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Vom Fliehen und Fliegen, 25.1.2018, Hofspielhaus

Das Hofspielhaus hat sich für mich mittlerweile als Adresse für spannende und ungewöhnlichere Theaterabende eingebürgert, so war ich auch sehr neugierig, was mich bei der Musiktheaterperformance Vom Fliegen und Fliehen erwarten würde.
Die Geschichte nach einer Parabel von Ingeborg Bachmann klingt eigentlich recht simpel: eine kleine Angestellte in einem Callcenter landet durch Zufall in einem Laden, der Träume verkauft. Anfangs zögerlich versinkt die Protagonistin in diesen Träumen, die letztendlich ihr geregeltes Leben zerstören.

Foto: Peter Schultze

Dieses geregelte Leben wird anfangs von der Darstellerin Bervian Kaya (die zusammen mit dem Regisseur Sebastian Brummer die Performance erarbeitete) beinahe provokant dargestellt. Mit einem gezwungen zufriedenen Lächeln auf den Lippen und einer scheinbar unerschütterlichen Ruhe wiederholt sie in den ersten Minuten immer wieder pantomimisch den Tagesablauf ihrer Figur: aufstehen, Zähne putzen, essen, immer wieder dieselben Floskeln bei ihrem Job im Callcenter, schlafen gehen… Dieser scheinbar ewige Kreislauf wird erst unterbrochen, als sie ihren Wohnungsschlüssel nicht mehr finden kann. Auf der Suche nach Hilfe landet sie zufällig in einem kleinen, heruntergekommenen Laden mit einem großen Stapel schlichter Kisten. Der Inhaber des Ladens, gespielt von Fatima Dramé, ist im Gegensatz zur „grauen Maus“ der Hauptfigur ein lauter und bunter Zeitgenosse. Er schafft es, seine Kundin neugierig zu machen und zeigt ihr eine kleine Schachtel, die ihr einen Traum von Urlaub und Meer zeigt. Kurze Zeit später findet die Heldin einen herrenlosen Schatten, der den letzten Traum seines Besitzers nicht sehen konnte und daher nun alleine bleiben muss. Daher suchen die beiden im Laden nach einem neuen Traum, der zwar idyllisch beginnt, dann aber zum Albtraum von Krieg und Zerstörung wird. Davon traumatisiert flieht sie aus dem Laden und kann sich von da an nicht mehr auf ihren Alltag und ihre Arbeit konzentrieren und wird schließlich entlassen. Vorwurfsvoll wendet sie sich an den Ladenbesitzer und bricht schließlich im Laden zusammen, da es ihre Lebenszeit gekostet hat, den Träumen nachzuhängen.
Ich war nie ein Fan des „typischen“ Performance-Theaters, dieses Werk zeigt jedoch eine klare Handlung und Struktur, was es trotz der sehr philosophischen Thematik nicht allzu schwer macht, ihr zu folgen. Auch gibt es tatsächlich auch kleine humorvolle Momente, etwa wenn die Protagonistin ihren verlorenen Schlüssel nach dem Genuss von merkwürdigem grünem Bier aushustet oder wenn der Ladenbesitzer wirklich schlechte Witze reißt.
Auf der kleinen Bühne wird die Mystik des Themas sehr geschickt dargestellt mit von innen leuchtenden Kisten und der Projektion von Urlaubsbildern und dem einsamen Schatten. Die musikalische Untermalung dieser Szenen kommt zum Teil vom Band, wird aber auch virtuos life gespielt von der Saxofonistin Carolyn Breuer. Man versteht also auch ohne viele Requisiten, was erzählt wird.

Foto: Peter Schultze

Das Spiel der beiden Darstellerinnen ist jedoch definitiv das Fesselndste an diesem Abend, vor allem ihr Gegensatz. Die Protagonistin von Bervian Kaya wirkt zu Beginn immer kontrolliert, schüchtern aber doch zufrieden mit ihrem Leben. Doch ganz ohne Träume wirkt dieses Leben trist und leer. Fatima Dramé als Ladenbesitzer, der schon seit Jahrtausenden Träume verkauft, scheint die Hauptfigur am Anfang zu überfordern, doch ist hinter dieser überschwänglichen Fassade die Erkenntnis, dass in der heutigen Zeit selbst die Kinder verlernt haben zu träumen. Schließlich wünschen sich heute alle nur noch einen sicheren Job, Geld, einen perfekten Partner. Die Menschen leben nur noch um zu arbeiten und nicht anders herum.
Am 15. und 22. Februar gibt es noch einmal die Möglichkeit, diese Performance im Münchner Hofspielhaus zu sehen.

Mit Carolyn Breuer, Berivan Kaya und Fatima Dramé.
Regie: Sebastian Anton Maria Brummer
Bühnenbild: Peter Schultze

https://www.hofspielhaus.de/files/hsh/media/ProgrammePlakateFlyer/2018/DU_Flyeralarm_Spielplan_HSH_01-02-2018_420x594mm.pdf

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Adventskalender 2017 Tag 4: Derfs a bisserl Poltern?

Heute möchten wir Euch Kleinkunst ans Herz legen: Das Schauspielensemble Südsehen bringt noch zweimal Polt-Sketche auf die Bühne von Einstein Kultur, und zwar am 7. und 8.12.
Damit ihr Gelegenheit habt, Euch selbst ein Bild zu machen, verlosen wir in Zusammenarbeit mit dem Ensemble Südsehen zwei Tickets für die Vorstellung am 8.12.

Um in den Lostopf zu kommen, müsst ihr bis 7.12. 24 Uhr eine Frage beantworten:

In welchem Film von Gerhard Polt setzen die Mitarbeiter einer Versicherung eine Überwachungskamera des Vorstands mit einem angebissenen Faschingskrapfen außer Gefecht?
Die richtige Lösung bitte wie immer über das Kontaktformular senden, zusammen mit einer Telefonnummer, damit wir die Formalitäten klären können.

Es tritt auf der drollig depperte Alltagsmensch, schwadroniert von seinen banalen Anliegen und manchmal der großen Welt und sorgt damit immer für größtes Vergnügen. Zumindest solange bis sich der erste Abgrund auftut. Dem passionierten Zuhörer und präzisen Beobachter Polt reichen dafür meist wenige schlichte Sätze, und nicht selten bleibt uns das Lachen im Halse stecken, wenn wir uns verschämt selbst im Spiegel erkennen. Polts Figuren sind vor allem die kleinen Leute und technischen Verwalter der Mittelschicht. Aber so unbeholfen sie erscheinen, so virtuos ist in Wahrheit Polts Sprachkunst, durch die er sie erstehen lässt. Der Meister bayerischer Befindlichkeiten spielt wie kein anderer mit den Widerständigkeiten zwischen Dialekt und Hochdeutsch, freier Schnauze und Bildungstümelei. Gespielt wird eine Auswahl früher Sketche und Geschichten aus der legendären Satireserie “Fast wia im richtigen Leben” und dem Theaterstück “Tschurangrati”, das von Deutschen in der Fremde und Fremden in Deutschland erzählt. Politiker und deutsche Spießbürger führen Skurrilitäten, gedankenlose Bösartigkeiten und die alltägliche Selbstzufriedenheit vor. Polts messerscharfe Beobachtungen sind wahrlich eine Schule des politischen Instinkts, höchste Unterhaltungskunst und heute so aktuell wie eh und je.

Es spielen

Erwin Brantl

Ulrike Dostal

Sushila Sara Mai

Robert Ludewig

Inszenierung
Robert Ludewig

Bühnenbild und Kostüm
Aylin Kaip

Donnerstag 07.12.2017 19:30 Uhr Derfs a bisserl Poltern Einstein Kultur
Gerhard Polt Ticket Vorverkauf (18,-)
Freitag 08.12.2017 19:30 Uhr Derfs a bisserl Poltern Einstein Kultur
Gerhard Polt Ticket Vorverkauf (18,-)

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Zeugin der Anklage – 22.11.2017 – Blutenburg-Theater

Zeugin der Anklage, Blutenburg-Theater Foto: Volker Derlath

Zeugin der Anklage, Blutenburg-Theater Foto: Volker Derlath

Agatha Christie hielt bereits vergangenen Monat Einzug in Münchens Kriminalbühne und endlich hatte ich die Gelegenheit die neue Inszenierung in dem Theater zu sehen, das mich durch 7 1/2 Jahre München begleitet hat.
Der erfolgreiche, doch betagte Anwalt Sir Wilfrid Robarts kehrt nach einem Herzanfall zurück in seine heimische Kanzlei, im Schlepptau die herrische Krankenschwester Miss Plimsoll. Er soll sich schonen, also kein Tabak, kein Alkohol und vor allem keine aufregenden Fälle. Doch natürlich kann er es nicht lassen und so überstützt Roberts seinen alten Freund Mr. Mayhew bei einem verzwickten Mordfall. Der mittellose Erfinder Leonard Vole wird verdächtigt, eine reiche ältere Dame erschlagen zu haben, der er gerne Gesellschaft geleistet und die ihn deshalb zum Alleinerben eingesetzt hatte. Sein einziges Alibi ist seine deutsche Frau Christine, die jedoch sehr schnell ihre Aussage widerruft und ihren Mann damit immer tiefer in die Bredouille reitet. Robarts und Mayhew setzen also alles daran, ihrem verzweifelten Mandanten zu helfen. Natürlich bietet der Krimi einige – für Agatha Christie typische – unerwartete Wendungen und ich möchte deshalb nicht zu viel verraten. Jedenfalls ist das Stück – trotz dem ein oder anderen langen Dialog – spannend bis zum Schluss.

Zeugin der Anklage, Blutenburg-Theater Foto: Volker Derlath

Zeugin der Anklage, Blutenburg-Theater Foto: Volker Derlath

Zeugin der Anklage ist wohl eine der aufregendsten Geschichten aus der Feder der Königin des Krimis und Regisseur Uwe Kosubek zeigt eine gewohnt runde Inszenierung mit humorvollen Details und spannenden, dramatischen Momenten. Diesmal stehen mit zehn Darstellern sehr viele Personen auf der kleinen Bühne, die trotzdem sehr überraschend und kreativ genutzt wird. Bühnenbildner Peter Schultze machte den Umbau zwischen den beiden Bühnenbildern dank beweglicher Wand-Prismen sehr schnell und da der Vorhang ausnahmsweise permanent offen bleibt wirkt der Wechsel auch noch wie eine Choreografie. Der Gerichtssaal ist zwar wegen der stark schrägen Wände sehr klein, aber so werden die Zuschauer auch gleich zu den Geschworenen ernannt und bei den Verhandlungen mit einbezogen.
Ein komödiantisches Highlight ist vor allem Martin Dudeck als Robarts lethargischer Assistent Carter, der sich zu Beginn der Inszenierung erst einmal in Ruhe ein Sandwich macht, die Anwalts-Perücke seines Chefs als Serviette missbraucht und dabei das klingelnde Telefon ignoriert. Auch Sonja Reichelt als Miss Plimsoll im sexy-kurzen Krankenschwestern-Outfit sorgt für einige Lacher, wenn sie ihren Chef betüddelt wie ein Kleinkind.
Konrad Adams gibt einen sehr würde- und doch humorvollen Sir Robarts, der sich gekonnt an den Anweisungen seiner Ärzte vorbei mogelt, jedoch gerade in stressigen Situationen immer wieder von seiner Herzschwäche an sein Alter erinnert wird.
Andreas Haun wirkt als Tatverdächtiger Leonard Vole extrem sympathisch und stellt die Verzweiflung seiner Figur während der Gerichtsverhandlung sehr überzeugend dar. Ihm gegenüber ist Irene Roven als seine eiskalte und undurchschaubare Gattin Christine, der man als Zuschauer unweigerlich vom ersten Moment an misstraut.
Krimi-Fans oder alle, die einen unterhaltsamen und spannenden Theaterabend zu schätzen wissen, sollten sich diesen Klassiker nicht entgehen lassen. Dank des hervorragenden Schauspieler-Ensembles ist der Abend mehr als unterhaltsam und es ist interessant zu sehen, was man aus einer kleinen Bühne nicht alles machen kann.
Noch bis zum 17. Februar kämpft Sir Robarts in Neuhausen für die Wahrheit.

Carter / Richter Wainwright: Martin Dudeck
Miss Plimsoll: Sonja Reichelt
Sir Wilfrid Robarts: Konrad Adams
Mr. Mayhew: Sebastian Sash
Leonard Vole: Andreas Haun
Inspektor Hearne: Johannes Haag
Christine Vole: Irene Rovan
Mr. Myers: Wolfgang Haas
Janet Mackenzie: Christa Pillmann /
Christiane Blumhoff
Diana: Irmela Jane Purvis

Regie / Sound: Uwe Kosubek
Kostüme & Ausstattung: Nathalie Seitz
Bühnenbildentwurf & Bühnenbau: Peter Schultze
Licht: Tom Kovacs

Weitere Termine bis 17. Februar 2018
Dienstag bis Samstag, 20 Uhr
Sonntag, 18 Uhr

Karten zwischen 20€ und 32€
an der Abendkasse von Montag bis Samstag, 17 bis 19 Uhr
unter 089/123 43 00 oder online http://www.blutenburg-theater.de/kartenbestellung02.html

 

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Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet, 02.11.2017, Theater Blaue Maus

Foto Holger Borggrefe

Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet Foto Holger Borggrefe

Es ist immer wieder erstaunlich, was man nicht alles aus der kleinen Bühne der Blauen Maus machen kann. Diesmal sieht man sich in dem kleinen Kellertheater im Herzen Neuhausens einer Zelle gegenüber, sehr spärlich ausgestattet mit Matratze, Stuhl, Kleiderhaken und einem Hund. Ein typisches Theaterstück erwartet den Zuschauer an diesem Abend mit den Darstellerinnnen Katinka und Magdalena Maché und ihrem vierbeinigen Begleiter nicht, die Inszenierung besteht aus einer Mischung von Textfragmenten, wortlosem Spiel und Tanz.

Da ich tatsächlich eher “klassisches” Theater gewöhnt bin, habe ich erst einmal ein paar Momente gebraucht, um mich in dieser Darbietung zurecht zu finden. Dabei war der Text des Programmheftes eine große Hilfe, wenn die Hintergrundgeschichte zum Theaterabend auch etwas unheimlich anmutet: Die verwendeten Texte stammen aus der Feder eines Mannes, der im vergangenen Sommer in seiner Wohnung in München-Haishausen scheinbar freiwillig verhungerte und der Nachwelt seine – auf den ersten Blick durchaus merkwürdigen – Schriften hinterlassen hat. Sie zeugen von einem großen Frust des Schreibers gegenüber den Geschehnissen der Welt, in der die Jugend keinen Aufstand mehr wagt und Gemüse im Bio-Wahn fast vermenschlicht wird.

Die Künstlerinnen unter der Regie von Markus Schlappig präsentieren in der Blauen Maus also Ausschnitte aus diesen mysteriösen Texten und wie sie sich das Dasein einer Person vorstellen, die am menschlichen Leben nicht mehr teilhaben möchte. In der Zelle fristet der Protagonist – wie sein reales Vorbild – mit seinem Hund eine scheinbar eintönige Existenz. Jeder Handgriff beim Umziehen ist ein festes Ritual, selbst die sporadische Nahrungsaufnahme ist unheimlich kompliziert und alles wirkt gestresst und unzufrieden. Vor allem nach dem täglichen Blick in die Tagesschau – seinem Fenster zur Welt. Vor der Zelle hingegen

Foto Holger Borggrefe

Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet
Foto Holger Borggrefe

sitzt eine Frau, die an eine Straßenkünstlerin erinnert, mit Laptop und Lautsprechern und im Tanz ihre Gefühle zum Ausdruck bringend, während ihre Sprache monoton und steif wirkt. Leben die Charaktere die meiste Zeit nebeneinander her, so ist es doch die Tänzerin, die den Einsamen und seinen vierbeinigen Begleiter aus der Zelle führt und ihn ermutigt, seine Gedanken mit der Welt zu teilen. Nach einigen euphorischen Reden an das Publikum scheitert dieses Vorhaben jedoch. Nach dem Hund zieht sich auch der Sprecher wieder zurück und beendet sein Leben zuletzt mit einem Schuss.

Wie bereits erwähnt hatte ich mit solchen abstrakteren Theaterprojekten bisher weniger Kontakt und obwohl ich vielleicht nicht alles zu 100% erfassen könnte, hat der Abend doch Emotionen und Gedanken in mir ausgelöst, die mich auch noch einige Zeit beschäftigten. Mitleid mit dem Einsamen und die Frage, wie jemand in der belebten Stadt München unbemerkt von den Nachbarn sich selbst solch ein Schicksal wählen und solche Texte verfassen konnte. Noch mehr als das Gesagte wirken die Emotionen und Handlungen dieser Inszenierung nach. Ein bedrückendes Gefühl von Einsamkeit und Frust von dem man nur kurz befreit wird, wenn der Sprecher vor das Gitter tritt und beinahe fröhlich seine Worte mit dem Publikum teilt. Eine Botschaft hat sich nach diesem Abend doch in meinem Kopf festgesetzt: auch auf die Stillen und Einsamen sollte man anhören, denn sie haben oft am meisten zu sagen.

Eine Eigproduktion von und mit: Katinka Maché, Magdalena Maché, Markus Schlappig

Weitere Termine:

Mi 22.11. / „Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet“ / 20:00 Uhr

Do 23.11. / „Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet“ / 20:00 Uhr

Fr 24.11. / „Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet“ / 20:00 Uhr

Sa 25.11. / „Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet“ / 19:00 Uhr

So 26.11. / „Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet“ / 19:00 Uhr

Di 28.11. / „Groß ist die Verwirrung – Die Lage ist ausgezeichnet“ / 20:00 Uhr

Karten 18€/12€ ermäßigt unter unter 089 182694 oder online

 

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Mei Fähr Lady, 05.10.2017, Theater Viel Lärm um Nichts

Mei Fähr Lady Foto Helmut Koch

Mei Fähr Lady Foto Helmut Koch

Es grünt so grün wenn Spaniens Blüten blühen. Wer kennt ihn nicht, den berühmten Satz aus dem Musical/Film My Fair Lady, in dem Professor Higgins dem Blumenmädchen Eliza den Dialekt austreibt und sie zu einer echten Lady macht. In der deutschen Fassung ist dieser Dialekt klassischerweise das Berlinerische, im Gärtnerplatztheater demnächst Bairisch. Doch in der Pasinger Fabrik läuft es in dem Stück Mei Fähr Lady genau anders herum. Die Chinesin Mei Ding will ihrem tristen Berufsalltag als Putzfrau entkommen und bewirbt sich als Angestellte einer Donaufähre. Doch da gibt es nur ein Problem: sie muss innerhalb eines Jahres für ihren Traumjob perfektes Bairisch lernen. Dabei hilft ihr der Sprachprofessor Ludwig Zehetner, der sie und zwei weitere Schüler (einen schnöseligen Manager und ein französischer Rapper) in die Geheimnisse des bairischen Dialektes einweiht. Das Stück aus der Feder von Josef Berlinger wurde bereits vor einigen Jahren im Turmtheater Regensburg uraufgeführt. Was es jedoch vor allem von der Musical-Vorlage unterscheidet ist die Tatsache, dass der Darsteller von Mai Dings Lehrer ein tatsächlicher Professor ist: Prof. Ludwig Zehetner ist Dialektologe an der Universität Regensburg und ist mir schriftlich bereits im Rahmen meiner Masterarbeit schon des Öfteren über den Weg gelaufen. Er gilt als renomiertester Experte in der Erforschung des bairischen Dialektes und setzt sich sehr für dessen Förderung ein. Natürlich merkt man, dass Professor Zehetner kein Schauspieler ist, doch macht genau er diese Inszenierung zu einer spannenden Mischung zwischen Komödie und wissenschaftlichem Vortrag. Dass er manchmal nicht so flüssig im Text ist wie seine Kollegen und er im Gegensatz zu ihnen mit Mikrofon spielt stört keineswegs, kann er dies doch mit viel Humor und vor allem Fachwissen ausgleichen. Dabei ist es keine langweilige Aneinanderreihung von Fakten. Man lernt beispielsweise blumige Beschimpfungen, typische Sprichwörter für alle Lebenslagen und besondere sprachliche Eigenheiten, die das Bairische etwa mit dem Französischen oder Tschechischen verbinden. Auch als Bayer kann man so auf unterhaltsam Art und Weise viel Neues über den eigenen Dialekt lernen, aber auch für alle anderen ist es sicher ein interessanter Ausflug in das Fach der Dialektologie.

Mei Fähr Lady Foto Helmut Koch

Mei Fähr Lady Foto Helmut Koch

Eva Sixt zeigt als Mai Ding eine wundervolle Wandlung von der schüchternen Putzfrau zur selbstbewussten Frau. Dabei ist sie anfangs – ganz im Sinne der Komödie – die typische, übereifrige Klischee-Chinesin. Doch mit jeder neuen Sprachstunde entwickelt sie eine wundervolle Individualität, die zwei Kulturen in sich vereint. Vor allem ihr Zusammenspiel mit dem Professor ist sehr schön inszeniert und dargestellt, entwickelt sich doch eine Art Freundschaft zwischen den Figuren.

Klischeehafter bleiben da die Charaktere der beiden männlichen Schüler: der Manager Striede, der sich einen alten Bauernhof als Zweitwohnsitz gekauft hat und sich nun besser in das bayerische Dorf-Idyll einfügen möchte und der (junggebliebene) Franzose Jean Jacques, der sich in eine resolute Kellnerin verliebt hat und ihr näher kommen möchte, indem er ihren Dialekt lernt. Beide Rollen werden von Titus Horst gespielt, der damit definitiv die meisten Lacher auf seiner Seite hat, vor allem als der “Preiss” (Preuße) Striede, der übereifrig mit dem Tablet daher kommt und trotzdem nicht so wirklich etwas zu lernen scheint. Für Abwechslung sorgen die Szenen, die nur unter den Schauspielern stattfanden, wenn etwa der Professor seiner Sektretärin alias der Stimme aus dem Off beim Papierstau helfen musste. Mei Ding lernt etwa ihren Mitschülern absichtlich falsche Begriffe, wenn sie ihnen zu sehr auf die Nerven gehen.
Eine klassische Theaterinszenierung findet man in “Mei Fähr Lady” tatsächlich trotzdem nicht. Man sollte sich schon für den bairischen Dialekt begeistern können, um Spaß an diesem außergewöhnlichen Projekt zu haben. Bairisch verstehen muss man tatsächlich nicht, da Professor Zehetner alles wunderbar erklärt. Ich habe mich in jedem Fall sehr amüsiert und zugleich viel Neues über meine eigene Kultur und Sprache lernen können. Und etwas für die Lachmuskeln ist natürlich trotzdem geboten. Noch am 8., 12., 13. und 14. Oktober ist “Mei Fähr Lady” in Pasing zu sehen und ich kann abschließend nur empfehlen: Gehts eini!
Der Dialekt-Professor: Ludwig Zehetner
Mei Ding, Putzfrau: Eva Sixt
Striede, Manager: Titus Horst
Boulanger, Rapper: Titus Horst
Anna Albertini, Sekretärin: Alba Falchi
Text, Regie und Bühnenbild: Joseph Berlinger
Sounds: Adrian Bernhard, Sepp Frank, Anka Draugelates
Fotos: Helmut Koch
Ein Gastspiel des TURMTHEATER REGENSBURG

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Premiere Ben Hur, 27.07.2017, Theater viel Lärm um nichts

Ben Hur

©Hilde Lobinger

Das erste mal seit viel zu langer Zeit, dass mich mein Weg einmal wieder in die Pasinger Fabrik führt, das Kulturzentrum direkt neben dem Pasinger Bahnhof. Heute stand nämlich ein Stück auf dem Spielplan, das sich so mancher wohl erst einmal gar nicht auf einer – nicht allzu großen – Bühne vorstellen kann: Ben Hur. Die Premiere musste leider zweimal verschoben werden, was jedoch für mich großes Glück war, da ich tatsächlich erst heute dafür Zeit hatte. Also saß ich mit großer Neugier und Vorfreude in dem zweigeteilten Zuschauerraum (zwei Tribünen links und rechts entlang der Bühne). Aber zunächst einmal ein bisschen zu der Geschichte des Titelhelden Ben Hur: Die Vorlage stammt aus dem Jahr 1880 von dem amerikanischen Autoren Lew Wallace und erzählt vom Kampf des jüdischen Fürsten Judah Ben Hur gegen seinen ehemaligen Jugendfreund, den Römer Messala. Dieser hatte ihn nämlich nach einem Attentat auf den Statthalter Judäas als Sklave auf eine Galeere geschickt. Aus Hass plant Ben Hur nach seiner Freilassung einen Aufstand gegen die Römer, besiegt Messala in einem Wagenrennen, nur um dann weitere Rachepläne auf Eis zu legen, da er sich zum Christentum bekehrt.

Ben Hur

©Hilde Lobinger

Am berühmtesten ist der Stoff jedoch vermutlich durch den Monumentalfilm aus dem Jahr 1959 von William Wyler. Der unvergessliche Charlton Heston mimte hier (übrigens erstmals intensiv vor einem Bluescreen) den Helden und das mit großem Erfolg. Elf Oscars gewann das Werk, dass sich schließlich in den 90ern der Brite Rob Ballard zum Vorbild für sein Stück nahm. Doch auf der Bühne sieht man kein monumentales, opulentes Werk. Ganz im Gegenteil: alle Charaktere werden von nur 4 Darstellern gespielt und Ben Hur ist eine Frau, die sich mit einem Bart aus “Geierarschfedern” als Prinz von Judäa und großer Kämpfer tarnt. Und das beschreibt ziemlich genau den Weg, den diese 1996 in der Performance Theatre Company uraufgeführte Komödie nimmt. Die Geschichte wurde im Groben beibehalten, jedoch ins Absurde gezogen und ist an Schrägheit kaum zu übertreffen. Und hier muss ich auch eine Warnung aussprechen: wer keinen respektlosen, teils derben Humor, bösartige Witze und völlig überzeichnete Charaktere zu schätzen weiß, wird an diesem Stück und dieser Inszenierung vermutlich keine Freude haben. Ich als bekennender Monty Python-Fan habe jedoch Tränen gelacht! Die Komödie ist extrem gut geschrieben und verknüpft die Geschichte Ben Hurs mit der eines Propheten aus Nazareth, der leider im Laufe des Stücks an einem Kreuz seiner Schreinerei “Josef H. Christus & Sohn” endet. Schon in der ersten Szene werden Hirten in ihrer idyllischen Nachtruhe von einem durchgeistigten Engel namens Gabriel gestört und Messala lässt sich vor seinem Schloss knapp unter der Wasseroberfläche einen Steg von oben erwähnter Schreinerei bauen, der auch eine wichtige Rolle spielen soll. Auch dass der Titelheld eine Frau ist, stört nach wenigen Minuten nicht. Der Hass Messalas kommt von seiner unerwiderten Leidenschaft für seine Jugendfreundin und deshalb entführt er ihre Mutter und ihren Bruder und bringt sie durch einen Trick auf eine Galeere, die zwischen Judäa und Garmisch verkehrt. Ich will natürlich nicht alle großartigen Wendungen in der Geschichte verraten, nur soviel noch: das Wagenrennen ist ein absolutes Highlight!

Ben Hur

©Hilde Lobinger

Die einzige Dame in der Inszenierung ist Katharina Friedel als selbstbewusste, starke Ben, die erst gegenüber Julius Cäsar ihre Weiblichkeit und Romantik entdeckt, zeigt er ihr doch den Sternenhimmel von Rom. Die ist auch die einzige mit (fast) nur einer Rolle, die drei Herren Wolfgang Haas, Armin Hägele und Philipp Weiche schlüpfen hingegen in alle anderen. Von Bens ordinärer Mutter über schräge Showmaster bis hin zum sexy Nummerngirl. Alle vier legen jedenfalls eine gigantische Spielfreude und einen großartigen Sinn für’s Absurde an den Tag. Dabei ist es nicht immer nur albern: Wolfgang Haas zeigt einen aggressiven und von Rachegelüsten schier zerfressenen Messala und verleiht dem Charakter trotz Besen auf dem Kopf und silbernem Röckchen etwas Bedrohliches. Armin Hägele mimte unter anderem einen sehr romantischen und liebenswerten Julius Cäsar und als besonderes Highlight einen sächselnden Auftragskiller der perfekt aus 100 Metern Entfernung einen Apfel trifft, jedoch eben auch nur Äpfel und nicht sein eigentliches Ziel Messala. Und das trotz Fußverletzung des Darstellers, die er wirklich sehr gut und lustig in das Spiel mit einbezog. Regisseur Philipp Weiche hatte dagegen eher die schrägeren Rollen wie den Galeerenchef Arrius, der sich herrlich naiv wundert warum dem Sklaven Ben nach dem Schiffbruch der Bart abgefallen und Brüste gewachsen sind. Und besonders grandios als in anderen Sphären schwebender Engel Gabriel oder als mystischer Begleiter von Jesus, der am Ende eine bedeutende Rolle einnehmen sollte. Besonders möchte ich noch die Kostüme von Johannes Schrödl loben, die ich wirklich zum Brüllen fand!

©Hilde Lobinger

So ist Messalas Helm aus einem Feuerwehrhelm und einem Handkehrer zusammen gebastelt, Cäsars Umhang ist eine Weihnachtstischdecke und Bens merkwürdiger Bruder trägt einen Barockmantel und die passende Perücke.
Also Freunde des britischen und schrägen Humors, lasst euch dieses herrlich schräge Theaterereignis auf keinen Fall entgehen! Noch bis 16. September kann man “Ben Hur” in Pasing sehen.

 

Mit
Katharina Friedl | Wolfgang Haas
Armin Hägele | Philipp Weiche

Regie Philipp Weiche
Raum Peter Schultze
Kostüm Johannes Schrödl
Klangdesign Kai Taschner
Lichtdesign Jo Hübner
Deutsch von Frank Sahlberger

http://m.kulturkurier.de/va_478000.html

Fotos: Hilda Lobinger

 

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Premiere Lust auf Mord, 10.06.2017, Blutenburg-Theater

Foto: Volker Derlath

Foto: Volker Derlath

Der Sommer gilt ja nicht unbedingt als Theaterzeit. Man will sich in den Biergarten setzen oder dem Balkon ein Eis löffeln. Dabei sollte man aber definitiv auch in den warmen Monaten ab und zu ein Theater besuchen.
Im Blutenburg-Theater kann man sich mit der Krimikomödie Lust auf Mord des erfolgreichen Autoren Jack Jaquine sogar in kühlere Gefilde versetzen: im seit Wochen verregneten Frankreich langweilen sich nämlich die beiden Schwestern Hélène und Clarisse zu Tode. Während Clarisse ihre große Puppensammlung hegt und pflegt, legt ihre Schwester Karten und kaut falsch verbundenen Anrufern das Ohr ab.
Endlich gibt es Licht am Ende des tristen Tunnels, in der Nachbarschaft ist nämlich eine Dame verschwunden. Auf der Suche nach Unterhaltung schreiben die Schwestern einen anonymen Brief an die örtliche Polizei und tatsächlich schneit endlich mit Inspektor Spingeot männlicher Besuch ins Haus.
Die Geschichte an sich klingt ja schon mal recht schräg, was Regisseurin Miriam Gniwotta jedoch daraus gezaubert hat ein Meisterwerk des Slapstick und des Absurden. Die nicht mehr ganz blutjungen Schwestern kommen angesichts des männlichen Gastes in Wallung und stellen sich zu französischer Musik amouröse Abenteuer mit dem Inspektor vor. Hélène scheint absichtlich den Verdacht auf ihre Schwester zu lenken und Clarisse schleppt eine mysteriöse Kiste an, in der Spingeot die Überreste der verschwundenen Nachbarin vermutet.

Foto: Volker Derlath

Foto: Volker Derlath

Auch, wenn die Besetzung mit nur drei Schauspielern recht klein ist, wuseln diese jedoch so über die Bühne, dass es dem Zuschauer garantiert nicht langweilig wird. Sonja Reichelt zeigt Clarisse wie ein großes Kind: mit Schleifen im Haar und immer einer ihrer unzähligen Puppen auf dem Arm, die dem Bühnenbild einen -in meinen Augen- etwas gruseligen Touch verleihen, weil man sich unweigerlich von den vielen Augen beobachtet fühlt. Es kann sein, dass es nur mir so geht, weil ich Puppen tatsächlich unheimlich finde. Clarisse jedenfalls scheint sich daran nicht zu stören, tatsächlich scheint auch mehr hinter ihrer naiven Fassade zu sein, als man zunächst annimmt.
Ihre Schwester Hélène, gespielt von Shirin Lotze scheint da ein ganz anderes Kaliber zu sein. Sie wirkt selbstbewusst, wenn auch ein klein wenig verrückt und hat vor allem eine ausgeprägte Fantasie, sei es für Kriminalfälle oder für oben genannte Abenteuer mit Inspektor Spingeot.
Uwe Kosubek zeigt mal wieder sein großes komödiantisches Talent. Spingeot ist ein quirliger, übermotivierter Polizist, der erstaunlich wenig Probleme damit zu haben scheint, bei den Schwestern zu übernachten, die er doch des Mordes verdächtigt und die ihn in ein rosa Nachthemd stopfen.
Auch wenn man zwischenzeitlich definitiv verwirrt sie Stirn runzelt, klärt sich jedoch am Ende alles auf und vor allem hat man in der Zwischenzeit jede Menge zu Lachen. Wenn das mal kein Abschluss für einen Sommertag ist!
Besonders hervorzuheben ist dieses mal das Bühnenbild. Axel Ploch hat auf der kleinen Bühne einen altbackenen, heruntergekommenen Raum geschaffen, der mit der gemusterten Tapete wirkt wie ein Puppenhaus. Ob jetzt der Umbau von Wohn- zum Esszimmer wirklich nötig ist, hat sich mir jetzt nicht ganz erschlossen und die erotischen Tagträume der Damen wirkten auf mich zum Teil ein bisschen lang. Aber das sind wirklich nur kleine Kritikpunkte bei einer ansonsten sehr gelungenen und vor allem unterhaltsamen Inszenierung!
Regie & Ton: Miriam Gniwotta
Kostüm & Ausstattung: Nathalie Seitz
Bühne: Axel Ploch
Licht: Tom Kovacs
Abendspielleitung: Melanie Kisslinger & Thomas Brückner

Vorstellungstermine: bis 22. Juli & 22. August bis 30. September, Dienstag bis Samstag, 20 Uhr

http://www.blutenburg-theater.de

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Funkloch MONTY PYTHON, 13.05.2015, Theater Blaue Maus

[singlepic id=2126 w=240 h=320 float=left]Fans und Quereinsteiger sind das Zielpublikum der neuen Produktion des Theater Blaue Maus. Da ich mich eher zu den Letzteren zähle, war ich auf diesen Abend besonders gespannt. Und es war witzig, gut spielt und interessant zusammengestellt.

Die 90 Minuten teilen in vier Abschnitte, die Sketche sind unter den Überschriften Gute Stimmung garantiert, Experten, Der Sinn des Lebens und Auf der richtigen Seite zusammengefasst. besonders gut hat mir der Kohlenzechen-Disput in Llanddarog, der lakonische Vortrag brachte die Absurdität des Gesagten erst richtig zur Geltung. Ebenfalls sehr schön war Gesellschaft zum Drauftun von Dingen sowie der berühmte Tote-Papagei-Sketch. Die Schauspieler Carola Beil, Martin Lüning, Klaudia Schmidt und Christofer Varner schaffen es hierbei, die Sketche in der Manier von Monthy Python zu spielen, aber ihnen trotzdem einen eigenen Stempel aufzudrücken. Die Regie von Claus und Sigi Siegert spielt mit den Klischees und treibt die Absurdität auf die Spitze.

Ich habe mich gut amüsiert an diesem Abend und kann einen Besuch sehr empfehlen. Weil das Theater recht klein ist, sollte man unbedingt reservieren. Die Vorstellung dauert 90 Minuten ohne Pause.

Besetzung:
ES SPIELEN:
Carola Beil, Martin Lüning, Klaudia Schmidt, Christofer Varner

Regie: Claus Siegert
Co-Regie: Sigi Siegert
Dramaturgie: Angela Maria Dedié
Musik: Christofer Varner
Choreographie: Bele Turba
Kostüme: Beatrice Oettinger
Bühne: Claudia Karpfinger
Technik: Uwe Hinsche
Presse & Plakat: Arik Seils
Fotos: Dr. Peter Cohn

WEITERE VORSTELLUNGEN
MAI:
Mi 20.05. / Do 21.05. / Fr. 22.05. – 20:30 Uhr / Einlass 20 Uhr
Sa 23.05. – 19 Uhr / Einlass 18:30 Uhr
Mi 27.05. / Do 28.05. / Fr. 29.05. – 20:30 Uhr / Einlass 20 Uhr
Sa 30.05. – 19 Uhr / Einlass 18:30 Uhr

JUNI:
Mi 03.06. / Do 04.06. / Fr. 05.06. – 20:30 Uhr / Einlass 20 Uhr
Sa 06.06. – 19 Uhr / Einlass 18:30 Uhr
Mi 10.06. / Do 11.06. / Fr. 12.06. – 20:30 Uhr / Einlass 20 Uhr
Sa 13.06. – 19 Uhr / Einlass 18:30 Uhr
Mi 17.06. / Do 18.06. / Fr. 19.06. – 20:30 Uhr / Einlass 20 Uhr

Letzte Vorstellung:
Sa 20.06. – 19 Uhr / Einlass 18:30 Uhr

Reservierungen unter Tel.: 089 – 18 26 94
Eintritt 18€/12€

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Die bösen Stimmen – FaustIn andOut im Cuvilliestheater

[singlepic id=1982 float=left w=320 h=240]Im Zuge der Faustoffensive des Residenztheaters kam es auch zu einer lange nicht mehr stattfindenden Kooperation mit dem Kammerspielen. Jelinekkenner und Dauerregisseur Johan Simons wurde entliehen, um deren Faustadaption für den Faustsommer zu inszenieren. Kusej wird dafür eine Arbeit an den Kammerspielen abliefern.
Der Text ist bereits älter und den jüngeren Texten der Nobelpreisträgerin zuzuordnen, die anhand eines Basiswerkes ihre Weltsicht in die Textflächen hineinwebt, die Grundlage zertrümmert, für sich als „Sekundärdrama“ neubaut und mit der Sprache böse spielt. Neben dem Rheingold ist der famosen Zeitkritikerin dies mit FaustIn andOut am sinnigsten gelungen und Simons überzeugt erstmals als Jelinekleser und Bühnenadapteur. Nach seinen überbiographisierten Versuchen mit misslungenem Holzschuhtanz in der Winterreise verweigert er sich ähnlich wie die Autorin schlichtweg der Inszenierung. Zu Recht.
Sein Grabkammerspiel lebt von der Sprache allein. Als sich die Kerkerwand knarzend hebt steht der Zuschauer vor einer Kirchenwand mit zwei geöffneten Gräbern (Bühne Muriel Gerstner). Aus den Grüften sprechen abwechselnd Geist und Faust, einem ewig regnerischen Schwarzwaldhäuschen in Amstetten gleich. Der Männermonolog setzt süffig ein. Jelinek kalauert über Frauen, bis der Arzt kommt. Simons führt seine beiden großen Sprachkünstler präzise und kann sich doch auf zwei Textfresser verlassen, die Jelinek aufsaugen, hörbar und begreifbar machen. Schnell bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn der rumpelnde Oliver Nägele mit klarer Diktion die stilbildende Rolle des Abends verstörend einnimmt. Der Amstettener Skandal um Josef Fritzl dient der Zeitkritikerin als voyeuristische Schablone, um den Faust nach vorn zu bürsten.
[singlepic id=1981 float=right w=320 h=240]Teils gut versteckt sind die Goetheverse, die durch den Wolf gedreht werden und – der großen Kunst der Jelinek gemäß – erschreckend gut auf ihre Umdeutung passen. Das Mädchen, das beschafft werden soll, die Kindsmörderin im Kerker, die Religionsfrage nach der männlichen Moral. All das zeigt die Aktualität des Fauststoffes in einer extrem subjektiven Adaption deutlicher als die Inszenierung am großen Haus. Die Abhängigkeit einer Tochter vom Vater, einer Religion von ihrem Gott, einer Frau von ihrem Mann und eines Geschlechts seit Persephone von seiner Bestimmung wird grandios ausverhandelt. Der Text spart keinen abgründigen Wortwitz, schlägt drein mit den harten Details der Kerkerhaft.
[singlepic id=1980 float=left w=320 h=240]Nägele ächzt als wankender Täter, als resümierender Mephisto im schwarzen Smoking. Von Beginn führt er das Publikum, melodisiert die schöne, schwere Sprache und pointiert ohne Rücksicht auf moralische Verluste. Immer wenn er stürzt, zeigt er uns am deutlichsten die dünne Oberfläche des herrschenden Mannes im Keller. An seiner Seite lange still und sofort die Führung übernehmend die große Minichmayr. Sie nutzt ihre leichte österreichische Färbung und präsentiert in ihrer Variante von Gretchen/Elisabeth eine debilisierte, kindliche, kaputte Frau ohne Licht und Perspektive. Hörig, traurig und kalt. Ihre kühle Stimme erzählt Grauenvolles. Ihr Spiel unterstreicht die Darstellung der zur Puppe gemachten Frau. Sie wirkt wie das eingeschnürte Gemälde einer infantilen Olympia (Kostüme Anja Rabes), der kein Hoffmann die Illusion raubt, da sie nie eine hatte. Nach ihrer Urlesung im Prinzregententheater beweist die Minichmayr erneut, dass sie verständiges Sprachrohr der bösen Stimme Österreichs ist, die Texte begreift und hörbar macht. In einem emotionalen Kraftakt hören wir knappe zwei Stunden ohne Pause die Stimmen aus dem Amstettener Grab.
Am Ende erlösen uns die großen Darsteller mit einem knappen ernsten Lächeln beim aufbrandenden Applaus. Mehrere Vorhänge.

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Die arme Teufelin – Faust im Residenztheater

[singlepic id=1979 float=left w=320 h=240]Lange hat München nach dem missglückten Experiment am Volkstheater auf einen neuen Faust gewartet. Nicht nur Lehrer und Abonnementstraditionalisten werden nun beglückt sein. Das Resi hat eine Faustoffensive gestartet, die anhand von Nebenprojekten, Lesungen und Diskussionen das Dramendrama wieder dorthin rückt, wo es allein im Schulkanon immer gewesen ist: Ins Zentrum der klassischen deutschen Literatur jenseits gefälliger Einzeiler, Bonmots und entfernter Adaptionen der Popkultur.
Der Chef macht das natürlich selbst und schart die stärksten Stammkräfte, ein motiviertes Haus und allerlei Aufwendungen um sich. Kusejs Faust überrascht dabei zunächst mit Lust zum Zitat und frechem Mut zur Lücke. Nicht nur fallen jegliche metaphysische Stellen dem Strich zum Opfer, sondern ganze Szenen werden eingedampft, umgedeutet, metaphorisiert und heraus kommt ein rein weltlicher, atheistischer Faust, die Geschichte des Lustgetriebenen, des Unstudierten, der im Wahn nach dem Rausch zwischen Pädophilie, Selbstzerstörung und Zweifeln an der Seite einer armen Teufelin zerbricht. Gemäß einer neuen Inszenierungsmode kommt nämlich der weibliche Mephisto recht kläglich daher. Der Teufel ohne Macht mit den abgerissenen Flügeln, die als Narben auf dem schmalen Rücken prangen, oszilliert zwischen nihilistischer Orgienlust und gottvergessener Perspektivlosigkeit einer grauzonenhaften Welt, die Böses nicht mehr ahndet und Gutes nicht mehr belohnt. Die Wette verliert dabei an Attraktivität, also berauscht er sich mit diesem müden Faust und testet, ob dessen Abstieg ihn aus seiner Lethargie herauszureißen vermag.
[singlepic id=1978 float=right w=320 h=240]Kusejs Faust kommt zeitlos daher und dabei trägt er die Jahrhunderte seiner (Über)Rezeption doch in sich. Ein wenig scheint dieser Faust auch seiner Stückgeschichte müde zu sein. Deshalb die krasse Schere und die epochalen Einsprengsel aus der Tragödie zweiten Teils. Die Bühnenmaschinerie rumpelt wütend mit Feuer und Explosionen zwischen Auerbachs Fightclub und Gretchens steriler Zelle. Übrig bleiben die destillierten Stammthemen des mehr und mehr Operntableau liefernden Intendanten. Die Zwänge der bürgerlichen Familie, ausgestaltet durch die neugedeutete und eingeführte Figur von Gretchens Mutter. Kopulation und Rausch als Mittel zur Selbsterkenntnis und das Stemmen gegen die postmoderne Ahnungslosigkeit durch den Mann und die (zwischengeschlechtliche) Gewalt als Paradox auf die Liebe. Alles das sucht und baut sich Kusej in seinem Faust zusammen und gestaltet einen tristen, harten und aufgrund der vielen Leerstellen allein in der Gretchentragödie überzeugenden Kurzgoethe für Fortgeschrittene. Es gelingen einprägsame Bilder einer lyrischen Walpurgisnacht, die leider durch skandalersoffenen Quatsch wie Pferdeschwanzmelken in der Hexenküche und das erneut langweilende Statisteriegevögel abgeschwächt werden.
[singlepic id=1977 float=left w=320 h=240]Vorhersehbar positioniert er seine Deutung in der urbanen Tristesse der vielseitig gelungenen Bühnenskulptur von Aleksandar Denić. Der Drei-Etagenbau zwischen Baukran, Waschraum, Zelle und Unterführung birgt alle Handlungsflächen im Stadtregen und hinter Maschendrähten. Analog kleidet Stammausstatterin Heidi Hackl das Personal in Retroschick, Leder und Kaufhausklamotte. Erwähnenswert das spektakuläre Szenenlicht von Tobias Löffler, der die Fetzenszenen präzise und ästhetisch schneidet.
In diesem dunklen Nichts agieren starke Kräfte. Antagonistisch, unsympathisch, grob und gewaltig kommt Werner Wölbern als Faust daher. Ein schwankender Bacchus, ein Oldboy mit blutigen Händen und verkokster Schnapsnase, der den Exzess spielt und brüllt und spürbar macht. Die ausgesprochen negative Darstellung des suchenden Goethegenies konterkariert er durch die selten so präzise gespielte Verzweiflung eines Mannes, der nicht weiß, wie er mit dem beglückenden, langweilenden Gretchenaufriss umgehen soll. An seiner Seite der Skandal in Person, der Körper der Inszenierung und das Zentrum dieses Teufelsspiels: Bibiana Beglau färbt ihren Mephisto in dunklen Schattierungen, teils unentschlossen, immer extrem und physisch spürbar. Etwas weniger Körperlichkeit, weniger Grand Guignol und mehr leise Töne hätten ihr gut getan. Der Zuschauer kennt sie mittlerweile beim Röhren und gestützten Kreischen, doch sie überrascht ihn mit tieftraurigen, ehrlichen und erfrischend entstaubten Goetheversen. Wenn ihre Kunstnarben sich vom Rücken ablösen, sie keine Verrenkungen tanzt und ohne Grimasse spricht, sieht man eine starke Frau, die einen noch stärkeren Mephisto gibt. Zurückgenommen, doch physisch anderweitig gefordert, überzeugt Andrea Wenzl als geerdetes Gretchen. Ihre einprägsame Stimme bricht das dumme Ding zu einer liebenden Frau, die alles opfert und ihren Körper deutlich hingibt. Wenzl rührt, verstört und bleibt als neues, modernes, bluttriefendes Gretchen in Erinnerung.
[singlepic id=1976 float=right w=240 h=320]Wird dieser Brutalofaust in Erinnerung bleiben? Der Western, dessen inflationäre Bühnenschüsse sanften Silvesterduft in den Zuschauerraum treiben, der explodiert, wenn die Handlung stillsteht und nach all den Drehungen der finsteren Bühne die irdischen Fragen allein beantwortet? Am Ende ist niemand erlöst, niemand gerettet. Das Nichts regiert, der Teufel und sein Faust gehen ab und München hat einen diskutablen neuen Goethe mit starken Abgründen und fraglichen Strichen. Es stellt sich nicht die Frage „Was bleibt?“, sondern „Was bleibt übrig?“.

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