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Interview mit Wolfgang Schwaninger

[singlepic id=1139 w=240 h=320 float=left]Sehr geehrter Herr Schwaninger, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview. Würden Sie uns als erstes etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Ja. Ich bin ja mittlerweile – ich glaube 16 – oder sogar im 17. Jahr jetzt in meiner beruflichen Tätigkeit. Seit fünf Jahren bin ich nunmehr freischaffend, das heißt, innerhalb und außerhalb Deutschlands viel unterwegs. Ich habe vor fünf Jahren diesen Fachwechsel vollzogen und habe seither im Bereich Wagner etliches gesungen. Das ist also auch mein Schwerpunkt: Strauss, Wagner, und dann Ausflüge in andere Bereiche wie zum Beispiel Mahagonny, Weill, oder auch den Alba in Lulu singe ich sehr gerne. Mein Wirkungskreis hat sich die letzten Jahre auch ein bisschen weiter erstreckt, also ich bin jetzt auch viel im Ausland unterwegs. Es ist alles, wie jetzt gerade in dieser Situation, oft auch eine stressige Angelegenheit, gerade wenn man auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist. Ich habe also morgen noch einen Lohengrin, da habe ich schon etwas Bedenken, ob ich den morgen um 18.00 Uhr auch wirklich heil und gesund erreiche. Da müssen Sie mir ein bisschen die Daumen drücken.

Das machen wir. – Sie waren ja zehn Jahre Ensemblemitglied am Gärtnerplatztheater. Welche Erinnerungen haben Sie denn heute noch an diese Zeit?

Ich bin ein sehr großer Fan des Gärtnerplatztheaters. Ich bin ein Fan des Ensembleprinzips und bin sehr traurig darüber, dass nicht nur das Ensemble in den letzten 14 Jahren stark verkleinert worden ist, sondern dass es jetzt, nun ja, ganz danach aussieht, als ob man sich auch nach dem Umbau vom Ensemblegedanken komplett verabschiedet. Ich empfinde das als riesengroßen Verlust. Ich selber habe als junger Sänger sehr davon profitiert, und ich denke, das Publikum auch: Einen festen Stamm von bekannten Gesichtern und Sängern auf der Bühne zu erleben in verschiedensten Rollen. Ich finde dieses System erhaltenswert und bedauere das zutiefst. Ich wünsche dem Theater alles erdenkliche Gute und habe nur angenehme Erinnerungen an diese lange Zeit.

In dieser Zeit haben Sie viel Oper und natürlich auch Operette gemacht. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Oper und Operette?

Von der musikalischen Seite her sind natürlich die Anforderungen an einen Opernsänger insofern komplexer, als dass es sich um schlicht die kompliziertere Musik handelt. Das heißt, es ist ein höheres Maß an Vorbereitung und ein höheres Maß auch an intellektueller Auseinandersetzung mit dem Werk nötig. Aber rein stimmlich gesehen sind viele Werke in der Operette sehr anspruchsvoll. Man denke nur an Lehar, beispielsweise. Gerade wenn wir bei Lehar bleiben: Ein Sou-Chong ist einfach schwer zu singen, Barinkay genauso. Auch Künneke ist durchaus stimmlich sehr anspruchsvoll, und nicht ohne Grund gab es eben diese typischen Karrieren wie zum Beispiel Siegfried Jerusalem, die auch mit Operette begonnen haben – nicht nur Rene Kollo, auch Siegfried Jerusalem hat sehr, sehr viele Operetten gesungen, sehr viele Einspielungen auch gemacht. Die Voraussetzungen an einen Tenor sind groß im Operettenfach, und deswegen ist es eine solide Grundlage für das deutsche Fach. Da die Operette aber nur ein absolutes Nischendasein noch führt und auch kaum mehr in einer Form aufgeführt wird, wo man sich wirklich ganz dem Sujet anvertrauen kann als Sänger, sondern sehr vieles abstrahiert wird oder auf eine ganz und gar andere Weise entgegen der Musik inszeniert wird, ist es heute leider nicht mehr so. Ich gebe der Operette deswegen keine große Zukunft. Ich glaube, das werden vielleicht noch drei Stücke sein, die da irgendwann mal gespielt werden. Wenn man nicht wieder den Aufführungscharakter ändert. – Eher wahrscheinlich wird man den ändern. Aber wir haben ja immer noch mit dem Regietheater zu tun; ich bin sehr gespannt, was da kommt. Da sind wir ja alle ganz hoffnungsfroh, dass es da etwas andere Ideen gibt in der Zukunft.

Wie bereiten Sie sich auf eine Rolle vor? Ist das unterschiedlich, oder …

Nein, eigentlich ist es so: Neben der einfachen Tatsache, dass es immer schnelllebiger wird und es immer noch sehr viele Rollen gibt, die ich also neu lernen muss, wie zum Beispiel jetzt gerade den Peter Grimes, den ich zum ersten Mal in Münster mache, bedeutet das, je nachdem, wann man engagiert worden ist – ich sage schnelllebig, weil: sehr oft geschieht es heute, dass man ein paar Monate vor der Premiere noch gefragt wird, ob man noch Zeit hat. Das gab es früher nicht in der Häufigkeit; heute ist es gang und gäbe, auf den letzten Drücker Sänger zu engagieren. Das heißt, wenn man die entsprechende Zeit dafür hat, nimmt man sich mit seinem Klavier zuhause das Stück vor, später dann mit seinem Korrepetitor, dem Gesangslehrer, der Bibliothek setzt man sich hin, indem man begleitende Literatur eben auch nebenher liest, und beginnt dann, sozusagen die Noten zu fressen und sich hineinzuknien. Je nachdem, wie lange man Zeit hat – (lacht) oft muss man auch das eine oder andere überspringen – erscheint man irgendwann zu den Proben, und spätestens dann sollte man in der Lage sein, das einmal von vorne bis hinten durchzusingen. Also, ich halte ehrlich gesagt nichts davon – es gibt Kollegen, die sagen: “Ja, ich brauche mindestens zwei Jahre für eine Partie.” Ich muss sagen: ich kann das nur bewundern, wenn man das so systematisch vorbereiten kann. Ich habe nicht die Zeit dazu, beziehungsweise es ist so schnelllebig, dass ich jetzt nicht wüsste, dass ich in zwei Jahren Tannhäuser singe. Kann ich jetzt noch nicht sagen. Insofern gilt auch hier, was vielleicht in allen Berufen gilt: Es ist alles etwas hektischer geworden, das heißt, man muss auch hier schnell sein, schnell lernen können. Man darf sich nicht wundern, dass etwas an einem vorübergeht, wenn man sagt: “Nein, da habe ich nicht genug Zeit dazu.” Das kann man sich auch nicht erlauben.

Nun zu Mahagonny. Sie singen in Mahagonny den Jim Mahoney. Fanden Sie es schwierig, sich in diese Rolle einzufinden?

Nun, den Jim Mahoney singe ich jetzt mittlerweile hier am Gärtnerplatz im dritten Jahr, glaube ich. Das ist jetzt hier noch mal eine Serie von fünf Vorstellungen, dann ist das Stück abgespielt. Ich komme gerade aus Tel Aviv, wo ich auch den Jim Mahoney gesungen habe, in einer großen Produktion dort. Es ist mittlerweile das fünfte Mal, dass ich den singe, und ich muss sagen, ich habe also schon einiges an Erfahrung gesammelt, und deswegen fällt der Jim Mahoney mir nicht schwer. Im Gegenteil, der ist ein Charakter, der mir sehr ans Herz gewachsen ist. Also, es ist eine Rolle, die mir, denke ich, sehr gut liegt, und die mir auch immensen Spaß macht, weil es ein Werk ist, eine Rolle, welche sehr, sehr viele Schichten aufzeigt, von denen man dann in jeder neuen Begegnung mit dem Werk als Sänger wieder neue entdecken darf. Und das ist ganz außergewöhnlich schön: eben nicht einen Abschluss zu finden, sondern immer wieder neue Farben da herauszuholen aus dem Werk. Und auch die Regisseure sind immer sehr erstaunt darüber, wie dieses Stück erstens so wunderbar auf unsere Zeit paßt und wunderbar, wie ich jetzt auch erleben durfte, zum Beispiel nach Tel Aviv paßt, aber genauso in eine Metropole wie Istanbul, wie wir im Sommer mit unserem Gastspiel dort dem türkischen Publikum beweisen durften.

Wie waren die Reaktionen in Istanbul?

Das Publikum war äußerst aufmerksam und äußerst wohlwollend. Wie ich aus den Kritiken auch entnommen habe, waren sie von der Inszenierung, von der Art und Weise, wie wir das dargeboten haben und wie wir das vor allen Dingen auch umgesetzt haben in einer Freilichtbühne am Bosporus, sehr angetan. Das freut mich, denn dieses Stück ist es wert, überall auf der Welt gespielt zu werden.

In Tel Aviv war es wahrscheinlich ein Wagnis, oder?

In Tel Aviv ist es natürlich insofern … da möchte ich nicht sagen: Wagnis, aber es handelt sich um ein Stück, das auf Deutsch gesungen wird. Das stellt natürlich auch eine Herausforderung dar, mit der Übersetzung, mit den Übertiteln, mit der Vorbereitung, wie man an das Publikum herantritt, damit man diesen doch recht spröden, deutschen, tiefsinnigen und typisch in Brechtscher Manier aufgebrochenen Text richtig versteht. Das ist die große Kunst – man merkt gerade im Ausland, wie sehr Brecht und auch Weill, natürlich, obwohl er sich ja überall stilistisch bedient hat … da sind ja Elemente sowohl des Jiddischen drin als auch Elemente des Jazz als auch Zitate aus der Klassik … also, obwohl man es mit so einem Kosmopoliten zu tun hat wie Weill, ist es in der Deutung dermaßen typisch deutsch, würde ich mal sagen, dass das nicht jeder versteht. Auch den Brechtschen Geist versteht nicht jeder, und gerade diese textlichen Andeutungen, merke ich, muss man sehr, sehr dem Publikum deutlich und transparent machen. Das ist so ein Stück, welches wirklich so aufgeführt werden muss, dass die Kerngeschichte deutlich hervortritt, in ihrer ganzen Härte auch. Da hilft es nicht, auf der einen Seite eine Revue daraus zu machen – und auf der anderen Seite auch nicht irgendein anderes Stück, wie gerade zum Beispiel in Augsburg geschehen.

In Tel Aviv hatte ich es zu tun mit einer sehr aufwendigen, von Video und Licht her immens teuren und wertigen Geschichte. Interessant war, dass wir während der Produktion, das ganze Regieteam und das ganze Haus eben, genau das feststellten, was ich eben angesprochen habe: dass das eben kein Musical ist, dass das kein irgendwie gearteter Zwitter ist zwischen Oper und Unterhaltung, oder Oper und Operette oder Musical, sondern es ist eine Oper. Ich möchte es jetzt nicht musikwissenschaftlich begründen, ich möchte es vom Anspruch her begründen und von der Art und Weise, was für eine Aussagekraft dieses Stück hat. Und das würde ich mir wünschen, dass wir mehr Stücke dieser Art hätten, die auf so aktuelle Themen, die uns draußen bewegen, auch wirklich eine Antwort haben oder zumindest ein Statement abgeben. Das wurde dort im Laufe der Proben zum Glück erkannt, und deswegen war es auch für die Tel Aviver Oper, die Israel Opera, ein großer Erfolg.

Wie viele Freiheiten hatten Sie hier bei der Interpretation, bei der Produktion hier am Gärtnerplatztheater?

Ich hatte das Glück, dass der Regisseur, Herr Schulte-Michels, in mir einen Partner gesehen hat, mit dem er die Rolle entwickelt hat. Ich muss sagen, dass ich ihm da sehr dankbar bin, weil er nämlich sehr viele neue Akzente gegeben hat, mir aber im Gegenzug auch die Freiheiten gelassen hat, um das aus der Rolle herauszuholen, was ich denke, was drinsteckt. Insofern gibt uns der Erfolg ja auch recht: es ist ja sehr gut aufgenommen worden hier. Es ist ein, möchte ich sagen, ein Weill und Brecht angemessen wüstes Spektakel, das aber seine Unterhaltung hat. Ich sage das noch mal: ich möchte die Musik von Weill nicht in irgendeiner Weise schmälern, aber sie illustriert eben, sie steht begleitend zu dem Text. Das ist eigentlich das Wichtigste in diesem Stück, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Ich würde sagen, das ist ein Stück, das man wegen dem Libretto aufführt und weniger wegen der Musik, obwohl ich das nicht schmälern möchte, aber sie steht im Dienst dieser Aussage.

[singlepic id=1131 w=240 h=320 float=right]Jim hat Freunde, die ihm nicht helfen, nimmt das aber so hin. Glauben Sie, er hätte sich umgekehrt genauso verhalten?

Jim gehört zu der Spezies, die eine innere Entwicklung durchmachen. Jim Mahoney ist so etwas wie ein umgekehrter Messias. Wir haben ja massenhaft Zitate aus dem Alten und Neuen Testament in einer natürlich umgekehrten und fast schon karikierten Fassung. Und er ist derjenige, der ja auf die Schwächen eines Systems aufmerksam macht, eine Idee einer Revolution hat und daran kläglich scheitert am Ende. Ich glaube, dass er sich natürlich genauso verhalten hätte, als er noch Teil des Systems war. Er ist kein besserer Mensch als die anderen, er hat nur im entscheidenden Moment eine Idee, und alle folgen ihm. Und sein Problem ist, in seinem Konstrukt hat er eines vergessen; er hat vergessen, das Geld abzuschaffen. Weil: in seiner anarchischen Weltideologie stimmt alles, das ist richtig, aber er übersieht, dass das Geld die entscheidende Rolle spielt. Das ist sein Fehler, der ihn dann schließlich das Leben kostet. Ich glaube, eine aktuellere Aussage als diese kann ein Stück im Moment nicht haben, oder? Aber hätte er diese Katharsis sozusagen nicht durchgemacht, hätte er sich mit Sicherheit genauso konform verhalten, wie alle anderen es auch tun.

Er liebt Jenny, die ihm auch nicht hilft, obwohl sie weiß, dass sie ihn vermissen wird. Warum versucht er nicht, sie zu überreden?

Weil er weiß, dass es zu Ende ist, und er weiß auch, und sie sagt das auch in ihrem Lied: “Du hast mir doch gesagt: Denn wie man sich bettet, so liegt man … Und wenn einer tritt, dann bin ich es; wird einer getreten, bist du’s.” Und sie war eine gelehrige Schülerin. Er gibt ihr recht und sagt am Ende: “Ja, du hast recht, das ist das, was ich gesagt habe, und du bist nur dem gefolgt.” Jetzt kann man mal dahingestellt sein lassen, ob das nur eine Parabel ist, oder ob sie tatsächlich kein Geld hat, oder ob sie einfach in ihrer Welt dieses Gefühl nicht aufbringen kann. Dass sie ihm nicht hilft, ist aber absolut logisch und folgt genau den Gesetzen, die Jim Mahoney selber aufgestellt hat. Insofern kommt er zwar am Ende zu der Überzeugung, dass es wohl ein Fehler war, aber er hat schließlich keine Variante. Und er sagt nicht: “Es war ein Fehler, dass ich das vorgeschlagen habe.” – sondern er sagt nur fatalistisch: “Das Leben ist so kurz, genieße es.” Das ist in sich wieder eine Kapitulation und eigentlich noch mal ein ganz bitter-sarkastischer Hinweis darauf, dass sich wieder einmal nichts geändert hat.

Zum Abschluss unseres Gesprächs – könnten Sie uns noch einen Ausblick auf diese Spielzeit geben, was jetzt noch kommt, und was Sie so in der nächsten Spielzeit machen?

Im Moment bereite ich den Peter Grimes vor, der wird Ende März in Münster Premiere haben. Dann singe ich den Hüon in Oberon, ebenfalls in Münster. Das ist auch das erste Mal, dass ich mit dieser Rolle zu tun habe. Dazwischen habe ich einige Gastspiele, da sind etliche Lohengrin und hier am Gärtnerplatztheater noch Mahagonny. Da sind jetzt auch Planungen, über die ich jetzt noch nicht reden kann, aber es gibt an größeren Häusern Planungen für Fidelio, also für den Florestan einmal wieder. Ich werde im Jahr 2013 Tote Stadt dann wieder machen in Innsbruck. Ich werde Walküre in Taipei aufführen. Dazwischen wird sich das jetzt noch füllen mit verschiedenen anderen Sachen. Wie gesagt, es sind ein paar Sachen in der Schwebe, über die ich noch nicht reden kann, aber ich werde weiterhin fleißig sein – also mein Terminkalender ist gut gefüllt.

Sehr schön! Herzlichen Dank für das Gespräch, und alles Gute!

Ihnen auch! Danke schön!

(Dieses Interview wurde geführt am 18. Februar 2012 in München)

 

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Kurzinterview mit Heike Susanne Daum

[singlepic id=1130 w=240 h=320 float=left]Frau Daum, herzlichen Dank, dass Sie uns zur Wiederaufnahme von “Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” am Gärtnerplatztheater ein kurzes Interview geben. Wie sehen Sie die Jenny?

Jenny ist in die Prostitution hineingeboren, die Mutter war auch Prostituierte, das erzählt sie ja ganz am Anfang in ihrem “ach bedenken Sie, Herr Jack O’Brian” und sieht in dieser Profession überhaupt nichts Schlimmes. Die Jenny ist nicht die Intelligenteste, nicht die Liebevollste, sie ist ein Kind dieses Milieus. So sehe ich sie.

Und wie ist ihr Charakter?

Sie ist das, was man in ihr sehen möchte, wie bei der Lulu auch, ist sie eine Projektionsfläche für Männerwünsche. Und ich denke, für sie zählt nur noch das eigene Vergnügen. Sie säuft gerne und und verdient gerne Geld mit ihrem Körper, denn Geld zu haben ist ihr ein Vergnügen. Aber ich denke, sonst hat sie nicht viel Charakter.

Sie haben gerade schon die Männerwünsche angesprochen. Jim Mahoney fragt sie nach ihren Wünschen, und Jenny antwortet: “Dafür ist es noch zu früh”. Hätte das die große Liebe werden können zwischen Jim und Jenny?

Das hätte Jenny nie zugelassen, weil sie in Männern immer nur Kunden sieht und nie eine verwandte Seele oder einen Menschen. Jenny trennt zwischen Männern, die sind Kunden, und Privatem, was sie wahrscheinlich gar nicht hat, höchstens ihre Mädchen.

Deswegen wäre es Jim auch nie gelungen, sie zu überreden, ihm zu helfen?

Nein. Einer der sie kauft, der sagt, “vielleicht nehme ich sie” – das würde für sie nie in Frage kommen, dass da ihr Herz mitspielt.

Aber Jim war verliebt in Jenny, oder?

Weil ihm sonstige Wärme gefehlt hat und Männer ja oft genug Sex mit Wärme, ja mit Liebe verwechseln.

Aber sie sagt ihm, dass sie ihn vermissen wird.

Nein, sagt sie nicht. Sie sagt nur: ja, ich bin Deine Witwe und nie werde ich Dich vergessen, wenn ich jetzt zurückkehre zu den Mädchen. Sie sagt nicht, dass sie ihn vermissen wird. Nichts davon, gar nichts.

Gegen Ende gibt es einen Song, “Where is the telephone?”, der den Eindruck macht, als ob er nicht ganz dazugehören würde. Wie kommt das?

Das ist der Benares-Song. Unsere Mahagonny-Fassung ist relativ zusammengestrichen worden. Es fehlt ja auch “Gott kam nach Mahagonny”, aber dieser Benares-Song ist ein Ausdruck für die Hilflosigkeit, die die Jenny dann im Endeffekt doch noch befällt angesichts dessen, dass Jim in der herrschenden Gesellschaftsordnung zum Tode verurteilt ist. Ich denke nicht, dass sie so um ihn trauert und deshalb letztendlich die Gedanken umkippen und dann in dieses etwas traurige Lied einfließen. “There is no money in this land, there is no boy to shake with hands”, und dieses “where is the telephone” ist wahrscheinlich der Hilfeschrei, wo ist die bessere Welt, wo ist der, der mir hilft, wo sind die Menschen, die bereit sind, mir zu helfen. Das Telefon als Kommunikationsmittel nach außen. Und diese bessere Welt, Benares, gibt es auch nicht mehr – ein Erdbeben hat es zerstört! Es ist, wie es ist –keine Hoffnung in Sicht. So sehe ich es, und vielleicht ist das völlig falsch gedacht. Und Jenny denkt eigentlich auch gar nicht so sehr an Jim, sondern sie sieht sich und die ganze Gesellschaft in der Geschichte und am Ende steht auch sie auf und sagt: können uns und Euch und niemand helfen.

Können Sie sich mit der Inszenierung identifizieren?

Ja, absolut. Der Regisseur Thomas Schulte-Michels hat uns jegliche Freiheit gelassen, die Figuren passend zu dem, was wir für die Figuren empfinden und wie wir sie körperlich ausdrücken können, zu spielen. Die Alternativbesetzung für die Jenny, Elaine Ortiz Arandes, spielt vollkommen anders, sieht sie auch vollkommen anders, das war für den Regisseur genauso gut und genauso richtig, solange es so empfunden wurde. Und weil ich es halt so spielen darf, wie ich es sehe, wie ich die Jenny für mich zurechtgelegt habe, kann ich mich absolut damit identifizieren. Jetzt bin ich natürlich keine Prostituierte und ich sehe die Welt auch nicht so wie sie, aber ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie sich ein Mensch fühlt, der nie etwas anderes war als Ware.

Sie waren letztes Jahr auf Gastspiel mit Mahagonny in Istanbul. Wie hat das türkische Publikum reagiert auf ihre doch recht freizügige Art und Kleidung?

Ich habe gedacht, dass ich vielleicht Buhs bekommen könnte oder dass die Frauen mich böse anschauen würden. Es war genau anders herum. Sie konnten absolut zwischen der Künstlerin Heike Susanne Daum und der Rolle, die ich verkörpere, unterscheiden. Ich habe in keinster Weise irgendwelche Anfeindungen gespürt oder habe mich schämen müssen für wie freizügig ich da sitze, breitbeinig, jeder kann den Slip sehen. Da dachte ich schon, oje, das könnte vielleicht schwierig werden, war es aber in keinster Weise. Das Publikum war sehr, sehr offen und hat, fand ich, auch noch etwas mehr mitgelebt in dem Stück, weil sie den Text mitgelesen haben. Bei uns in München gibt es ja keine Übertitel, und wenn dann mehrere gleichzeitig singen, versteht man auch nicht immer unbedingt den Text. Das türkische Publikum konnte richtig mitlesen und hat dann auch an vielen Stellen reagiert, wo unser Publikum am Gärtnerplatz nicht reagiert, also für uns hörbar und spürbar reagiert. Ich fand es ganz großartig, wie das Publikum in Istanbul Mahagonny aufgenommen hat. Und sie haben ja auch in der Kritik geschrieben, ein sehr, sehr aktuelles Stück. Das größte Verbrechen auf dieser Welt ist, kein Geld zu haben. Dann ist man nichts und niemand mehr.

Herzlichen Dank und Toi Toi Toi für die Wiederaufnahme!

Herzlichen Dank, ich freu mich schon drauf!

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Interview with Brenda Rae

[singlepic id=1125 w=240 h=320 float=left] ZUR DEUTSCHEN ÜBERSETZUNG

Thank you for taking the time to speak with us today, Ms. Rae. Could you begin by telling us something about your professional background?

It started with Frankfurt, actually. I started my professional career right after school with Frankfurt. I’ve only been singing professionally for three and a half years. Only last season, when I went to Bordeaux, that was my first guest engagement. So, really, it was a kind of safe place in Frankfurt, I mean, it’s a great house, but safe because I was so – I was planted there. I could learn a lot of roles. In my first year I did eight or nine roles, completely new. I just jumped right in. My first role was Pamina in Die Zauberflöte. I had eight days of rehearsal, with German dialogue, you know, so I just had to be really prepared before I got there. That’s my background so far. I am travelling more now. Obviously I am here in Munich now, and in February I will go to Italy to sing in Verona. But other than France and England, Germany has been my home base as a professional. I haven’t even sung – well, I have sung in America, but that was while I was still a student, so it doesn’t really feel like it was part of my professional life. I will go back to America first in 2013. That will be my first professional engagement there – after I have been singing for almost five years I finally get to go home and sing in America (laughs).

What inspired you to become an opera singer?

I didn’t really decide I wanted to be an opera singer until I was about – twenty? Yeah, I was twenty. I have been taking voice lessons since I was fifteen. I always loved singing, ever since I was five or six, around there. Anyway, I loved music, but I really didn’t think I wanted to go strictly into classical music. I loved writing music, I loved singing jazz, so I thought it would be a little more into the popular area. But then my second year of university I sang in the “Opera Scenes” program, and I sang the sleepwalking scene from La Sonnambula. And I fell in love with it so much. I was obsessed with it. I listened to about fifteen different recordings, anything I could find. So then I remember talking with my mother, and she said: “You know, I know you love all kinds of music, but what you can do with your voice, that’s special. And I think you need to realize that, that, you know, Opera is not something that every singer can do.” And I said: “Yeah, that’s true, okay.” And I found that I loved the Belcanto music so much that it became a real passion for me. And I kind of said: “Alright. I’ll focus.”

You sang the title-role in Lucia di Lammermoor in Frankfurt.

I will be doing more Belcanto things in Frankfurt, I’ll just say that (laughs). Yes. Look at the schedule for the next season when it comes out. But there is not a huge history, I find, in Germany of this Belcanto music. It’s hard for – I don’t know. There is not a huge tradition, so finding a director who has a good idea to make something interesting of these pieces – it’s difficult. I think a lot of houses are a little scared to do the more unknown pieces. Everyone does Lucia, everyone loves Lucia, but all these other pieces – I mean, Donizetti, he wrote so many operas, and it’s all beautiful music. We’ll see. Maybe we can find a passion for it. We just have to show people.

You have been a member of the ensemble at Oper Frankfurt since 2008/2009 (your first permanent engagement). Your first role was in a Mozart opera. Would you tell us about the roles that followed?

I’ve sung a big mixture of roles in Frankfurt. I feel really lucky in Frankfurt because I have gotten to sing some of my favourite operas already. Someone recently asked me: “Okay, what are your dream roles and when can you do them?” I said: “I’ve done Lucia, I’ve done Violetta, I’ve done Konstanze.” These are all things that when I was a student I would study, and I said: “Oh, I can’t wait to sing those!” Also, my first year, that was the second production I did: The Turn of the Screw by Benjamin Britten. The Governess actually is one of my favourite roles. I don’t know if you like Britten opera at all, but I love this piece. I would like to do that again some day because it is one of my favourite operas. This atmosphere that Britten creates – it’s so haunting. I love it. But she is a very different character than Violetta or Lucia.

When I did Lucia I only had five days to rehearse. It was a “Wiederaufnahme” (i.e., they had done this production before), but it was the second “Wiederaufnahme” in that season, even. So they had already rehearsed earlier, with two weeks of rehearsals. So I had to fight to get a “Sitzprobe” (sitting orchestra rehearsal). I had that one orchestra rehearsal. No day off between the last rehearsal and the performance. I remember one of the coaches took a picture of me on the set the night before the show because the director’s assistant brought me to the stage – because we didn’t get to go on the stage at all. But there is this big staircase that you sing the mad scene on. She said: “I think it will be good for you to just walk the stairs, see how it feels when you sing out there.” It was something like ten thirty at night, and the next day … I was also sick, so … (laughs). It was a very exciting Lucia debut. But Joseph Calleja was my Edgardo. That’s kind of a dream tenor to do your first Lucia with, an Edgardo like that. Unfortunately the production wasn’t so popular in Frankfurt. I don’t know when it will get brought back – if it will, even. I don’t know if I can sing Lucia again in Frankfurt. It’s too bad. They hadn’t done Lucia for 100 years in Frankfurt. Too bad that it wasn’t a little more exciting. Let’s see, what else? Did you see the Hoffmann? Hoffmanns Erzählungen? Yeah? Okay. I think the next time I sing Olympia I won’t dance. No more dancing. It was fun in rehearsals, but then when we got in the costume it felt so different. Because I was in fitness outfits, and then I had to wear this gold leather kind of costume and I couldn’t move very well. It just changed (laughs). The director of that show is from my home town in Wisconsin. He is a wonderful singer, too, Dale Duesing.

Let us talk about Die Entführung aus dem Serail: You performed your first Konstanze in Frankfurt as well, in the very well received production by Christof Loy. Many felt this production was reminiscent of “crime fiction”. What were your feelings about it?

I didn’t know that people thought this was like crime fiction. – My feelings about Christof Loy’s production? I think it’s wonderful because he makes something more interesting out of the piece. It’s not just: Konstanze is strictly faithful to Belmonte, and … I don’t know, Christof Loy explores her feelings for Bassa Selim and I think that makes Konstanze a much more interesting character. Because she is, you can tell in her music. She is a very strong woman, but she also is tender and she has a lot of deep emotions, so, yeah, to make her multi-faceted it’s really interesting to play with her emotions. I mean, this ending that Christof Loy staged … Now when I do it in another show, I say: “Oh, right. This is actually a happy ending. I am in love with Belmonte and happy about it.” Because in the Loy one we were all: “Maybe I should have been with Bassa Selim. Oh God, what have I done?” But crime fiction? I don’t know. The whole piece, it seems to just work. I don’t even think of comparing it to anything, just because I just look at it and it is its own complete package.

Because of the way tension is built up, and the emotions, which are really strong in this production.

Yeah. And Christoph Quest, this actor – I mean, he does it every time, I think. It’s so great because he IS this character. He was in the first show, when they did it in Belgium, I think. The Theatre Royal de la Monnaie, in Brussels, in 1999. It wasn’t first in Frankfurt. – He’s been with this piece for 13 years now. Apparently it keeps changing, because Christof Loy will come back to the piece sometimes. In Barcelona he was there and Christoph Quest said that he was changing even more. It’s always growing.

How do you see Konstanze’s role, and what is special about her music?

It’s very virtuosic, Konstanze’s music. It’s like Mozart wrote a concerto for the voice. There is so much power to her music. But also in her opening aria “Ach, ich liebte” it is fragile as well. She never gets frantic. She misses Belmonte desperately and wants to be with him again, but I don’t feel like Mozart really wrote it to be desperate. She is not a crazy woman. She has her sensibilities about her. She is very noble, and I think that’s really shown in the music.

In the current Munich production directed by Martin Duncan, the dialogues have been removed and replaced by a female speaker. Is it difficult to create a relationship with your stage partner or to create the necessary tension, for example leading up to the “Martern” aria?

I was just talking to Rebecca about how I miss the dialogue with Blonde because then we don’t react that much to each other if we don’t have the dialogue. I miss the dialogue between “Traurigkeit” and “Martern”. It’s hard to end that aria just lying on the couch and then I think she (the narrator) says one line of dialogue, and then: Up! – Okay! So I have to find it in my head. In this case you just have to look at the production and take it for what it is and don’t think about what it is missing. You have to make it work in whatever way they have staged it. I don’t think it is as strong. I don’t feel the sense of defiance as much when I look at Bassa Selim, and I feel like it is too general, the feelings: Okay? – Yeah. So in that case I kind of thought: “I’ll just try to sing this well!” (laughs) With only three days of rehearsal you didn’t get to create the relationships as deeply as you might if you had six weeks. I am sure the production, when they first did it, it was different. It’s always hard to re-create that in a “Wiederaufnahme” when you are not working with the director. I mean, you know what movements to do, but you don’t know what the thought was behind the movement. So you just have to take the creativity into your own hands and say: Okay, I am going to make this work for me. Sorry, director, if that’s not what you were thinking, but I don’t know what you were thinking, so: Here it is!

What are the differences in character between Konstanze and Blonde?

The way Blonde is written – “Welche Wonne, welche Lust”, lalala, she is more excitable. I don’t think she thinks as much about everything. Not as much as Konstanze. Blonde is very practical: “Well, this is my fate.”

Would you care to share with us a brief list of your role models, or those who have been particularly inspiring to you?

Let’s see. For a vocal role model? This is actually – I probably shouldn’t even say this, because she had some vocal problems, but: Anna Moffo. When I first started listening to the Belcanto music I had a CD that she recorded when she was very young, I think between the ages of 22 and 25. It was the La Bellissima CD, and it had things from Lucia, Rigoletto, Traviata, Puritani, I think, and some Mozart as well, and Boheme. I loved her voice. She had such a beautiful voice when she was younger. There were some problems, but when I was in school still sometimes if I would say: “Aargh, I’m having a problem, I don’t know what to do,” and I would just listen to Anna Moffo for a minute, I’d say: “Okay. Alright. This is fine. Remember to sing beautifully.”

Role models? Hmm. I’ve always been pretty individualistic. I like to be myself. I don’t really like being compared to other people. Even if it’s a great compliment. If someone would say: “Oh, you are the next so-and-so!”, and I say: “Well, thank you, but – I just want to be Brenda Rae.” I had, I mean, obviously I sing a lot of the same roles that Diana Damrau sings, and she is a fantastic singer. And I had a friend, a musical coach, say once: “Oh, you are the next Diana Damrau!” And I said: “No, I’m not at all!” I don’t have a voice like hers, I think, and as amazing as she is, I don’t want to be like her, I want to be myself. I admire a lot of my colleagues who are kind of along the same level that I am, you know, starting off in their careers as well, and I am so excited to see where they go. There is a soprano, Elza van den Heever. I don’t know if you have seen her in Frankfurt. She sang Antonia in some of the Hoffmann performances. I heard her sing Anna Bolena in concert a few years ago, in Frankfurt. And listening to that, it’s like – not to make a comparison, but it’s like she is the next Joan Sutherland. She has an enormous voice but she can be really delicate and she sings coloratura really well. It’s amazing, and she is a good friend of mine, and it’s really exciting to just be surrounded by other singers that are so great and good colleagues. So I think we all take pride in being grounded as people, not just singers, and I really appreciate that, when I meet singers who have a good attitude. That’s important to me: To have a good attitude, to be a good person.

You have a very full schedule currently. Where might we hear you perform this year, and in which roles?

Where am I singing this year? Frankfurt, a lot. This season I have already sung – what did I sing? Traviata was my first role in Frankfurt this season, and then there was Olympia again, and Giunone in La Calisto. Obviously Konstanze here in Munich. I am singing the soprano solos in Elias, by Mendelssohn, in Verona. I am going back to Frankfurt to sing Pamina and Ann Trulove in a new production of The Rake’s Progress. I sing in Die Walküre, I’m singing Helmwige. I don’t really want to be singing that, but I do it because I love Frankfurt and they needed someone. I said: “Okay, it will be my debut and my farewell from the role.” It will be fun to sing that – hoiateho! – for once in my life, I suppose (laughs). I wouldn’t consider myself a Wagner singer. I sang the role of Lora in Die Feen, an early Wagner opera last season. There are some pretty moments in there, some beautiful moments. It will come out on a recording, I believe, that will be exciting. I don’t know when. I think this season I am not away as much. Next year I will go and do a concert tour of a Händel opera. Then I will go back to Bordeaux, and I am going to sing in Santa Fe in America.

Makropulos?

No. Christiane Karg is singing in that. She is also great. Everyone always thinks that we should be enemies because we are both sopranos. No, we are friends. I think she is great. It’s a really great ensemble in Frankfurt, I have to say. The colleagues are really great, and we don’t really compete with each other. I think our boss also is pretty good about sharing the roles. Most of us have really good things to do. That is good.

Are there any roles which you would especially like to perform in the future?

I already did so many. What else? Anything with Belcanto, really. I do want to sing the role of Amina in La Sonnambula, and I will, in the future. I won’t say where or when, but – (laughs). Oh! I really want to sing Manon. Massenet’s Manon. That is definitely a role I am looking forward to singing. I like the French repertoire, but it doesn’t get done so often in Germany it seems … Another Belcanto role: Elvira in I Puritani, it’s beautiful. – I am going through all the arias that I used to sing in school. Yeah. Let’s just go with Manon. I really want to sing Manon. There is The Barber of Seville, Rossini: Rosina. That would be very fun. But I would feel bad picking that role away from mezzosopranos because I have a lot of really wonderful mezzosoprano friends who sing that role really well. Why not leave it to them, I will sing the other, higher stuff, it’s okay. – But she is feisty, that would be fun to sing, the role of Rosina. My friend Isabel Leonard just sang Rosina at the Met. I didn’t get to see that production, though. Oh, Isabel sang here, actually, she sang Cherubino in Le Nozze di Figaro. Do you know Isabel Leonard? We went to school together. Good friends. She is amazing. She is in Vienna right now, Wiener Staatsoper, to sing Rosina.

I want to sing anything that’s interesting, really. I love learning new repertoire. I haven’t done a lot of modern opera in my professional career. I used to sing a lot of modern music when I was in school. But now I am mainly singing kind of “the hits of opera”. I have to say I like what the modern music can do in a production. Usually I like seeing it, but I have to say I am not always a fan of the music. It has to be good. I work with a composer in New York, Lowell Liebermann. I love his music. He has an interesting – I don’t know, I like the way he sets music. It still has beauty to it. It’s not just – you know, a lot of modern music, I find, can be too harsh and almost … I don’t want to say anything, but … (laughs.) Oh, I am excited to sing Fiordiligi some day, actually. I am looking forward to that. I might sing it in a couple of years. I might also sing Donna Anna in a couple of years, adding more Mozart to the list. When I listen to Mozart, it’s like: This is perfect. It just seems like perfect music, I don’t know. When you listen to it, everything seems right with the world.

Thank you very much! All the best to you in your coming endeavours!

Thank you!

(Brenda Rae talked to us on January 20, 2012 – Munich, Germany)

 

 

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Interview mit Brenda Rae am 20. Januar 2012 (München, Deutschland) – Übersetzung

Liebe Frau Rae, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns ein Interview zu geben. Könnten Sie uns einen Einblick in Ihren Werdegang geben?

Mit Frankfurt hat es angefangen. Ich habe meine Sängerlaufbahn direkt nach meiner Ausbildung begonnen, und zwar in Frankfurt. Ich stehe erst seit dreieinhalb Jahren als Sängerin auf der Bühne. In der vergangenen Spielzeit war ich mal in Bordeaux, das war mein erstes Gastengagement. Es war also wirklich eine Art sicherer Hafen in Frankfurt. Ich meine, es ist ein großartiges Opernhaus, aber ich sage sicher, weil ich so – ich war dort verwurzelt. Ich konnte viele Partien lernen. In meinem ersten Jahr sang ich acht oder neun Partien, ganz neu. Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen. Meine erste Rolle war Pamina in Die Zauberflöte. Ich hatte acht Probentage, mit deutschen Dialogen, also musste ich richtig gut vorbereitet sein, bevor ich anfing. Das ist mein bisheriger Werdegang. Ich reise jetzt mehr. Jetzt bin ich also hier in München, und im Februar werde ich in Italien singen, in Verona. Aber neben Frankreich und England habe ich meine berufliche Basis in Deutschland. Ich habe nicht einmal – doch, ich habe in Amerika gesungen, aber das war noch zu Studienzeiten, also betrachte ich das nicht als Teil meines beruflichen Werdegangs. Ich werde erst 2013 wieder nach Amerika gehen. Das wird mein erstes Engagement als Sängerin dort sein – nachdem ich dann also fünf Jahre auf der Bühne gestanden bin, komme ich endlich nach Hause und singe in Amerika (lacht).

Was gab den Ausschlag, Opernsängerin zu werden?

Ich hatte mir erst überlegt, dass ich Opernsängerin werden wollte, als ich ungefähr – zwanzig Jahre alt war? Ja, ich war zwanzig. Ich habe Gesangsunterricht, seit ich fünfzehn war. Ich habe immer schon gerne gesungen, schon seit ich so fünf oder sechs Jahre alt war. Jedenfalls, ich liebte Musik, aber ich dachte eigentlich nicht, dass ich mich strikt auf klassische Musik verlegen wollte. Ich habe sehr gerne komponiert und ich liebte es, Jazz zu singen, also dachte ich, es würde etwas mehr in den Nicht-Klassik-Bereich gehen. Aber dann, in meinem zweiten Jahr an der Universität, nahm ich an dem sogenannten “Opera Scenes Program” teil: Ich sang die Szene aus La Sonnambula, in der Amina schlafwandelt. Und ich habe mich so sehr in dieses Stück verliebt, ich war wie besessen davon. Ich habe mir ungefähr fünfzehn verschiedene Aufnahmen angehört, alles, was ich nur finden konnte. Als ich dann mit meiner Mutter darüber sprach, sagte sie: “Hör mal, ich weiß, dass du alle möglichen Musikstile liebst, aber diese Stimme, die du hast, das ist etwas Besonderes. Weißt du, du solltest dir im Klaren darüber sein, dass nicht jeder Sänger in der Lage ist, Opern zu singen.” Ich sagte: “Ja, das stimmt, okay.” Ich stellte dann fest, dass mir die Belcanto-Musik so gut gefiel, dass sie zu einer wirklichen Leidenschaft wurde. Da sagte ich dann gewissermaßen: “Ja, gut, ich werde mich darauf konzentrieren.”

Sie haben die Titelrolle in Lucia di Lammermoor in Frankfurt gesungen.

Ich werde in Zukunft noch weitere Belcanto-Stücke in Frankfurt singen, mehr verrate ich noch nicht (lacht). Ja. Sehen Sie sich den Spielplan für die kommende Spielzeit an, wenn er herauskommt. Aber ich habe festgestellt, dass diese Belcanto-Musik in Deutschland historisch nicht so verbreitet ist. Es ist schwierig für – ich weiß nicht. Es gibt keine große Tradition, also ist es schwierig, einen Regisseur zu finden, der Zugang zu diesen Stücken hat und etwas Interessantes daraus machen kann. Ich glaube, viele Häuser haben ein wenig Angst davor, die unbekannteren Stücke aufzuführen. Alle machen Lucia, alle lieben Lucia, aber all diese anderen Stücke – ich meine, Donizetti, er schrieb so viele Opern, und alle mit wunderschöner Musik. Mal sehen. Vielleicht können wir die Leidenschaft dafür wecken. Wir müssen es dem Publikum nur zeigen.

Sie sind Ensemblemitglied an der Oper Frankfurt seit 2008/2009 (Ihr erstes Festengagement). Ihre erste Rolle war in einer Mozart-Oper. Würden Sie uns etwas über die Partien erzählen, die Sie danach gesungen haben?

Ich habe in Frankfurt sehr viele ganz unterschiedliche Partien gesungen. Ich bin in Frankfurt wirklich glücklich, weil ich bereits einige meiner Lieblingsopern singen konnte. Vor kurzem hat mich jemand gefragt: “Also, was sind Ihre Traumrollen, und wann können Sie die singen?” Ich sagte: “Ich habe Lucia gesungen, ich habe Violetta gesungen, ich habe Konstanze gesungen.” Das sind alles Rollen, die ich während des Studiums einstudiert habe, und damals konnte ich es kaum erwarten, diese Partien zu singen. – In meinem ersten Jahr habe ich als meine zweite Produktion in The Turn of the Screw von Benjamin Britten gesungen. Die Gouvernante gehört wirklich zu meinen Lieblingsrollen. Ich weiß nicht, ob Sie Britten-Opern überhaupt mögen, aber ich liebe dieses Stück. Ich würde es gerne einmal wieder singen, denn das ist eine meiner Lieblingsopern. Diese Atmosphäre, die Britten erzeugt – das ist so unheimlich. Ich liebe es. Aber die Gouvernante ist vom Charakter her ganz anders als Violetta oder Lucia.

Als ich die Lucia sang, hatte ich nur fünf Tage Zeit für die Proben. Es war eine Wiederaufnahme gewesen, und sogar die zweite Wiederaufnahme in der Spielzeit. Das heißt, die anderen hatten zuvor schon geprobt, zwei Wochen lang. Erst nach einigem Hin und Her bekam ich eine Sitzprobe. Ich hatte also nur diese eine Sitzprobe, mit Orchester, und keinen freien Tag zwischen der letzten Probe und der Vorstellung. Ich weiß noch, dass am Abend vor der Vorstellung ein Foto von mir auf dem Set gemacht wurde, weil die Regieassistentin mich zur Bühne brachte – denn wir kamen da überhaupt nicht auf die Bühne. Aber da war diese große Treppe, auf der die Wahnsinnsarie gesungen wird. Sie sagte: „Ich glaube, es ist eine gute Idee, wenn du einfach mal diese Treppe auf- und abgehst, damit du sehen kannst, wie es sich anfühlt, wenn du dort singst.“ Es war ungefähr halb elf Uhr abends, und am nächsten Tag … Außerdem war ich krank, also … (lacht). Es war ein sehr spannendes Lucia-Debüt. Aber Joseph Calleja war mein Edgardo. Das ist traumhaft, wenn eine Sängerin mit so einem Tenor ihre erste Lucia singen kann, mit so einem Edgardo. Leider kam diese Produktion in Frankfurt nicht so gut an. Keine Ahnung, wann sie wieder aufgenommen wird – oder ob sie das überhaupt wird. Ich weiß nicht, ob ich Lucia in Frankfurt noch einmal singen kann. Das ist zu schade. Sie hatten hundert Jahre lang keine Lucia in Frankfurt gemacht. Zu schade, dass es nicht ein wenig spannender war. – Mal sehen, was gibt es noch? Haben Sie den Hoffmann gesehen? Hoffmanns Erzählungen? Ja? Okay. Ich denke, wenn ich das nächste Mal Olympia singe, werde ich nicht tanzen. Kein Tanzen mehr. In den Proben hat das Spaß gemacht, aber als wir dann die Kostüme trugen, fühlte es sich ganz anders an. Zuvor hatte ich dabei Fitness-Kleidung angehabt, und dann musste ich dieses Kostüm aus einer Art goldenem Leder tragen, und ich konnte mich nicht so gut darin bewegen. Es war einfach ganz anders (lacht). Der Regisseur dieser Inszenierung ist aus meiner Heimatstadt in Wisconsin. Er ist auch ein wunderbarer Sänger, Dale Duesing.

Sprechen wir doch mal über Die Entführung aus dem Serail: Ihre erste Konstanze haben Sie auch in Frankfurt gesungen, in der hochgelobten Produktion von Christof Loy. Viele Zuschauer fanden, diese Inszenierung war wie ein Krimi. Wie sehen Sie das?

Ich hatte keine Ahnung, dass man das als eine Art Krimi betrachtet hat. Wie ich diese Produktion von Christof Loy sehe? Ich finde sie wunderbar, weil er das Stück interessanter macht. Es ist nicht nur: Konstanze ist Belmonte treu ergeben, und … Wie soll ich sagen, Christof Loy erkundet ihre Gefühle für Bassa Selim, und ich finde, das macht Konstanze zu einer viel interessanteren Figur. Denn das ist sie, das merkt man an der Musik, die sie zu singen hat. Sie ist eine sehr starke Frau, aber sie ist auch sensibel, und sie hat viele tiefe Gefühle. Also, ja, um ihrer Figur viele Facetten zu geben, ist es wirklich interessant, mit ihren Emotionen zu spielen. Ich meine, dieses Ende, so wie es Christof Loy inszeniert hat … Wenn ich es in einer anderen Inszenierung spiele, sage ich: “Okay, das ist tatsächlich ein Happy-End. Ich liebe Belmonte und bin damit glücklich.” Denn in der Loy-Inszenierung war es so nach dem Motto: “Vielleicht wäre doch Bassa Selim der richtige Mann für mich gewesen. O Gott, was habe ich getan?” Aber ein Krimi? Ich weiß nicht. Diese ganze Inszenierung, sie funktioniert einfach. Ich komme nicht einmal auf die Idee, sie mit irgendetwas zu vergleichen, weil ich sie einfach nur ansehe und finde, sie ist einfach in sich geschlossen.

Wegen des Spannungsaufbaus, und der starken Emotionen in dieser Inszenierung.

Ja. Und Christoph Quest, der Schauspieler – ich meine, er macht es jedes Mal, glaube ich. Es ist so toll, denn er IST diese Figur. Er war von Anfang an dabei, als sie diese Produktion in Belgien auf die Bühne gebracht haben, glaube ich. Im Theatre Royal de la Monnaie, in Brüssel, 1999. Es war nicht zuerst in Frankfurt. – Er spielt jetzt seit 13 Jahren in diesem Stück mit. Anscheinend verändert es sich ständig, denn Christof Loy kommt manchmal zu diesem Stück zurück. In Barcelona war er da, und Christoph Quest sagte, dass er sich noch mehr verändern würde. Es wächst immerzu.

Wie sehen Sie Konstanzes Rolle, und was sind die musikalischen Besonderheiten dieser Partie?

Sie ist sehr virtuos, Konstanzes Musik. Es ist, als ob Mozart ein Konzert für die Singstimme geschrieben hätte. In ihrer Partie liegt so viel Kraft. Aber in ihrer Anfangsarie, “Ach, ich liebte” ist sie auch fragil. Sie wird nie panisch. Sie vermisst Belmonte ganz schrecklich und möchte wieder mit ihm zusammensein, aber ich glaube nicht, dass Mozart in ihrer Partie Verzweiflung ausdrücken wollte. Sie ist nicht verrückt. Sie ist sehr empfindsam. Sie ist sehr vornehm, und ich finde, das hört man in der Musik wirklich deutlich.

In der aktuellen Münchener Produktion des Regisseurs Martin Duncan wurden die Dialoge durch eine Erzählerin ersetzt. Macht es das schwierig, eine Beziehung zu Ihrem Partner auf der Bühne herzustellen oder die erforderliche Spannung aufzubauen, z.B. vor der “Martern”-Arie?

Ich habe mich gerade mit Rebecca darüber unterhalten, wie sehr ich die Dialoge mit Blonde vermisse, weil wir ohne Dialog nicht so gut aufeinander eingehen. Ich vermisse den Dialog zwischen “Traurigkeit” und “Martern”. Es ist schwierig, diese Arie zu beenden, wenn man einfach auf dem Sofa liegt, und dann sagt die Erzählerin eine Dialogzeile, glaube ich, und dann: Auf! – Okay! Also muss ich das in meinem eigenen Kopf finden. In diesem Fall muss man einfach die Produktion anschauen und so nehmen, wie sie ist, und nicht darüber nachdenken, was fehlt. Man muss dann dafür sorgen, dass sie eben so funktioniert, wie der Regisseur sie inszeniert hat. Ich finde, sie hat nicht so viel Kraft. Ich spüre dieses Gefühl von Trotz nicht so stark, wenn ich Bassa Selim ansehe, und ich finde, die Gefühle sind zu allgemein: Okay? – Ja. – Also dachte ich in diesem Fall einfach: “Ich werde nur versuchen, das gut zu singen!” (lacht) Mit nur drei Probetagen kann man die Beziehung der einzelnen Figuren zueinander nicht so intensiv gestalten wie man das kann, wenn man sechs Wochen zur Verfügung hat. Ich bin mir sicher, dass diese Inszenierung anders war, als sie zum ersten Mal erarbeitet wurde. Es ist immer schwierig, das in einer Wiederaufnahme zu reproduzieren, wenn man nicht mit dem Regisseur arbeitet. Ich meine, du weißt, was für Bewegungen du machen musst, aber du weißt nicht, welcher Gedanke hinter der Bewegung steckte. Also muss man die Kreativität einfach in die eigenen Hände nehmen und sagen: Okay, ich werde das so machen, dass es für mich funktioniert. Tut mir leid, lieber Regisseur, wenn du dir das nicht so gedacht hattest, aber ich weiß nicht, was du gedacht hattest, also: Hier ist es!

Was sind die Charakterunterschiede zwischen Konstanze und Blonde?

So, wie Blonde geschrieben ist – “Welche Wonne, welche Lust”, lalala, ist sie leichter abzulenken und zu begeistern. Ich glaube nicht, dass sie so viel nachdenkt. Nicht so viel wie Konstanze. Blonde ist sehr praktisch veranlagt: “Nun, das ist eben mein Schicksal.”

Haben Sie Vorbilder, oder gibt es Künstler, die Sie besonders inspiriert haben?

Mal sehen. Welche Sängerin ich als Vorbild habe? Das ist eigentlich – ich sollte das wahrscheinlich gar nicht sagen, weil sie teilweise Probleme mit der Stimme hatte, aber: Anna Moffo. Als ich anfing, mir Belcanto-Musik anzuhören, hatte ich eine CD, die sie aufgenommen hatte, als sie sehr jung war, zwischen 22 und 25 Jahre alt, glaube ich. Es war die La Bellissima CD, und darauf waren Ausschnitte aus Lucia, Rigoletto, Traviata, Puritani, glaube ich, auch ein bisschen Mozart, und Boheme. Ich habe ihre Stimme geliebt. Sie hatte so eine wunderschöne Stimme, als sie jünger war. Da gab es ein paar Probleme, aber trotzdem: Manchmal, wenn im Studium Schwierigkeiten auftraten, und ich nicht wusste, wie ich sie lösen sollte, hörte ich mir nur für eine kurze Weile Anna Moffo an, und dann ging es besser: „Okay. In Ordnung. Das ist gut so. Denke daran, schön zu singen.”

Vorbilder allgemein? Hmm. Ich war immer schon ziemlich individualistisch. Ich möchte ich selbst sein. Ich mag es eigentlich nicht so gerne, wenn man mich mit anderen vergleicht. Auch nicht, wenn es ein großes Kompliment ist. Wenn jemand mir sagt: “Oh, Sie sind die nächste Soundso!”, dann sage ich: “Danke vielmals, aber – ich möchte einfach Brenda Rae sein.” Einmal sagte – ich meine, ich singe natürlich viele derselben Rollen, die Diana Damrau singt, und sie ist eine fantastische Sängerin. Und einmal sagte eine Freundin, eine Gesangslehrerin, zu mir: “Oh, du bist die nächste Diana Damrau!” Und ich sagte: “Nein, das bin ich überhaupt nicht!” Meine Stimme ist nicht wie ihre, finde ich, und so großartig wie sie ist, ich möchte nicht wie sie sein, ich möchte ich selbst sein. Ich bewundere viele meiner Kolleginnen, die mehr oder weniger so weit sind wie ich, deren Karriere auch gerade am Anfang steht, und ich finde es superspannend, zu sehen, was aus ihnen wird. Da ist beispielsweise die Sopranistin Elza van den Heever. Ich weiß nicht, ob Sie sie in Frankfurt gesehen haben. Sie hat in einigen Hoffmann-Vorstellungen die Antonia gesungen. Ich hörte sie vor ein paar Jahren in Frankfurt, wo sie Anna Bolena konzertant sang. Und wenn man sich das anhört, dann ist es – also, ich will jetzt keine Vergleiche anstellen, aber sie singt wie die nächste Joan Sutherland. Sie hat eine sehr kraftvolle Stimme, aber sie kann auch ganz zartes Pianissimo singen, und sie ist eine sehr gute Koloratursängerin, das ist wirklich toll. Sie ist eine gute Freundin von mir. Es ist wirklich aufregend, wenn man einfach andere Sänger um sich hat, die so tolle und gute Kollegen sind. Ich denke, wir sind alle stolz darauf, dass wir mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, als Menschen, nicht nur als Sänger. Ich weiß es wirklich zu schätzen, wenn ich Sängern begegne, die menschlich ein Vorbild sind. Das ist mir wichtig: Charakter und Menschlichkeit.

Sie haben einen vollen Terminplan. Wo können wir Sie in diesem Jahr singen hören, und in welchen Rollen?

Wo singe ich dieses Jahr? Ich singe oft in Frankfurt. In dieser Spielzeit habe ich schon – was habe ich gesungen? Traviata war in dieser Spielzeit meine erste Rolle in Frankfurt, und dann habe ich wieder Olympia gesungen, und Giunone in La Calisto. Hier in München also jetzt Konstanze. Ich singe die Sopransolos in Mendelssohns Elias, in Verona. Dann bin ich wieder in Frankfurt, um Pamina zu singen, und Ann Trulove in einer Neuinszenierung von The Rake’s Progress. Ich singe in Die Walküre, da singe ich Helmwige. Ich wollte diese Partie eigentlich nicht singen, aber ich habe doch zugesagt, weil ich Frankfurt liebe, und sie brauchten eine Sängerin. Ich sagte: “Okay, das wird gleichzeitig mein Debüt und mein Abschied von dieser Rolle.” Ich denke, einmal in meinem Leben wird es wohl ganz lustig sein, das zu singen – hoiateho! (lacht). Ich sehe mich nicht als Wagner-Sängerin. In der letzten Spielzeit habe ich Lora in Die Feen gesungen, eine frühe Wagner-Oper. Es gibt ein paar nette Momente darin, ein paar sehr schöne Momente. Es wird eine Aufnahme davon veröffentlicht, glaube ich, das wird interessant. Ich weiß aber nicht, wann. Ich denke, in dieser Spielzeit werde ich nicht so viel unterwegs sein. Nächstes Jahr werde ich mit einer Händel-Oper auf Konzertreise gehen. Dann geht es zurück nach Bordeaux, und ich werde in Santa Fe in Amerika singen.

Makropulos?

Nein. Christiane Karg singt das. Sie ist auch toll. Alle denken immer, dass wir verfeindet sein müßten, weil wir beide Soprane sind. Nein, wir sind Freundinnen. Ich finde sie großartig. Wir haben ein wirklich tolles Ensemble in Frankfurt, das muss ich sagen. Die Kollegen sind wirklich große Klasse, und wir konkurrieren eigentlich nicht miteinander. Ich finde, unser Boss ist auch ziemlich gut darin, die Rollen zu verteilen. Die meisten von uns haben wirklich gute Partien zu singen. Das ist gut.

Welche Rollen würden Sie gerne noch singen?

Ich habe schon so viele Partien gesungen. Was möchte ich noch singen? Eigentlich alle Belcanto-Partien. Ich möchte wirklich sehr gerne Amina in La Sonnambula singen, und das werde ich auch, in der Zukunft. Ich sage jetzt nicht, wo oder wann, aber – (lacht). Oh! Ich würde wirklich gerne Manon singen. Massenets Manon. Das ist definitiv eine Rolle, die ich gerne einmal singen möchte. Ich mag das französische Repertoire, aber das wird anscheinend in Deutschland nicht so oft aufgeführt … Noch eine Belcanto-Rolle: Elvira in I Puritani, das ist eine schöne Partie. – Ich gehe gerade alle Arien durch, die ich im Studium gesungen habe. Ja. Bleiben wir einfach bei Manon. Ich würde wirklich gerne Manon singen. – In Rossinis Barbier von Sevilla gibt es die Rolle der Rosina. Die würde mir großen Spass machen. Aber ich möchte den Mezzosopranen diese Rolle nicht wegnehmen, weil ich viele Freundinnen habe, die wunderbare Mezzosoprane sind und die diese Partie wirklich gut singen. Also lasse ich ihnen diese Rolle, ich singe dann die höheren Partien, das ist okay. – Aber Rosina ist eine lebhafte Frau, das würde mir schon Spaß machen, diese Rolle zu singen. Meine Freundin Isabel Leonard hat gerade Rosina an der Met gesungen. Ich bin aber nicht dazugekommen, diese Inszenierung zu sehen. Oh, Isabel hat übrigens auch hier gesungen, sie sang Cherubino in Le Nozze di Figaro. Kennen Sie Isabel Leonard? Wir haben zusammen studiert. Wir sind gute Freundinnen, sie ist toll. Jetzt ist sie gerade in Wien, an der Wiener Staatsoper, um Rosina zu singen.

Ich möchte eigentlich alles singen, was interessant ist. Ich liebe es, neues Repertoire zu lernen. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn nicht viele moderne Opern gesungen. Im Studium habe ich viel moderne Musik gesungen. Aber jetzt singe ich hauptsächlich die “Opernhits”, gewissermaßen. Ich muss sagen, es gefällt mir, was man mit moderner Musik in einer Produktion machen kann. Normalerweise sehe ich mir das gerne an, aber ehrlich gesagt bin ich nicht immer ein Fan der Musik. Sie muss gut sein. Ich arbeite mit einem Komponisten in New York zusammen, Lowell Liebermann. Ich liebe seine Musik. Er hat eine interessante – ich mag einfach die Art, wie er komponiert. Die Musik hat immer noch etwas Schönes an sich. Es ist nicht nur – wissen Sie, viele moderne Musikstücke sind oft zu ungefällig und fast … ich will jetzt nichts sagen, aber … (lacht). Oh, und ich freue mich wirklich schon darauf, eines Tages Fiordiligi zu singen. Vielleicht in ein paar Jahren. Vielleicht singe ich in ein paar Jahren auch Donna Anna; damit hätte ich dann noch mehr Mozart auf meiner Liste. Wenn ich Mozart höre, habe ich das Gefühl: Das ist perfekt. Es klingt einfach wie perfekte Musik, ich weiß auch nicht. Wenn man Mozart hört, ist die Welt in Ordnung.

Vielen Dank für dieses Interview! Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft!

Danke schön!

 

 

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[singlepic id=1120 w=240 h=320 float=left]Liebe Frau Nelsen, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns ein Interview zu geben. Könnten Sie uns zu Beginn einen Einblick in Ihren Werdegang geben?

Ich habe Gesang und Oper zuerst an der Texas Tech Universität in Lubbock, Texas, studiert. Danach ging ich nach Wien, mit einem Fulbright-Stipendium, um mein Studium dort an der Universität für Musik und Darstellende Kunst fortzusetzen. Noch während der Studienzeit habe ich mein erstes professionelles Vorsingen für die Neue Oper Wien absolviert und habe die weibliche Hauptrolle in der Oper God’s Liar von John Casken gewonnen. Die Oper war ein Erfolg, und es folgten viele weitere Engagements an der Neuen Oper Wien. Im Jahr 2007 wechselte ich ins Ensemble des Staatstheaters Braunschweig als festes Ensemblemitgleid, wo ich viele unterschiedliche Partien singen durfte, unter anderem Gilda (Rigoletto), Musetta (La Boheme), Sophie (Der Rosenkavalier), Blondchen (Die Entführung aus dem Serail), Komtesse Stasi (Die Csárdásfürstin), die Tochter (Cardillac) und Eurilla (Orlando Paladino), sowie die Hosenrolle des Ippolito in der deutschen Erstaufführung von Johann Simon Mayrs Fedra.

Auf diesem guten Fundament gelang es mir, meine Gast-Karierre aufzubauen. Bisher habe ich Violetta (La Traviata) gesungen, am Teatro La Fenice in Venedig, dann Adele (Die Fledermaus), Sophie, Susanna (Le Nozze di Figaro), Blondchen und Violetta an der Semperoper Dresden; Olympia (Les Contes d’Hoffmann) und Sophie am Aalto Theater Essen, Blondchen an der Oper Köln, Fiorilla (Il Turco in Italia) beim Garsington Opera Festival in London, Julia de Weert (Der Vetter aus Dingsda) und Gretel (Hänsel und Gretel) an der Volksoper Wien, und jetzt auch Blondchen an der Bayerischen Staatsoper München. Ich habe auch ein Konzert mit dem Pittsburgh Symphonieorchester in Heinz Hall, Pittsburgh, gesungen.

Sind Aufnahmen von Ihnen erhältlich?

Ja, ich bin auf verschiedenen kommerziellen Aufnahmen zu hören: als die Engel in Radek von Richard Dünser (ORF: Mitschnitt von den Bregenzer Festspielen), als Ippolito in Fedra von Johann Simon Mayr (Oehms Classics), als Mary in The Brothers von Georg Antheil (CPO), als Solistin in Es geht wohl anders – Kunstlieder von Walter Arlen (Gramola) und als Solistin in Creation – ein Crossover Album von MOMO mit Erfolgskomponist Toni Castells (Itunes).

Was gab den Ausschlag, Opernsängerin zu werden?

Also, ich bin in New Mexico geboren und in Texas aufgewachsen; dort ist Oper eher ein Fremdwort. Es gibt zwar eine sehr gute Oper in Santa Fe, New Mexico, und auch eine in Houston, Texas, aber im Großen und Ganzen gibt es sehr wenige Möglichkeiten, in die Oper zu gehen, besonders als Kind oder Student. Ich bin über meine Trompete zur klassischen Musik gekommen. Ich bin eines von sieben Kindern – meine Zwillingsschwester und ich waren das fünfte und das sechste Kind. Als wir acht Jahre alt waren, kamen unsere Eltern nach Hause mit einer Trompete und einer Klarinette und haben uns die einfach ausgehändigt. Wir haben dann begonnen, unsere neuen Instrumente kennenzulernen, und über die Jahre sind wir beide wirklich gut geworden: als wir am Gymnasium waren, saßen wir beide am ersten Pult im großen Jugendorchester in Texas. Das Orchester veranstaltete jedes Jahr einen Konzert-Wettbewerb, dessen Hauptpreis ein Auftritt als Solist mit dem Orchester war. Weil ich am ersten Pult saß, wurde es von mir erwartet, dass ich vorspielen würde. Ich hatte mir aber etwas anderes einfallen lassen: Ich dachte mir, dass es ein großer Gag wäre, wenn ich statt einem Konzert für die Trompete eine Opernarie darbieten würde. Ich habe also, nach der ersten Gesangsstunde meines Lebens als Achtzehnjährige, die Arie “O mio babbino caro” aus Gianni Schicchi gesungen und damit den Wettbewerb gewonnen. Das Preisträgerkonzert fand im großen Konzertsaal der Texas Tech Universität statt. Nach dem Konzert kam der Gesangsprofessor der Universität zu mir und sagte: “Ich weiß, du denkst, dass du Trompeterin bist, aber du bist eigentlich eine Opernsängerin.” Er hat mir auf der Stelle ein Stipendium angeboten und mich überzeugt, Gesang an der Uni zu studieren. Das war der unwahrscheinliche Anfang meiner Gesangskarriere.

Sie sind freischaffende Sängerin. An welchen Opernhäusern haben Sie schon gesungen?

Bisher habe ich am Staatstheater Braunschweig gesungen, an der Semperoper Dresden, an der Oper Köln, an der Volksoper Wien, am Teatro La Fenice in Venedig, beim Garsington Opera Festival, und jetzt auch an der Bayerischen Staatsoper in München.

Gibt es für Sie schöne Erlebnisse (Produktionen, Dirigenten, Kollegen), von denen Sie berichten möchten?

Eine der schönsten Erinnerungen, die ich bisher sammeln konnte, kommt aus meiner Braunschweig-Zeit. Ich habe im ersten Jahr meines Festvertrags in Braunschweig die Musetta in einer Neuproduktion von La Boheme gesungen. Damals war der Großteil des Ensembles neu am Haus und wir sind alle während dieser Produktion sehr gute Freunde geworden. Wir haben fast jeden Tag zusammen gegessen und haben sogar inoffiziell einen Club ,,La Boheme” begründet. Es war eine sehr schöne Zeit und die Freundschaften, die in dieser Zeit entstanden, zählen immer noch zu den wichtigsten meines Lebens.

Nun Ihr Debüt an der Bayerischen Staatstoper in der Entführung aus dem Serail. –  Es ist aber nicht ihre erste Blonde?

Meine erste Blonde war in Braunschweig während meines Festengagements. Es ist wunderbar, wie viele schöne Seiten von dieser facettenreichen Figur ich in Produktionen in Dresden, Köln und jetzt in München kennengelernt habe.

In der Münchner Inszenierung von Martin Duncan wurden die Dialoge durch eine Erzählerin ersetzt. Macht es das schwierig, eine Beziehung zum Partner auf der Bühne aufzubauen? Vermissen Sie die Dialoge?

Ich habe mit Martin Duncan in London gearbeitet, bei seiner wunderbaren Produktion von Il Turco in Italia für das Garsington Opera Festival. Er ist ein toller, phantasievoller Regisseur, und seine Produktion der Entführung finde ich wirklich einfallsreich. Die Figur der Erzählerin verwandelt die Oper fast in eine Gute-Nacht-Geschichte und hat einen echten Reiz an sich. Ich habe, natürlich, die schönen Dialoge vermisst, besonders diejenigen mit Osmin, aber ich hatte in München solche wunderbaren Kollegen, dass es mir sehr leicht fiel, eine Beziehung zu ihnen im Rahmen der Oper aufzubauen.

Wie sehen Sie die Figur der Blonde? In welchen Momenten liegen die musikalischen Besonderheiten?

Ich sehe Blonde als eine starke Frau, die sich in einer furchtbaren Situation befindet und es trotzdem schafft, positiv zu bleiben. Sie glaubt an die Liebe und an die unveräußerliche Freiheit, die das Geburtsrecht jedes Menschen ist. Sie ist stolz auf ihre englische Herkunft und gibt nie die Hoffnung auf. Sie ist oft ein wenig leichtsinnig dargestellt, aber ihre Fähigkeit, nach zwei Jahren Gefangenschaft die Freude zu empfinden, die man in “Welche Wonne, welche Lust” hört, sehe ich als eine wahre Stärke.

Wo liegen die Charakterunterschiede zwischen Blonde und Konstanze?

Ich glaube, der größte Unterschied zwischen den beiden liegt in ihrer Art, mit der Situation im Serail umzugehen. In seinem Paradise Lost schrieb John Milton: “The mind is its own place, and in itself can make a heaven of hell, a hell of heaven.” (“Der Geist ist eine Welt für sich, in der die Hölle zum Himmel und der Himmel zur Hölle werden kann.”) Konstanze leidet viel in ihrer Gefangenschaft und ist bereit, für ihre Liebe und für ihre Treue zu sterben. Blondchen versucht, das Beste aus einer furchtbaren Situation zu machen und bleibt eher auf der sonnigen Seite des Lebens. Beide Frauen behalten souverän ihre Würde, sie gehen nur sehr verschieden damit um.

Gibt es für Sie musikalische Vorbilder?

Ja, natürlich! Für mich sind Beverly Sills, Joan Sutherland, Maria Callas und Edita Gruberova die ganz Großen. Es gibt auch heute wirklich sagenhafte Sängerinnen, die ich unglaublich toll finde, wie Renée Fleming, Natalie Dessay, Anja Harteros und Diana Damrau.

Gibt es Wunschrollen und Lieblingskomponisten?

Ich würde wahnsinnig gerne eine Trompete-spielende Marie in La Fille du Régiment singen! Ich würde auch sehr gerne die Lucia singen … also, es kommt mir sicher Donizetti auf die Liste von Lieblingskomponisten! Ich liebe Strauss und hoffe, dass ich irgendwann die Chance haben werde, Zerbinetta zu singen. Verdi zählt ja auch zu meinen Lieblingskomponisten, weil seine Opern so leidenschaftlich musikalisch gestaltet sind. [singlepic id=1121 w=240 h=320 float=right]

Sie haben einen vollen Terminkalender! Wo und mit welchen Partien kann man Sie in der nächsten Zeit hören?

Meine weiteren Engagements in dieser Spielzeit werden mich wieder nach Dresden führen, als die Tochter in Cardillac und wieder als Violetta. Dann singe ich in München die Hauptrolle in einer Uraufführung der modernen Oper Mutter Dolorosa für die Münchener Biennale. Des weiteren werde ich in nächster Zeit die Susanna, Violetta und Gretel singen, außerdem Lauretta in Gianni Schicchi sowie meine erste Konstanze.

Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg und sage vielen Dank für dieses Interview!

Danke schön!

(Interview vom Januar 2012)

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Interview mit Derrick Ballard

[singlepic id=1106 w=240 h=320 float=left] Sehr geehrter Herr Ballard, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Bitte erzählen Sie uns doch etwas zu Ihrem Werdegang.

Sehr gerne, vielen Dank. – Zu meinem Werdegang: Ich bin in Denver auf die Universität gegangen, habe dort fünf Jahre Musik und Gesang studiert, und danach bin ich nach New York umgezogen, um dort meine Karriere weiterzuführen. Dort habe ich dann Privatunterricht genommen bei einem sehr guten Gesangslehrer namens Mark Oswald, ein Bariton, und ich habe bei ihm sechs Jahre lang studiert, bevor ich nach Deutschland kam.

Nachdem ich nach Deutschland kam, habe ich an der Staatsoper unter den Linden in Berlin gastiert. Dann habe ich mein erstes Festengagement in Kassel bekommen. Ich war vier Jahre dort, und danach zwei Jahre in Oldenburg, und jetzt bin ich in meiner zweiten Spielzeit am Gärtnerplatztheater.

Wie kamen Sie zu dem Beruf des Opernsängers?

Wow. Ich habe immer im Chor gesungen, und in der Sommerpause, bevor ich an der Uni angefangen habe, habe ich Gounods „Faust“ gesehen. Und sofort dachte ich: Das will ich machen, genau das.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Alles mögliche. Ganz viel Gospel und ein bisschen Klassik. In meiner Familie haben wir eher Gospelmusik gehört, weil mein Vater auch eine Zeitlang Gospelmusik gesungen hat.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein, zum Glück nicht. Ich merke nicht, wenn irgendetwas schiefgeht.

Spielen Sie ein Instrument?

Nein, ich spiele ein bisschen Gitarre und ein sehr kleines bisschen Klavier. Aber als Instrument – hm, nein, gar keines.

Sie haben gerade schon erwähnt, dass Sie als Kind Gospel gehört haben. Mögen Sie auch jetzt noch andere Musikrichtungen?

Ich fände es irgendwie interessant, wenn man Klassik mit Rock kombinieren und dazu singen könnte. Leider geht das nicht, denn sonst wird man entweder in der Oper oder im Pop nicht ernst genommen. Aber grundsätzlich hätte ich wohl Lust, irgendwie in einer Rockband zu singen.

Ja. (beide lachen) – Es gibt ja diese sogenannten Crossover Artists, Peter Hoffmann ist natürlich ein Beispiel dafür, und Sie haben natürlich schon recht, dass er dann vielleicht auch nicht mehr so ernst genommen wurde im klassischen Bereich.

Ja, das stimmt leider, und ich finde auch, man muss ein bisschen aufpassen, denn normalerweise kann man eines oder das andere viel besser. Das heißt, wenn man das nicht so gut macht wie normalerweise, das finde ich auch schade. Aber trotzdem würde ich mir sowas wünschen. (lacht)

Haben Sie eine Opernaufnahme, die Sie privat am liebsten hören?

Ja, mein Vorbild ist Samuel Ramey. Oder zwei eigentlich, Samuel Ramey und José van Dam. Die höre ich wahnsinnig gerne, denn ich mag einfach, was sie mit der Musik machen. Das ist auf so einem hohen Niveau, und das tut mir gut, so etwas zu hören.

Ich hätte Sie jetzt auch noch nach Ihren musikalischen Vorbildern gefragt, aber auch nach Ihren szenischen Vorbildern. Ich denke gerade zum Beispiel an Ihre Rolle des Kecal, da spielen Sie auch sehr intensiv. Hatten Sie auch Schauspielunterricht, und haben Sie szenische Vorbilder?

Nein, Schauspielunterricht hatten wir an der Uni zum Beispiel nie, oder nie offiziell. Ich habe das quasi zufällig studiert im Opernstudio, da hatte man ein paar Stunden mit Schauspiellehrer und so. Aber so offiziell habe ich das nie gelernt. Es ist eher einfach eine Gefühlssache. Wenn man das wirklich ehrlich spielt und versucht, nichts extra draufzutun – ich finde, das funktioniert am besten.

Sie sprechen Deutsch und Englisch. Haben Sie noch weitere Sprachen, die Sie sprechen und in denen Sie auch singen?

Ja, singen schon. Man lernt natürlich Italienisch und Französisch fürs Singen. Auf Italienisch kann ich Kaffee bestellen, mehr nicht, leider. Das gleiche gilt für Französisch. Ich habe auch ein bisschen Russisch gelernt fürs Singen, aber davon spreche ich wirklich kein Wort. Das würde ich gerne auch mal lernen.

Ist es dann schwierig, ein Lied oder eine Oper richtig zu interpretieren, wenn man die Sprache nicht kennt?

Ja, aber ich übersetze jedes Wort, wenn ich ein Stück in einer anderen Sprache singe, denn ich finde es auch wichtig, wenn man das singen will, dass man ganz genau weiß, was man singt. Sonst kann man das überhaupt nicht rüberbringen. Also, für mich ist es total wichtig, das wörtlich zu übersetzen.

Sie sind ja in Amerika aufgetreten und auch hier in Deutschland – haben Sie noch weitere internationale Auftritte gehabt?

Ja, ich habe einmal in Mexico City gesungen mit dem National Symphony Orchestra of Mexico, aber sonst Amerika und Deutschland.

Amerika hat ja nun ein ganz anderes System, was die Theater angeht. Diese Ensembletheater, die man hier in Deutschland hat, gibt es ja dort zum größten Teil nicht. Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Leben hier als Opernsänger ergeben, und was sind die Unterschiede zu Amerika?

Ich glaube, der allergrößte Unterschied ist, dass dieses Festsystem in Amerika nicht existiert. Das heißt, man ist immer freischaffend und man arbeitet immer Stück für Stück. Es gibt so viele Sänger dort, und im Vergleich so wenige Opernhäuser, dass ich sagen würde, wahrscheinlich singt dort nur das beste halbe Prozent. Und es ist so eine Glückssache, ob man am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt ist. Hier finde ich es viel einfacher, eine Karriere aufzubauen, das gefällt mir sehr. Und auch ein Teil vom Ensemble zu sein.

Und wie unterscheidet sich das in den Proben zum Beispiel?

In den Proben zwischen den beiden Ländern? In Amerika stellt man ein Stück in zwei oder drei Wochen, inklusive Endproben, auf die Bühne, bis zur Premiere. Hier ist es normalerweise sechs bis acht Wochen. Ich fände was dazwischen ideal. Denn teilweise kommt man in Deutschland an einen Punkt, wo man denkt: Ich kann das Stück einfach nicht mehr proben, es geht mir so auf die Nerven. In Amerika dagegen ist es teilweise zuwenig geprobt. Ich fände vier bis fünf Wochen wirklich ideal.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was vertragen Sie überhaupt nicht?

Ja, ich glaube, bei mir – ich bin halt nicht wirklich empfindlich. Ich kann praktisch alles machen, was ich möchte, ohne stimmliche Nachteile. Aber ich finde es auch gut, generell genug zu schlafen. Das ist vielleicht das Einzige, was ich unbedingt brauche.

Brauchen Sie als Opernsänger Kondition, und tun Sie etwas dafür?

Auf jeden Fall. Singen ist Sport. Punkt. Und man muss wirklich körperlich gesund sein und eine gewisse Ausdauer haben, denn sonst kommt man nicht durch irgendeine Partie. Es ist sehr, sehr wichtig, dass man diese Ausdauer hat.

Müssen Sie besonders diszipliniert leben?

Besonders nicht, würde ich sagen, aber man muss schon ein bisschen darauf achten. Und je älter man wird, um so mehr merkt man es.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Erst mal Noten besorgen. Dann, was ich persönlich mache: Ich höre mir das ganze Stück an, einfach, dass ich weiß, von wo bis wohin geht es. Dann nehme ich meinen kleinen gelben Stift in die Hand, und ich markiere meine Partie. Wenn es in einer anderen Sprache ist, dann würde ich dann wörtlich übersetzen, und es dann ganz langsam angehen mit Notenlernen. So am Klavier für mich. Wenn ich das einigermaßen kann, dann fange ich an mit Korrepetition mit einem Pianisten, der das spielen kann.

Als nächstes kommt ja jetzt die Wiederaufnahme des „Freischütz“, in dem Sie die Rolle des Kaspar singen. Sie haben auch schon die Premiere gesungen, letztes Jahr im Oktober. Können Sie sich mit der Inszenierung identifizieren?

Ja, mit meiner Figur eher als mit der Inszenierung insgesamt. Aber man hat natürlich seine eigenen Ideen, und ich bin eher ein Traditionalist, was Produktionen angeht, und ich bin immer ganz skeptisch am Anfang, wenn das nicht ganz traditionell ist. Das muss ich mir abgewöhnen. Aber ich fand das eigentlich sehr schön, und die Arbeit mit den Kollegen hat wirklich geholfen, diese Figur zum Leben zu bringen.

Sind Sie selbst abergläubisch?

Nein, bin ich nicht.

Warum hat Agathe etwas dagegen, dass Max mit Kaspar Umgang hat?

Ich glaube, Agathe weiß schon, dass Kaspar kein guter Typ ist und nicht jemand, mit dem man irgendwas zu tun haben soll. Sie weiß das schon. Natürlich ist Max ein bisschen hin und her gerissen, denn er will unbedingt die Agathe haben, aber er will auch unbedingt akzeptiert werden in diesem Männerkreis.

Was war denn da genau mit Agathe?

Das ist immer offen gewesen. Es gab irgendwas in der Vergangenheit zwischen Kaspar und Agathe, und ich glaube, genau deswegen warnt sie den Max immer, dass er nichts mit Kaspar zu tun haben soll.

Die Angst ist ein bestimmendes Element im „Freischütz“. Wovor hat Kaspar Angst?

Vor Samiel. Denn das ist quasi die Quelle seiner Macht, aber das kann ihn genausogut und jederzeit komplett zerstören. Ich glaube, davor hat Kaspar Angst.

Der Wald ist ja ein Refugium – oder ist er eine Bedrohung?

Ja – beides. Je nachdem, zu welcher Jahreszeit, zu welcher Uhrzeit, was man dort vorhat – es kann beides sein.

Gibt es musikalische Besonderheiten des Kaspar?

Die ganze Partie, muss ich sagen. Es ist einfach wunderbar zu singen, es liegt sehr, sehr gut stimmlich. Er hat das eine Lied, „Hier im irdischen Jammertal“, und natürlich die große Arie. Die sind beide sehr schön zu singen. Dieses Terzett am Anfang macht ja auch Spass. Wolfsschlucht ist wunderbar. Und ich finde auch, ganz am Ende, wenn der Kaspar stirbt – die Musik ist wirklich beeindruckend.

Gibt es auch etwas an der Partie, was Ihnen nicht so gefällt?

Ach, gefallen tut mir das Ganze. Das Schwierige daran ist, das Lied zu singen und dann Dialog und direkt die große Arie danach singen, das ist sehr anstrengend.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Jedesmal habe ich ein bisschen. Ich finde, für mich, wenn ich nicht ein bisschen Lampenfieber habe, dann sind die Vorstellungen meistens nicht so gut. Ich tue nichts dagegen. Ich weiß ungefähr, was ich kann, und ich versuche das einfach ehrlich und mit hundert Prozent Energie zu geben.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Beste? Die Musik, die man singen darf und die Partien, die man verkörpern darf. – Das Schlimmste daran finde ich teilweise, dass man ganz wenig zuhause ist. Es gibt viele Reisen, und es macht Spass, aber irgendwann ist es auch ein bisschen lästig.

Sie haben vorhin gesagt, Sie haben sich erst relativ spät für den Beruf des Sängers entschieden. Gab es da auch irgendwann mal die Idee, etwas anderes zu machen?

Oh, tausende Sachen. Ich wollte mal Baseball-Spieler werden, ich wollte mal Tierarzt werden. Astronaut, aber ich glaube, das ist häufig bei Jungs. Alles mögliche. (lacht)

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Haben Sie eine Wunschpartie?

Ich habe mehrere. Ich würde gerne mehr Barockmusik singen, das liegt mir sehr gut. Ich würde natürlich gerne Verdis König Philipp singen, oder Attila, solche Sachen. Meine Liste ist lang.

Können Sie uns schon einen Ausblick geben, wie es weitergeht?

Ich werde in der nächsten Spielzeit freischaffend tätig sein. Ich habe schon ein paar Konzerte, und natürlich ist man für jedes Vorsingen bereit, aber Konkretes gibt es noch nicht so viel. Aber zu diesem Zeitpunkt in der Spielzeit ist das auch relativ normal, und ich bin mir sicher, irgendetwas wird schon kommen.

Dann sage ich herzlichen Dank für das Gespräch, und viel Spaß bei der Wiederaufnahme vom „Freischütz“!

Vielen Dank!

(Interview vom 01. Dezember 2011)

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[singlepic id=1105 w=240 h=320 float=left] Frau Moon, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Bitte erzählen Sie uns doch etwas zu Ihrem Werdegang.

Eigentlich ging ich in die Musik, weil meine Schwester Musikerin war. Meine Mutter war auch sehr musikalisch. Nach der High School in den USA wusste ich gar nicht, was ich machen sollte. Ich war musikalisch, ich habe Klavier gespielt. Dann ging ich auf die Universität, Ohio University, und in meiner erste Prüfung habe ich versagt, total versagt (lacht). Da hat man mir gesagt: Wenn Sie sich nicht verbessern, sind Sie raus. – Dann habe ich sehr schwer gearbeitet, und das Jahr darauf habe ich einen Wettbewerb mitgemacht, nur aus Spaß, nur um Erfahrung zu sammeln, und habe den ersten Platz gewonnen. Das war so ein Zeichen, weiterzumachen.

Ich habe einen Bachelor Degree von der Ohio University. Danach ging ich ans Cincinnati Conservatory in Ohio, wo ich ein Stipendium bekommen habe. Eine sehr, sehr reiche Familie dort hat Studenten gefördert, und dieses Stipendium habe ich bekommen. Das war eine sehr gute Ausbildung. Wir haben Bühnenbilder gemacht, wir haben Kostüme genäht, Schauspielunterricht, Tanz, Maske – alles, was mit der Bühne zu tun hat. Von dort aus ging ich an mehrere Studios, Santa Fe war ein Sommer-Festspiel, und dann Lyric Opera of Chicago. Dort war ich im Studio für zwei Jahre, und da konnte ich mit großen Leuten arbeiten. Placido Domingo, Marek Janowski am Pult, Michel Plasson, Theresa Berganza, wirklich Top-Leute.

Marek Janowski hat mir empfohlen, nach Deutschland zu kommen. Dafür habe ich mir drei Wochen freigenommen von Chicago. In Deutschland habe ich ein Blitz-Vorsingen absolviert, 13 Vorsingen in drei Wochen. Für Agenturen, Häuser, alles mögliche. Dann habe ich ein Engagement in Aachen bekommen. So habe ich hier in Deutschland angefangen. In Aachen war ich drei Jahre, dann war ich freischaffend für zwei Jahre. Danach war ich in Karlsruhe für fünf Jahre fest engagiert, und schließlich kam ich nach München. Seitdem bin ich hier. Aber in der Zwischenzeit habe ich immer meine Kontakte in den USA gepflegt. Ich habe dort in verschiedenen Häusern, New York City Opera, Milwaukee, Columbus, Ohio, Staat New York, auch Festspiele gesungen. Dann hatte ich ein Vorsingen an der Metropolitan Opera. Ich konnte dort innerhalb von fünf Jahren in einigen Partien gastieren, während ich hier fest engagiert war. Das lief damals sehr gut, das habe ich irgendwie hingekriegt. Freischaffend wollte ich nicht arbeiten, denn meine Tochter war klein, und ich war alleinerziehende Mutter, also wollte ich an einem Ort bleiben.

An der Met habe ich dann große Partien gesungen. Ich wurde als Cover für das Echo in „Ariadne“ engagiert. Die Frau wurde krank, dann war ich tatsächlich neben James Levine, Deborah Voigt, Natalie Dessay das Echo in „Ariadne“. Das war eine tolle Erfahrung. Man wusste, dass ich viel Barockmusik mache, und wollte mich in irgendetwas Barockem. Dann habe ich Kleopatra gesungen, und daraufhin wurde ich engagiert als Cover für Kleopatra. Und wieder ist die Frau krank geworden. Dann hatte ich mein Debüt in einer riesigen Partie, mit acht Arien. Es war wirklich … Ich habe fast geweint, als ich gehört habe, dass die Frau abgesagt hat. Ich war so nervös. Aber dann musste ich nur meine Einstellung ändern, ich musste nur denken, dass ich am Gärtnerplatztheater Mimi mache oder irgendetwas, was für mich sehr einfach ist, und dann habe ich das gut geschafft. Danach haben die mich weiter engagiert, als Zdenka in „Arabella“ mit Rene Fleming, und das war wieder eine tolle Erfahrung.

Dann habe ich hier in Deutschland auch verschiedene Gastspiele gemacht. An der Wiener Volksoper, Dresden Musikfestspiele, Halle Händel-Festspiele. Düsseldorf, Bonn, Köln. Auch in Paris habe ich ein Konzert gegeben, in Polen, Warschau. In Spanien habe ich neulich, in Mallorca, eine Opern-Gala gemacht. Es gibt bestimmt noch mehr.

Das Gärtnerplatztheater ist ein Ensembletheater und ein Repertoiretheater. Die Met spielt im sogenannten Semi-Stagione-Betrieb. Wie unterscheidet sich die Proben von einem Repertoiretheater wie dem Gärtnerplatztheater zu einem Theater wie die Met?

Zuerst fangen die später an mit Proben, nicht um 10.00, sondern um 11.00 Uhr. Selten hat man, wenn man Vorstellung hat, dann eine Probe. Es sind normalerweise zwei Tage zwischen Generalprobe und Premiere. Als Cover ist man so gut vorbereitet und studiert, als ob man die Rolle singt. Deswegen konnte ich einspringen, weil ich die Partie so gut kannte. Man macht musikalische Proben genauso wie hier. Das ist auch hier sehr gut, auch eine gute Vorbereitung. Nur, man hat ein breiteres Band von Repertoire, das man machen muss, und das ist manchmal schwer. Wenn man große Partien wie „La Traviata“ hat und daneben etwas probieren muss, ist das nicht so einfach.

Also, wenn Sie als Cover in New York an der Met waren, dann hätten Sie theoretisch während der Vorstellung bereitstehen müssen, falls irgendetwas ist?

Ja. Wir mussten innerhalb von zwanzig Minuten an der Met sein können. Das heißt, wir konnten nicht in Queens sein, auf der anderen Seite des Flusses, wo ich eigentlich gewohnt habe. Ich musste in Manhattan sein. Es konnte in einem Restaurant sein, aber wir mussten erreichbar sein, die mussten wissen, wo wir waren. Wenn es eine Radioübertragung war, live, mussten wir im Haus sein, im „Green Room“. Wir waren so quasi auf Abruf, zum Einspringen, falls irgendetwas ist.

Sie haben erwähnt, dass Sie Barockmusik sehr gerne machen. Es gab in der letzten Spielzeit hier am Haus eine Barockoper, in der Sie auch mitgewirkt haben. Hätten Sie sich mehr Barockoper gewünscht am Gärtnerplatztheater?

Ja, auf jeden Fall. Wir hatten vor acht Jahren „Ein Theater nach der Mode“. Ein Pasticcio, aus verschiedenen Sachen zusammengestellt von Kobie von Rensburg und Peer Boysen. Das war genial, das war wirklich etwas Besonderes. Die hätten das weiter spielen sollen, das war so gut. „Sokrates“ von Telemann war auch eine tolle Erfahrung, das hat viel Spass gemacht. Aber mehr Barock – ja, das wäre schön gewesen.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein. Es gibt ein absolutes Gehör und ein relatives Gehör. Da kann man nicht so ganz genau die Töne verorten, aber, zum Beispiel, wenn ich eine Rolle wie Mimi kenne, dann weiß ich ungefähr, wo das in meinem Hals ist. Aber meine Tochter hat das.

Ist Ihre Tochter auch Musikerin?

Ja. Sie spielt Klavier und Gitarre, und sie kann auch gut singen.

Dann wird sie eines Tages ja auch in Ihre Fußstapfen treten?

Das weiß ich nicht. Sie ist auch sehr stolz auf ihren Vater, der auch Musicals und Popmusik macht. Sie ist sehr interessiert an Filmmusik. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Mögen Sie selbst auch andere Musikrichtungen?

Ja. Ich mag viele verschiedene Musikrichtungen. Ich singe nur Oper, weil das am besten für mich ist. Ich passe nicht zum Musical, zum Beispiel, oder Jazz habe ich nie probiert. Aber ich höre gerne Jazz oder Popmusik.

Sie sprechen gut Deutsch und natürlich Englisch. Sprechen Sie noch andere Sprachen, und singen Sie auch noch in anderen Sprachen? Sie haben ja hier am Haus auch schon auf Italienisch gesungen.

Ja. Ich komme gut mit Italienisch klar, Französisch auch. Und ich singe in allen diesen Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch. Im Februar gibt es einen Ballett-Abend, wo ich Tschaikowsky-Lieder singe, drei Tschaikowsky-Lieder in russischer Sprache, und das ist kompliziert.

Haben Sie da einen Sprachcoach?

Ja. Oleg Ptashnikov hat mir geholfen. Es gibt auch eine Dame im Chor, sie ist auch aus dieser Gegend und kann mir auch helfen.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ja. Ich bin begeistert von Menschen wie Tony Bennett oder Michael Jackson. Auch Freni, Pavarotti, die sind Vorbilder von mir in der Oper. Aber ich bin sehr begeistert von Filmkomponisten, zum Beispiel, ich finde, Filmmusik ist jetzt die Musik unserer Zeit, nicht mehr Oper oder sinfonische Sachen. Filmmusik finde ich sehr schön. Ich finde auch Stevie Wonder genial. Er ist über 60 und konnte immer sehr gut singen, auch mit Emotion, mit verschiedenen Farben. Er hat die Stimme so gut gepflegt. Und Sänger wie Sting, Popsänger, Phil Collins, die haben die Stimme wirklich gut gehalten für ihr Alter, und die singen immer noch. Ich denke, das hat damit zu tun, dass sie nicht so viele Tourneen gemacht haben. Das kann einen sehr schnell ausbrennen, denke ich mir.

Haben Sie eine Opern-Aufnahme, die Sie privat am liebsten hören?

Ich würde sagen, meine Lieblings-Aufnahme ist „Turandot“ mit Zubin Mehta, Pavarotti, Caballé und Sutherland.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was vertragen Sie überhaupt nicht?

Viel schlafen tut gut. Leider, in Lokale zu gehen, wo es laut ist und wo man darüber laut sprechen muss, das ist schlecht. Ich trinke wenig Alkohol. Ab und zu genieße ich ein Glas Wein, Glühwein, wenn ich nicht so viel zu singen habe. Aber so etwas vermeide ich, wenn ich große Partien habe und die Stimme pflegen muss.

Da kommen wir gleich zur nächsten Frage: Wie diszipliniert müssen Sie leben als Sängerin?

Sehr. Manchmal ist es sehr schwer, ein soziales Leben zu haben und Freunde zu treffen. Wenn man viele Power-Partien hat, wie Traviata, Butterfly, kann man nicht ausgehen mit Freunden und es spät werden lassen, wenig schlafen. Man muss sehr diszipliniert sein, auch körperlich. Ich gehe joggen. Bei dem Wetter nicht so, aber im Sommer. Wenn ich nicht große Sachen zu singen habe, dann mache ich Fitness.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Zuerst höre ich es mir an, wenn es möglich ist, wenn es eine Aufnahme gibt, damit ich die Klangfarbe vom Orchester höre, wie groß das Orchester ist. Dann fange ich an, die Noten, die Töne zu lernen und die Sprache auch zu übersetzen, wenn es sein muß, Sachen, die ich nicht weiß. Und dann langsam, langsam kommt es. Man muss halt peu a peu ein bisschen jeden Tag machen, dann kommt das alles. Wenn man ganz schnell etwas lernen muss, dann eine Aufnahme hören. Das hören viele Leute nicht gerne, aber das ist das Beste, wenn die Leute in der Aufnahme keine Fehler machen. Dann hört man das richtig, auch wie die Einsätze sind, das ist sehr wichtig. Denn falls irgendetwas auf der Bühne passiert und einer setzt falsch ein, dann weiß man: Wo soll ich einsetzen. Und das hilft auch. Ja. Ein bisschen jeden Tag machen. Und dann in die Probe, dann fühlt man mit körperlicher Bewegung, lernt man langsam die Partie.

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Kommen wir zur Wiederaufnahme des Freischütz. Das war die Eröffnungspremiere der letzten Spielzeit. Sie haben die Partie der Agathe übernommen. Erzählen Sie uns ein bisschen von Ihrer Rolle.

Die Agathe, das ist eine sehr interessante Partie. Früher hatte ich im Kopf gehabt, dass die Agathe ein Heldensopran sei, ein schwerer Sopran. Aber sie ist nicht so. Man muss feine Elemente dabei haben, es ist fast wie Mozart. Bisschen dramatischer Mozart. Man muss auch leicht singen können, aber auch dann dramatische Ausbrüche. Weber hat sehr gut für die Sopranstimme geschrieben – immer große Ausbrüche in der Höhenlage, wo die Sopranstimme sowieso trägt. Diese leise, leise Arie ist tief, aber sehr wenig Orchester darunter. Ich finde, es ist eine sehr gesunde Partie. Gestern hatten wir einen Durchlauf, und ich habe mich fit gefühlt danach. – Zur Figur? Sie ist eine starke Frau, aber sie hat auch Ängste. Das sieht man im Laufe der Zeit. In unserer Produktion ist sie sehr ängstlich, obwohl sie stark bleiben muss für Max. Das Ännchen – natürlich habe ich diese Rolle auch gemacht – sie gibt der Agathe Energie, und es ist gut, dass Agathe so eine Freundin wie Ännchen hat, eine starke Frau neben ihr, die alles so selbstverständlich nimmt. Das hilft Agathe, nicht so ängstlich zu sein.

Die Inszenierung von Beverly Blankenship ist nicht ganz unumstritten. Können Sie sich damit identifizieren?

Ja, ich hatte keine Probleme damit, ich fand es sehr gut. Diese Wolfsschlucht-Szene ist eine sehr interessante Lösung, denn diese Szene könnte peinlich wirken, wenn es nicht gut gemacht ist. Ich denke, Beverly Blankenship hat eine sehr gute Lösung gefunden. Es ist sehr technisch, man muss aufpassen, wir müssen das gut probieren, denn es könnte gefährlich sein. Sie haben es gesehen: mit Hin-und-Her, Versenkungen, Herumkrabbeln, Löcher. Aber wenn man gut geprobt hat, sollte nichts passieren.

Die Agathe ist relativ passiv. Warum?

Ich denke, das ist so, weil Max derjenige ist, der labil ist und schwach und diese Kugel nimmt. Ännchen ist so ein frischer Wind. Ich denke, das passt, dass eine passiver ist. Stark, aber passiv. Sie ist stärker als Max. Max geht in diese Wolfsschlucht, wo er die Kugel will von Caspar. Sie bleibt …. Sie ist passiv, aber bleibt trotzdem stark und weiß, was sie will, mit Max und ihrer Hochzeit.

Agathe ist ziemlich abergläubisch. Sind Sie es auch?

Nein. Nein, gar nicht. Wie Pfeifen auf der Bühne, oder wenn man eine schwarze Katze sieht oder sowas? Abergläubisch bin ich gar nicht.

Was genau ist da mit Caspar vorgefallen?

In unserer Inszenierung? Ja, das ist sozusagen so inszeniert, dass entweder in ihren Träumen oder in Wirklichkeit etwas passiert ist. Dass sie eine Beziehung hatte, eine sexuelle Beziehung oder irgendwas. Aber die ganze Inszenierung ist sowieso Agathes Traum, und ich denke, das war mehr ihr Unterbewußtes.

Angst ist ein bestimmendes Element im „Freischütz“. Wovor hat Agathe Angst?

Ja, sie sagt: Wie entsetzlich, dass Max in die Wolfsschlucht geht. Sie sieht eine Gefahr da, ich weiß nicht, vielleicht, weil es im dunklen Wald ist. Diese Eremit-Figur, er ist so wie ein Mönch. Vielleicht sieht sie, wo Max geht, dass er auf die dunkle Seite gehen könnte.

Ist der Wald ein Refugium oder ein Ort der Bedrohung?

Ich glaube, sie empfindet ihn als Bedrohung.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation dieser Rolle?

Ja. Ja. Beverly Blankenship hat uns Ideen gegeben, aber wir haben uns auch unsere eigenen Ideen mitgebracht, und sie hat sie gut akzeptiert.

Sie haben vorhin schon über die Partie gesprochen. Was ist das Schönste daran, und was ist am schwersten?

Ich glaube, eine starke Figur zu präsentieren, ist wahrscheinlich das Schönste, denn ihre Musik ist manchmal sehr passiv, wie diese Wolken-Arie. In der ersten Arie kann man alles zeigen, und das finde ich gut. Diese erste Arie finde ich wirklich schön, das Schönste an Agathe. Denn sie kann diese leise, leise Stelle präsentieren und auch eine so aufblühende Ekstase, in der Musik und auch in der Figur. Und direkt danach sieht sie Max, und sie kommen zusammen, und das ist für sie – sie liebt Max über alles.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Normalerweise nicht. Wie gesagt, als ich gewusst habe an der Met, dass ich einspringen musste in dieser Riesen-Rolle – in diesem Haus waren fast viertausend Menschen – da habe ich geweint. Aber ich musste dann eine andere Einstellung denken: Okay, ich bin routiniert, ich mache das jeden Tag, jede Woche. – Was ich dagegen tue, ist, so vorbereitet zu sein, dass nichts passieren kann. Und gut ausgeruht. Ich riskiere nicht, am Vortag mit Freunden auszugehen. So etwas habe ich nie riskiert. Wenn die Stimme nicht funktioniert, oder wenn ich eine Partie nicht so gut kenne, dann würde ich Lampenfieber bekommen.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was gefällt Ihnen gar nicht daran?

Das Schönste ist: Ich freue mich, dass ich seit meinem Studium immer noch das machen kann, was ich gelernt habe, was ich studiert habe, und seitdem habe ich nie etwas anderes machen müssen, das finde ich sehr schön. Was ich nicht schön finde, ist: diese Gefühle, wenn man sich nicht so topfit fühlt. Soll man absagen oder nicht? Das ist eine schwierige Sache. Wenn man nicht fit ist, könnte man versagen auf der Bühne, und das ist eine schwere Sache, oder wenn die Stimme gar nicht geht. Diese Entscheidung, dieser Stress, absagen zu müssen, finde ich wahrscheinlich das Schwierigste an diesem Beruf.

Sie haben schon viele große Partien gesungen. Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ja, ich habe viele Sachen, meine Traumpartien, gleich am Anfang meiner Karriere gemacht: Sophie im „Rosenkavalier“, Manon von Massenet. Ich würde sehr gerne zu manchen Partien zurückkommen können. Die Liu habe ich immer sehr gerne gemacht. Mimi natürlich. Butterfly. Dass ich wieder die Möglichkeit habe, diese Rollen zu machen. Ganz neue Partien? Ich liebe Puccini. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, welche Puccini-Partie, die ich noch nicht gemacht habe, zu mir passt. Tosca zum Beispiel: Tolle Musik, aber ich denke nicht, dass ich die Figur bin dafür. Strauss. Vielleicht Strauss. Vielleicht Arabella.

Sie haben ganz am Anfang erwähnt, dass Sie nach der High-School nicht genau wussten, was Sie machen wollten. Gab es irgendwie Alternativen, die Sie überlegt haben?

Nicht eigentlich, nein. Ich habe mich interessiert für Jura, aber nicht so ernsthaft, dass ich das studieren wollte. Aber das war ein Gedanke in der High School, im Gymnasium. Außer Musik gab es in unserem Gymnasium nicht viel, in dem wir gefördert wurden. Vielleicht bin ich deswegen in diese Richtung gegangen.

Da können wir Münchner uns ja glücklich schätzen, dass Sie sich für die Musik entschieden haben. – In dieser Spielzeit kommt noch als Neuproduktion die Alice Ford im „Falstaff“. Können Sie uns schon einen weiteren Ausblick geben?

Ich habe viele Pläne. Aber ich spreche ich noch nicht darüber.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Interview!

Herzlichen Dank auch!

(Interview vom 26. November 2011)

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Interview mit Harrie van der Plas

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Herr van der Plas, danke, dass Sie Zeit für ein Interview gefunden haben. Könnten Sie uns zu Beginn bitte einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich habe mein Gesangsstudium erst im Alter von 24 Jahren begonnen. Damals war ich Grundschullehrer in Holland, aber in meiner Familie wurde schon immer viel gesungen und musiziert. Mein Bruder ist ebenfalls professioneller Sänger. Mein Vater singt, meine Geschwister spielen Klavier oder Geige. Ich war bereits vom Kindesalter an ein grosser Fan der berühmten Tenöre, wie z.B. Schipa, Björling, Schmidt, Pertile und Fritz Wunderlich. Inspiriert wurde ich dazu durch meinen Vater. In unserem Elternhaus lief im Hintergrund ständig klassische Musik. Aber ich dachte damals, dass es für mich wohl nicht möglich wäre, das mit meiner Stimme zu erreichen. Das war für mich damals so weit weg, das konnte ich mir nicht vorstellen. – Meine Frau ist auch Sängerin und ist damals aus Rumänien geflüchtet … Soll ich erzählen, wie es dazu kam, dass wir uns kennenlernten?

Ja, bitte!

Sie nahm an einem Gesangs-Wettbewerb in der Stadt teil, in der ich geboren wurde. Dem „Internationalen Gesangswettbewerb `s-Hertogenbosch“. Meine Familie war ihre Gastfamilie während dieses Wettbewerbs. So haben wir uns kennengelernt. Sie sagte zu mir: „Du bist sehr begabt. Du solltest Gesang studieren, um professioneller Sänger zu werden.“ So ging ich nach Maastricht, habe für die Hochschule vorgesungen, und bin sofort aufgenommen worden. Ruxandra setzte ihr Studium ebenfalls an dieser Hochschule fort. Ich studierte dort drei Jahre. In dieser Zeit bin ich technisch nicht sehr weit vorangekommen, deshalb suchte ich Rat bei Ileana Cotrubas, die eine Bekannte meiner Familie ist. Ich machte mich auf den Weg nach Nizza und sang für sie vor. Sie meinte, dass es im Moment für meine Gesangskarriere nicht gut aussehen würde und ich schleunigst einen sehr guten Lehrer finden müsste, der mir beibringt, mit meinem Instrument richtig umzugehen. Denn damals war ich bereits 28 Jahre alt. Sie war sehr direkt und sehr ehrlich, was auch wichtig war, da es mich wachgerüttelt hat. Sie half mir, einen neuen Lehrer zu finden, zunächst in Luxemburg – Herr Panthea, und dann in der Nähe von Freiburg – Herr Antonius Niculescu. Als meine Frau ein Engagement in Karlsruhe bekam, ging ich mit ihr mit und besuchte die dortige Opernschule an der Staatlichen Hochschule für Musik. Dort habe ich bei Anton de Ridder noch zwei Jahre studiert. Das Glück war auch, dass die Staatliche Hochschule für Musik in Karlsruhe damals ein Abkommen mit Baden-Baden hatte, wo dann zwei Produktionen in dem dortigen Theater stattfanden. Ich sang Tamino in der „Zauberflöte“ und den Hans in der „Verkauften Braut“. Das Allerwichtigste für einen Sänger ist es, auf der Bühne zu stehen, denn dadurch kann man sich eigentlich erst richtig entwickeln. Natürlich ist eine bestimmte Gesangstechnik Voraussetzung, aber auf der Bühne lernt man am meisten, sammelt Erfahrung, und durch diese Erfahrung wiederum neue Engagements. An das Theater in Karlsruhe kam ich quasi durch meine Frau. Da sie bereits dort engagiert war, organisierte sie einen Termin für ein Vorsingen für mich beim damaligen Intendanten Könemann. Ich sang vor und hatte so das Glück, in Karlsruhe mein erstes Fixengagement zu bekommen. So hat es begonnen.

Sie sind ja auch international bei vielen Gastspielen unterwegs. Gibt es da besonders schöne Erinnerungen an Produktionen oder Aufführungen? Produktionen, die Sie sehr gerne gemacht haben?

Die „Bohème“ in Leeds war eine hervorragende Produktion. Dan Ettinger war damals Korrepetitor. Vor kurzem habe ich mit Dan in Mannheim wieder eine „Bohème“ gemacht. Er ist ein außergewöhnlicher Dirigent und trotz seines Erfolges immer noch der gleiche sympathische Mensch. Das fand ich sehr schön.

2002/2003 sind Sie dann ans Gärtnerplatztheater gekommen. Können Sie sich da noch an Ihre erste Rolle erinnern?

Meine erste Rolle war Werther. Französisches Repertoire hat meiner Stimme immer sehr gut getan, wahrscheinlich wegen der Sprache, selbst wenn diese Produktion damals auf deutsch gesungen wurde. Es war ästhetisch und auch sehr sängerfreundlich inszeniert. Der Charakter des Werther erinnerte mich an meine Zeit als Teenager. Man kann in seinem Charakter etwas von sich selbst wiedererkennen. Ich denke, jeder von uns war schon einmal in der Situation, verliebt zu sein, obwohl diese Liebe nicht erwidert wird. Ich liebe Massenets Musik, da sie romantisch und leidenschaftlich ist.

Sie hatten es schon angesprochen: Mit Ihrer Stimme verbindet der Hörer sehr das italienische und das französische Fach. In der ersten Produktion der Saison 2011/2012 haben Sie hier am Münchner Gärtnerplatztheater den Hans in der „Verkauften Braut“ in deutscher Sprache gesungen, und in Kürze, am 4. Dezember 2011, kommt der Max im „Freischütz“. Kommt es bei Ihnen zu einem Fachwechsel, oder sind das einzelne Ausflüge?

Nein, es ist für mich kein Fachwechsel, sondern eine Erweiterung meines bisherigen Repertoires. – Ich denke, man muss eine Zeit lang in einem Land wohnen, um sich mit der Sprache verbunden zu fühlen. Da Niederländisch und Deutsch beide germanischen Ursprungs sind, ist es ein großer Vorteil für mich, dieses Repertoire zu singen. Ich fühle mich der deutschen Sprache sehr verbunden. Und irgendwie passt es, dass sich alles so gut entwickelt. Ich bin jetzt auch im für dieses Fach richtigen Alter.

Ich freue mich schon sehr auf den „Freischütz“. Ich meine, Hans ist eine etwas lyrischere Partie. Die Rolle des Max kann sehr gefährlich sein, da die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt. Das muss man gesangstechnisch berücksichtigen. Die Gefahr besteht natürlich, wenn man in dieser Lage singt, dass man dazu tendiert, die Stimme zu sehr zu verdunkeln. Oder man denkt: „Ich muss mehr Stimme geben.“ Ich denke, dass ich jetzt so viel Erfahrung habe, dass ich nun damit umgehen kann.

Wie sieht es denn mit der Inszenierung aus von dem „Freischütz“? Können Sie sich damit identifizieren? Kommen Sie gut zurecht mit der Inszenierung von Frau Blankenship?

In dieser Inszenierung ist die Aufmerksamkeit auf Agathe gerichtet. Der erste Teil ist ein Traum, alles, was man sieht, ist eigentlich nicht real, sondern wie in Agathes Träumen. So hat die Regisseurin das gedacht. Somit ist es nicht ganz so einfach, den Charakter zu finden. Denn als Max bin ich dann sozusagen ein Teil des Unterbewußtseins von Agathe. Was ist dann Realität und was ist Traum? Damit befassen wir uns jetzt auch bei den Proben. Wir versuchen, dass die Gefühle nicht träumerische Gefühle sind, sondern echte Gefühle. Ja. Ich glaube, dass wir jetzt während der Proben einen Weg gefunden haben, diesem Charakter Substanz zu geben.

Die musikalischen Besonderheiten der Partie des Max, können Sie dazu noch etwas sagen?

Es ist ein romantisches Werk. Obwohl die Partie hauptsächlich in der Mittellage liegt, ist es trotzdem eine Herausforderung. Ich habe mich ein Jahr mit der Partie beschäftigt, und das ist auch notwendig, um eine Rolle wirklich in den Körper zu bekommen. Und nach den ersten paar Vorstellungen kann man die Partie dann sein Eigen nennen.

Im Libretto heißt es: „Mich umgarnen finstere Mächte“. Welche sind das?

Die finsteren Mächte, denke ich, sind seine eigenen Ängste. Seine Ängste, im entscheidenden Moment zu versagen und zu verlieren, was ihm wichtig ist. Was er liebt. Nämlich Agathe. Ich denke, dass sich diese Angst so hochschaukelt, dass er davon völlig übermannt ist. Er ist sich sozusagen selbst sein größter Gegner: Die finsteren Mächte sind eigentlich alles, was in seinem Kopf geschieht. Und diese Ängste werden durch die Gefühle, die er ihnen verleiht, zur Realität. Das ist für mich das Thema der Arie.

Würde Max noch weiter gehen, um das Glück zu zwingen?

(Lacht auf.) Naja. – Wie weit geht der Mensch? Das ist eine archetypische Frage, nicht wahr? Wie weit geht jemand, um etwas zu erreichen? Ich meine, er wird entlarvt. Denn wenn niemand dahinter gekommen wäre, hätte er dann so weitergemacht? Ich denke schon. Er würde alles dafür geben, um mit Agathe glücklich zu sein. Da er bereits so weit gegangen ist, würde er wahrscheinlich auch weitergehen. Ich halte ihn nicht für eine sehr sympathische Figur, wenn ich mal so sagen darf, ich finde ihn nicht sehr „liebenswert“, da es auch einen Moment gibt, in dem er Agathe schlägt. Und auch in dieser Inszenierung wird das stereotype männliche Verhalten noch intensiviert. Aber wie es nun mal des öfteren der Fall ist mit den Tenören, sie sind immer mal wieder die „Loser“. (Lacht.) Es ist egal, ob es italienische Oper ist oder eben jetzt deutsche. Der Tenor ist vom Charakter her meistens nicht so stark. Max ist da keine Ausnahme. Er lässt sich schnell von seinen Ängsten und seinem Umfeld beeinflussen. Vor allem will er es allen Männern rundherum recht machen, und da er nicht so eine starke Persönlichkeit besitzt, lässt er sich in die Ecke drängen.

Interessiert sich Max denn für die Gefühle seiner Verlobten?

In dieser Inszenierung kommt das auf alle Fälle nicht so heraus, finde ich. Es geht vorrangig um das Erreichen des Ziels, aber er spricht auch immer von seinen Ängsten und davon, was er nicht kann. Er spricht davon, dass Agathe sich sehr freut, ihm zu gehören. Aber dass er sie wirklich liebt, erwähnt er nicht direkt. Also, seine Liebe für sie habe ich nicht entdecken können. In den Texten dieser Inszenierung nicht.

Ist der Wald in dem Fall ein Refugium für Max oder eine Bedrohung?

Natürlich beides. Den Wald könnte man als die dunkle Ecke seines eigenen Geistes sehen: Es sind seine Ängste, er geht auch dort hin, um seinen Ängsten zu begegnen, aber es ist auch der Ort, an dem er denkt, dass niemand ihn beeinflussen und kontrollieren kann. Kein Schwiegervater und niemand kann ihm dort etwas sagen.

Könnten Sie uns noch einen Ausblick auf Ihre zukünftigen Rollen geben, und welche Rollen würden Sie gerne noch in Ihr Repertoire aufnehmen?

Also, als nächstes kommt jetzt „Narraboth“ in Bolzano auf mich zu. Danach Matteo in „Arabella“. Es wäre schön, wenn Wagner auch dazukäme. Ich glaube schon, dass man mit den Aufgaben wächst. Also, vor eineinhalb Jahren hatte ich noch nicht gedacht, dass ich so schnell in dieses Repertoire hineinwachsen würde. Man lernt dabei auch technisch so viel Neues. Und die Stimme selbst weist einem den Weg in die richtige Richtung. Es ist auch sehr spannend. Es kann noch überall hingehen. Das ist das Wunderbare an diesem Beruf.

Denken Sie über ein Festengagement nach in Zukunft, oder dann doch eher an freie Engagements?

Also, so hier am Gärtnerplatztheater war es für mich sehr angenehm. Wenn ich so arbeiten kann wie hier am Gärtnerplatz, würde ich auch ein festes Engagement annehmen. Aber vielleicht muss man auch mal den Sprung wagen und sagen: „Ich werde jetzt freischaffend“. Das ist natürlich dann auch wieder unsicher, aber es bietet die Möglichkeit, an verschiedenen Häusern mit neuen interessanten Menschen zusammenzuarbeiten.

Und haben Sie bestimmte Wunschrollen?

Da wären einige auf meiner Liste. Zum Beispiel „Lohengrin“, „Tannhäuser“, „Meistersinger“, im italienischen Fach Radames und Cavaradossi sowie Andrea Chenier, aber ebenso den Des Grieux in Massenets „Manon“. Ich könnte die Liste noch fortsetzen, da meine Stimme es mir erlaubt, sowohl im deutschen als auch im italienischen und französischen Fach zu Hause zu sein. Ich denke, dass ich wieder ganz neue Horizonte erforschen werde. Es sind spannende Zeiten, und ich freue mich auf die Zukunft.

Dann wünsche ich Ihnen alles Gute und sage vielen Dank für das Gespräch!

Danke schön!

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Interview mit Katja Stuber

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Frau Stuber, danke schön, dass Sie zwischen den Proben zum Freischütz am Gärtnerplatztheater und den Proben beim Bayerischen Rundfunk die Zeit für ein Interview gefunden haben. Könnten Sie uns bitte einen Einblick in Ihren Lebenslauf geben?

Ich war von klein auf begeistert von Musik und habe daheim in der Oberpfalz immer im Chor gesungen. Zwei Jahre vor dem Abitur besuchte ich zum ersten Mal einen Gesangsunterricht an der heimischen Musikschule. Erst begann ich aber ein Lehramtsstudium, für Realschule, mit den Fächern Deutsch und Musik. Noch während dieser Zeit habe ich über meine Gesangslehrerin an der Musikhochschule, Frau Angelica Vogel, den Anreiz bekommen, doch zu überlegen, ob ich ins Hauptfach Gesang wechseln oder das zusätzlich studieren möchte. Das interessierte mich schon, und ich probierte ein bisschen blauäugig die Aufnahmeprüfung. Prompt klappte es in München an der Musikhochschule. Dort habe ich bei Christian Gerhaher vier Jahre studiert, danach zwei Jahre im Aufbaustudium bei Ruth Ziesak in Saarbrücken. Das erste Engagement kam hier am Gärtnerplatztheater gleich nach dem Ende des Studiums in München. Ich wurde von der Musikhochschule als Stipendiatin für den Deutschen Bühnenverein vorgeschlagen. In diesem Vorsingen für die Auswahl der Stipendiaten saß der Intendant des Gärtnerplatztheaters, Herr Dr. Peters. Er gab mir dann die Möglichkeit, als Schwangerschaftsvertretung ein Jahr lang fest im Ensemble hier am Gärtnerplatztheater zu singen. Danach ging es weiter mit Gastpartien hier am Haus, in der „Zauberflöte“ und im „Orpheus“ und in der aktuellen Spielzeit eben als Sandmännchen/Taumännchen in „Hänsel und Gretel“, Papagena in der „Zauberflöte“ und Ännchen im „Freischütz“.

Gab es da eine Produktion, die besonders Spass gemacht hat?

Eigentlich haben alle Produktionen besonders Spass gemacht. Das war einfach alles super zum „Einstieg“, weil die Partien sehr überschaubar waren. Barbarina und Papagena sind Repertoirepartien, aus dem Studium bekannt, und Sandmännchen/Taumännchen auch. Neu war die Operette „Boccaccio“, eine Wiederaufnahme. Die Fiammetta zu singen war insofern eine neue Erfahrung, als mir erstens das Stück unbekannt war und zweitens, weil es ein anderes Arbeiten ist, in eine Wiederaufnahme-Produktion einzusteigen. Der „Boccaccio“ war auch sehr aufwendig inszeniert in Kostüm, Bühne usw. In meinem Jahr als Ensemblemitglied gab es zwei Neuinszenierungen, „Orpheus in der Unterwelt“ und „Zauberflöte“. Das war auch noch mal eine neue Erfahrung, wenn man so eine ganze Produktion vom Konzeptionsgespräch bis zur Premiere mitbekommt.

Jetzt kommt am 4. Dezember der „Freischütz“, das Ännchen. Wie erarbeiten Sie sich eine neue Rolle?

Es ist eine Repertoire-Partie. Die Arien sind bekannt, die habe ich häufig schon vorgesungen, in Diplomprüfungen und auch zum Beispiel letztes Jahr in Bayreuth. Dadurch, dass es eine Wiederaufnahme ist, bekommt man Noten und DVD vom Haus. Ich habe mir erst mal die DVD angeschaut. Im Vorfeld habe ich mich natürlich schon öfter mit dieser Oper beschäftigt. Lustigerweise habe ich während meines Praktikums fürs Lehramtsstudium eine Schulstunde im Musikunterricht mit dem Thema „Freischütz“ gehalten.

Können Sie sich mit der Inszenierung von Frau Blankenship identifizieren?

In einigen Punkten. In einigen auch weniger. Es ist schwer, sich manche Sachen anzueignen, die man jetzt vom Typ her vielleicht ein bisschen anders anlegen würde. Das Ännchen ist sehr burschikos in der ganzen Inszenierung, was schon auch Spass macht zu spielen, sie hat aber nie eine weiche Seite, was mir so ein bisschen fehlt. Außerdem ist die ganze Inszenierung wahnsinnig rabiat und oft fast brutal, es wird ständig mit Gewehren und Jagdmessern hantiert und diese werden auch zuhauf eingesetzt. Ännchen schießt auch, zwar nur mit einem gesprochenen „Peng“ angedeutet, aber trotzdem: Es sind ein paar so Sachen, die mir schon ein bisschen widerstreben, muss ich sagen, aber – ja. Man macht es dann halt trotzdem.

Was sind denn die musikalischen Besonderheiten der Partie?

Die Partie an sich liegt für einen Sopran relativ tief, gerade in den Ensembles. Man braucht aber in den Arien auch eine gute Höhe. Der Stimm-Ambitus ist also sehr groß. Ansonsten ist musikalisch-stimmlich alles drin. Es gibt sowohl Koloratur also auch große lyrische Bögen.

Und die Charakterunterschiede zwischen Ännchen und Agathe?

Ännchen ist hier eher der burschikose Typ. In Max verliebt, in dieser Inszenierung, oder sie denkt sich ständig, warum er eigentlich immer nur dieser traurigen Agathe hinterherrennt, wobei Ännchen doch eigentlich die viel interessantere Person ist. Sie ist aber sehr jugendlich dargestellt mit ihren Zöpfen usw., von daher unterscheidet sie sich schon sehr von der Agathe. Diese ist die weinerliche, absolut nicht starke Frau in der Inszenierung. Sie wird sogar öfter von Max geschlagen! Das ist auch so ein Punkt, den ich nicht ganz nachvollziehen kann. Das passiert am Ende von unserem Terzett: Die Frau, die sich zwar von ihrem Zukünftigen durch Schläge demütigen lässt, aber ihm dann doch hinterherläuft…

Ännchen macht sich über Agathes Aberglauben lustig. Aber als sie die Totenkrone statt des Brautkranzes in Händen hält, wird es ihr doch ein wenig mulmig zumute. Ist sie doch ebenfalls abergläubisch?

Ich glaube sie ist immer hin- und hergerissen zwischen der entsetzlichen Realität und ihrem Charakter-Typus. In einer schrecklichen Situation „Wie? Was? – Entsetzen! Dort in der Schreckensschlucht!“ denkt sie: „Ach, es wird schon alles gar nicht so schlimm sein, wie es da erscheint.“ Also, sie hat schon immer etwas Positives, oder versucht, überall etwas Positives zu sehen. Die Stelle mit dem Totenkranz ist wieder ähnlich: Erst wirkliches, von ihr auch gefühltes Entsetzen, dann animiert sie den Chor: „Singt einfach weiter, schnell, wir biegen das schon wieder um.“ Also, sie weiß um den Aberglauben, verfällt ihm aber selber nie wirklich. Das ist mit ihr vermutlich so wie beim Horoskope-Lesen. Man liest sie zwar, aber glaubt nicht wirklich daran. So geht es mir jedenfalls. Vielleicht passt das auch zum Ännchen.

Wie sieht es denn überhaupt mit der Rolle der Frau in dieser Oper aus?

Die zwei unterschiedlichen Charaktere, Ännchen und Agathe, fallen schon auf. Die Frauenfigur ist an sich recht schwach gezeichnet, finde ich, gerade in dem Fall von Agathe. Die Männer werden sehr dominant dargestellt. In die Richtung schlüpft Ännchen, indem sie eben, in schweren Stiefeln, mit Gewehr und Messern hantiert und herumläuft. Sie sympathisiert sogar stark mit der männlichen Seite.

Sie haben ja noch bis Januar einige Aufführungen in München. Können Sie uns da einen kleinen Ausblick geben?

Jetzt im Dezember kommen nach dem „Freischütz“ noch die „Hänsel und Gretel“-Vorstellungen mit Sandmännchen/Taumännchen. Im nächsten Jahr dann noch ein paar Mal die „Zauberflöte“. Ansonsten bin ich viel mit Konzerten unterwegs. Im Dezember habe ich mit dem Bayerischen Rundfunkchor ein Weihnachtskonzert und im Januar und Februar folgen zahlreiche Liederabende, die mich durch ganz Deutschland führen werden.

Sie haben im Sommer dieses Jahres in Bayreuth im neuen „Tannhäuser“ debütiert. Wie war die Arbeit am Hügel?

Spannend. Überwältigend. Sechs Wochen lang ein Wahnsinns-Aufwand, der betrieben wird, um fünf riesige Opern auf die Bühne zu bringen. Die Logistik mit den Proben vor allem in Räumlichkeiten, die oft für diese Zwecke nicht ausreichen. Das war zum Beispiel beim „Tannhäuser“ insofern ein Problem, weil eben die Probebühne leider nicht das komplette Bühnenbild fassen konnte. Deswegen haben manche Sachen auf der Probebühne funktioniert, die so letztendlich, als wir auf der großen Bühne waren, plötzlich nicht mehr hundertprozentig funktionierten. Die Wege waren plötzlich weiter, die Entfernungen, die die Sänger im Dialog zurückzulegen hatten, waren wesentlich größer usw. Für mich war es total beeindruckend, die Sängerkollegen dort zu erleben in diesen riesigen Partien. Insgesamt hätte ich es mir nie träumen lassen, mal Wagner singen zu dürfen an so einem „heiligen“ Ort. Das war eine tolle Erfahrung: Ein Rollen-Debüt, Hügel-Debüt und überhaupt Wagner-Debüt!

Sie sind neben der Oper eine sehr gefragte Konzert- und Liedinterpretin, von Alter Musik bis zur Moderne. Welchen Reiz übt das Konzert bzw. das Lied auf Sie aus?

Einen Liederabend zu bestreiten ist für mich die Königsdisziplin, weil es fast nichts Direkteres oder Unmittelbareres gibt zwischen Pianist, Sänger und Publikum. Man ist einfach so blank und in allem ausgeliefert, und das über eineinhalb Stunden. Das hat man auf der Theaterbühne nicht so. Dort hat man sein Kostüm und seine Maske, und irgendwo ist da noch eine Wand dazwischen.

Am 11. November 2011 haben Sie eine Uraufführung im Frankfurter Dom gesungen, von Gerhard Müller-Hornbach, und im Anschluss ein altbekannter Komponist, Händel. Wie gestaltete sich die Arbeit?

Ich kannte den Dirigenten Gerhard Jenemann und den Süddeutschen Kammerchor vorher noch nicht. Im Vorfeld habe ich natürlich sofort um die Noten für diese Uraufführung angefragt, die aber noch nicht fertig waren, sondern noch im Kopf des Komponisten … Das war spannend, weil man natürlich nicht weiß, was man kriegt. Ich kannte den Komponisten Gerhard Müller-Hornbach persönlich nicht, und er hatte mich vorher auch noch nicht gehört. So blieb die Frage, ob dieses Stück für mich überhaupt singbar ist. Der Komponist besuchte die Proben und gab noch den einen oder anderen Tipp, zu seinen Klangvorstellungen usw. Dann fand die Uraufführung im Frankfurter Dom statt, der uns allen aber wegen der akustischen Verhältnisse zum Verhängnis wurde. Der Klang verschwamm in jede Richtung, das war unser Hauptproblem. Der Sprecher Peter Fricke sprach mit Mikrofon, das hatte sich so ergeben. Er saß damit plötzlich zu nah an den Ersten Geigen und somit waren diese über die Lautsprecher zu dominant. Im Kirchenraum wirkte es eben insgesamt ganz anders als in dem kleinen Probenraum, den wir vorher zur Verfügung hatten.

Es ist ja auch bestimmt interessant dann, mit dem Komponisten selber mal sprechen zu können, was man ja – (lacht)

Jaja, eben, genau. Und um so schöner, wenn es ihm dann auch noch gefällt, was man aus seiner Idee macht.

Jetzt im Dezember kommt noch mal in der Akademie der Schönen Künste ein neues Projekt, mit Christian Gerhaher und Gerold Huber: Haydn – „Schöpfung“ als Einführung für Kinder.

Genau. Das ist quasi mein Konzert des Jahres, wenn ich das so sagen darf. Weil es einfach eine wahnsinnige Ehre für mich ist, mit meinem Lehrer, meinem Dozenten und Mentor auftreten zu dürfen, gerade auch in dem schönen Rahmen der Akademie. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Wir treffen uns nächste Woche und besprechen das Konzept. Christian Gerhaher wird das ganze Konzert moderieren, und in Auszügen werden die Arien vorkommen, meistens aber nicht in ganzer Länge. Ich weiß noch nicht genau, wie das Konzept insgesamt aussehen wird, aber auf jeden Fall aufbereitet für Kinder, das wird wunderbar. Es werden ganze Schulklassen dabei sein.

Schön.

Ja. Ich freue mich sehr.

Und 2012 gibt es auch wieder einen vollen Terminplan bei Ihnen, nicht?

Genau. Glücklicherweise. (lacht)

Wie sieht es da dann aus? Also, die Liederabende haben Sie schon erwähnt –

Es werden zwei Projekte mit Thomas Hengelbrock und dem Balthasar-Neumann-Ensemble dabei sein: Im März die Marienvesper von Monteverdi und im Juni der „Orfeo“ von Monteverdi, hier mit der Partie der Eurydike. Damit geht es mitunter nach Paris, darauf freue ich mich sehr. Im Mai gibt es noch eine neue Operninszenierung, und zwar von Joseph Schuster: „Il marito indolente“. Das wird Dominik Wilgenbus inszenieren, mit dem ich viel in der Kammeroper München zu tun hatte. Das wird bei den Tagen Alter Musik in Regensburg aufgeführt. Im Juni geht es dann schon wieder nach Bayreuth. Mitte Juni beginnt die Probenzeit und die Vorstellungen laufen bis Ende August. Und dann steht die erste Susanna an, im „Figaro“, das wird in einer kleinen Produktion von der „Neue Philharmonie München“ veranstaltet. Die Aufführungen sind im Cuvillies-Theater in München zu sehen. Darauf freue ich mich sehr.

Wir uns auch! Sehr schön! Vielen Dank!

Danke auch!

 

 

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Interview mit Rita Kapfhammer

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Liebe Frau Kapfhammer, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklären zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Würden Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?

Ich habe eigentlich Hotelfachfrau gelernt und mich erst nach ein paar Jahren durch Zufall oder durch äußere Einflüsse entschieden, ein Gesangsstudium als Solist zu beginnen. Ich habe dann in München an der Musikhochschule studiert, von 1988 bis 1993, und zwar Konzertfach, weil ich dachte, Oper und vielleicht auch längere Aufenthalte irgendwo, das würde sich nicht mit einer Familie vereinbaren lassen. Dann nach dem Studium hatte ich noch keine großen Engagements. Ich habe mich auch nicht sehr dafür eingesetzt. Dann habe ich mich an der Opernschule  der Hochschule, nicht im Opernstudio, angemeldet, um als Gast Opernliteratur mitzustudieren. Dort werden ja etliche Produktionen im Jahr gemacht, und da es in meinem Fach nicht ganz so viele gibt, konnte man mich ganz gut einsetzen und ich war eben durch meine erste Lehre schon ein bisschen älter. Unter Professor Kertz habe ich etliche Sachen dort gemacht: Poulenc zum Beispiel, „Gespräche der Karmelitinnen“. „Figaros Hochzeit“ mit Sir Colin Davis war auch damals auf dem Programm. Ich habe auch im Prinzregententheater unter ihm im „Rosenkavalier“ Alina gesungen. Dann natürlich auch viel mit zeitgenössischen Komponisten. Das hat mir wahnsinnig viel Spass gemacht, und ich war überrascht, dass ich eigentlich viel lieber spiele, beziehungsweise die Kombination so genieße von Spiel und Singen. Wobei ich schon mehr Wert auf Gesang lege, aber eben das Spiel eher als hilfreich, eher als Chance sehe und nicht als Hindernis, und mir deswegen die Kombination einfach zusagt. Mein erstes Engagement war in Ulm, und da war ich dann auch zehn Jahre. Das ging durch die ZAV-Künstlervermittlung der Agentur für Arbeit, die auch die Hochschulproduktionen immer angeschaut und betreut hatten. Die haben mich dort hingeschickt. Ich habe nur zwei, drei Vorsingen absolviert, und das hat geklappt, es war eine Schwangerschaftsvertretung. Und da dachte ich: “Naja, sowas kann man vielleicht schon mal annehmen, für ein halbes Jahr, das ist absehbar.” Mein Mann hat sich dem auch nicht in den Weg gestellt sondern gesagt: „Ja, mach nur!“ Daraus sind zehn Jahre geworden, dort habe ich Rollen wie Santuzza in „Cavalleria Rusticana“, Adalcisa in „Norma“, Amneris in “Aida”, Dalila in “Samson und Dalila”, sowie die Jane Seymour in “Anna Bolena” gesungen. Während des Studiums habe ich immer im Hotelfach gearbeitet, und das Studium immer als Auszeit betrachtet, weil ich nie gedacht hätte, dass man gerade auf mich warten würde. Ich hatte wahnsinnig Spaß daran, und das habe ich heute noch. Es hat sich einfach so ergeben. Der Herrgott hat ein bisschen dazu beigetragen und ein bisschen Glück, und vielleicht auch die Gelassenheit, die man braucht, wenn man nicht muss, sondern auch andere Alternativen sieht. Diese Kombination hat mich vielleicht auch jetzt hier an den Gärtnerplatz gebracht.

Das Können haben Sie noch vergessen!

Okay, das Können, aber das müssen dann vielleicht auch andere beurteilen. Ich glaube, das Können können viele. Aber man braucht schon auch mehr. Ja, Liebe dazu, die Bereitschaft, auch viele Ungelegenheiten in Kauf zu nehmen. Gelassenheit. Auch viel Zuspruch von der Familie, einfach, dass man keine Klötze ans Bein gelegt bekommt oder irgendwelche anderen „Bremserer“. Ja.

Sie haben vorhin von äußeren Umständen gesprochen, die Sie dann dazu bewogen haben, das Studium aufzunehmen. Was waren diese äußeren Umstände?

Ganz konkret hatte ich bei Dietrich Schneider Gesangsunterricht. Der hat damals den Kirchenchor betreut. Dann baute er seine Gesangsschule auf, und da hatte ich Unterricht bei ihm. Der war ziemlich schnell dahinter, dass ich unbedingt studieren muss. Ich verdanke ihm den Schritt, dass ich es gemacht habe. Ihm auf alle Fälle.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Das ist eine gute Frage, aber es ergibt sich, ich bin Bayerin. Ich habe viel Schlager gehört, so nebenbei eigentlich nur, aber mein Liebling war bayerische Musik, das heißt, Dreigesang habe ich gemacht als Kind, mit meiner Schwester und meinem Bruder, ich habe Stubnmusi gespielt, ich habe Hackbrett gespielt und bin einfach mit bayerischer Musik groß geworden. Mein Vater war nur an Blasmusik interessiert, das hat mich jetzt weniger erfreut, das war mir einfach zu martialisch, aber die Richtung war bayerische Musik. Volksmusik, also richtige, ursprüngliche Volksmusik.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein. – Das heißt, ich stelle fest, dass ich natürlich, wenn man sich viel mit Musik beschäftigt und tagtäglich ja nur singt und Musik hört oder halt auch sich zurechtfinden muss in verschiedenen Tonlagen, dass das Gehör sich natürlich verbessert. Aber das absolute Gehör habe ich nicht, nein.

Spielen Sie ein Instrument?

Leidlich Klavier. Ich habe nie viel Spaß daran gehabt, aber es hilft ungemein. Hackbrett eben, aber sonst nichts.

Sie haben gerade schon gesagt, Sie haben als Kind viel bayerische Volksmusik gehört. Mögen Sie auch noch andere Musikrichtungen?

Hmm. Da bin ich wahrscheinlich ziemlich einschlägig. Ich höre also privat gar nicht mehr so viel Musik. Zuhause, wenn ich nichts zu tun habe, habe ich es eigentlich eher still und ruhig. Also, ich habe ja Familie, meinen Mann und meinen Sohn, die haben natürlich ihre Musikrichtungen. Es läuft immer irgendwas, aber wenn ich allein bin, bin ich ganz froh, wenn eben nichts läuft. Ich höre schon ganz gerne moderne Musik, aber ich kann Ihnen nicht mal sagen, was das für eine Richtung ist, weil ich dann nicht jetzt speziell irgendwas mir anschalte, sondern am Radio herumdrehe, und dann gefällt mir etwas, oder es gefällt mir eben nicht, und dann mache ich aus. Aber generell habe ich es lieber ohne Hintergrund.

Welche Sprachen sprechen Sie, und in welchen Sprachen singen Sie?

Ich kann einigermaßen Englisch und auch Italienisch, leider nie so gut, wie ich es gerne hätte. Ich habe in Französisch gesungen. Ich habe mal einen Kurs belegt, das Wichtigste verstehe ich, aber auch viel zu wenig. Ich habe einen Traum, dass ich mir noch mal die Zeit nehme, um einfach mal nach Italien oder nach Frankreich zu fahren, um diese Sprachen besser auch im Alltag zu benutzen, weil ich sie einfach schön finde. Ich habe auch schon auf Tschechisch Lieder gemacht und werde wahrscheinlich um das russische Programm nicht herumkommen, das finde ich total schön, aber ich kann natürlich kein Wort Russisch oder Tschechisch, keine Frage. Aber viele Sachen gehen auch phonetisch. Man muss sich halt dann viel mehr Zeit nehmen, um die Texte übersetzen zu lassen oder auch mit einem Coach direkt durchzugehen. Damit man weiß, was es bedeutet. Es kommt oft auf Worte, auf Wortwendungen an, und es ist schon sehr wichtig, dass man weiß, was man spricht. Es dauert halt dann einfach länger, wenn man die Sprache nicht wirklich versteht oder kennt.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ganz aktuell habe ich, ich glaube vor zwei Jahren war das, die Frau Damrau gehört, das erste Mal eigentlich ganz bewußt, in diesem Neujahrskonzert, und das hat mich schwer beeindruckt. Also diese Beweglichkeit und dann diese Power von dieser Frau. Das fand ich ganz genial. Deswegen hätte ich mir so gewünscht, in „Hoffmanns Erzählungen“ zu gehen, aber das ist ja ausverkauft, und ich weiß nicht, ob ich da irgendwie an gute Karten herankomme. Sonst gibt es verschiedene. Kerstin Ferrier fand ich auf den Aufnahmen immer so gut. Oder auch Marilyn Horne ist nicht schlecht, aber da ist niemand, wo ich einfach alles gut finde, sondern es gibt immer irgendwas, was mir nicht gefällt. Aber ich finde es auch ganz gut, wenn man mehr Sachen vergleicht, anhört, und dann einfach sagt: Das gefällt mir bei dieser Person, und das bei der anderen, oder auch mal sagt: „Okay, das ist schön, aber ich kann es vielleicht gar nicht so, oder: das würde ich anders machen.“ Und musikalisch – wie meinen Sie das noch?

Personen, die Sie geprägt haben, zum Beispiel in der Ausbildung.

In der Ausbildung? Ich hatte ja Unterricht bei Frau Reri Christ, und diese Frau ist schon sehr beeindruckend, wie sie so selber auf der Bühne steht. Ich habe sie ja nicht mehr live gehört, wie sie noch Auftritte hatte, aber wenn sie etwas vorgemacht oder gezeigt hat, das ist schon – das ist eine richtige Persönlichkeit. Ich hatte dann auch bei Jan Henrik Rotering Unterricht. Ich habe ganz, ganz viel bei ihm auch technisch gelernt. Bei Professor Hellmann war ich im Oratorienfach. Der Mann hat mir nie was vorgesungen, aber was er mir an Interpretation und an Ideen für diese Darstellung gegeben hat, fand ich immer ganz großartig. Ich glaube, generell ist es ganz wichtig, dass man selber so selbstständig und auch mündig, wenn ich das so sagen darf, ist und selber herausfindet, was einem gut tut, was die Stimme betrifft, und auch gut tut in Bezug auf die Musikalität – oder was einem gefällt. Es geht dann gar nicht so darum, ob man irgendetwas nachmacht, denn das, glaube ich, wird niemals so identisch oder authentisch sein. Wenn man sich also zuerst einen Überblick verschafft oder einfach eine Idee davon hat, wie man etwas machen möchte oder wie man etwas singt und sich auch mal etwas anhört, aber dann seinen eigenen Weg damit findet, das ist das Wichtigste für mich.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Noch nicht allzuviele. Aber ich war mit „Musica Mallorca“ schon vier Mal in Palma de Mallorca und habe konzertant „Cavalleria“ gesungen. Ich habe die „Carmen“ dort gemacht und auch Rossini, „Stabat Mater“. Dann war ich in Danzig, das ist schon ein paar Jahre her, habe dort die Premiere gesungen in „Anna Bolena“ und habe dann hier auch gastiert mit einem Tourneetheater. Danzig war schon eine sehr spezielle Erfahrung und hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich mache Galas in der Toskana, seit ein paar Jahren immer wieder, aber eher in kleinem Rahmen. Ich finde das einfach schön, wenn man näher an den Leuten dran ist. Ich glaube, das war’s. Sonst war ich noch nicht allzuviel im Ausland, als Musiker.

Sie haben vorhin erwähnt, Sie haben Familie. Was für Komplikationen ergeben sich aus dem speziellen Arbeitsrhythmus eines Opernsängers?

Mit Komplikationen möchte ich das gar nicht jetzt in Verbindung bringen. Es ist halt so: Ich habe wenigstens das Glück, dass ich einen Mann an der Seite habe, der das gutheißt, was ich mache. Er will jetzt nicht unbedingt immer dabei sein, aber er findet das gut. Und dann ist mein Sohn die meiste Zeit natürlich auch abends betreut, weil er einen „anständigen“ Beruf hat. Es gibt natürlich immer Komplikationen, weil ich als Mutter und Hausfrau, das bin ich natürlich auch – und die Rollenverteilung ist bei uns auch ziemlich klar – auch irgendwie immer einen Spagat machen und erleben muss, aber ich habe das in Kauf genommen. Das klingt jetzt ganz blöd, aber ich finde das gar nicht so schlimm. Ich mache mein Ding, und ich darf diesen Traum als Opernsängerin – und das ist auch ein Traum für mich – leben. Und dafür ist es manchmal einfach so, dass man zu hause mal schnell diese Welt draußen lässt und ganz normal wie jede andere Hausfrau diese Sachen erledigen muss, und das ist manchmal mühsam oder dauert einfach, dass man da den richtigen Drall findet, dass es halt auch schnell gehen muss.. Dass man die Prioritäten setzt, ob jetzt mein Sohn die Hausaufgaben und das alles auch geregelt kriegt, und ich bin auch ziemlich streng, aber das funktioniert ganz gut. Wie gesagt, ich glaube, dieser Spagat ist in allen Berufen nicht einfach und als Sängerin vielleicht noch schwieriger, denn im normalen Alltagsleben hat man auch einen regelmäßigen Tagesablauf. Der ist bei der Sängerin eben unregelmäßig. Da geht es einfach darum, dass man das organisiert und diese Logistik auch den Beteiligten, eben meinem Sohn oder meinem Mann, gut mitteilt, und dann ist es ganz okay.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was mag sie überhaupt nicht?

Singen tut meiner Stimme gut. Ich hatte noch nie Probleme damit, auch wenn es ein bisschen mehr ist. Was nicht gut ist, ist, wenn ich kalte Füße bekomme, wenn ich wirklich in den Regen komme oder einfach mich friert: komischerweise schlägt sich das auf die Stimme. Was auch nicht gut ist: Wenn ich in einem Raum, wo es ziemlich laut ist, immer über die anderen darüber reden muss, also wenn man ziemlich laut immer am Anschlag sprechen muss. Das mag ich nicht, das macht mir auch keinen Spaß, und da merke ich, dass auch die Stimme sehr anfällig dafür ist. Singen tut ihr sehr gut, und sonst mache ich keine großen Umstände damit. Das ist ja ein Instrument, sage ich jetzt mal, das man auch immer braucht, das ist einfach da, und wenn man sie gut hält, dann ist alles okay.

Tun Sie etwas für Ihre Kondition?

Ja. Früher dachte ich, ich bin total unsportlich und hatte nie wirklich Lust am Sport. Aber seit ein paar Jahren merke ich, dass mir das von der Kondition und vom Atem her einfach gut tut. Ich gehe walken, zweimal die Woche, oder auch joggen. Wobei ich Joggen zwar viel schlimmer finde, aber ich danach einfach mehr das Gefühl habe, ich habe wirklich etwas für mich getan. Es geht natürlich immer ums Gewicht, aber das hat sich noch nie verändert, bzw. also ist nicht viel weniger geworden, aber das ist ein Problem, das viele Frauen haben. Solange ich es noch einigermaßen im Griff habe, und das, glaube ich, ist so, ist es okay. Also, ich schwimme sehr gern, aber dieses Walken und das Joggen mache ich regelmäßig.

Wie diszipliniert müssen Sie leben?

Wie gesagt, ich mache keine großen Umstände wegen meiner Stimme, dass ich deswegen diszipliniert wäre, aber ich merke wohl, dass ich mich gegenüber früher verändert habe. Gerade, was meinen Freundeskreis betrifft, meine Geschwister, die gehen teilweise auch viel aus, sie trinken auch gern mal was, denen ist es jetzt auch egal, ob sie eine Jacke mitgenommen haben oder nicht. Ich habe einen anderen Rhythmus bekommen, auch durch meine Arbeit, weil es oft spät wird, so dass ich länger schlafe, als ich es früher getan habe. Das bedeutet nicht an Stunden länger, aber eben morgens ein bisschen länger, weil ich abends später ins Bett gehe. Ich glaube, als Künstler oder Darsteller wird man einfach ein bisschen feinfühliger und ein bisschen empfindlicher – empfindlicher in dem Sinne, dass man auch Empfindungen mehr spürt, was den anderen betrifft oder was den Umkreis, wo man sich befindet, angeht. Das hat sich verändert. Dass ich da einfach rücksichtsvoller bin oder einfach oftmals Schwingungen spüre, die der Normalbürger jetzt nicht unbedingt wahrnimmt.

Dann kommen wir zur Neuproduktion DER MIKADO. Sie werden die Rolle der Katisha übernehmen. Wenn ich so an die Carmen zurückdenke: Neben einer wirklich tollen Stimme beeindrucken Sie ja auch immer durch ein sehr ausdrucksvolles Spiel. Wie haben Sie sich denn auf die Rolle der Katisha vorbereitet?

Das ist ein bisschen verfänglich, natürlich lese ich den Hintergrund ein bisschen, von Gilbert und Sullivan, ich lese mir die Geschichte durch. Aber ich mache mir erst mal nicht so ein großes Bild, wie ich es anlegen möchte, sondern wenn ich zum Beispiel die Musik erst einmal lerne – zum Probenbeginn muss man einfach die Musik auswendig kennen – habe ich mir einen vagen, einen ganz vagen Faden durch dieses Stück gestrickt. Aber ich möchte mich eigentlich nicht so festlegen, weil ich einfach noch offen sein will für den Regisseur, was der eigentlich von mir will, um dann auch umschwenken zu können, wenn ich denke: “Das muss jetzt gar nicht so sein”, oder ich habe mir das so zurechtgelegt, aber der will eigentlich ganz was anderes. Und dieser Faden zurrt sich eigentlich mit jeder Probe, die ich dann in der szenischen Arbeit mache, fest. Das macht mir Spaß, dass es eben nicht nur ist, wenn ich auf der Bühne bin, sondern auch der Rest von Szene zu Szene, die ich dann habe, wenn zwischendrin auch Löcher passieren, dass dieser Faden weitergeht. Das finde ich so spannend, und darum sind diese sechs Wochen, die ohnehin immer meistens zu kurz sind, wirklich sehr wichtig, und in der Zeit prägt sich mein Bild von der Rolle. Vielleicht macht es auch etwas aus, dass man so eigentlich immer frisch bleibt oder ich mich wohlfühle, weil ich dann nicht so festgefahren bin in irgendeiner Richtung, die ich mir ausgedacht habe. Das macht man natürlich, aber man muss natürlich auch beweglich bleiben. Ein Satz, der ist gegeben, und den kann man in fünf verschiedenen Varianten sich dann auch ausdenken. Man muss nur wollen, oder man muss nur einfach den Tipp oder den Anstoß dazu haben, und das finde ich spannend.

Erzählen Sie uns ein bisschen von der Partie der Katisha.

Die Katisha ist eigentlich eine alternde Jungfrau, denke ich mal, in diesem asiatischen Umfeld, die den jungen Nanki-Poo heiraten soll, oder darf, also sie ist ganz glücklich darüber, und er will sie natürlich nicht heiraten. Er ist ein junger, hübscher Bursche, und die Katisha soll sogar hässlich sein, also ganz unakzeptabel. Es ist ja jetzt nicht so, dass ich hässlich bin, wobei ich da nichts dagegen gehabt hätte, aber das war von der Maskenbildnerin und der Kostümbildnerin nicht so angelegt. Aber ich glaube, es ist auf alle Fälle eine Frau, die Männer erschreckt. Es muss jemand sein, die stark ist, die selbstbewusst ist und sich den Mann auch selber aussucht und mit dieser Härte und mit dieser Strenge die Männer einfach eher verschreckt und deswegen ungeliebt ist, sage ich jetzt mal, so haben wir das auch angelegt. Und in unserem Fall, wenn ich das verraten darf, ist es dann auch eher diese erotische Schiene, Sado-Maso oder wie auch immer. Ganz so schlimm ist es nicht, aber so ein bisschen auf das angelegt. Am Schluss kriegt sie eben dann ihresgleichen, mehr oder weniger, mit vielen Verwirrungen. Ich habe jetzt heute den ersten Durchlauf auch gesehen, und dabei vieles, was ich vorher gar nicht mitbekommen habe, weil ich eben in diesen Szenen nicht dabei bin. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, und ich glaube, das geht auch auf.

Wird Katisha glücklich mit Koko?

Ich denke ja! Die zwei haben sich dann doch gefunden. Ich meine, es war am Anfang eher so eine Zufallsbeziehung oder Zufallstreffer, weil der Koko den Auftrag hatte, diese Katisha wegzuräumen: Er soll sie heiraten, damit Nanki-Poo frei wird für Yum-Yum. Und somit ist aber eigentlich jedem gedient. Doch, ich glaube, die werden glücklich.

Was ist das Schönste an Ihrer Partie, und was ist das Nervigste?

Also, das Schönste an der Partie ist, dass diese Rolle doch wirklich gesungen werden muss. Da kann man jetzt nicht säuseln. Ich will nicht sagen Wagner, denn dafür ist einfach die Musik nicht so genial wie bei Wagner. Aber man kann das auf keinen Fall als leichten lyrischen Mezzo betrachten, da braucht man eine dicke Stimme. Da ist die Kunst, dass man nicht so viel reingibt, dass nicht dadurch sich irgendwie stimmliche Probleme ergeben. Das fordert mich schon heraus, das macht Spass. Ich mag auch diesen Witz der Katisha. Ich habe einfach Spaß am Spielen und an dieser Komik. Und was mich nervt, kann ich jetzt gar nicht sagen. Da ist mir noch gar nichts aufgefallen.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation der Rolle?

Ja, die Freiheiten hat man ja schon. Die wenigsten Regisseure legen das ganz knallhart fest, was man da jetzt denkt. Ich meine, die Gedanken sind frei, das ist so, und solange ich mir meine Gedanken gesponnen oder meinen Faden gesponnen habe, und der Regisseur aber das sieht, was er sehen will, ist es vollkommen egal, was ich jeweils dazu denke. Es ist mir überlassen, wie ich zu dem Urteil oder zu dem Ergebnis komme. Wenn es hakt oder wenn der Regisseur sagt: Nein, das will ich lieber anders haben, dann ist auch oft der Gedanke wirklich falsch, aber das ist ja eben dieser Spaß, den ich dann habe, das umzustellen oder das zu suchen, mit meinen Gedanken eben unterlegt.

Waren Sie schon mal in Japan?

Nein! Leider. (Lacht.)

Beim MIKADO ist ja die Kritik an der damaligen britischen Gesellschaft in das Japanische verpackt, durch diesen sogenannten Exotismus. Sehen Sie da aktuelle Bezüge?

Ich glaube, dass in allem schon auch hier und heute immer noch Wahrheiten dabei sind. Vielleicht nicht so überzogen, und vielleicht sind manche Sachen auch wirklich extrem dargestellt. Aber ich glaube, das kann man ganz gut auch heutzutage so nehmen. Ja.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen, denn ich kenne eigentlich nur die PIRATEN und MIKADO, wobei MIKADO das bessere Stück ist.

Was für Gemeinsamkeiten gibt es mit den PIRATEN, und was sind die grundlegenden Unterschiede?

Also, Gemeinsamkeiten – ich weiß, nicht nur von diesen beiden Stücken, weil ich mir das auch angelesen habe – Gilbert und Sullivan, die haben sich immer praktisch die gleichen Personagen zurecht gestrickt. Es ist immer die gleiche Anzahl, und eben diese komische Alte, und ein Liebespaar, und dann die Mädels – diese Grundpersonage ist eigentlich immer gleich, und dann strickt Gilbert halt irgendeine Geschichte dazu.

Ist es eine traditionelle Inszenierung?

Hm. Gute Frage. Auf alle Fälle ist es mehr oder weniger eine Fortführung der PIRATEN für mich. Das ist wie PIRATEN zweiter Teil, nur besser. Glaube ich. Ich hoffe es. (Lacht).

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Ich glaube, wenn jemand sagt, er hätte kein Lampenfieber, der lügt! Ich habe Lampenfieber, aber ich finde es eher angenehm. Es ist niemals etwas gewesen, was mich hindert, oder dass ich panisch bin oder Angst habe, sondern das ist eher so was wie: „Ha, und jetzt raus da!“ oder irgendwie so eine Motivation und ein Spaß. Und das ist glaube ich eher das gute Lampenfieber, das habe ich auch immer so empfunden. Ganz, ganz selten, wenn ich mir nicht sicher war oder wenn Sachen vielleicht noch zu früh waren, also stimmlich, dass man wirklich ein bisschen fast – überfordert will ich nicht sagen, aber einfach an die Grenzen geht, dass man natürlich da Angst hat zu versagen, das gibt es, gerade bei Premieren. Aber es war nie irgendwie ein Hindernis. Und ich tue nichts Großartiges. Ich beschäftige mich einfach vorher, ich nehme mir die Zeit, dass ich nicht nur eine halbe Stunde oder Stunde vorher da bin, wenn die Maske beginnt, sondern ich bin oft zwei Stunden vorher da, ich singe mich in Ruhe ein, ich gehe auch noch mal einen Kaffee trinken. Also einfach keinen Stress aufkommen zu lassen vorher. Leider plappere ich auch viel, das mag auch Nervosität ausdrücken, was vielleicht auch mal die Kollegen nicht so schätzen. Aber sonst ist, glaube ich, alles ganz normal.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Beste ist, dass man eigentlich Sachen darstellen oder spielen oder sein kann, Personen sein kann, die man ja sonst niemals irgendwie erreicht, oder auch Kleider tragen kann, auch Sachen ausprobieren kann, die man im Alltag so mit Sicherheit niemals für sich finden würde. Natürlich auch, dass man einfach den Zuhörer so mitnehmen kann, dass man etwas bewirkt im Zuhörer. Bei einer Opernvorstellungen ist es ein bisschen schwieriger, eine Rückmeldung zu bekommen, weil man die Zuhörer danach nicht mehr sieht. Es ist bei Konzerten leichter, wenn man Liederabende gibt, denn die Leute warten dann, und man bekommt richtig hautnah mit, dass sie einfach entweder einen schönen Abend hatten oder irgendwie durch die Musik etwas im Herzen mit nach Hause nehmen, und nicht nur an dem Abend, sondern auch später noch Erinnerungen haben an solche Abende. Und das, finde ich, ist eine ganz tolle Variante. Das ist eigentlich ein Geschenk, dass man sowas kann oder dass man das darf. – Nervig? Also, ich kann Ihnen das nicht sagen, da fällt mir jetzt nichts ein.

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Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ich bin ja mehr oder weniger durch Zufall, wie gesagt, zur Oper an sich gekommen und hatte vorher gar nicht so viele Berührungspunkte. Deswegen ist mein Wissen, was es an Partien für mich speziell gibt, fast zu wenig. Denn man muss auch sagen – mit Oper habe ich mich vorher nicht beschäftigt, nur mit Konzert. Ich war auch, dadurch dass ich Hotelfach gelernt habe und die ganze Studienzeit gearbeitet habe, nicht viel in anderen Inszenierungen oder in Opern. Dann ist es auch eine Frage: Wie schätze ich mich selber ein? Ich hatte einfach immer sehr viel Spaß an Vielfalt. Ich mag Operette, ich mag Musical. Und große Oper – ich habe inzwischen auch Spaß an Wagner, muss ich gestehen. Ich hatte immer gedacht: „Nein, Wagner verstehe ich nicht, das ist mir zu hoch, und auch die Sprache finde ich nicht mehr so zeitgemäß“, und das hat sich total geändert, ich finde die Sprache wunderschön. Man kann wirklich an einem Satz, wenn man fünf Mal den gleichen Satz spricht, fünf andere Varianten finden oder zehn. Was man mit Sprache alles machen kann, gerade im Deutschen finde ich das spannend. Ich habe immer vertraut, dass die Intendanten mir die richtigen Partien geben. Und ich habe eigentlich dann Spaß. Ich mache mir den Spaß an dem und suche an jedem Stück irgendetwas anderes. Natürlich werde ich mich bei Operette nicht nur verzetteln in schönem Singen, denn das ist nicht der Hauptpunkt. Natürlich ist es bei Wagner wieder anders als bei Musical; Musical macht auch viel Schauspiel aus. Da muss man für sich selber den richtigen Weg dazu finden. Was ich immer noch gerne möchte, ist: einfach noch mal „Samson und Dalilah“, diese Dalilah noch mal wirklich als Produktion zu singen, nicht nur einzuspringen, und ich würde wahnsinnig gerne noch mal diese Belcanto-Opern machen: Ich habe gesungen „Maria Stewart“, diese Jane Seymour,  in „Anna Bolena“ noch mal – ja, und für Elisabetta eben. Das würde mich sehr interessieren.

Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Zukunft geben?

Nein, leider noch nicht so viel. Wir sind ja alle gekündigt, das ist nun mal so. Natürlich gibt es ein paar Anfragen, aber konkret habe ich für die nächste Spielzeit noch nichts. Ich habe auch jetzt eigentlich noch wirklich viel zu tun, so dass ich auch gar nicht so richtig auf den Gedanken komme, irgendwie panisch zu werden. Ich glaube, das kommt dann so im neuen Jahr, wenn man dann noch immer nichts haben sollte. Ich hoffe jetzt schon, dass es irgendwie weitergeht, und – mal sehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, und Toi-toi-toi für die Premiere!

Danke schön!

Interview vom 10.11.2011

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Interview mit Frances Lucey

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Liebe Frau Lucey, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns doch bitte etwas von Ihrem Werdegang.

Also erst mal: Vielen Dank für die Einladung! – Ich bin gebürtige Irin, in Dublin geboren, und kam mit 22 Jahren nach Deutschland. Vorher hatte ich schon einen Bachelor-Abschluss in Musik und Sprachen gemacht, ich hatte an der Universität in Dublin studiert, und Gesang nebenbei. Aber mein Ziel war, Sängerin zu werden. Ich hatte die Möglichkeit bekommen, ein Vorsingen für das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper zu machen. Es war erfolgreich, zu meiner Überraschung. Ich wusste gar nicht, was das wirklich hieß. Deswegen kam ich nach München, war zweieinhalb Jahre im Opernstudio, wurde dann übernommen ins Ensemble der Staatsoper, und nach neun Jahren als Ensemblemitglied habe ich dann gewechselt und kam dann ins Gärtnerplatz-Ensemble.

Gab es dafür Gründe? Das Repertoire im Gärtnerplatztheater?

Ja. Zum einen das Repertoire, weil Musical mich sehr reizt, und mir wurde versprochen, dass ich „West Side Story“ singen könnte, und das finde ich ein tolles Stück. Außerdem wusste ich, dass es schwer sein könnte, in der Staatsoper länger als zehn Jahre zu bleiben. Das war zur Zeit von Peter Jonas. Er hat mich sehr, sehr gemocht. Aber manchmal ist man dann plötzlich nicht mehr so beliebt. Ich fühlte mich dann nicht mehr so wohl, und deswegen habe ich ein bisschen geschaut. Ich hatte zu der Zeit Vorstellungen als Despina in „Cosi fan tutte“ und konnte Herrn Schulz zu einer Vorstellung einladen. Er war begeistert, und das hat mir dann die Möglichkeit verschafft, hierher zu kommen.

Wie sind Sie zu dem Beruf der Opernsängerin gekommen?

Eine gute Frage, weil: Mein Vater war gar nicht glücklich. Er hat sich große Sorgen gemacht. Ich bin eines von fünf Kindern, und er wollte eigentlich fünf Ärzte haben. Meine Mutter ist Ärztin, er war Ingenieur, und er hat es so weit gebracht, dass drei von den fünf Ärzte wurden. Ich bin die Jüngste, ich habe tatsächlich immer gesungen. Auch als vierjähriges Kind stand ich vor der Schule und habe für viele Leute gesungen. Es war immer ein Hobby. In Irland ist es dann schwierig, sich ein Leben als Opernsänger vorzustellen. Man muss natürlich Irland verlassen – obwohl, das ist nicht das Problem, das machen viele sowieso. Es war überhaupt nicht selbstverständlich, aber ich habe dann meinen Vater überzeugt, dass ich wenigstens Musik studieren sollte und Gesang. Und ja, dann hat er gesehen, dass ich wirklich Ehrgeiz hatte. Es war nicht so, dass er gesagt hat: „Auf keinen Fall!“ Ich habe ihn verstanden. Er wollte nur, dass ich nicht plötzlich auf der Straße lande. Ich glaube wirklich, die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen, hat es für mich möglich gemacht. Sonst, wahrscheinlich, wäre es nicht gegangen. Aber – ja, der Traum war immer da. Aber ich habe durchaus auch an Jura und ganz viele andere Sachen gedacht. Aber die Bühne kannte ich gottseidank von Schulaufführungen, ehrlich gesagt. Und auch Gesangswettbewerben. In Irland haben wir eine Tradition von Musikfestivals, die heißen auf Gälisch „Feis Ceol“, „Ceol“ ist das Wort für „Musik“. Da habe ich im Alter von zehn bis achtzehn Jahren jedes Jahr mitgemacht und verschiedene Preise und Pokale gewonnen, es war immer ein ganz großes Interesse. Und dann mit 17 Jahren, glaube ich, traf ich meine erste Gesangslehrerin. Eine ganz verrückte, große Persönlichkeit, aber sie hatte tatsächlich eine Karriere in Covent Garden gehabt. Und sie konnte einem wirklich zeigen, was es bedeutet. Ich habe schon sehr viel von ihr gelernt. Und zur Zeit hat meine ehemalige Lehrerin, Veronica Dunne, in der Staatsoper noch eine Schülerin: Tara Erraught.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Das war sehr gemischt. Da war Klassik dabei, auch sehr viel Musicals, sehr viel Gilbert & Sullivan (lacht), weil fast alle in meiner Familie singen. Auch sehr viel traditionelle irische Musik. Bei Familienfesten oder Familientreffen, da wurde musiziert. Und so hatte ich eigentlich zu der Zeit eine sehr lockere Einstellung zum Singen: Jeder musste singen, also meine Tante hat immer dieses Lied gesungen, oder mein Onkel jenes Lied. Dann kamen Freunde mit traditionellen irischen Instrumenten wie bodhran und uilleann pipes, das war schon toll. Es passierte nicht jedes Wochenende, aber schon öfters, so 6-7 Mal im Jahr. Dann habe ich auch Klavier gespielt, mein Bruder auch. Ja, dann haben wir auch natürlich klassische Musik gehört, aber, Singen, das war irgendwie schon immer im Haus. Einer von uns hat immer gesungen. Es war für mich dann ein bisschen ein Problem, als ich nach Deutschland kam, und plötzlich musste ich sagen, in welchem Fach. Und ich sagte: „Ja, Sopran.“ (Kichert) Punkt. Vorher habe ich an so etwas nicht wirklich gedacht. Ich habe einfach alles gesungen, was mir gefiel. Aber Tosca nicht, das gebe ich zu. Oder Brünnhilde. (Lacht)

Sie spielen Klavier. Spielen Sie auch noch ein anderes Instrument?

Leider nein. Ich hätte sehr gerne die irische Harfe gelernt oder studiert, das ist eine sehr schöne Kombination. Die ist kleiner als eine Konzertharfe. Oder Orgel fand ich auch ganz toll, aber kam leider nicht dazu. Das Singen hat dann schon mit 17, 18 Jahren die Oberhand gewonnen. Und das Klavierspiel wurde auch vernachlässigt, muss ich sagen. Ich kann noch spielen, aber ich möchte nicht als Pianistin auftreten (Lacht).

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Wenn ich ein Stück gelernt habe, dann kann ich es. Ich weiß nicht, ob das ein Segen ist oder nicht, manchmal muss man sich einfach anpassen innerhalb des Ensembles oder so. Und man muss sowieso kontrollieren, denn oft ist es so, dass man wirklich nicht weiß, wie es da draußen klingt. Aber ich bin froh, dass ich, wie gesagt, ein sehr gutes Gedächtnis habe. Wenn ich etwas wirklich gut studiert habe, dann weiß ich: Das ist der Ton. Und ich singe sehr viel a-capella, aber das kommt eher von der irischen Kultur. Da singen wir sehr viel a-capella.

Sie sprechen sehr gut Deutsch.

Oh, danke! Ich weiß nicht, ob meine elfjährige Tochter einverstanden wäre.

Englisch sicher auch, und vermutlich auch Irisch. Sprechen Sie noch weitere Sprachen, und singen Sie auch in weiteren Sprachen?

Ja. Ursprünglich für meinen Bachelor habe ich Französisch und Italienisch auch studieren müssen, und gar kein Deutsch. Ich kam ohne Deutsch nach Deutschland. Ich fürchte, dass Deutsch natürlich jetzt auch viel stärker präsent ist in meinem Gehirn. Mit Gälisch – leider habe ich das nicht so gemocht in der Schule. Das war vielleicht ein bisschen wie Latein hier ist für manche Kinder, es war ein Pflichtfach, und das bereue ich wirklich. Aber ich singe schon auf Gälisch. Für mich die schwerste Sprache – ich habe Xenia in „Boris Godunov“ auf Russisch gemacht an der Staatsoper, und das fand ich sehr schwer. Wenn es wirklich kyrillisch geschrieben ist, erkennt man gar nichts. Das fand ich schwer. Aber Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Englisch – das ist so quasi leicht.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Musikalische Vorbilder? Ja, auf jeden Fall. Von Sängern? Das auf jeden Fall. Janet Baker kommt mir da sofort in den Sinn. Wir haben sehr viel von ihr gehört als Kinder, und auch Victoria de los Angeles. Die mochte meine Mutter sehr. Von der jetzigen Generation finde ich Garancha super. Jetzt habe ich zwei Mezzi erwähnt. Das ist tatsächlich ein bisschen ein Dilemma. Ich liebe diese dunklen Stimmen. Und das ist immer so ein Zwiespalt, denn – ja. Ich glaube nicht, dass ich wirklich sehr dunkel bin. Musikalische Vorbilder? Blasinstrumente imponieren mir immer sehr. Wenn eine Oboe ein schönes Legato hat, finde ich das wunderschön. Klaviermusik ist natürlich wunderbar. Aber es ist perkussiv. Die ganz Großen schaffen auch wunderbare Legati, aber ich glaube, von Blasinstrumenten und Sängern hoffe ich am meisten zu lernen.

Und szenische Vorbilder? Ich denke da an diese wunderbare Venus in „Orpheus in der Unterwelt“.

Da fällt mir eigentlich kein Name ein. Ich mag sehr viele Comedians. Lachen finde ich immer das Beste.

Welche Opern-Aufnahmen hören Sie privat am liebsten?

Hmm. Komischerweise höre ich am liebsten zu Hause Lieder, da fühle ich mich sehr wohl. In den 90er Jahren, bevor meine Tochter geboren ist, habe ich auch sehr viele Liederabende machen können, das war super. Aber von Opern – ooch, da so die ganze Palette. Sehr gerne Barock. Natürlich die Bach-Passionen, wunderbar. Das ist natürlich nicht Oper. Aber dann auch bei einer Puccini-Oper hinzuschmelzen, das ist wunderbar. Schwer zu sagen. Aber ich höre sehr gerne Klavier und Lieder in Kammermusik. So die kleinere Besetzung.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Ja, ich habe einen sehr guten Agenten in Amerika, und durch ihn habe ich das Glück gehabt, in der Carnegie Hall aufzutreten, und auch in New York sehr viel, und dann auch mit der Seattle Opera und in Washington. In Amerika kam so einiges. Zuhause in Irland natürlich auch. Das war es eigentlich. Und sonst – o doch, in Spanien auch, da habe ich auch Oratorien gemacht und so. Aber wie Sie wissen, seit zehn Jahren bin ich eher Mutter, würde ich sagen, als Sängerin. Da bin ich sehr dankbar für das deutsche System hier. An ein Haus gebunden zu sein, gibt einer Sängerin große Sicherheit.

Sie haben ja gerade schon erwähnt, dass Sie Familie haben. Was für Komplikationen ergeben sich aus dem Lebensrhythmus eines Opernsängers an einem Ensembletheater?

Ja. Das Theater an sich ist nicht für Leute mit Familie gedacht. Komischerweise, das hat meine Mutter, als ich noch Studentin war, und noch an gar kein Theater gebunden war, auch gesagt: Meine Güte, du hast immer eine Probe, wenn wir essen müssen. – Das ist wirklich wahr! Wir arbeiten vormittags und dann hauptsächlich abends. Hier zumindest in Deutschland, das ist nicht überall so. Und ja, das ist genau die Zeit, wo man sonst denkt, dass die Familien zusammenkommen. Essenszeiten, die Abende natürlich, wir sind sehr viele Abende weg. Oder dass ich jetzt aufpassen muss und nicht zuviel reden oder nicht zu laut werde. Inzwischen versteht das meine Familie schon, wenn ich schweige oder meine Stimme schone, aber manchmal denken sie: „O mein Gott, jetzt spinnt sie wieder.“ Ich nehme an, wir erscheinen ziemlich eigen manchmal für Leute, die nicht verstehen, dass die Stimme doch für die meisten Leute fragil ist. Es gibt schon Sänger, Dennis O’Neill, vielleicht kennen Sie ihn noch, ein Waliser Tenor, der hat immer voll gesungen, bei jeder Probe, alles. Und ich habe ihn bewundert. Das konnte ich nie. Ich muss schon schauen – ich muss meine Stimme einteilen. Und das macht manchmal das Zusammenleben schwer. Man muss egoistisch sein und sich zurückziehen, und das fällt mir auch schwer, denn ich bin eigentlich gesellig. Deswegen sind Gastspiele, auch wenn sie manchmal ein bisschen einsam sind, plötzlich, was weiß ich, sechs Wochen in Seattle alleine zu sein – aber man hat den Luxus, sich nur auf sich zu konzentrieren. Super.

Was tut denn Ihrer Stimme gut, außer, sich ein bisschen zurückzunehmen, und was ist gar nicht gut für sie?

Reden. Reden, und ich rede viel. (Lacht.) Ja. Da muss ich aufpassen, wenn ich innerhalb einer Gruppe bin, dass ich nicht versuche, dem Lautstärkepegel zu entsprechen und auch lauter werde. Feiern, zuviel reden. Gottseidank trinke ich sowieso nicht. Das dehydriert, und das wäre nicht gut. Schlafen ist natürlich auch, finde ich, sehr erholsam, wenn man vielleicht ein bisschen länger schlafen kann. Man muss natürlich auch diese Balance finden zwischen Zuviel, oder dass man rechtzeitig aufsteht, bevor die Vorstellung losgeht oder so. Aber ich versuche auch, normal zu sein. Als ich im Opernstudio angefangen habe – und man muss natürlich auch noch bedenken, ich komme aus einer Arztfamilie, und als Kind musste ich wirklich dem Tode nahe sein, wenn ich die Schule nicht besuchen durfte. Und das, glaube ich, war gar nicht schlecht. Denn für mich war das Opernstudio plötzlich wie die Schwarzwaldklinik. Die kamen alle: „Oh, heute ist das. – Oh, ich glaube, jetzt spüre ich was.“ Und ich dachte: „Mein Gott, was haben die alle?“ Und das kann ansteckend sein. Ich verstehe es auch: Wenn man nervös ist, kann man sehr schnell was kriegen, tatsächlich. Oder man bildet sich das ein. Es ist so viel Psychologie dahinter. Und ich glaube, es ist ganz gut, dass ich diese harte Schule in der Kindheit hatte: Krank sein ist was anderes. Und da muss man diszipliniert mit sich selber umgehen: Nein, komm, es ist okay. Es wird schon gehen. Und es gibt natürlich ein-, zweimal im Jahr, wo man unbedingt dann absagen muss. Ich habe es einmal erlebt, lange her, bei „Die Sache Makropulos“ mit Hildegard Behrens in der Staatsoper. Ich hatte irgendeine Magen-Darm-Geschichte und fühlte mich wirklich nicht wohl. Ich bin sogar umgekippt in meiner Wohnung vorher und ich dachte: „O Gott, schaffe ich die Vorstellung heute Abend?“ und habe eine Ansage gemacht. Und da kamen einige Sänger auf mich zu und sagten: „Ja, was ist los? Aber die Stimme ist in Ordnung!“ Ich habe gesagt: „Es war eigentlich nicht die Stimme!“ – Also für Sänger gibt es nur eine Möglichkeit. (Lacht.) Ich fühlte mich sonst schrecklich unwohl. Am besten, wenn man krank ist, dann einfach ganz absagen. Ansagen finde ich etwas problematisch.

Was tun Sie für Ihre Kondition? Oder brauchen Sie überhaupt Kondition als Opernsängerin?

Ja, doch, doch, schon. Oh, ich habe schon Fitness-Studios und alles mögliche gemacht. Seit einem halben Jahr habe ich einen Hund (lacht), und ich bin tatsächlich eineinhalb bis zwei Stunden mit ihm draußen, und das finde ich super, die frische Luft. Ich habe wirklich auch nichts gehabt, seit ich Lucky habe. Das ist ganz gut. Natürlich, selber üben, dann hofft man, dass die richtige Muskulatur gestärkt und entwickelt wird. Aber man muss schon fit sein. Glaube ich schon. Ja.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Als erstes geht man einfach mit dem Highlighter durch, ganz banal. Dann lese ich es, und ich versuche zuerst den Rhythmus, und Text. Ich spreche den Rhythmus zuerst vor. Ich versuche es dann, in kleine Abschnitte für mich aufzuteilen, so, dass es leichter ist zu lernen, und dass ich auch genau sehe, wo es ein Problem geben könnte. Ich versuche, ziemlich weit zu kommen ohne Repetition. Natürlich, hier im Theater ist das anders, man hat sehr früh Repetition. Aber wenn ich etwas außerhalb des Theaters lernen muss, mache ich das so. Und dann arbeite ich dann doch intensiv, aber ich möchte das Gefühl vorher haben, ich habe wirklich so viel wie möglich alleine gemacht. Und dann aufnehmen, natürlich, viel aufnehmen und selber hören, was manchmal schwer fällt. Denn du denkst: Oh, das war bestimmt toll! Und dann bist du manchmal so etwas von enttäuscht von dem Ergebnis. Aber das muss sein. Ja, und natürlich viel üben!

Sie haben vorhin gesagt, Sie haben in der Kindheit schon Gilbert & Sullivan gehört. Sie sind damit vermutlich die Gilbert & Sullivan-Expertin an diesem Theater.

O nein, das möchte ich nicht sagen!

Haben Sie denn schon mal vor den PIRATEN VON PENZANCE, in denen Sie ja auch mitgewirkt haben, schon mal Gilbert & Sullivan gesungen?

Jaa, ja, ja. Yum-Yum hatte ich gemacht, Mabel hatte ich gemacht, natürlich. „Trial by Jury“ und auch „Iolanthe“.„Pinafore“ habe ich selber nicht gemacht, aber innerhalb meiner Familie waren „Pinafore“, MIKADO und die PIRATEN die beliebtesten Stücke.

Wird es eine traditionelle Inszenierung?

Halb-halb, würde ich sagen. Ich war nicht sicher, denn die PIRATEN waren sehr traditionell, und ich hatte das Gefühl, der Regisseur wollte sich vielleicht nicht selber wiederholen. Ich bin angenehm überrascht zu sehen, dass er das nicht tut, und trotzdem – Es ist eine gute Balance, würde ich sagen, zwischen modern, von der Ausstattung, und trotzdem japanisch. Und dass wir auch Gilbert & Sullivan entsprechend spielen. Ich bin zufrieden, wirklich. Ich war am Anfang nicht sicher: Wird es wieder gut klappen? Aber ich fühle mich wohl, es ist jetzt traditionell genug. Wir müssen nicht an irgendetwas kleben, natürlich, das wäre auch falsch.

Sie übernehmen die Partie der Yum-Yum. Erzählen Sie uns ein bisschen davon.

Yum-Yum ist das junge Mädchen, das jetzt aus dem Internat kommt. Sie ist schon Koko, dem Schneider, versprochen, mit ihm verlobt. Da ist sie nicht begeistert, weil Koko viel älter ist als sie. Sie will leben, sie will etwas erleben. Eine sehr angenehme Partie zu singen. Insgesamt finde ich, Mikado hat sehr schöne Melodien. Sie soll auch spritzig sein, aber sie hat eine sanfte, runde Seite. Aber ist, ja, hoffentlich auch witzig. Das ist mein Ziel.

Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation dieser Rolle gehabt?

Ich konnte mit dem Regisseur Holger Seitz schon darüber reden, wie ich es schon erlebt habe. Das ist natürlich nicht immer der Fall. Viele Regisseure wollen das nicht wissen. Das war sehr schön. Auch mit Benjamin Reiners, dem Dirigenten. Das war sehr schmeichelhaft, dass er zuhören wollte, was ich schon gehört hatte. Ansonsten – Ich fühle mich sehr als ein Teil von einer Gruppe. Es ist nicht so, als ob ich plötzlich sage: Ich will unbedingt zwei Schritte vor den anderen stehen. Das entspricht nicht meinem Wesen. Ich will mich eigentlich anpassen und trotzdem der Rolle gerecht werden.

Was ist das Schönste an Ihrer Partie – Sie haben gerade schon erwähnt, dass sie sehr rund ist und sanft – und was ist das Schwierigste daran?

Ja, manches scheint sehr leicht und sehr einfach. Ich glaube, das ist eine Binsenweisheit: Was leicht scheint, ist meistens nicht so. Man muss es trotzdem machen wie der Schwan auf dem See, so elegant oben: Man sieht überhaupt keine Mühe, aber unter dem Wasser arbeitet er wie verrückt. So muss es bei uns auch sein. Das Lied von Yum-Yum liegt mir sehr am Herzen, und das muss mühelos und schwebend klingen. Das ist manchmal leichter, und manchmal nicht.

Yum-Yum ist, wie Sie vorhin schon gesagt haben, ein junges Mädchen, das gerade aus dem Internat kommt und sich in Nanki-Poo verliebt. Aber als sie dann hört, dass sie, wenn er stirbt, mit verbrannt werden soll, da flacht die Liebe dann schon ein bisschen ab. Ist sie wankelmütig?

Nein, ich sehe das nicht so: Koko hat auch vorher im Finale eins gesagt, dass er bereit ist, Yum-Yum aufzugeben. Und er liebt Yum-Yum sehr, keine Frage! Aber er liebt sich selber mehr. Da, finde ich, ist Gilbert einfach vernünftig. Let’s be honest! Wie viele wollen wirklich lebendig begraben werden, auch für den schönsten Adonis der Welt? Ein brutaler Tod! Das verzeihe ich ihr. Ich sehe das nicht als wankelmütig, aber das ist schon viel verlangt, oder? Nicht realistisch. Und vor allem glaube ich, das ist auch das Schöne an Gilbert und Sullivan: Die zeigen die Ideale, und wichtige Leute, Autoritäten, und sagen: Komm. Let’s look at what it really is like. Schauen wir es uns an, wie es wirklich ist: Die meisten Leute, die wichtige Positionen haben, haben keine Ahnung. Die meisten Leute, die sagen, dass sie verliebt sind – naja, also: Was ist Liebe?

Aber Nanki-Poo und Yum-Yum werden glücklich am Ende.

Genau. Jaaa. Es gibt ein Happy-End. Das war lange vor Walt Disney!

Waren Sie schon mal in Japan?

Ja, das war ich, insgesamt dreimal. Ah, das habe ich vergessen bei der Frage vorher. Ja, da war ich mit Sawallisch, da war ich mit einem Projekt, in der Münchner Partnerstadt Sapporo. Da war ich mit einer Tournee für eine Kinder-Aufführung der „Zauberflöte“. Und noch einmal. In der Santori Hall habe ich auch die „Schöpfung“ gemacht.

Ist Ihnen dabei auch das traditionelle Japan begegnet?

Es war eine Augenweide. Denn es ist so voll, so viele Leute da auf kleiner Fläche. Sehr modern, sehr amerikanisch. Und tatsächlich dann doch diese Punkte von einer ganz anderen Kultur. Auf den ersten Blick denkst du: Oh, die haben zuviel von Amerika übernommen. Und dann siehst du: Nein, das stimmt nicht. Eine Hochzeit zum Beispiel. In einem Hotel, wo ich übernachtet habe, da gab es sehr viele Hochzeiten. Da war ich tatsächlich acht Wochen lang. Und, oh meine Güte, wie sie sich schmücken, Kimonos und Obis, das ist wirklich fantastisch! Ich glaube, da müsste man längere Zeit da bleiben, um es wirklich zu verstehen. Ich glaube, es ist immer noch schwierig, eine Frau zu sein dort. Als ich nach der ersten Tournee wieder zurückgeflogen und in Frankfurt gelandet bin, dachte ich: „Ja, jetzt bin ich wieder in meiner Welt, meiner Kultur.“ Obwohl ich Irin bin! Aber das war so ganz anders in Japan. Es war faszinierend.

Im MIKADO ist Kritik an der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in Großbritannien verpackt – sehen Sie da auch aktuelle Bezüge?

O ja. Komisch, als Sie gesagt haben: 19. Jahrhundert – ja, das stimmt. Ich meine, mein Gott, mit Berlusconi oder – ja, vielleicht sollte man nicht zu viel sagen. Aber Pooh-Bah ist natürlich ein fantastisches Beispiel für Korruption in Regierungen. Ja, aktuell auf jeden Fall. Ich glaube, das ist ein Teil des Reizes von Gilbert & Sullivan, oder? Nicht nur, dass die Musik hübsch ist, aber dass es immer noch so auf den Punkt trifft.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Hmm. Ich finde, es hat durchweg die stärkste Musik. Fast jede Nummer ist gut. Aber das ist vielleicht zu einfach, ich weiß es nicht. Ich glaube auch, dass es dieser Kontrast zwischen Japan und der westlichen Welt ist, das ist es auch vielleicht, eine gelungene Handlung, gelungener Text. Aber, gute Frage, denn, ich meine, PIRATEN hat auch starke Nummern. Aber es gibt so viele „winners“ in MIKADO, und so viele, die umgangssprachlich bekannt sind, immer noch, in der englischen Sprache. Ich glaube, das muss es sein, oder?

Ist der Humor dieses Stückes ein englischer, oder ist es ein allgemeingültiger?

Ich behaupte, guter Humor ist dann vielleicht doch allgemein. Aber es hat natürlich diese englischen Nuancen. Wie dieses berühmte Understatement. Ja.

Noch ein paar abschließende Fragen: Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Es kommt darauf an. Ich bin schon lange dabei, aber wenn es etwas Neues ist, insbesondere wenn es ein neues Stück ist oder vielleicht ein neuer Spielort, kann es mir auch passieren. Nicht in der Art wie viele Leute, dass ich da schwitze und flattere, nein, ich merke, dass meine Konzentration vielleicht nicht fokussiert ist oder dass ich das Gefühl habe: O Gott, jetzt bin ich müde. – Und das ist natürlich Quatsch: Das bin ich nicht. – Was tue ich? Ja, vor vielen, vielen Jahren hat eine Lehrerin mir gesagt: „The antidote to nerves is a clear conscience.“ (Gegen Nervenflattern hilft ein reines Gewissen.) Und das stimmt. Wenn man das Gefühl hat, ich habe wirklich meine Hausaufgaben gemacht, ich habe alles gecheckt, ich bin rechtzeitig ins Bett gegangen, ich habe wirklich dieses Stück in mir drin, dann muss man, auch wenn das Herz klopft, sagen: „Beruhige dich. Es wird gut.“ Und auch bei Stressbewältigung sagt man sowieso: „Denk nicht zu weit voraus!“ Denk nur an die nächste Nummer, oder den nächsten Takt, oder das, was als Nächstes passiert. Und das versuche ich.

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Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Ich empfinde es schon als sehr schön – auch wenn ich vorher gelästert habe über die Arbeitszeiten, aber die Tatsache, dass ich nicht irgendwo um 8 Uhr sein muss, oder jeden Tag das gleiche habe. Es gibt schon viel Abwechslung. – Das Nervigste ist, dass man immer selbstkritisch sein muss und immer eigentlich demütig sein muss und sagen: Nein, wir müssen wieder von vorne anfangen. Dass man immer sich selber betrachten muss, das finde ich schwer. Aber das ist nur eine Seite. Ja, es gibt sehr, sehr viel Konkurrenz. Und da muss man ehrlich sein und sagen: „Ja, das habe ich nicht gut gemacht.“ Oder Kritik, natürlich. Ob es in einer Zeitung ist, dann musst du das – ja, ich finde nicht am nächsten Tag lesen. Aber vielleicht in einem Monat oder so. Oder man hört es. Es gibt so viele Sänger, die sagen: „Ich lese es nie.“ Das stimmt. Ich suche es nicht heraus. Aber irgendjemand dann sagt: „Oh, übrigens, das tut mir leid.“ Oder: „Übrigens, Gratulation!“ Und dann siehst du es, und dann musst du wirklich ehrlich sein und überlegen: „Was ist dran? Stimmt das? Stimmt das nicht?“ Ich finde diese Nabelschau manchmal nervig.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Nein. Das klingt jetzt nicht besonders ehrgeizig, aber: Ich würde gerne viel mehr ins Oratorium gehen. Früher habe ich mehr, wie gesagt, „Schöpfung“ und „Messias“ und „Matthäuspassion“ gemacht. Ich würde gerne zurück ins Konzertfach gehen. Allerdings bin ich ein Bühnenmensch, das stimmt. Ich würde gerne … das ist jetzt ein Geheimnis: Ich würde gerne etwas spielen, ohne Gesang. Straight. Wirklich Sprechtheater. Aber ich würde es niemandem auf Deutsch zumuten. Also dann auf Englisch. (Lacht.)

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses tolle Interview und Toi-toi-toi für die Premiere!

Vielen Dank! Es hat Spaß gemacht!

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