommerpause einarbeiten. Ja, und dann bleibt es weiterhin bei Rodisette und Pamina. Das sind meine Partien für die nächste Spielzeit.
Dann vielen Dank für dieses Gespräch!
Danke auch, es hat Spaß gemacht.
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Corinna Klimek am 27. Juni 2011 20:54 [singlepic id=977 template=caption w= h= float=left]
Herr Andresen, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, in der letzten heißen Probephase ein Interview zu geben. Würden Sie uns als erstes etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?
Ich habe, wie das so ist, relativ früh mit Klavierspielen angefangen, mit sieben Jahren. Danach kam noch Querflöte und Trompete dazu, im evangelischen Posaunenchor. Nach der Schule dann das Musikstudium in Dresden, erst für Schulmusik und dann für Chorleitung. Später noch das Zusatzfach Cembalo in Amsterdam, und eben auch der Kapellmeister-Abschluss, d.h. ich habe Dirigieren studiert.
Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Frederik Vahle, glaube ich? Ich weiß es nicht mehr. Alles mögliche. Sehr wenig Klassik, eigentlich.
Haben Sie das absolute Gehör?
Nein.
Sie sind unter anderem spezialisiert auf Barockopern. Was unterscheidet eine Barockoper von anderen Opern, die derzeit am Staatstheater am Gärtnerplatz gespielt werden?
Neben der Entstehungszeit natürlich und den ganzen spezifischen Eigenheiten wie Instrumentierung oder die Art der Spielweise oder auch die Art der Komposition jetzt im einzelnen ist vor allen Dingen der größte Unterschied, dass die Hörgewohnheit sich sehr geändert hat. Im Barock konnte eine Oper ein Spektakel von sechs oder sieben Stunden sein. Das Publikum kam und ging wie es wollte, es wurde gegessen, es war eigentlich eine Party mit Musik dabei. Manchmal waren die Geschichten so spannend, dass die Leute zugehört haben und die Sänger konnten so brillieren. Aber das Werk als geschlossene Einheit, die von Anfang bis Ende zu rezipieren ist, das ist doch eine Idee, die erst sehr viel später in der Klassik aufgekommen ist. Daneben gibt es natürlich unheimlich viele Unterschiede: Das Orchester ist sehr viel kleiner aber spezialisierter, mit Instrumenten, die heute nicht mehr gang und gäbe sind. Wenn ich jetzt anfange mit Lauten oder mit Theorbe oder Dulzian oder Zink, jede Zeit hat dazu ihr eigenes Instrumentarium. Wir können schon sagen, dass früher das Instrumentarium sehr viel farbiger war als heute das Kanonisierte, was wir haben im Orchester, mit dem normalen Bläsersatz und den Streichern.
Werden hier bei der Aufführung dann auch historische Instrumente eingesetzt?
Zum Teil. Das Orchester am Gärtnerplatz spielt auf seinen normalen Instrumenten, allerdings auf eine Art, die ich mal als „historisch informiert“ bezeichnen würde. Das heißt, wir kennen die Quellenlage ganz gut, wir wissen auch, wie Tempi in der Zeit genommen worden sind, wir wissen auch, wie Artikulation gespielt worden ist, ob Sachen kurz oder lang gespielt worden sind; wir können auch ziemlich genau sagen, wie die Besetzungen gewesen sind. Ganz einfaches Beispiel: Wenn zwei Oboen spielen, dann weiß man: Im Continuo spielt nicht das Cello oder der Kontrabass, sondern das Fagott. Es gibt also bestimmte Regeln, die aufgeschrieben worden sind. Das hat man lange Jahre ignoriert. Die historische Aufführungspraxis hat sich dieser Sachen angenommen und hat es wieder ins Leben gerufen. Was wir an historischen Instrumenten haben, ist natürlich der Arciliuto oder die Theorbe, ein Lauteninstrument, für das Continuo. Wir haben zwei historische Cembali, Nachbauten natürlich, weil die meisten Instrumente aus der Zeit heute kaum noch spielbar sind, oder unbezahlbar, oder beides sind. Wir benutzen auch eine Orgel im Orchestergraben, das sind so die historischen Instrumente. Es ist auch eine Blockflöte dabei, die ebenfalls nicht zum normalen Orchesterbetrieb gehört.
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Das Barock-Orchester – wird das in diesem Haus wirken?
Wir machen Folgendes: Wir fahren den Orchestergraben aus der tieferen Position in der er sich unter die Bühne erweitert, um ein größeres Orchester einzupassen, auf Saal-Niveau. Das heißt, dieses Orchester sitzt einen Meter höher. Dadurch ist der Graben zwar kleiner, aber das reicht uns für die relativ kleine Besetzung, die wir benutzen. Das Orchester klingt sehr viel präsenter, aber die Sänger sind auch besser zu hören. Die ganze Akustik dieses Hauses, oder der meisten Opernhäuser, die so gestaltet sind, ist eigentlich schon darauf abgestimmt, dass das Orchester hochgefahren ist. Das Orchester ist ja sonst immer ein akustisches Problem – häufig, dass es dann einfach zu laut ist für die Bühne. Diese Probleme haben wir in dieser Inszenierung – das kann ich jetzt nach der ersten Probe sagen – überhaupt nicht.
Mussten Sie musikalische Kompromisse eingehen?
Das muss man so sagen: Oper oder jede Art von Schauspielmusik sind ohne Frage immer ein musikalischer Kompromiss. Das reine Konzert erlaubt selbstverständlich andere Dinge. Auf der einen Seite birgt natürlich auch der Kompromiss der Oper Möglichkeiten – dadurch, dass zum Beispiel ein Sänger bestimmte Sachen im Rezitativ langsam oder schnell macht, wo man vielleicht als Dirigent sagen würde: Das möchte ich jetzt aber doch anders haben. Aber es gibt Sachen, die gehen einfach nicht, weil es die Szene nicht so zulässt. Oder bestimmte Tempi sind zum Teil nicht möglich, weil die Entfernung so groß ist, dass man jetzt nicht hyper-schnell spielen kann an Stellen, die man vielleicht gerne rasant hätte. Auf der anderen Seite bringt ja natürlich das gerade wiederum auch Lebendigkeit in die Musik hinein. So eine aussermusikalische Idee wie eine Szene oder eine dramatische Entwicklung, die jetzt nicht originär musikalisch gedacht ist, in die Musik einzuführen, bringt natürlich auch einen Farbenreichtum in die Spielart und in die Musik. Das heißt, es ist ein Kompromiss, aber man gewinnt auch etwas dabei.
Die Oper „Der geduldige Sokrates“ dauert im Original über vier Stunden – muss der Zuschauer viel Sitzfleisch mitbringen?
Vier Stunden ist ohne Pause gerechnet, im Original, ne? (lacht) Das ist die reine Spiellänge, wir haben natürlich das auch unseren Hörgewohnheiten angepasst. Die Länge von vier Stunden entsteht daraus, dass man zwischendurch hinausgegangen ist früher und sich noch ein Bier geholt hat oder so. Mit vier Stunden wärst du auch nicht hingekommen seinerzeit. Es hat ja noch Ballett-Einlagen gegeben und so was. Wir haben das einigermaßen verschlankt, wir haben versucht, der Regisseur Axel Köhler und ich, Handlungsstränge zu glätten, dass wir einfach die Geschichten, die so wie in einer Soap-Opera sich episodenhaft nebenher entwickeln einfach stringenter erzählen können. Dem ist dann einiges an Musik zum Opfer gefallen, aber da muss man tatsächlich sagen, dass mir um jede einzelne Arie das Herz blutet. Ich wollte aber auch nicht mit dem Rasenmäher darübergehen und jede Arie ein bisschen kürzen, wie das häufig gemacht wird, dass man überhaupt keine Da-Capos mehr spielt (d.h. eine Wiederholung des ersten Teils einer Arie), das schafft dann eine sehr große Kurzatmigkeit bei den relativ kurzen Formen, die wir haben. Die Arien haben alle eine Länge von drei bis fünf Minuten. Wir haben uns dann einfach dafür entschieden, richtige Schnitte zu setzen und bestimmte Szenen einfach auch herauszuschneiden, und ich hoffe, dass es funktioniert. Wir werden wahrscheinlich 3:15 Stunden brauchen, mit Pause.
Auf der Internet-Seite des Gärtnerplatztheaters heißt es, „Der geduldige Sokrates“ sei „ein bahnbrechendes Werk für die Entwicklung der deutschen komischen Oper“. Können Sie das etwas näher erläutern?
Es gab seinerzeit, als die Ur-Oper uraufgeführt wurde, 1721 in Hamburg, so eine Bewegung, wo sich eine Art Spieloper entwickelt hat, aus der Opera Seria, die die dominierende Form war, mit großen Da-Capo-Arien, mit einer Handlung, die keine Handlung war, wie man es um 1700 auch bei Vivaldi noch viel findet, wo eigentlich keine wirkliche dramatische Entwicklung stattfindet. Gerade in Hamburg in dieser Oper am Gänsemarkt, die Telemann 1721 auch als Musikdirektor dann übernommen hat, hat sich dann eine Form entwickelt, wo italienische Arien, auch viel Sentimentales zu hören war, aber das Ganze eingepackt in eine deutsche Handlung, und der Sokrates war da eine der ersten Opern. Zwar jetzt nicht unbedingt die erste Oper, aber so wie es bei Telemann ist – das ist ein unfassbar genialer Komponist, der mit sehr, sehr leichter Hand ein breitestes Spektrum an Klangfarben, an musikalischen Einflüssen in diese Oper einfließen lässt. Von daher macht es schon einen großen Effekt, diese Oper zu spielen. In der Zeit waren ja verschiedene musikalische Strömungen präsent. Es gab den französischen Stil, es gab den italienischen Stil, es gab auch den so genannten deutschen Stil. Es findet sich eigentlich ein bisschen was von allem darin, und das Ganze verbunden durch eine sehr interessante Art der Rezitativbehandlung, die sehr lyrisch ist auf eine Art, aber trotzdem auch viel Rasanz und Tempo darbietet. Und man muss natürlich sagen, dass Telemann ein ganz großer Humorist ist. Er hat einen unwahrscheinlichen Spaß an kleinen Effekten, die sich vielleicht dem Hörer nicht unbedingt erschließen, aber wie er Charaktere anlegt in ihren Arien, auch lustige Charaktere, ist absolut bemerkenswert. Von daher ist es schon ein bahnbrechendes Werk, denn das Prinzip „Komische Oper“, also ein Lustspiel in eigentlich eine Opera-Seria-Form zu bauen, das ist eine relativ neue Idee der Zeit, ja.
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Zu Lebzeiten war Telemann ein berühmter und äußerst erfolgreicher Komponist. In der heutigen Zeit wird er vergleichsweise selten aufgeführt. Können Sie sich das erklären?
Der gängige Vorwurf ist immer, Telemann war ein Vielschreiber, das stimmt; er hat wahnsinnig viel geschrieben, aber er hat auch sehr lange gelebt. Niemand würde auf die Idee kommen, Mozart als Vielschreiber zu bezeichnen. Natürlich hat Mozart unwahrscheinlich viel geschrieben, aber durch das vorzeitige Ableben konzentriert sich das Werk auf bestimmte Highlights. Bei Telemann hat man eine unfassbare Fülle von zahllosen Werken, die bis jetzt noch gar nicht editiert vorliegen, das heißt, die können gar nicht aufgeführt werden, oder man müsste dann noch sehr viel Forschung betreiben. Mir geht es immer so: Jede Nummer von Telemann, die ich aufschlage, begeistert mich. Ich habe bis jetzt wirklich noch kein einziges Stuück gesehen, was man so als Gebrauchsmusik oder Füll-Musik bezeichnen würde. Und das gilt für den Sokrates in ganz besonderem Maße. Die Barockmusik verschwand ja aus dem öffentlichen Bewusstsein eigentlich so nach 1750. Da wurde halt ein anderer Stil gepflegt, es war nicht mehr modern, da hat man es vergessen. Erst Mendelssohn hat ja mit dieser berühmten Matthäus-Passion-Aufführung eine Renaissance der Barockmusik angeregt, aber natürlich auf Bach konzentriert. Es hat sich interessanterweise in Deutschland die Forschung erst auf Bach und dann auf Schütz gestürzt und hat diese beiden Komponisten auf ein Podest gehoben, auf das sie zweifellos gehören – nur im direkten Vergleich und ohne genauere Kenntnis der ganzen musikgeschichtlichen Umgebung in der Zeit kann man eigentlich die Bedeutung von Telemann gar nicht einschätzen, vor allem, wenn man sein Werk nicht kennt oder nur sehr stümperhaft aufgeführt sieht. Jetzt ist es so: Wir sind ja heute im riesigen Vorteil, dass wir mittlerweile wieder sehr kompetent so eine Musik historisch informiert spielen können, oder wir wissen über viele Sachen Bescheid, und plötzlich wird Musik lebendig, die vorher vielleicht mit dem herkömmlichen Sinfonieorchester gespielt oder mit Klavier statt Cembalo oder so vielleicht leblos daherkommt und die Farbigkeit der Musik dadurch gar nicht so präsent ist, wie das eigentlich seinerzeit gemeint war. Von daher steht Telemann immer so ein bisschen kurz vor der großen Renaissance, aber ob es dazu kommt, das weiß ich nicht. Es kann auch sein, dass die große Welle der Barockmusik so langsam abebbt, aber ich finde es sehr, sehr spannend. Ich muss sagen, jede Nummer von Telemann, die ich entdecke, finde ich brillant.
Glauben Sie, dass diese Inszenierung ein Revival auslösen könnte?
(Lacht) Das kann ich jetzt nicht sagen. Es ist so: Die Arbeit an dem Werk macht dem Regisseur und mir unfassbar viel Spaß, und auch den Sängern, dem Orchester. Es wird mit viel Leidenschaft gearbeitet, es ist wirklich ein intensives Ringen um dieses Werk. Wir genießen es sehr, das Stück mal zu machen, und das ist natürlich schon mal etwas, wo man als Interpret erst mal ganz dankbar ist, dass man so etwas mit diesem herrlichen Sängerensemble hier anfassen darf und mit dem tollen Chor, den wir hier haben. Auch mit dem Regisseur natürlich einen Riesen-Glücksfall haben, dass der so kompetent in der Barockmusik steht, da er ja selber ein weltberühmter Interpret ist.
Nachdem Regisseur Axel Köhler ja auch ein Barock-Experte ist: Macht das die Zusammenarbeit einfacher oder komplizierter?
Nein, das macht es natürlich unfassbar viel einfacher. Wir sprechen eine Sprache. Ich muss Axel nicht erklären, warum ich jetzt im Continuo statt des Cembalos mal nur die Laute spielen lasse oder so was. Das sind Sachen, die erklären sich von selber. Auch die Art, wie Rezitative gesungen werden, sind wir uns ganz einig gewesen. Auch die Art, wie Tempi gefunden werden. Man muss sich das ein bisschen vorstellen wie eine ganz große Baustelle, wo man erst mal gucken muss: Ich habe einen Haufen Bausteine, und die müssen jetzt alle zusammengefügt werden, damit ich ein harmonisches Ganzes habe. Wenn da Dirigent und Regisseur nicht zusammenarbeiten, kann das im besten Fall irgendwie funktionieren, aber richtig toll wird es halt nicht. Es ist nicht so, dass wir uns in allem hundertprozentig einig sind, aber da ist auch ein großer Respekt voreinander. Mir persönlich macht es Riesen-Spaß, mit Axel zu arbeiten.
Warum, glauben Sie, hat Telemann den Sokrates als Hauptfigur gewählt? Griechische Philosophie ist ja nicht wirklich ein Opernthema.
In der Barockzeit waren antike Themen natürlich schon beliebt. Für das belesene Bürgertum war Sokrates, wie beispielsweise der Trojanische Krieg, die Ilias, der griechische Pantheon, wie viele andere Sachen aus der Zeit, selbstverständlich bekannt und präsent. Die Kernhandlung, der Streit zwischen den beiden Frauen von Sokrates, der dort so für viel Stimmung sorgt, das ist tatsächlich auch in der Zeit schon kolportiert gewesen, und das war allgemeines Wissen. Der Bürger, der da in die Oper ging, der wusste schon, wer Plato war, Xenophon, Alkibiades, Aristophanes, die waren bekannt. Letztendlich ist es natürlich so: Wie heute einfach eine Oper in eine alltägliche Situation hineingeschrieben werden könnte – wie bei „Cavalleria Rusticana“, wie das Leben von einfachen Menschen beschrieben wird, oder ein Konflikt in einem einfachen Milieu oder im alltäglichen Milieu – das war zu der Zeit undenkbar. Es gab diese antiken Themen, aber die handelnden Figuren sind dann immer Adelige, Prinzen oder eben hochstehende Philosophen wie der Sokrates. Dieser Vergleich mit der Soap Opera, was ich gerade gesagt habe, so dieses Verbotene-Liebe-Prinzip. Letztendlich ist der Konflikt total alltäglicher Kram, was da abgehandelt wird. Es geht um Positionsfindung in einem Machtgefüge, es geht um Familienstreitigkeiten, um Eifersucht, um Entscheidungsarmut, eigentlich um ganz normale Dinge. Das, was uns jeden Tag beschäftigt. Wie werden wir wertgeschätzt, was ist mit Respekt voreinander, und so weiter und so fort. Wo ist meine Position in der Hierarchie, solche Fragen. Da spielt viel hinein, was ganz alltäglich ist: Liebe, Eifersucht, da ist alles drin. Nur eben in einem Milieu, das aber im Grunde genommen mehr der Vorwand ist für schöne Kostüme und schöne Musik.
Muss man sich vorbereiten vor dem Besuch des Opernabends?
Ich hoffe, dass man mit dem offenen Ohr den Abend genießen kann. Ich glaube nicht, dass es „wehtut“, sich vorher mal die Handlung durchzulesen. Wobei die Art, wie Axel Theater erzählt, glaube ich, sich schon sehr gut selber erzählt, so dass es einfach sehr sinnfällig ist. Ich hoffe, dass die Sänger bzw. dass wir so textverständlich arbeiten, dass man das unmittelbar auch genießen kann. Vorbereitung schadet ja nie für einen Opernbesuch, aber – ach Gott, nö. Glaube ich nicht.
Muss man Barockmusik mögen, um Spaß zu haben an dem Abend?
Wenn man jemals im Kirchenchor mal eine Bach-Kantate gesungen hat oder mal in der Johannes-Passion war oder Matthäus-Passion, oder man hört die Eurovisions-Hymne, was weiß ich, Barockmusik ist ja präsent wie nix. Vivaldi, Vier Jahreszeiten, das ist der Stil, den wir spielen. Das ist eigentlich genau der Stil. Wir versuchen auch, es mit italienischem Aplomb anzugehen, das Ganze, und der Sache ein bisschen Wucht zu verleihen. Es ist überhaupt nichts Spezialisiertes. Wir versuchen natürlich, spezialisiert zu spielen, aber wir spielen so, dass die Musik verständlich wird. Das ist das Ziel. Es ist immer so eine Kategorisierung, wo man sagt, also, hier, schön, Romantik, Puccini oder Verdi, oder auch Mozart oder Beethoven oder so, das ist schön, da gehe ich hin, da kann ich unmittelbar genießen. Auf der anderen Seite, wenn Neue Musik darauf steht, oder eine Uraufführung oder spezialisierte Barockmusik, irgendwie weckt das Ängste, obwohl ich das gar nicht verstehe. Es geht ja einfach darum, dass man diese Musik schön spielt und das es Spaß macht. Das passiert von selber, eigentlich.
Haben Sie noch ein Wunsch-Werk, das Sie gerne einmal dirigieren würden?
Es gibt Werke, die ich schon dirigiert habe, die ich unbedingt noch einmal machen möchte, mit anderen Möglichkeiten. Die h-Moll-Messe möchte ich unbedingt noch einmal machen. In der Oper gibt es viele Werke, die ich noch nicht dirigiert habe, wo ich mich einfach überraschen lasse, was noch so kommt in meinem Leben. Nein, kann ich eigentlich nicht sagen. Für mich ist es so: Jedes neue Werk, das ich anfange, vielleicht noch idealerweise eines, das ich noch nicht mal gehört habe oder so was, schafft für mich die Möglichkeit, auch eine sehr eigene Sprache zu finden für die Interpretation. Das ist etwas, was ich sehr reizvoll finde. Deswegen ist so ein unbekanntes Werk, oder auch eine Uraufführung, für mich immer eine schöne Sache.
Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Spielzeit 2011/2012 geben, was werden Sie da machen?
Wir spielen den Sokrates wieder, und der Chor hat einigermaßen anspruchsvolle Aufgaben – und was weiter passiert, weiß ich jetzt noch gar nicht so genau. Da müssen wir uns überraschen lassen.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch!
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