Liebe Frau Daum, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben zu einem Interview.
Gerne!
Können Sie uns ein bisschen was zu Ihrem Werdegang erzählen?
Ich habe Abitur gemacht. Danach bin ich an die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart gegangen. Da habe ich sieben Jahre studiert, zuerst Diplom-Studiengang Musikpädagogin, und dann noch das Aufbaustudium für Konzert- und Opernsängerin. Danach wurde ich zum Glück gleich nach Pforzheim engagiert. Das war mein erstes Engagement, am Stadttheater dort war ich vier Jahre, dann war ich fünf Jahre in Dortmund am Stadttheater, und jetzt ist meine vierte Spielzeit am Gärtnerplatz.
Wie kamen Sie zum Singen?
Ich habe schon immer gerne gesungen. Mit fünf habe ich schon gesagt, entweder werde ich Sängerin, Schauspielerin oder Hausfrau: Jetzt bin ich alles drei, alles zu seiner Zeit. Es war eigentlich immer schon ein großer Wunsch, und meine Eltern haben dem nichts in den Weg gestellt.
Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Dschinghis Khan. Nena. Udo Lindenberg. Supertramp. Heavy Metal viel. Wenig Klassik. Selbst Musik habe ich im Musikverein gemacht mit Klarinette und Bariton-Horn. Ich habe auch mit meiner Schwester zusammen im Duo gesungen, so Oberkrainer-Zeugs. Ja, ich bin eigentlich eher mit der Volksmusik aufgewachsen. Durch meine Gesangslehrerin an der Jugendmusikschule Bruchsal bin ich dann langsam an die Klassik herangeführt worden – Barock, Moderne, das habe ich dann alles kennen und lieben gelernt
Machen Sie heute noch andere Musik außer Klassik?
Ja. Chanson und Jazz.
Aber nicht mehr Volksmusik.
Nein, Volksmusik nicht mehr. Könnte ich aber auch noch machen, wenn es gewünscht wird.
Haben Sie das absolute Gehör?
Nein, habe ich nicht.
Was ist das eigentlich, das absolute Gehör?
Man hat ganz genau den Kammerton a – 440 Hertz – den hat man im Ohr, und man kann alles, was man in Notenschrift geschrieben sieht, sofort in der richtigen Tonhöhe umsetzen. Das kann ich nicht. Wenn ich eingesungen bin, spüre ich, wo ein c3 oder c2 liegt. Da liege ich allerhöchstens mal einen Halbton zu hoch oder zu tief. Aber das absolute Gehör habe ich nicht. Das kann man scheinbar trainieren, oder man wird damit geboren. Aber ich habe es weder trainiert, noch wurde ich damit geboren. Ist aber auch kein Problem. Braucht man nicht.
Sie haben vorhin schon gesagt, Sie spielen Bariton-Horn und Klavier …
Bariton-Horn, Klarinette. Klavier kam dann später dazu, für die Aufnahmeprüfung für Stuttgart. Oder überhaupt, für die Aufnahmeprüfung Gesang muss man ja auch Klavier vorspielen. Das sind die drei Instrumente. Klarinette bin ich, denke ich, nicht mehr so gut, Klavier konnte ich nie so wahnsinnig toll spielen, macht mir aber Spass. Das Baritonhorn habe ich ganz aufgegeben. Das habe ich nur bei den Oberkrainern gespielt.
Welche Sprachen sprechen Sie? Und in welchen Sprachen singen Sie?
Ich spreche Badisch, in erster Linie. Dann natürlich auch Hochdeutsch, wenn es gewünscht ist. Dann Englisch, Französisch, und das war es auch schon. Aber ich verstehe gut Italienisch, ich kann es auch sehr gut lesen. Ich kann auch sehr gut Spanisch lesen, oder auch Türkisch lesen, habe aber beim Türkischen keine Ahnung, was es bedeutet. Italienisch und Spanisch erschließt sich mir, weil ich Latein hatte in der Schule bis zum Abitur. Ich singe hauptsächlich auf Deutsch hier am Gärtnerplatz. Auch Italienisch und Französisch habe ich schon gesungen, aber noch keine slawische Sprache. Ich habe auch schon spanische Lieder gesungen und türkische Lieder, alles mögliche schon.
Apropos Türkisch: Freuen Sie sich auf das Gastspiel des Gärtnerplatztheaters in Istanbul?
Da freue ich mich sehr darauf. Es wird bestimmt sehr anstrengend. Ich habe jetzt schon den Probenplan gesehen. Wir werden wahrscheinlich den ganzen Tag oben auf der Festung verbringen. Da muss man sehen, dass man sich mit genügend Wasser eindeckt und dass einem die Sonne nicht einen Strich durch die Stimm-Rechnung zieht.
Haben Sie Vorbilder, musikalisch oder auch szenisch?
Ich bin ein absoluter Callas-Fan, denn die Intensität, mit der sie gesungen hat, hat mich immer berührt. Wenn ich sie höre, fange ich an zu weinen, egal, was sie singt. Das ist eigentlich mein Vorbild, was das angeht. Sie war auch sehr intelligent. Sie war unglaublich schnell beim Partien-Lernen. Ich mochte ihren ganz eigenen Stimmklang. Manche finden ihn hässlich, aber in solchen Kategorien denke ich nicht. Für mich ist wichtig, dass eine Emotion transportiert wird, und das hat sie großartig gemacht. Und das möchte ich auch. Ich möchte auch die Emotion ausdrücken. Wenn ich eine hässliche Aussage habe, möchte ich auch, dass die Stimme nicht immer nur schön und weich klingt, dann darf sie ruhig einmal hart und hässlich sein. Wenn ich eine schöne Aussage habe, oder eine liebevolle, dann soll die Stimme liebevoll und schön klingen. Das ist so mein Ding.
Und szenisch? Sie haben auch Schauspielunterricht gehabt, oder?
Sehr wenig an der Hochschule. Da hatten wir nur zwei Semester so ein bisserl Bewegungstraining. Aber als Frau ist man sowieso die geborene Schauspielerin. Ich habe schon immer gerne geschauspielert. Das muss man ja im täglichen Leben. Jeder von uns muss das ja immer. Und ich habe keine Hemmungen. Ich denke, das ist das größte Hindernis für manche – dass sie Hemmungen haben, ihre Emotionen auch körperlich darzustellen – und da habe ich absolut keine, insofern bin ich ein Naturtalent (lacht).
Hatten Sie schon internationale Auftritte?
Ja. In Montpellier, in Frankreich, habe ich gesungen, in der Schweiz habe ich gesungen, und in Holland, in Amsterdam, habe ich auch schon gesungen. Das sind so meine kleinen internationalen Sachen.
Und jetzt kommt ja noch Istanbul dazu.
Ja, noch die Türkei.
Würden Sie sagen, Sie haben eine 38-Stunden-Woche?
Das kommt darauf an. Manchmal ist es viel mehr, vor allem, weil man nicht abschalten kann. Dann liege ich im Bett, und drei Stunden lang geht dann die neue Partie im Kopf herum. Denn es hört ja nicht damit auf, dass man aus dem Theater rausgeht und so. Man muss ja auch zu Hause üben, lernen, immer wieder in die Noten gucken. Die neuen Partien studieren, die alten wieder aufwärmen. Es kann sein, dass ich mal nur eine 20-Stunden-Woche habe, von meinem Gefühl her, es kann aber auch sein, dass ich mal eine 70-Stunden-Woche habe. Es hängt davon ab, wieviel gerade zu tun ist.
Gibt es Komplikationen, die sich aus dem besonderen Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben?
Schwierig ist es halt teilweise mit Familie. Mein Lebensgefährte wohnt in Dortmund und hat da seinen festen Job. Ich weiß ja nicht, wo ich landen werde, oder wo man überhaupt landet als Sänger, mit diesen ständig befristeten Verträgen, beziehungsweise Nicht-Verlängerungen, die auf einen zukommen oder auch nicht, so dass das sehr schwierig ist, dann eine Beziehung gut zu leben. Und sonst eigentlich beschneide ich mich nicht. Ich kann natürlich nicht mittags in der Sonne liegen oder mich an den See legen, wenn ich abends Vorstellung habe. Dann ist die Stimme ausgetrocknet, dann kommt da nichts. Dann muss ich halt in der Wohnung bleiben. Keinen Rotwein trinken, den ich ohnehin nicht mag, denn davon werde ich heiser, darauf kann ich gut verzichten. Und ich kann vor einer Vorstellung auch nichts essen. Mit vollem Magen geht bei mir nichts. Aber dafür dann danach um so mehr.
Wenn wir gerade bei der Stimme sind: Braucht Ihre Stimme ihren Schlaf? Und was verträgt Ihre Stimme überhaupt nicht? Rotwein haben Sie schon gesagt.
Nur Rotwein und vor allem hohe Ozon-Werte. Also, am Meer geht es, mit der Meeresluft habe ich noch nie Probleme gehabt. Aber wenn die Ozonwerte hoch sind und ich mich bewege in der Zeit, dann kann es sein, dass ich heiser werde und dann eine Allergietablette nehmen muss – Cetrizin wirkt da ganz gut, habe ich schon festgestellt. Es ist wirklich einmal passiert, bei einer Freilichtaufführung, dass ich plötzlich keine Stimme mehr hatte. Das war sehr unangenehm. Und ansonsten – Schlaf brauche ich schon. Beziehungsweise, ich muss einfach schon eine Zeitlang wach sein. Ich kann auch mal nur vier Stunden schlafen. Wenn ich dann aber nach den vier Stunden Schlaf drei oder vier Stunden zum Aufwärmen habe, dann läuft die Stimme genauso, wie wenn ich zwölf Stunden geschlafen habe. Aber natürlich ist es mir angenehmer, ich muss nicht allzu früh aufstehen, wenn ich abends Vorstellung habe. Weil dann der ganze Körper ausgeruhter ist, die Muskeln. Die Stimme auch, die ganze Muskulatur am ganzen Körper ist miteinander verbunden. Und da sollte man eigentlich einfach schon wach und fit sein. Da hat jeder seinen eigenen Rhythmus.
Verändert sich Ihre Stimme, wenn Sie im Urlaub sind?
Im Urlaub singe ich so gut wie gar nicht. Da denke ich nicht nach über die Singerei. Da singe ich vor mich hin, zum Spass, aber da achte ich nicht darauf: Wie klingt die Stimme heute, und habe ich heute ein hohes e oder habe ich es nicht? Das interessiert mich da weniger. Aber danach ist sie immer schön ausgeruht. Da ist sie immer ganz frisch, wenn ich dann wieder nach der Spielpause antrete. Das ist das Schöne.
Was tun Sie für Ihre Kondition?
Viel singen. Also, jeden Tag eigentlich auch immer wieder schön die Stimme „belasten“, also richtig, wie wenn ich vor Publikum stünde. Ansonsten Fahrrad fahren und viel zu Fuß gehen. Und das reicht eigentlich aus. Ich bin kein sportlicher Mensch, ich brauche das nicht so.
Aber so eine Opern-Aufführung oder Operetten-Aufführung – gerade Operette, wo man ja auch tanzen muss, das ist doch ziemlich anstrengend.
Ja, das ist es, aber es macht wahnsinnig viel Spaß. Ich bewege mich ja gerne. Ich bin zwar ein Sportmuffel, das heißt, Fitness-Studio kommt für mich überhaupt nicht in Frage, aber ich bewege mich gerne. Auf der Bühne hat man einen höheren Muskeltonus, durch die Aufregung auch, die man verspürt. Durch das Adrenalin, das einem durch die Adern schießt. Dadurch, dass der Muskeltonus höher ist, spürt man diese Anstrengung gar nicht so stark. Erst hinterher. Meistens am nächsten Tag dann.
Dann kommen wir zu Ihrer nächsten Premiere: „Der geduldige Sokrates“.
Von Georg Philipp Telemann.
Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Ich habe den Klavierauszug relativ früh bekommen, zum Glück, schon Ende Dezember. Immer wenn ich Zeit hatte, habe ich mich hingesetzt, habe ich mir die ziemlich schwierigen Harmonien der Rezitative herausgeschrieben, damit ich mich am Klavier damit schnell begleiten kann und habe damit halt immer geübt, hauptsächlich ohne jetzt laut zu singen, sondern erst mal nur die Noten angesehen und die Texte natürlich.Ich übe nicht auf Lalala und dann kommt der Text dazu, sondern immer gleichzeitig mit Text. Dann lege ich das Buch weg und versuche, das zu memorieren, ohne Klavier, ohne Buch. So habe ich mich darauf vorbereitet. Ich habe bis heute keine Aufnahme. Ich mache ohnehin gerne mein eigenes Ding. Und dann habe ich halt ein paar Repetitionen gehabt, wie das immer so ist am Theater. Ein Pianist spielt für dich, und dann versucht man, das alles zusammenzusetzen.
Haben Sie sich auch mit der Geschichte an sich beschäftigt?
Also, die Xanthippe, die ist ja geschichtlich verbürgt, das ist meine Rolle im Sokrates. Eine zweite Ehefrau, Amitta, hat er wohl nie gehabt. Es gab zu der Zeit keine Bigamie, es war eine monogame Gesellschaft, zu Sokrates’ Zeiten. Warum ihm die Amitta angedichtet wird, weiss man nicht, aber historisch verbürgt ist sie nicht. Und er war wohl auch ein sehr obrigkeitshöriger Mensch, so dass er garantiert keine zwei Ehefrauen hatte. Aber dem Stück zuliebe hat man sie halt mit hinein genommen, weil die sich immer fetzen, und weil es lustig ist und Witz in die ganze Sache bringt. Ich habe mich immer für die Antike interessiert, für das alte Griechenland und das alte Rom, insofern ist mir das gar nicht so unvertraut.
Können Sie uns kurz erzählen, was passiert im „geduldigen Sokrates“?
Es gibt drei Handlungsstränge. Einmal Sokrates und seine Schüler, die er immer zum Fleiß antreibt. Dann gibt es den nächsten Handlungsstrang mit dem Prinzen Melito, der auch öfters zu Sokrates geht, der von zwei Frauen umschwärmt wird, von Rodisette und Edronica, die er eigentlich beide jetzt nicht so prickelnd findet. Am Ende entschließt er sich aber für eine von beiden. Die andere geht auch nicht leer aus, die kriegt dann einen anderen ab, den sie eigentlich auch nicht will, aber besser einen als keinen. Das ist eigentlich am Ende ganz witzig. Dann eben den Handlungsstrang Sokrates und seine beiden Ehefrauen, die sich ständig um die Vorherrschaft streiten, wer jetzt mehr zu sagen hat und wer jetzt bevorzugt wird von Sokrates, oder auch nicht. Und daraufhin entstehen ständig Streitigkeiten, die der Sokrates zu schlichten versucht. Immer: „Geduld, Geduld“, das sagt er am liebsten, deshalb auch „Der geduldige Sokrates“. Die Ziwstigkeiten – da geht es um Mahlzeiten, da geht es um die Schönheit, wer zuerst vor dem Spiegel steht, eigentlich so klischeemässige Frauenthemen. Ziemlich frauenfeindlich finde ich das teilweise.
Unterstützt die Inszenierung das?
Nein. Der Herr Köhler ist ein sehr, sehr guter Regisseur. Das Stück ist schwierig zu inszenieren. Auch die Musik ist sehr schön, aber so nach einer Stunde hat man sich sehr reingehört, und es kommt eigentlich nichts wirklich Neues mehr, wo man überrascht ist und dann noch einmal mit grosser Aufmerksamkeit zuhört. Insofern ist schon gut, dass es diese verschiedenen Handlungsstränge gibt, die einem immer wieder neue Aufmerksamkeit abfordern. Ich bin ja als Xanippe die Heftigere noch von beiden, die Amitta ist ein bisschen sanfter. Ich darf auch mal weinen, und zwar nicht so ein übertriebenes Weinen, dass es die absolut schreckliche Witzfigur ist, sondern dass man auch wirklich Mitleid mit der Frau bekommt, die wirklich ein Problem damit hat, dass da eine andere Frau an ihrer Seite ist. Also er versucht uns Frauen nicht zu denunzieren. In keinster Weise. Nein, er unterstützt das so nicht. – Schon ein bisschen das weibische Gehabe, vor dem Spiegel herumstehen. Die eine Arie geht darum: Ich bin so schön, ich bin so reizend – bella, vaga, vaga, bella – was durchaus auch viele Frauen tun, aber es wird nicht so dargestellt, dass man sich diffamiert fühlt.
Haben Sie Freiheiten bei der Interpretation Ihrer Partie?
Ja. Ich darf das mit meiner Körperlichkeit machen, mit meiner Art und mit meinem Temperament. Ich bin ja doppelbesetzt mit Sandra Moon, die das wiederum auch mit ihrer Körperlichkeit macht, die eine ganz andere als die meine ist. Die Gänge sind natürlich die gleichen, die Freiheit hat man nicht, denn die Kollegen müssen ja auch wissen: Wenn ich rechts stehe, stehe ich rechts, wenn ich links stehe, stehe ich links. Das muss man schon gleich machen, aber der Herr Köhler überlässt die Rezitative auch jeweils meiner Interpretation.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Partie?
Ich glaube, die Perücke (lacht). – Was mir am besten an der Partie gefällt, ist, dass ich zwei sehr schöne Duette habe mit meiner wunderbaren Kollegin Thérèse Wincent. Ich finde es sehr schön, zwei Soprane miteinander. Das macht wahnsinnig viel Spaß, die Musik zusammen zu singen, nicht immer nur Solo-Arien zu haben. Das gefällt mir sehr gut an der Partie. Es ist fast wie bei der Königin der Nacht, du kommst raus, der erste Auftritt: (singt) „Du Missgeburt!“ Als allererstes schreiend, die andere an den Haaren herbeiziehend. Du musst von Null auf 180 in null Sekunden sein, und das macht mir Spaß.
Und was ist das Schwierigste an Ihrer Partie?
Dass man von Null auf 180 in null Sekunden sein muss, das ist anstrengend und schwierig, wenn man sich immer sofort hochputschen muss. Und dann aufpassen, dass die Stimme dabei trotzdem noch gut klingt.
Die Musik des Sokrates wird hoch gelobt. Es ist die Rede von „leichten Verweisen auf Mozart“ oder „es klingt so, als hätte Bach Opern geschrieben“. Da drängt sich fast die Frage auf: Muss man Barockmusik mögen, um diese Oper zu mögen?
Nein. Muss man nicht mögen. Die Musik ist sehr gefällig. Ich habe bis jetzt keine Mozart-Anklänge gefunden. Aber ich kenne jetzt auch nicht die ganze Musik, weil ich ja mit den anderen Handlungssträngen so gut wie nichts zu tun habe und noch nicht viel davon gehört habe, aber – nein, man muss kein Barockmusik-Fan sein, um das zu mögen. Es ist wirklich sehr gefällig, sehr angenehm. Und auch auf Italienisch und auf Deutsch. Was ich auch sehr schön finde: Die Rezitative sind alle auf Deutsch, man versteht immer, worum es geht. Und die Regie unterstützt dann in den italienisch gesungenen Phasen auch wieder das, was man sagt.
Ist es schwierig, umzuschalten zwischen Italienisch und Deutsch?
Nein, überhaupt nicht. In keinster Weise.
Weil die Musik einfach mit den Worten verbunden ist.
Ja. Es ist überhaupt nicht schwer, umzuschalten.
Dann habe ich noch eine Frage an Sie als Xantippe: Zwei Frauen sind ja offensichtlich zu viel für einen Mann.
Ja.
Finden Sie, ein halber Mann ist zuwenig?
Zwei Männer wäre besser. Für eine Frau (lacht). Ich würde es so herum sagen. Obwohl, eigentlich ist er ja kein halber Mann. Schwierig zu sagen. Also ich hätte keinen Spaß daran, mir einen Mann zu teilen.
Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Spielzeit 2011/2012 geben?
Es wird meine letzte Spielzeit sein, worüber ich sehr traurig bin. Um so mehr werde ich die nächste Spielzeit genießen. Ich freue mich irgendwie auch auf das Umziehen und den Falstaff im Prinzregententheater. Da darf ich noch einmal unter Herrn Dr. Peters Regie die Alice Ford spielen und singen. Und zu Beginn der Spielzeit werde ich zusammen mit Stefanie Kunschke die Marie in einer Neuinszenierung von Smetanas „Verkaufter Braut“ geben.
Mal ganz ehrlich, die Handlung dieser selten gespielten Operette von Eduard Künneke ist ein ganz kleines bisschen abstrus. Da fahren zwei deutsche Auswanderer mal eben von Brasilien zurück nach Deutschland, um sich mit Frauen zu treffen, die sie erstens nur aus Briefen kennen und mit denen sie zweitens auch nicht verabredet sind. Als komplizierender Faktor kommt noch hinzu, dass die Korrespondenz nur von einer Frau geführt wurde, die sich zusätzlich noch als Millionärin ausgegeben hat. So weit alles klar? Dann fügen wir noch einen Reisebüroinhaber dazu, der auf die Briefeschreiberin steht sowie ein paar Ballettratten, die für Verwirrung sorgen und fertig ist das Operettenlibretto.
Wäre da nicht die wirklich ganz ausgezeichnete Musik von Eduard Künneke, der ja meistens lediglich mit dem “Vetter aus Dingsda” assoziiert wird und die Dialoge in der sehr guten Fassung von Regisseurin Sabine Müller, könnte so eine konzertante Operettenaufführung leicht in Langeweile umschlagen.
Langweilig war es aber in keinster Weise. Im Gegenteil, die Melodien haben das gewisse Etwas, der Stilmix vom Tango bis zum Lied a la Comedian Harmonists birgt immer wieder neue Überraschungen und ein Ohrwurm jagt den nächsten. Das titelgebende Stück erweist sich als echter Hit beim mitklatschfreudigen Publikum, das überwiegend kurz nach der Uraufführung geboren worden sein dürfte. Auch war es eben nicht komplett statisch-konzertant, sondern durchaus mit ein bisschen Kostüm und Schauspiel, was zusätzlichen Pep in den Abend brachte.
Musikalisch war es ein Hochgenuss. Das WDR-Rundfunkorchester unter Antony Hermus spielte genauso präzise und harmonisch wie das Gesangs-Doppelquartett sang. Die Solisten waren sorgfältig ausgewählt und brillierten in ihren Partien, allen voran die famose Heike Susanne Daum als Lona Vonderhoff, der sie mit ihrem klangschönen Sopran und ihrer Bühnenpräsenz Charisma verlieh. Besonders nett fand ich die kleine Einlage mit einem Geburtstagsständchen für sie, das ja auch live im Radio übertragen wurde. Aber auch ihre Soprankollegin Natalie Karl und die drei Tenöre Stephan Boving, Jürgen Sacher und Boris Leisenheimer beeindruckten mich mit ihrem Gesang und Schauspiel.
Ein sehr schöner Abend!
Erzählen Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang?
Ich habe in Köln Gesang studiert bei Professor Claudio Nicolai. Danach wurde ich unter anderem von Walter Berry und Nancy Henninger ausgebildet und bin dann über die Theater Regensburg, Augsburg und noch andere Stationen vor vier Jahren ans Gärtnerplatztheater gewechselt.
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Das war erst mal Neigung, pure Neigung, also ich wollte auf jeden Fall etwas mit Musik machen. Ich habe auch als Jugendlicher viel mit Musik gemacht, habe dann im Alter von sechzehn Jahren Gesangsstunden bekommen. Meine erste Lehrerin damals war sehr rege und hat mein Talent erkannt und hat mich dann an die Musikhochschule nach Köln weiter vermittelt. Dann habe ich die Aufnahmeprüfung gemacht, ja, und das hat dann geradlinig ans Gärtnerplatztheater geführt.
Welche Musik haben Sie als Kind gehört?
Ich bin unter anderem (hüstelt) preisgekrönter Liedermacher. Ich komme eigentlich aus einer ganz anderen Ecke, ich habe früher ganz viel Liedermacher/Singer-Songwriter gehört. Franz Josef Degenhardt, halt eher so das politische Lied. Folkmusik würde man das auf Neudeutsch nennen, das war eher meine Richtung. Die Oper musste ich praktisch neu erlernen. Aber die Liebe zur klassischen Musik selber war eigentlich immer da. Jetzt im „gesetzten Alter“ entdecke ich erstmals solche Sachen wie „Rock am Ring“.
Wann waren Sie zum ersten Mal in der Oper?
Das erste Mal in der Oper war relativ spät, ich glaube, das war mit fünfzehn Jahren. Meine erste Vorstellung war die „Walküre“ in Wiesbaden. Nicht das Leichteste zum Anfang, aber umso beeindruckender, und seitdem hat mich das nicht mehr losgelassen. Damals gab es gottseidank auch noch ganz viele Opernaufführungen im Fernsehen, und die habe ich mir dann immer angeguckt, nächtelang, und habe davor gefiebert. „Lohengrin“ weiß ich noch, und „Don Carlos“, das sind so bleibende Eindrücke, die waren prägend.
Könnten Sie sich vorstellen, heute wieder als Liedermacher aufzutreten?
Nö. (lacht) Obwohl – mein Sohn hat mich letztens gefragt, ob ich nicht als Vorgruppe aufträte bei einem Jubiläumskonzert, wo er mit seiner Rockgruppe als Headliner spielt, da sollte ich doch als Singer-Songwriter auftreten. Das habe ich aber dann dankend abgelehnt, aufgrund mangelndem Repertoires (lacht) Nein. Es gibt kein Zurück mehr.
Haben Sie das absolute Gehör?
Ja. Das habe ich. Das ist aber auch sehr spät entdeckt worden. Es ist leider instrumental bezogen bei mir, nur auf die Instrumente, die ich gespielt habe. Ich höre Cello, Blockflöte, Gesang und Gitarre absolut. Klavier nicht. Ich kann alles vom Blatt singen, das ist ein Segen, aber auch ein Fluch, weil ich im Grunde genommen nicht transponierend lesen kann. Das heißt, wenn jemand mal im Laufe des Gefechts eine andere Tonart anschlägt, kann ich nur das singen, was in den Noten steht. Ich muss alles fotografisch lernen. Das heißt, meine Auswendiglernerei ist eine endlose, weil ich im Grunde genommen auch während der Vorstellung die Noten imaginär vor Augen habe. Ich singe praktisch während der Vorstellung vom Blatt. Ich weiß nicht, ob man das irgendwie versteht, aber das ist der Prozess. Ich muss die Noten auswendig lernen, damit ich sie sehe, und damit vom Blatt singen.
Sie haben gerade schon einige Instrumente genannt. Cello, Klavier – spielen Sie noch weitere?
Ja, Gitarre noch, damit habe ich eigentlich angefangen. Mein Anfangsinstrument war klassische Gitarre. Dann kam Cello, dann Klavier. Ich spiele jetzt noch begeistert, aber nur für mich ganz alleine, Cello, und habe mir jetzt aber auch eine neue Gitarre gekauft, also liebäugele mal wieder ein bisschen damit. Aber das ist wirklich ganz nur für den privaten Gebrauch, und ganz für mich allein im Kämmerlein.
Also doch wieder zurück zum Liedermacher?
Nein! – Ja, also, fürchte ich, ja. Also, ich versuch’s wieder, ja. Für die Karriere danach. (lacht)
Welche Sprachen sprechen Sie und in welchen Sprachen singen Sie, oder haben Sie schon gesungen?
Ich meine zumindest, dass ich fließend Englisch spreche. Glaube ich. Ich glaube, ich verstehe sehr viel Italienisch, traue mich das aber nicht zu sprechen. Ich glaube, ich verstehe sehr viel Französisch, traue mich auch das nicht zu sprechen. Singen muss ich auf Italienisch, Französisch, Spanisch, Tschechisch, Russisch, das sind so die gängigen Opernsprachen. Ich habe Angst vor dem Tag, wo ich eine slawische Oper singen muss, weil ich nicht einmal die Satzstruktur in slawischen Sprachen verstehe, ich müsste alles phonetisch lernen, aber wenn mir dann ein Wort auf der Bühne fehlt, dann fehlt das Wort. Und so kann ich das zumindest in den romanischen Sprachen ersetzen. Ich traue mir sogar zu, mittlerweile, in Italienisch adäquate Ersatzworte zu singen, wenn ich eines vergessen habe.
Welche Vorbilder haben Sie, musikalisch oder szenisch?
Ein Vorbild war für mich immer Walter Berry, einer der erfolgreichsten Bass-Bariton- / Bass-Buffo-Sänger, die exemplarisch letztendlich das gemacht haben, was ich auch anstrebe, also das klassische Zwischenfach. Als Figaro / Leporello im Mozartfach anzufangen und dann aber in den Charakter-Bariton zu wechseln. Er hat später dramatische Rollen gesungen, konnte aber immer wieder zurück. Und das fände ich adäquat für mich, das passt auch so zu meiner Stimme, zu meiner Entwicklung. Sänger, die Charakterisierungs- und Darstellungsvermögen haben, die faszinieren mich am meisten.
Sie hatten auch schon einige internationale Auftritte, ich glaube Costa Rica, möchten Sie uns da ein bisschen was erzählen?
Costa Rica war ein ganz tolles Abenteuer. Dort gibt es das Orquesta Sinfonica Nacional, eine ganz tolle kulturelle Einrichtung für das Land, das relativ klein ist bzw. eine geringe Bevölkerungszahl hat. Der Staat hat es sich zum Programm gemacht, die musikalische Jugend zu fördern und dieses Orchester gegründet. Das Orchester bespielt – immer noch – ein fantastisches Opernhaus, das Teatro Nacional in San José. Sie haben sich 2001 ein spätromantisches Programm gewünscht, zuvor hatten sie traditionell immer italienische Opernprogramme, „Traviata“ und ähnliches. Sie machten „Herzog Blaubarts Burg“ von Bartók, beziehungsweise die „Walküre“ oder die „Neunte Sinfonie“, dazu haben sie sich deutschsprachige Sänger eingeladen. Da war dann ich. Es war wundervoll, mit dabei zu sein, wie die Costa Ricaner mit dieser Musik in Berührung kamen. Für mich war es eine ganz tolle Gelegenheit, auch mal Repertoire zu singen, das ich hier nicht singen würde – Wagner, „Die Walküre“ ist nicht so das gängige Repertoire für mich hier. Allein diese Berührung dieser beiden Kulturkreise war ganz abenteuerlich. Und dann hatte ich gottseidank noch Zeit genug, mir das Land anzuschauen. Das war natürlich die Belohnung pur, also das war grandios. Ich war dreimal da, jeweils für eine längere Zeit, und habe viel auch über das Land lernen können. Dann war ich noch in Australien, habe da Liederabende gegeben im Rahmen der Melbourne Opera, das hat viel Spaß gemacht. – Frankreich, Festival du Catedral.
Jetzt steht ja das nächste Abenteuer an – Istanbul – freuen Sie sich darauf?
Ja. Das ist mein absoluter Jahreshöhepunkt. Also ich freue mich bärig auf eine ganz andere Version von dem Projekt, das wir eigentlich erarbeitet haben, „Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Das wird sehr spannend in der Verwirklichung, wie wir das letztendlich ohne Drehscheibe und technisch bewältigen. Auf der anderen Seite natürlich freue ich mich auf die Stadt und hoffe, dass da genug Zeit bleiben wird, auch noch ein bisschen was zu erleben und noch etwas zu sehen Das sind ja tolle Geschichten, wenn man Arbeit mit Vergnügen verbinden kann.
Würden Sie sagen, Sie haben eine 38-Stunden-Woche?
Nö. (lacht) Da es bei unserem Vertrag keinerlei Arbeitszeitbeschränkung gibt – nein. Ich weiß nicht, ich habe die Stunden nie gezählt. Da wir nur vor und nach den Vorstellungen Ruhezeiten haben und darüber hinaus natürlich auch die ganzen Sachen zur Probe und Aufführung vorbereiten müssen oder andere Termine wie Anproben oder Interviews – nein, habe ich nicht. Gibt’s nicht.
Gibt es Komplikationen, die sich aus dem besonderen Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben?
Da ich nichts anderes kenne, also zumindest in den letzten zwanzig Jahren nicht, habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, ob das zuviel oder zuwenig ist an Arbeitsleistung am Tag. Ich habe ja den einen oder anderen Ferienjob gemacht, aber dann beschlossen, dass für mich das regelmäßige Arbeiten zwischen sieben und sechzehn Uhr vielleicht nicht das ist, was ich möchte. Mich begeistert das nach wie vor, dass man nachts um zehn Uhr noch mal produktiv sein kann. Das kommt meinem Rhythmus auch entgegen. Ich bin nicht so produktiv in den Morgenstunden. In den frühen Morgenstunden bin ich weniger – gar nicht vorhanden (lacht). Und ich kenne auch keinen anderen Lebensrhythmus, ich finde den auch gut. Ich muss ganz ehrlich sagen: Es wäre hart für mich, wieder zurück in so einen festgelegten Arbeitsrhythmus zu kommen.
Was tut Ihrer Stimme gut, und was verträgt sie überhaupt nicht?
Ich vertrage überhaupt keine Klimaanlagen. Also, sobald es irgendwie kalt und trocken auf mich bläst, bin ich relativ schnell stimmlos, so was geht gar nicht gut. Ansonsten bin ich so das Gegenteil vom Klischee, ich kann Kaffee, Cola, Nüsse, alle gefürchteten Mittel zu mir nehmen, ohne auch irgendwie nur eingeschränkt zu sein. Aber das sind auch Sachen, die man erst lernen muss und wo man auch Ängste abbauen muss. Wo man letztendlich auch Erfahrungen sammeln muss. Vielleicht muss man wirklich auch mal alles durchgemacht haben, um zu wissen, was nicht gut ist für die Stimme. (lacht) Aber es ist noch nichts Schlimmes passiert, gottseidank.
Braucht Ihre Stimme Schlaf?
Die Stimme weniger, aber der Körper. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das Singen mit einem Leistungssport vergleichbar ist: Wenn man eine gute Leistung haben will, muss man ausgeruht sein. Und dann muss der Körper auch sehr gut disponiert sein. Eine Stimme muss im ganzen Körper ausgeruht sein. Es ist ja nicht nur die Stimme, die da beansprucht wird, und wenn ich merke, ich bin müde und überarbeitet oder habe zu viel gemacht, dann ist auch die Stimme nicht gut.
Was tun Sie für die Kondition?
Viel zu wenig. Das Schlimme ist einfach, dass man sich relativ schnell irgendwo auf das, was man besitzt, zurückzieht und sagt: „Wow, es geht ja.“ Ich habe eine Grundsportlichkeit, eine Grundbeweglichkeit, wofür ich mich nicht einturnen oder mich dafür trainieren muss. Die ist einfach da, und es ist manchmal verführerisch, dass man sich deswegen nicht bewegt, so nach dem Motto: Naja, wenn ich es muss, kann ich es ja. Ich gehe jetzt wieder verstärkt seit dem Frühjahr ein bisschen joggen und versuche, rein körperlich fit zu bleiben und das Übliche zu meiden: Alkohol, Zigaretten und ein ausschweifendes Leben.
Wie diszipliniert muss ein Sänger leben?
So, dass er sich nicht für seine Leistung entschuldigen muss. Wenn ich abends Vorstellung habe und gelumpt den Abend vorher, muss ich mich nicht wundern, dass die nicht gut wird. Weil: ich bin dafür verantwortlich. Ich kann alles tun als Sänger, ich muss mich nur nicht wundern, dass es auch schief gehen kann. Das heißt, wenn ich Leistung zeigen möchte und weiß, was mir gut tut, oder was gut für diese Leistung ist, muss ich es tun. Wenn ich es will. Wenn ich es nicht will, wenn ich sage, ach nö, ist jetzt nicht so schlimm, dann kann ich auch mal über die Stränge schlagen. Aber grundsätzlich – so was rächt sich ja auch, und je älter man wird, lässt man letztendlich auch die Finger davon. Aber man sollte in dem Beruf ein ganz braves Leben führen. Es ist ein Sport, es ist wirklich ein Sport.
Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor, und wie lange dauert das ungefähr?
Unterschiedlich. Das ist natürlich rollenabhängig, wie intensiv das Studium ist dafür, oder was man letztendlich dafür macht. Wenn es abstrakte Themen sind, dann muss man natürlich viel mehr Informationen sammeln. Wenn die Rolle griffig ist – also, eine historische Persönlichkeit, das geht wunderbar. Da hat man Sekundärliteratur, da kann man wirklich schauen, was darüber geschrieben steht, welche literarische Vorlage da ist, wie der Entstehungsprozess der Komposition, wie der Entstehungsprozess der literarischen Verarbeitung war und so weiter, das geht relativ gut. Aber zum Beispiel in dieser Barockoper, die wir jetzt machen, die Figur des Sokrates: sie ist trotzdem abstrakt, kein Mensch weiß, wie Sokrates war. Ich weiß nur, wie Telemann ihn gerne dargestellt haben wollte. Es gibt keine Referenz. Da muss ich dann sehr stark mit meiner Fantasie und meiner Intuition arbeiten. Ich als Sokrates. Das tue ich verstärkt dann auf Proben, wo die Situationen der Oper mir passieren und da, wo sie letztendlich auch entstehen müssen. Da kann ich nur für eins sorgen: Dass ich nicht engstirnig werde. Dass ich jetzt nicht irgendwelchen Ideen nachgehe – ich kann die zwar überprüfen, wenn ich sie habe, auf der Probe, aber ich kann nicht daran festhalten. Wenn ich merke: Hoppala, völlig falsches Pferd! – dann muss ich auch relativ schnell wieder umsatteln und offen sein und in Dialog gehen mit dem Regisseur, den Kollegen, den Dramaturgen, die das Stück betreuen. Ich kann mich nicht im Kopf versteifen auf eine Geschichte. Ich kann mir zwar sehr viele Informationen holen und Gedanken machen darüber, aber auch die müssen flexibel sein.
Jetzt haben wir gerade den Sokrates schon angesprochen – erzählen Sie uns kurz, worum es geht beim „Geduldigen Sokrates“?
Wie der Titel schon sagt, beschreibt es ein bisschen aus dem Leben von Sokrates. Es ist ja allgemein bekannt, dass er eine Frau namens Xanthippe hatte. Hier stellt es sich so dar, dass er auch noch eine Zweitfrau, Amitta, hat, und dass die beiden Sokrates relativ stark zusetzen und er immer wieder in seiner Geduld gefordert ist, die verschiedenen Interessen seiner beiden Frauen unter einen Hut zu bringen. Gespiegelt wird das Ganze an einem zweiten und einem dritten Handlungsstrang. Da gibt es einen jungen Prinz, Melito, der in der misslichen Lage ist, aus drei Bewerberinnen praktisch zwei auszuwählen, weil das Gesetz in Athen es vorschreibt, dass jeder zwei Frauen haben muss. Sokrates leidet unter diesem Gesetz. Der Prinz könnte das vielleicht genießen, wird aber auch nicht glücklich damit. (lacht) Er wird im permanentem Scheitern an seinen Entscheidungen vorgeführt, das ist sehr lustig. Und dann gibt es noch den dritten Handlungsstrang: Die Schüler, die Sokrates hat, sind da beleuchtet: wie sie mit seinen Lehren umgehen, das ist sehr humoristisch. Die beiden ersten Handlungsstränge weben sich am Schluss dann mehr oder weniger zusammen, Sokrates wird gezwungen, praktisch die Entscheidung für oder gegen die beiden Liebhaberinnen des Prinzen zu fällen. Das Ganze steht natürlich in einer absoluten barocken Operntradition. Telemann hat es damals in Hamburg als Lustspiel konzipiert. Das wird wohl, wenn man das richtig sieht, eine der ersten Spielopern sein. Sie unterlag natürlich auch, ähnlich wie die Commedia in Italien, gewissen Voraussetzungen. Es gab immer den Komiker oder den Lyrischen oder den Prinzen, und so weiter. Insofern sind die Rollen relativ stereotyp in ihren Funktionen. Und leider auch, wenn man jetzt als heutiger Mensch vielleicht eine psychologische Entwicklung erwartet, weniger damit ausgestattet, also es bleibt relativ schablonenhaft, zumindest in der Anlage des Librettos. Also, wir werden nicht erleben, dass der geduldige Sokrates eine Entwicklung durchläuft. Auch Xanthippe wird immer streitbar und der Prinz wird immer unglücklich bleiben. Es gibt leider keinen psychologischen Plot. Und insofern ist es sehr interessant, mit einer Vorlage zu arbeiten und zu schauen, wie ich mit meinen Mitteln da wirken kann.
Erzählen Sie uns noch ein bisschen von Ihrer Partie, dem Sokrates?
Ich muss immer aufpassen, dass ich nicht „der geduldete Sokrates“ sage, weil die Übermacht der Frauen relativ groß ist, also die Streitsituationen sehr, sehr stark sind. Xanthippe ist wirklich ein Irrwisch. Von der Anlage her ist Sokrates immer bemüht – immer, immer bemüht, zu vermitteln und zu schlichten und so eine Grundgemütlichkeit zu zeigen. Im Grunde genommen ist sein ganzes Wesen, das sich da ausbreitet, ein fast schon buddhistisches Ideal der inneren Ruhe. Er genießt das auch. Die Partie fängt auch mit der Ode an die Ruhe an. Er möchte am liebsten von allem befreit sein und seine Ruhe genießen. Der running gag, oder das Motto des Abends, ist: „Ihr Männer lernet doch bei Zeit geduldig sein“, das sagt er vier oder fünf Mal. Er wird schon arg mitgenommen und ordentlich durchgebeutelt. Es gibt immer einen trügerischen Frieden: er genießt ein wunderschönes Essen in der Natur, und innerhalb kürzester Zeit ist wieder ein Riesenstreit da und es fliegen wieder die Fetzen, und Sokrates steckt immer wieder mittendrin. Das ist musikalisch sehr anspruchsvoll. Wir haben eine sehr gute musikalische Einstudierung erlebt, es gibt sieben Leute in der rezitativischen Begleitung, das ist sehr vielfarbig und dadurch auch sehr schön geworden. Telemann-Rezitative sind – besonders. Ich meine das jetzt nicht abwertend, er komponiert nicht erwartungsgemäß in barockem Gestus wie Händel, oder Vivaldi. Telemann ist Telemann. Ich denke, dass wir durch diese Instrumentation der Rezitative unglaubliche Farbigkeit gewonnen haben. Ich freue mich auch sehr darauf. Und es ist natürlich im Rahmen der sonstigen stimmlichen Betätigung eine wahnsinnige Herausforderung. Wenn man das jetzt in der Bandbreite sieht, also, auf der einen Seite steht Telemann als Frühwerk, und am Schluss steht zum Beispiel „Die Sache Makropulos“ oder „Der Freischütz“ als romantische Oper. Das heißt also, allein das unter einen stimmlichen Hut zu bekommen, also so einen stimmlichen weit gestreckten Rahmen zu bedienen, mit Telemann in den barocken Duktus zu gehen, das ist schon eine Riesen-Leistung. Da bin ich total stolz. Ich habe heute die Proben gehört und bin mords-stolz auf meine Kollegen, die wirklich dieses barocke-klangliche Bild hinkriegen, das finde ich ganz großartig, und es ist wirklich eine Auszeichnung für dieses Ensemble, dass wir es können.
Fällt es schwer, zwischen Italienisch und Deutsch hin und her zu wechseln in einer Vorstellung?
Nein, weil das im Grunde genommen ja auch so komponiert worden ist, und es macht ja auch den Liebreiz aus. Ich meine: Klar, man erwartet dieses berühmte Zitat von Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, natürlich auf Deutsch, und dann kommt: „Quest’io so che nulla so.“ Das finde ich sehr reizvoll, in einer sehr schönen Arie verbrämt. Wir haben ein Bildungsbürgertum, da müssen sie durch. (lacht)
Haben Sie Freiheiten bei der Interpretation Ihrer Rolle?
Ich kann natürlich nur das auffüllen, oder muss auffüllen, was mir von Telemann und seiner Textdichtung und von der historischen Figur aus nicht gesagt wird. Das muss ich mit meiner Persönlichkeit und meiner Körperlichkeit auffüllen. Das heißt, überall da, wo Fragezeichen sind: – ich selbst als Sokrates – wie würde ich in diesen Situationen reagieren? Das muss ich mitbringen. Was soll ich sonst tun? Es sagt mir ja keiner, wie der historische Sokrates wirklich war. Ob er wirklich diese streitbare Frau hatte, das hat schon Nietzsche bezweifelt. Nietzsche sagte, Sokrates sei derjenige, der blöd und geschwätzig war. (lacht) Historisch ist nichts haltbar, geschweige denn nachweisbar über mehrere tausend Jahre. Und insofern: ja, es ist eine absolute Freiheit, weil wirklich ganz viele Fragen nicht beantwortet sind. Das wird viel „Ich“ sein. Auf der anderen Seite ist es eine Kunstfigur, und diejenigen, die mich privat nicht kennen, werden Sokrates, oder eine Interpretation des Sokrates, auf der Bühne sehen.
Was gefällt Ihnen am besten an ihrer Partie, und was ist das Schwierigste?
Das ist das Gleiche. Die Herausforderung des Barockgesangs – also ich habe eine sehr anspruchsvolle Koloraturarie. Das ist auf der einen Seite das Beste, das fordert mich heraus, das bringt mich weiter, weil das sonst so im Repertoire nicht vorkommt, und auf der anderen Seite ist es natürlich das Schwierigste, und ich hoffe, dass ich da innerhalb kürzester Zeit diese ganzen schwarzen Noten loswerden kann. (lacht)
Muss man Barockmusik mögen, um diese Oper zu mögen?
Ich denke nicht. Ich denke, es ist keine italienische Heldenoper, oder keine französische, wo man selbstverliebt im Gestus ist, Lully oder so, wo man dieses ganze Konstrukt Prachtoper verstehen muss. Wir arbeiten auch nicht mit barocken Gesten, Bewegungen, oder mit barocker Bilder- oder Formelsprache, insofern muss man da keine Berührungsängste haben. Auf der anderen Seite – für Liebhaber, wie gesagt, steht da die musikalische und szenische Einstudierung, und es ist absolut ernst genommen. Ich stehe dafür gerade, dass es wirklich auch im Sinne der historischen Aufführungspraxis rüberkommt. Es hat einen absoluten unterhaltsamen Wert. Es sind Typen auf der Bühne. Wer das Ensemble am Gärtnerplatz kennt, der weiß, wenn er die Namen meiner Mitstreiter liest, dass es für gute Unterhaltung im besten Sinne steht.
Sie sind ja doppelt besetzt mit Holger Ohlmann. Sie beide sind sehr unterschiedliche Typen. Hat das Einfluss auf die Herangehensweise an die Rolle?
Ja – jeder für sich, natürlich. Jeder hat die gleiche Möglichkeit, unterschiedlich an die Rolle heranzugehen. Also, Holger muss mich nicht spielen und ich muss nicht Holger spielen. Wir werden die gleichen Handlungen oder die gleichen Gefühle ausdrücken, aber jeder mit seiner Körperlichkeit oder mit seiner Person. Das kann man nicht werten – das kann man auch nicht besser oder schlechter finden, weil das eben eine ganz unterschiedliche Qualität ist. Holger hat ganz andere Qualitäten und Herangehensweisen an diese Geschichte als ich. Ich finde das großartig, wenn man das so im Vergleich sieht. Und heimlich geht man dann doch schon mal hin und sagt: ich will wie Holger sein, also, Mensch, das möchte ich mal so hinkriegen wie der. Macht man dann doch ein bisschen. Und er vielleicht auch bei mir. Aber im Grunde genommen befruchtet sich das sehr. Ich finde das gut, dass man da wirklich auch unterschiedliche Typen darin sehen kann und beide – ja, vielleicht Bereiche zu erleben, die man bei dem anderen nicht hat.
Finden Sie es nicht auch bemerkenswert, dass ausgerechnet ein griechischer Philosoph, der den ganzen Tag nur redet oder nachdenkt, mit seinen Ehefrauen nicht kommunizieren kann – oder will?
Wo ist da die Frage? (lacht) Wo – (lacht weiter). Also, wie gesagt, es gibt diesen Aufsatz von Nietzsche, der Sokrates in keinem guten Licht dastehen lässt und sagt, er muss ein alter Schwätzer gewesen sein, dass Xanthippe völlig entnervt reagiert hat und gesagt hat: Raus!, weil er den ganzen Tag nur Unsinn geredet hat und dann vor der Haustüre jeden belabert hat. Und das finde ich sehr lustig, das finde ich sehr wichtig, weil – es macht ihn nicht heilig. Es ist ja nun ein sehr lebendiger oder ein sehr saftiger Philosoph, mit einem sehr ausgeprägten Privatleben und nicht so ein Säulenheiliger. Ich kann mir das gut vorstellen, wenn einer so eine philosophische Schule betreibt und sich selber sehr gerne reden hört, dass für den Abend mit den Füßen auf der Couch, für seine Frau dann nichts mehr übrig bleibt. Das kann ich mir sehr gut vorstellen.
Was wären Sie in einem anderen Leben geworden?
Ich denke: wenn nicht Opernsänger, dann etwas, wo Kommunikation mit Menschen im Vordergrund steht. Mein Wesen ist so, dass ich gerne kommuniziere, sei es jetzt von der Bühne herunter oder im Gespräch. Also, Kommunikation ist ein ganz großer Bestandteil meines Wesens. Das ist ganz wichtig. Was auch immer zu dieser Eigenschaft als Berufsbild passt. Ich bin genauso glücklich als Lehrer. Ich bin genauso glücklich bei der Arbeit mit Literatur, Arbeit mit Texten, mit kommunikativer Arbeit.
Empfinden Sie eine Vorstellung als Kommunikation mit dem Publikum?
Auf jeden Fall. Ja, es ist ein abgedroschener Satz: „Jedes Publikum kriegt die Vorstellung, die es verdient.“ Aber es ist wirklich so. Es ist dieses Hereinspüren eines Interpreten: Wo sind die Bedürfnisse? Man ist Interpret und in dem Falle Vermittler des Stoffes, und man erspürt es im Publikum und sagt: Was wollt Ihr, wo geht der Abend mit Euch hin? Schauen wir mal. Und es ist eine völlig offene Geschichte. Jede Vorstellung ist anders, und jede Vorstellung hat andere Ansprüche, und das ist eine Kommunikation, die das Publikum fordert. Wenn das Publikum es nicht tut, wäre das ja – langweilig wäre falsch gesagt – aber das wäre ja eine tote Geschichte. Die Kunst des Theaters ist eine kommunikative, ja, eine höchst kommunikative. Und es muss sich vermitteln, und es muss sich auch gezielt auf das vermitteln, was an diesem Abend ist. Jede Vorstellung ist einzigartig. Finde ich.
Mögen Sie uns noch einen Ausblick auf die Zukunft geben? Was bringt die Spielzeit 2011/2012?
Die nächste Spielzeit bringt in erster Linie eine Wunschpartie von mir, auf die ich mich total freue, den Falstaff. Verdi hat nur zwei oder drei Partien für mein Fach des Spielbaritons, Bassbaritons geschrieben. Das ist so ein bisschen die Krone des Komödianten. Das eine sehr weise Figur. Da freue ich mich sehr darauf. Ich freue mich auf den „Josef Süß“, die Partie des Herzogs von Württemberg. Das ist eine unglaublich intensive Geschichte. Auch die Thematik fasziniert mich, die ist so reichhaltig. Das ist eine ganz tolle Auseinandersetzung, die man damit haben kann, mit Feuchtwanger, mit dem ganzen historischen Skandalprozess. Es wurden auch aktuell wieder Prozessberichte gefunden. Das ist eine never ending story, dieser schreckliche Prozess gegen Josef Süß. Auch wie die Nazis mit diesem Stoff umgegangen sind. Also, das fasziniert mich völlig. Und dann noch der „Mikado“, so eine Gilbert-und-Sullivan-Geschichte. Die kenne ich nicht, habe ich überhaupt noch nie gemacht, aber das haben wir ja gelernt, dass das sehr, sehr ankommt in München. Also, ich bin der Mikado. Glaube ich. (lacht) Ja – und dann viele Wiederaufnahmen.
Wann singen Sie denn mal einen Bösewicht, Herr Sevenich?
Sobald man mich fragt. (lacht)
Und welchen würden Sie gerne singen?
Ich würde gerne Alberich singen. Alberich aus dem „Rheingold“. Das wäre meine Partie. Da, glaube ich, wäre ich gut. So ein Kellerkind, Junge mit schwieriger Kindheit, das kann ich.
Haben Sie noch andere Wunschpartien?
Ja, eine geheime Leidenschaft ist der Barak aus der „Frau ohne Schatten“. Das wäre für mich so die absolute Krönung. Aber das sind dann wirklich auch die allerletzten beiden Wunschpartien. Ansonsten bin ich sehr, sehr glücklich, mein Repertoire schon gesungen haben zu dürfen.
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Liebe Claudia, stellst du dich kurz vor?
Hallo, ich bin Claudia, Claudia Toman. Ich habe bisher drei Bücher geschrieben, “Hexendreimaldrei”, “Jagdzeit”, “Goldprinz” im Diana-Verlag, und werde jetzt unter neuem Namen bei Droemer Knaur an neuen Werken arbeiten.
Wie alt bist du?
Ach so, wie alt ich bin, habe ich vergessen, ja.
Und was machst du?
Ich bin 32, 1978 geboren, also schon ein ganzes Stückchen alt (lacht) und arbeite nebenberuflich in der Wiener Staatsoper für die Kinderopern, Kinderopernzelt, mache dort Inspizienz und Regieassistenz für die Kinderopern.
Du schreibst an deinem vierten Roman. Wie vereinbarst du das mit deiner Arbeitszeit an der Staatsoper?
Nachdem es an der Staatsoper keine wirkliche Arbeitszeit für mich gibt beziehungsweise ich mir die Arbeitszeit selbst einteile, weil ich die Proben einteile, die ich brauche für eine Wiederaufnahme, oder für die aktuelle Produktion mit Neueinstudierungen mit neuen Sängern, ist es eigentlich sehr locker. Das heißt, meine Probentage sind meistens höchstens vier Stunden lang, zwei Stunden vormittags, zwei Stunden abends, und dazwischen, danach, davor kann ich immer schreiben. Also, es kommt sich überhaupt nicht in die Quere, es ist die perfekte Berufskombination.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Zum Schreiben gekommen bin ich, indem ich gelernt habe, dass, wenn man Buchstaben aneinanderreiht, dass sie Worte ergeben, und wenn man die Worte wieder aneinanderreiht, dann werden Sätze daraus, das muss so mit drei, vier Jahren gewesen sein. Meine Mutti hat mir das damals noch beigebracht, und da habe ich so meine ersten Buchstaben geschrieben und meine ersten Wörter, und seitdem hat es mich eigentlich nicht mehr losgelassen. Ich war auch eine große Leserin, also ich habe Kinderbücher verschlungen. Mein Papa hat für einen Verlag gearbeitet, der Kinderbücher herausgegeben hat, da bin ich mit Christine Nöstlinger und ähnlichen Autoren aufgewachsen, habe immer schon gelesen und habe damals vielleicht noch nicht Geschichten aufgeschrieben, habe sie mir aber immer schon ausgedacht. Also ich hatte eine Freundin, ein Mädel, das gegenüber im Haus gewohnt hat, und wir haben uns halt immer unsere Fantasiegeschichten ausgedacht. Wir haben dann immer so kleine Figuren gezeichnet, wir haben uns immer gezeichnet, unsere Charaktere, also wir waren eigentlich, könnte man sagen, Comic-Autoren damals. Also wir haben so unsere Figuren immer mit so diesen großen Manga-Augen – komischerweise, die haben wir uns gar nicht angewöhnt, weil wir das gekannt hätten, sondern, weil wir es selber so gemacht hätten, und denen haben wir dann Namen gegeben, und dann sind wir rausgegangen zum Bach, da gab es Bäume und einen Bach und grünen Wald, und dort haben wir dann Rollen gespielt. Also über das kindliche Rollenspiel, kann man sagen, habe ich dann gelernt, mir Geschichten auszudenken, und hab dann einfach immer weitergemacht.
Na, dann ist ja die nächste Frage schon fast beantwortet: Findest du deine Geschichten, oder finden sie dich?
Wie finden mich meine Geschichten – oder, finde ich sie oder finden sie mich? Das ist eine gute Frage. Die Geschichten kommen immer aus den kleinen Dingen, das ist nie was Großes. Das kann sein, dass ich, wenn ich jetzt mit dir hier am Tisch sitze und wenn die Kellnerin kommt und irgendeine dumme Frage stellt oder es zu irgendeinem Missverständnis kommt, dass mir dazu eine Szene einfällt, und aus der Szene heraus dann vielleicht sich ein Charakter entwickelt, wo ich mir dann vorstelle: Ah, das wäre irgendwie ein gutes Thema, und aus dem heraus dann eine Geschichte entsteht, zum Beispiel, die Kellnerin arbeitet in dem Londoner Pub, und in Wirklichkeit würde sie lieber genau gegenüber im Covent Garden in der Oper singen, und sie lernt auch singen, es kann alles daraus entstehen, dass sie vielleicht hier einfach das Cider serviert hat, und dabei hat sie das halt singend serviert und nicht – egal, jedenfalls, die Idee, es ist eine Kleinigkeit, es kann ein Gegenstand sein, es kann ein Mensch sein, der einem begegnet, ein Satz, der gesagt wird, ein Satz, der in einem anderen Buch vorkommt. Irgendwas, was plötzlich so Kopfkino auslöst, und aus dem Kopfkino entsteht dann eine Geschichte.
Gibt es Adrian Alt wirklich?
Gibt es Adrian Alt wirklich? Es gibt sicher Vorlagen für Adrian Alt, wobei das in dem Fall nicht mal eine einzelne Person ist. Also, es ist nicht so, dass es einen Menschen gibt, der zu hundert Prozent Adrian Alt ist. Es gibt einige Menschen, die entweder durch ihr Aussehen oder durch ihren Charakter diese Figur beeinflusst haben. Und wenn man zum Beispiel wüsste, dass damals, als ich an der Idee gearbeitet habe, der Kinderring in der Staatsoper entstand, und wenn man dann sieht, dass ich den Wotan-Mythos doch in meine Geschichte hineingenommen habe, dann könnte man Rückschlüsse ziehen, zum Beispiel auf gewisse Darsteller des Wotan, die einen Einfluss darauf hatten, die das damals gespielt haben, und die vielleicht sowohl optisch als auch charakterlich Vorlage gebildet haben.
Genau. Da sind wir schon bei der nächsten Frage: Deine Romane bisher, also „Hexendreimaldrei“, „Jagdzeit“ und „Goldprinz“, sind ja durch Märchenmotive oder Mythen inspiriert. Liest du auch heute noch gerne Märchen?
Ich habe immer gerne Märchen gelesen und werde auch immer gerne Märchen lesen. Wobei ich jetzt merke, dass ich nach drei Büchern, die sich um das Thema Märchen drehen, mal vorläufig ein bisschen Abstand brauche zu den Märchen. Wobei, sie begegnen einem überall, also ich arbeite jetzt auch gerade an einer Geschichte, die gar nichts Märchenhaftes hat, die auch nicht auf Märchen basiert, und trotzdem ist mir dazu ein Märchen eingefallen, was genau dazu passt oder in dem es genau um das gleiche Thema geht. Also, es ist natürlich immer so. Ich glaube, die Märchen sind wirklich die Grundlage für alle unsere Geschichten, oder für alles, was uns so beschäftigt, weil da so viele Symbole und Motive darinstecken, denen wirst du immer begegnen im Leben, über die wirst du immer stolpern. Und dadurch gibt es wahrscheinlich keine Geschichte, die nicht irgendwo in den Märchen eine Basis hat. Die wir halt als Kinder erzählt bekommen haben oder gelesen haben. Logisch, weil was wir als Kinder zuerst erfahren, das bleibt irgendwie hängen, das bleibt in uns drinnen.
Das ist ja eine Art Trilogie, es sind zwar unabhängige Romane, aber sie gehören zusammen. Wusstest du bei der Arbeit am ersten Band schon, wie der letzte ausgeht?
Ich wusste ungefähr, als „Hexendreimaldrei“ so ins letzte Drittel ging oder gegen das Fertigwerden ging, dass ich weitererzählen möchte. Ich wusste, dass es in London weitergehen muss, eigentlich. Also eigentlich war – ist „Goldprinz“ das, was ich mir damals als Fortsetzung von „Hexendreimaldrei“ vorgestellt habe. Interessanterweise ist „Jagdzeit“ irgendwie dazugekommen, das entstand daraus, dass damals der Verlag einfach gleich eine zweite Geschichte wollte und ich eine Geschichte hatte, die unabhängig von „Hexendreimaldrei“ war. „Jagdzeit“ war eigentlich eine ganz andere Idee. Die aber dann natürlich mit der gleichen Protagonistin funktioniert hat, weil ich dafür noch gar keine Protagonistin im Kopf hatte. Und diese Idee von diesem kleinen Dorf und dem Wald und dem Rotkäppchen-Mythos, die kam dann halt als Olivias zweites Abenteuer rein. Dadurch ist sie wahrscheinlich auch sehr anders, sehr extra, sehr krimihaft, und für viele Leute vielleicht nicht so zu den anderen beiden passend. Während „Goldprinz“ sehr viel deutlicher die Fortsetzung ist, die ich ursprünglich schreiben wollte. Also ursprünglich, mein Gedanke war immer, dass nach den Ereignissen von „Hexendreimaldrei“ Olivia wieder nach London fliegt. Und dass sie sich dann damit auseinandersetzen muss, ob die Hexen jetzt Realität sind oder nicht, das war mir immer schon klar. Wie es dann wirklich am Ende ausgeht, das ist natürlich erst viel später entstanden. Ich wusste nur, dass es diese große Verschwörung von der Hexen-Organisation geben wird und dass Olivia dagegen gehen muss. Aber dass es dann nach New York geht und wie es dann endet, das wusste ich natürlich damals noch nicht.
Welches Genre liest du gerne selbst?
Ich lese sehr viele Genres gerne selbst, ich lese natürlich sehr gerne Thriller bis Horror. Wobei Horror wirklich nur auf Stephen King bezogen, also ich lese keine so extremen Monster-Romane oder sowas. Also, Psycho-Thriller, Thriller, Stephen King zum Beispiel. Dann lese ich sehr gerne – ich lese selber sehr gerne Frauenromane auch, wobei – gewisse. Also, immer dann, wenn ich das Gefühl habe, die Protagonisten sind sehr echt, sehr real. Christina Jones habe ich sehr geliebt. Die Conny Lubek habe ich sehr geliebt. Das sind so meine Heldinnen des Genres, die einfach Figuren erschaffen haben, die ich liebe. Ich bin ja auch ein großer „Sex in the City“-Fan, das Genre lese ich sehr gerne. Was lese ich – Krimis natürlich, Krimi mag ich immer, wobei ich da nicht so sehr up to date bin, dass ich wirklich alles lese, sondern ich habe meine Elizabeth George gelesen und lese immer wieder gerne auch Kolleginnen. Und dann natürlich die Fantasy darf man nicht vergessen. Also, man merkt, dass ich all die Genres, die dann bei mir auch Einfluss haben, auch selber lese. Fantasy natürlich immer, Harry Potter, Herr der Ringe, großer Fantasy-Fan. Ich picke mir aus jedem Genre so die Bücher raus, die ich gerne lesen mag. Es gibt eigentlich kaum ein Genre – vielleicht bis auf die historischen Romane, zu denen ich noch nicht den richtigen Zugang gefunden habe, gibt es kein Genre, wo ich sage, das lese ich gar nicht.
Und welche Musik hörst du gerne?
Bei der Musik bin ich genauso eigentlich wie bei den Genres sehr flexibel. Also, ich höre alles, die Ausnahmen sind so die ganz argen Extreme. Also den ganz argen Heavy Metal oder sowas. Oder Techno, wie das bei uns hieß, als wir in die Disco gegangen sind früher, so was höre ich nicht. Ich hör auch überhaupt keine Volksmusik, Schlager, ist für mich ebenso ein Extrem, das ich nicht höre. Dazwischen eigentlich alles, ich liebe auch aktuellen Rock und Pop. Ich liebe Jazz, Diana Krall zum Beispiel für mich große Heldin des Jazz. Natürlich, beruflich bedingt höre ich auch sehr viel Klassik. Privat weniger, eigentlich. Also, privat bin ich der grosse Musical-Fan, muss ich sagen. Also, im Musical höre ich eigentlich fast alles und permanent. Also, Musical ist schon meine Hauptrichtung, die dadurch entsteht, dass ich das schon als Kind geliebt habe. Klassik beruflich, und manches, und – nicht alles immer noch, also Verdi ist zum Beispiel immer noch etwas, wo ich nicht vorgedrungen bin.
Wie hoch ist dein aktueller SUB?
(lacht) Der SUB. Ja, da gibt es verschiedene SUBs, deswegen ist das schwer zu sagen. Da gibt es zum Beispiel den SUB der Bücher, die ich unbedingt dringend demnächst bald lesen möchte. Der ist ungefähr so – ja so brusthoch, könnte man sagen. Ich zähl die ja nie, weil ich bin im Zählen so schlecht, deswegen kann ich das nur stapeln vom Boden bis brusthoch, ungefähr. Das sind die, die jetzt mal ganz dringend sind. Dann gibt es den Kollegen-SUB, der ist dadurch entstanden, dass man halt, wenn man selber schreibt, jetzt auch sehr sehr viele Kollegen trifft. Ganz liebe Kollegen, von denen man alle Bücher auch unbedingt gerne lesen möchte. Der ist auch schon fast brusthoch, also, das ist jetzt- das sammelt sich an. Vor allem, das sind ganz lieb für mich signierte Exemplare von Menschen, die wirklich meine Freunde geworden sind. Was ganz schlimm ist, dass ich da nicht dazukomme. Und dann gibt es doch noch die vielen, vielen, vielen Bücher, die ich auch irgendwann mal lesen möchte, die ich entweder geschenkt bekommen habe oder mir mal gekauft habe, weil ich dachte, das sollte ich auch mal lesen. Das kann man eigentlich gar nicht sagen, weil das ist verteilt auf ein Haus und eine Wohnung und sehr verstreut. Aber das ist sicher mindestens ein halbes Regal, was da noch so ungelesen herumliegt.
In welcher Stadt möchtest du gerne leben?
Ich habe das Glück, ich lebe in der Stadt, in der ich am liebsten leben möchte, und das ist Wien. Würde man mir sagen, ich muss mich für eine andere entscheiden, dann wäre das London. Immer noch, und wird auch für immer die einzige Stadt sein, die ich mir als Alternative vorstellen könnte.
Was ist das Beste daran, eine erfolgreiche Autorin zu sein, und was ist das Nervigste?
Da müsste man mal erfolgreich definieren. Also, sagen wir mal, wenn erfolgreich ist, dass man veröffentlicht ist in einem Publikumsverlag, dann kann ich das so sagen. Das Beste daran ist sicher, dass man, wenn man die Chance hat, auch weiter zu veröffentlichen und Verträge kriegt, dass man eigentlich genau das macht, was man am liebsten macht, nämlich schreibt. Mein großer Traum war einfach immer, dass ich nichts arbeiten muss, was ich nicht will, also nicht in einem Büro sitzen muss, wenn ich das nicht möchte. Ich habe viel im Theater gearbeitet, und ich mag Theater sehr, aber ich mag nicht unbedingt den Regieassistenz-Job im Theater. Das ist absolut nicht mein Traumberuf gewesen. Wenn, dann selber kreativ sein. Aber Regieführen war auch nicht hundert Prozent meines, man kann das alles nicht so umsetzen, wie man sich’s im Kopf so schön vorstellt. Das Gute an Romanprotagonisten ist, dass sie im Gegensatz zu Sängern alles tun, was man ihnen sagt.
Wirklich?
Sie haben schon ein Eigenleben, aber sie lassen sich einfach sehr viel besser lenken. Sänger haben ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Vorstellungen, logischerweise. Verständlicherweise. Also das Beste, würde ich auf jeden Fall sagen, an dem Job ist, dass ich das Schreiben am liebsten mache, und ich kann schreiben, wann ich will und wo ich will und wie viel ich pro Tag will, das ist meine Arbeit, und das ist einfach ein Traumjob. Das Nervigste daran – sagen wir so: Wie ich noch geschrieben habe, ohne veröffentlicht zu sein, ging es noch viel mehr um das Schreiben selbst. Wenn man mal veröffentlicht ist und in der Öffentlichkeit steht, ist man halt mit sehr vielen Dingen konfrontiert, die man vorher nicht hatte, eben zum Beispiel, man muss sehr viel selbst Werbung machen, was dann aber auch mit sehr viel Zeit verbunden ist, weil man einfach sehr, sehr viel mehr im Internet unterwegs ist als man das privat wäre. Man hat eine Homepage oder einen Blog, man hat eine Facebook-Seite, es gibt viel zu betreuen, man hat viele Leute, die einem Fragen stellen. Man hat Leserunden, die Leserunden, die ich gerne mache, die aber einfach Zeit in Anspruch nehmen, so eine Leserunde geht über eine Woche, mindestens, manchmal länger. Wenn noch Nachzügler kommen, geht das auch mal über zwei Wochen. Und wenn dann mal doch alle Stunde nur jemand einen Beitrag schreibt, man liest das ja alles, und man will das ja auch alles beantworten. Logischerweise, es geht um die eigene Arbeit, das ist ja das Schönste. Man redet ja gerne über das, was man macht. Aber es frisst alles sehr viel Zeit. Und das Nervige daran ist einfach, dass man sich das nicht mehr einteilen kann und aussuchen kann, sondern es frisst einen dann manchmal. Und das laugt einen auch aus. Der Kopf wird leer von diesem ganzen Internet. Dann schaut man wieder da und dort, schaut nach Rezensionen, liest dann wieder eine schlechte Rezension, dann braucht man wieder ein paar Stunden, bis man sich davon erholt hat, weil man sich immer denkt: Ja, hat der jetzt recht oder diejenige, und habe ich das wirklich so schlecht gemacht, oder ist meine Heldin wirklich so unsympathisch? Das quält einen dann wieder eine Zeitlang, und so geht das halt. Manche halten es besser aus, manche halten es schlechter aus. Bei mir geht es noch, aber ich merke schon sehr oft, dass ich eigentlich gern den Kopf zum Schreiben frei hätte und dann doch mich hinsetze und nur mal kurz ins Internet schauen will und Stunden später dann auftauche und mir denke: F**k. Zensur. (lacht)
Erzählst du uns eine Anekdote aus deinem Schriftstellerleben?
Anekdote? Muss ich jetzt nachdenken, weil, es gibt so vieles, eigentlich, was einem so passiert und was man aber gar nicht so anekdotenhaft sieht. Ich meine, was schön war, war ganz am Anfang, dass ich einfach gesucht habe nach Kollegen. Wie ich angefangen habe zu schreiben, kannte ich keine Autoren. Ich kannte nur Opernsänger und Opernleute und hatte so eine große Sehnsucht damals, mit anderen schreibenden Menschen zu reden. Auch, wenn es nur über das aktuelle Wetter ist. Einfach nur, weil das andere Autoren sind. Ich habe damals gegoogelt, ob es in Wien so etwas wie einen Autorenstammtisch oder Autorentreff gibt, und habe dann nichts gefunden, und habe dann einfach im Internet in Google „Autor“ und „Wien“ gesucht und bin da auf die Homepages von drei Menschen gestoßen. Weil, ich weiß nicht, entweder ich habe alle anderen nicht gefunden, oder die outen sich nicht so direkt auf ihren Homepages. Jedenfalls hat mir Google mal diese ausgespuckt. Und mit diesen dreien – das waren der Richard K. Breuer, Peter Bosch und die Sabine Dermann, habe ich mich dann getroffen, beziehungsweise sie sind zu einer Lesung von mir gekommen. Und dann haben wir vor Ort beschlossen, dass wir jetzt der Autorenstammtisch sind von Wien. Haben das dann gleich in dem Buchcafe gemacht, wo wir uns getroffen haben, und das Tolle daran ist, es hat sich so toll entwickelt. Es sind immer mehr Leute dazugestoßen, und es werden auch immer mehr. Nach jedem Treffen erzählt es wieder jemand jemandem. Mittlerweile sind es über dreißig Leute im Verteiler, und wir treffen uns wirklich seit damals regelmäßig einmal im Monat donnerstags. Und das macht Riesenspaß. Anekdote ist es vielleicht nicht. Aber eine schöne Sache, die ich selber ins Leben gerufen habe, worauf ich auch stolz bin, dass das so gut funktioniert. Und daraus sind wirklich enge Freundschaften entstanden. Manche davon, wie zum Beispiel die Viktoria Schlederer oder die Sabine Dermann, sind wirklich enge Freunde für mich geworden.
Kannst du uns schon etwas über dein nächstes Projekt sagen?
Das nächste Projekt? Was ich sagen kann, ist, weil das ist ja mittlerweile, glaube ich, im Internet schon recht bekannt – es wird bei einem anderen Verlag erscheinen, es wird bei Droemer Knaur erscheinen. Die Ursache dafür ist einfach, dass ich mit meiner Lektorin, die die ersten beiden Bücher, „Hexendreimaldrei“ und „Jagdzeit“ lektoriert hat, die Andrea Müller, so toll zusammengearbeitet habe, dass ich es mir einfach gar nicht mehr vorstellen kann, ein Buch ohne sie zu schreiben. „Goldprinz“ war schwierig. Wobei natürlich im Entstehungsprozess sie schon noch da war und da schon noch ich zumindest die Ur-Ideen schon noch mit ihr machen konnte. Aber trotzdem war es nicht das Gleiche, obwohl auch die beiden Lektorinnen, die „Goldprinz“ betreut haben, ganz toll waren. Aber es gibt einfach so Zusammenarbeiten, über die nichts drüber geht oder die ganz besonders sind, und so kann ich mit der Andrea Müller arbeiten. Und sie ging zu Droemer Knaur, und da ist es dann einfach entstanden, dass sich Droemer Knaur natürlich für das neue Projekt interessiert hat. Es wird allerdings unter einem Pseudonym erscheinen, allerdings unter einem offenen Pseudonym, also es wird nicht irgendwie versteckt oder so, sondern mein Name wird damit verbunden sein, und es werden auch beide Namen dann in meinem Blog zu finden sein. So ähnlich wie es bei der Gabriela Engelmann ist, die ja auch unter Gabriela Engelmann und Rebekka Fischer schreibt. Aber ganz offen, beide sind ja – auf ihrer Homepage hat, also so wird das dann sein. Den Namen kann ich noch nicht sagen, da muss man noch ein bisschen warten, bis zum Sommer oder so. Und zur Geschichte, es wird diesmal ein Frauenroman ohne den Märchenteil, mit einer neuen Protagonistin, wobei ich verraten kann, dass es auch Elemente aus Olivias Geschichten geben wird, die vorkommen. So einzelne, also Nebenfiguren und so werden schon auftreten. Weil bei mir immer die Geschichten miteinander zusammenhängen. Weil das – gerade wenn sie in einer Stadt spielen. Also, es wird auch in Wien spielen, die neue Geschichte, aber ein kleines englisches Element auch wieder drinnen haben. Wie das so ist, wenn man halt London und Wien liebt. Also, beide Städte haben ein bisschen einen Einfluss darauf.
Und die allerletzte Frage: Welche Frage wolltest du schon immer mal beantworten, und noch keiner hat sie gestellt?
Das ist schwierig, weil ich mittlerweile so viele Fragen schon gekriegt habe… eigentlich waren da immer schon alle dabei. Beziehungsweise, falls nicht, dann stelle ich sie mir selbst und beantworte sie in Youtube. Ich meine, die Frage eben nach Lieblingsautoren oder sowas, die haben mir viele schon gestellt, die kam auch immer wieder. Was letztens sehr nett war, bei der letzten Leserunde in der „Leserwelt“, was vielleicht nicht alle eben gelesen haben, deswegen kann ich die vielleicht nehmen, da hat mich nämlich jemand gefragt nach Stephen King, weil das ja mein Lieblingsautor ist, wie ich mir so ein Treffen mit Stephen King vorstellen würde. Und ich fand das eine sehr schöne Frage, die ich auch gerne beantwortet habe, weil das wirklich eine Sache ist, die ich mir schon oft überlegt habe: Wie könnte ich es anstellen, dass ich Stephen King treffe? Gar nicht so sehr, weil ich so ein Fangirl bin oder so was, sondern weil das einfach für mich ein Mensch wäre, mit dem ich wahnsinnig gern über das Schreiben reden würde. Ich meine, ich liebe andere Autoren und rede immer gerne mit anderen Autoren über das Schreiben. Also, es gibt nichts Schöneres, als mit anderen Autoren über das Schreiben zu reden. Und Stephen King wäre da sozusagen das ultimative Überdrüber-Treffen. Und das habe ich in der Richtung beantwortet, dass ich mir das eben nicht so bei einer Lesung oder so was vorstelle, soweit ich weiß, kommt er ja nicht nach Europa. Aber sogar, würde er nach Europa kommen, würde er wahrscheinlich irgendwo in Wien in der Stadthalle oder im Olympiastadion lesen müssen, damit alle Leute glücklich sind. Und so etwas stelle ich mir nicht vor. Ich stelle mir dann auch nicht vor, in einer ellenlangen Schlange irgendwo zu stehen und zwei Sekunden lang mir ein Buch signieren lassen zu können, weil das interessiert mich nicht. Ich bin kein Sammler. Ich bin jetzt nicht so jemand, der signierte Bücher sammelt, sondern ich mag die ganz gern von Kollegen, wo ich etwas Persönliches damit verbinde und den Menschen kenne und der mir etwas Persönliches reinschreibt, aber einfach nur von einem anderen Autor ein signiertes Buch ist jetzt nichts, was mich so wahnsinnig interessiert. Nicht mal von Stephen King. Aber ich habe mir immer vorgestellt, weil das überhaupt ein Traum von mir ist, mal durch Maine zu reisen. Einfach mir ein Mietauto zu nehmen und durch Maine zu fahren und diese Schauplätze aus seinen Romanen aufzusuchen beziehungsweise einfach auch die erfundenen Schauplätze mir dann vorzustellen: Das könnte in der oder der Stadt spielen. Und da habe ich mir immer vorgestellt – weil er lebt ja in Bangor, das heißt, sein Haus kann man dort auch sehen, also man kann daran wirklich vorbei laufen. Aber ich habe mir immer vorgestellt, dass ich da mit meinem Mietauto durch Maine fahre, und dann irgendwo bei einer Autobahnraststätte oder so was, so einer richtig amerikanischen Autobahnraststätte Halt mache und meinen Kaffee im Pappbecher trinke, und dass dann zufällig Stephen King hereinkommt und neben mir an der Theke sitzt, und dass ich sage „Ah! Sind Sie nicht Mr Stephen King?“ Und dann würde er sagen: „Ja, genau! Der bin ich!“ Und dann werden wir ins Gespräch kommen, und dann werde ich sagen, dass ich auch Autorin bin und dass ich ihn so bewundere, das stelle ich mir schön vor. So einen Kaffee mit Stephen King an einer Autobahnraststätte – die Frage zum Beispiel, die habe ich gerne beantwortet, die hat Spaß gemacht.
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Vielen Dank, dass Sie Zeit gefunden haben, uns dieses Interview zu geben, während Ihrer sehr anstrengenden Probephase für die Butterfly, die am Freitag, den 10.6.2011 Wiederaufnahme hat – nach zwei Jahren?
Ich glaube schon. Ja.
Würden Sie sich kurz vorstellen, uns ein wenig über Ihren Werdegang erzählen?
Ich bin in Puerto Rico geboren. Am Konservatorium meiner Heimat habe ich studiert. Dort gibt es alljährlich einen Nationalwettbewerb. Die Finalisten gehen im Anschluss weiter zu einem darauf folgenden Regionalwettbewerb und danach geht es für die Gewinner nach New York. In New York habe ich dann letztendlich den Bruno-Walter-Preis der Metropolitan Opera auch gewonnen. Danach bin ich nach Mönchengladbach gegangen, da die Tochter meiner Gesangslehrerin, die in Düsseldorf als Sängerin engagiert ist, mir erzählte, dass es eine freie Stelle in meinem Fach gäbe und mir vorschlug, dafür vorzusingen. … Und es hat geklappt! In Düsseldorf war ich drei Jahre engagiert. Als Herr Schwarz – der ehemalige Chefdirigent hier am Gärtnerplatztheater – damals nach München gezogen ist, bat ich ihn, mir mitzuteilen, falls sich die Möglichkeit eines Vorsingens ergeben sollte. Er hat mich angerufen: „Jemand hat für morgen abgesagt. Kommst du?“ Ich habe den Nachtzug genommen… es war Dezember und es lag so viel Schnee (deutet Hüfthöhe an). Ich bin um fünf Uhr angekommen und wusste nicht, was ich bis zum Vorsingen tun sollte, da es so kalt war. Ich bin schließlich im Rischart Cafe gelandet. Dort habe ich bis neun Uhr gewartet und ging dann zum vereinbarten Vorsingen. Und hier bin ich, seit damals. Meine Gesangstechnik hatte ich von zuhause. In Mönchengladbach habe ich eine Gesangspädagogin kennen gelernt, Ingeborg Müller, die leider dieses Jahr, im Alter von 97 Jahren, gestorben ist. Mit ihr habe ich die Technik erarbeitet, die ich jetzt habe.
Wie kamen Sie zum Singen?
Ich habe immer gesungen. Seit ich klein bin. Wirklich, seit ich klein bin. Mit vier Jahren habe ich im Kindergarten mein erstes Solo gehabt. Es war Muttertag. Seit je her habe ich gesungen, im Chor, in der Schule, überall. Ich spiele ein bisschen Gitarre, meist Folkloremusik und habe hierfür auch ein kleines Ensemble gehabt. Studiert habe ich aber eigentlich und ursprünglich Klavier. Nicht Gesang, sondern Klavier! Ich bin auf das Konservatorium gegangen, um Klavier zu studieren. Dabei musste ich “Gesang” als Nebenfach nehmen … Wobei für mich völlig klar war und zwar von Anfang an, dass Singen das war, was ich machen wollte. Auch von der schauspielerischen Seite her, weil ich immer gern ein Clown gewesen bin.
Da kommen wir gleich zur nächsten Frage: Haben Sie Vorbilder – musikalisch oder auch szenisch?
Nein, denn meine musikalische Ausbildung fand grundsätzlich im Lieder Bereich statt. Ich kann mich noch erinnern, als ich neunzehn war, da habe ich zum ersten Mal Elisabeth Schwarzkopf gehört. Auf einer ganz alten Schallplatte – das war noch die Schallplatten-Zeit (lacht). Sie hat die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss gesungen. Mich hat die Musik von Strauss sehr beeindruckt … und die Worte. Ich kann mich noch genau erinnern, was für mich ein Ansporn war, Deutsch zu lernen: Es war das Wort “sonnenatmend”, in der Zeile “inmitten dieser sonnenatmenden Erde” aus dem Strauss-Lied “Morgen”. Ich fand diese Zusammensetzung so super, dass ich mich sofort an der Uni angemeldet habe, für einen Deutsch-Übersetzungskurs. Aber ich konnte kein Deutsch sprechen, als ich herkam.
Sie singen auf Deutsch, auf Italienisch …
Französisch. Sehr viel Französisch, bei meinen Liedern, denn ich singe sehr häufig Lieder.
Welche Sprachen sprechen Sie?
Spanisch ist meine Muttersprache. Englisch. Sonstiges. (lacht)
Hatten Sie in dieser Zeit auch internationale Auftritte?
Ich habe schon in Frankreich gesungen, ich habe in Holland Kammermusik gemacht. Wir waren in Japan, in USA, Österreich…. Aber hauptsächlich bin ich hier.
Wie bereiten Sie sich auf eine Rolle vor? Sie spielen ja auch immer sehr intensiv.
Ich bin sehr gründlich bei der Vorbereitung. Ich nehme mir so viel Zeit wie möglich, es kann vielleicht ein gutes Jahr sein, für die Vorbereitung – nicht für die Vorbereitung der Musik, sondern für die Vorbereitung der Rolle. Da lese ich wahnsinnig viel. Ich bewege mich gerne im Internet. Ich lese sehr viel über die Geschichte, über die jeweilige Zeit. Ich sehe Bilder an, ich höre Musik, ich schaue mir Vasen und Malerei an, sehr viel Malerei aus der Zeit… ich sehe Filme, ich suche wirklich gründlich ganz alte Filme. Für Giovanna d’Arco habe ich auf irgendeiner Internetseite wahrlich alte Filme gefunden…die ersten Filme waren von 1902, mit diesen ganz knappen Bewegungen … All die Sachen, die in dieser Zeit entstanden sind, interessieren mich. Und wie gesagt, ich lese viel, sehr viel!
Dann kommen wir zur Madame Butterfly. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Ich habe mich zuerst mit Japan befasst, mit der Geschichte von Japan. Die Original-Geschichte von John Luther Long – das Libretto von Puccini basiert darauf. Sie ist wunderschön. Bei den Aufnahmen fand ich keine, die dem entsprochen hat, wie ich Cio-Cio San empfinde. Denn ich finde, sie ist fünfzehn, und viele von diesen Aufnahmen – zum Beispiel die sehr berühmte Renata Tebaldi, das sind irrsinnige Röhren. (lacht). Nun bin ich ein wirklich lyrischer Sopran, und es passte mir auch von der Rolle her nicht. Sie ist fünfzehn. Sie ist sehr jung. Und wenn man diese Geschichte liest, dann merkt man – sie ist eine Nudel. (lacht) Ja wirklich, so eine ganz spritzige, ganz ungeformte – doch dann habe ich eineAufnahme gefunden mit der chinesischen Sängerin, Ying Huang. Sie ist ganz leicht. Es ist eine Madame Butterfly, die von Scorsese verfilmt wurde. Und das entsprach meiner Vorstellung. Weil sie so eine leichte Stimme ist. Haben Sie den Film „Die Geisha“ gesehen?
Nein.
Diesen Film müssen Sie sehen. Das ist ein phänomenaler Film. Beim „Making-of“ zu diesem Film erfährt man sehr viel darüber, was sie alles gemacht haben. Die Bewegungen und dergleichen. Außerdem habe ich sehr viel über die japanische Tee-Zeremonie, die Rituale gelesen. Der Wert von Ehre in der japanischen Gesellschaft, das ist sehr, sehr wichtig! Dieser Wert ist vielleicht das Allerwichtigste. Wenn du dann zu den Proben kommst und alle diese Informationen in dir hast, dann brauchst du nicht viel zu tun. Dann brauchst du wirklich nicht viel zu tun. Denn alle diese Informationen haben in deinem Gehirn schon eine Figur gebildet. So funktioniert es jedenfalls bei mir.
Die Inszenierung von Doris Dörrie ist ja relativ modern. Passt Ihr Bild der Madame Butterfly dort hinein?
Ja. Ja, dazu erzähle ich eine Anekdote: Wir hatten ein kleines, junges Mädel als Assistentin. Sie war aus Japan und sollte uns helfen. Sie sagte immer zu uns: „Nein, ich bin total europäisiert. Ich bin schon lange in Europa.“ – Und irgendwann machte jemand einen Witz und sie kicherte so. (kichert und hält sich dabei in einer typisch japanischen Geste die Hand vor den Mund). Beim Japaner gibt es eine ganz bestimmte Körperkultur. So, wie sie sich bewegen. Die ist immer da und genau das hat Doris Dörrie beibehalten. Die äußeren Umstände, die haben sich geändert. Dafür hat sie uns Videos mitgebracht, um uns zu beweisen, was sie meinte. Sie hat ihr Regiekonzept keineswegs aus dem Ärmel geschüttelt. Es hatte ein Fundament. Das haben wir auch mit eigenen Augen gesehen – sie hat uns im Video alles gezeigt, was sie von uns verlangen wollte.
Und die Inszenierung gefällt Ihnen auch?
Super. Sie kam sehr gut vorbereitet. Ein Japaner – Tadashi Endo- er hat uns diese Körperbewegungen noch stärker verdeutlicht. Erster Probetag: Eine ganze Minute “Ja” sagen, das heißt unaufhörlich mit dem Kopf nicken. “Ja”… – eine ganze Minute lang. Das ist schon sehr viel Zeit. Dann eine volle Minute “Nein”. Kopfschütteln – Kopfschütteln – Kopfschütteln. Und schließlich: “Jein” (macht eine entsprechende Kopfbewegung dazu). Sie sagen immer “Jein”, denn sie dürfen ihr Gesicht nicht verlieren. Wenn sie “Jein” sagen und alles gut funktioniert, super! Wenn es hingegen nicht funktioniert, auch super!
Die Madame Butterfly ist eine sehr tragische Figur.
Finden Sie?
Ja. Sie ist stark, aber sie ist auch tragisch. Wie kommen Sie damit zurecht?
Ich denke, man muss sich auch in die Geschichte Japans hineinversetzen, in dieses Konzept der „Ehre“, was ich vorher erwähnt habe. Das Tragische ist, dass die Amerikaner dort sind, mit amerikanischen Gedanken. Eigentlich nimmt sie sich das Leben, weil das die ehrenvollste Geste ist. Allerdings tötet sie sich in der Originalgeschichte nicht. Im Original verschwindet sie. Sie, Suzuki und das Kind gehen weg. Und das ist ein sehr interessantes Detail.
Dann finden Sie das Ende der Oper stimmiger als die Geschichte?
Ich glaube, Puccini hat das sehr tragisch empfunden. Ich versuche, in der letzten Szene – ich muss dazu sagen, diese Idee habe ich im Gespräch mit meinem Mann entwickelt – nicht außergewöhnlich tragisch zu sein. Ich könnte sagen (energisch): Giocca, geh jetzt spielen! Also, dramatisch. Oder ich könnte sagen (sanft): Giocca, geh jetzt spielen. Also voller Sanftmut. Zu Beginn der Handlung ist sie fünfzehn, zum Ende etwa achtzehn. Da empfindet man den Tod – oder man empfindet das Leben – ganz anders. Das ist es. Natürlich kann niemand Madama Butterfly mit fünfzehn singen. (lacht). Aber man muss sich zurückversetzen können. Die Emotionen sind sehr leidenschaftlich. Deswegen kann sie das machen. Aber sie haben nicht das Gewicht, das eine Frau, die die Rolle mit Vierzig singt, bringen würde. Ich glaube, man muss immer zurückfühlen, genau wie bei Traviata. Wie habe ich mit fünfzehn geliebt? … Oder nehmen Sie Emilia Marty. Emilia Marty ist älter. Deswegen ist sie satt. Sie hat diese Haltung: „Ich will nichts mehr.“ Sie ist total satt vom Leben. Das Finale von Butterfly… ich finde, es ist wunderschön – wenn du zu einem Kind sprichst – es wird immer sehr dramatisch inszeniert. Aber ich finde, es sollte sein: „Ich will, dass du zu deinem Vater gehst.“ So, dass man es wirklich glaubt. Und dann kommt ein Pathos – warum muss ich noch eins draufsetzen? Ich denke, wenn du tragisch bist, dann brauchst du nicht noch einmal etwas draufzusetzen. Das Tragische entsteht aus der Situation.
Ich habe einmal eine italienische Fassung gesehen und bemerkt, dass genau dieser Satz in den Übertiteln nicht erschienen ist: Ich bin fünfzehn. Meinen Sie, dass der Zuschauer ein Problem damit haben könnte, dass sie so jung ist?
Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Es ist eine Tatsache. (lacht) Es gibt eine japanische Sitte: wenn sie ihr Alter sagen, sagen sie immer mehr, also älter als sie sind. In der Geschichte fragt Cho-Cho San den Konsul: “Wie alt sind Sie?” – Und er antwortet: „Dreißig.“ Und sie denkt: „Ah. Er ist jünger. Also brauche ich nicht so vornehm mit ihm zu sein.“ Er denkt jedoch in seiner amerikanischen Mentalität genau das Gegenteil. Er hat sich als jünger ausgegeben als er wirklich ist.
Das sind sehr interessante Details.
Wissen Sie, mit welcher Geste Einsamkeit in Japan dargestellt wird? Wenn zwei Personen am Tisch sitzen und eine Person sich selbst Tee einschenken muss – das ist der Inbegriff der Untröstlichkeit. Wenn jemand sich selbst Tee einschenken muss – der ist der einsamste Mensch der Welt. Wenn man das alles im Gehirn hat, dann versteht man jede Geste während der Teezeremonie. Man hat sich die Mühe gemacht, einem anderen einen Tee zu machen. Dadurch haben viele Dinge eine größere Bedeutung. Das kann man natürlich immer in Körpersprache umsetzen.
Haben Sie eine Wunschpartie?
Nein. Die habe ich schon gesungen.
Was ist Ihre Lieblingsrolle?
Butterfly ist eine Lieblingsrolle. – Nuri war eine Lieblingsrolle von mir. Nuri aus Tiefland, Herr Winter hat es inszeniert, – er hat in seine Regiekonzepte immer ein wenig Kontroverses eingebracht – aber er hat eine wunderschöne Inszenierung gemacht. Nuri war ein behindertes Kind, autistisch. Ich habe mir diese Körperbewegungen angeschaut, stets unter dem Tisch, immer in Bewegung, das war sehr, sehr interessant…. Die Traviata natürlich. Alle Rollen, die ich zurzeit mache, sind eigentlich meine Wunschrollen. Ich dachte, ich könnte irgendwann „Elisabetta“ machen, in Don Carlo. Das wurde mir angeboten, aber dann hat es sich zerschlagen.
Können Sie uns schon verraten, was Sie in der nächsten Spielzeit singen werden?
Ich glaube, ich werde in Janaceks „Das schlaue Füchslein“ singen. Und ich glaube, es gibt ein Ballett mit Tschaikowski-Liedern.
Zum Abschluss: Welche Frage wollten Sie schon immer mal in einem Interview beantworten, aber es hat sie noch niemand gestellt?
Keine. (lacht) Keine. Ich bin sehr, sehr spontan. Wenn ich dieses Bedürfnis hätte, hätte ich es erfragt. Ich hätte gesagt: Fragen Sie mich dies.
Und wieder einmal hieß es “Zum letzten Mal” und diesmal war es besonders schade.
Neben einer sehr intelligenten und passenden Inszenierung hatte dieses Stück vor allem musikalisch unglaubliches zu bieten. Zu aller erst einmal zwei jede auf ihre Art fantastische Sängerinnen der Titelrolle. Einerseits Mezzosopran Rita Kapfhammer, deren vier Vorstellungen als Emilia Marty in dieser Spielzeit leider in die Zeit einer Schreibblockade bei mir gefallen sind, ansonsten hätte man hier Lobeshymnen über ihre scheinbar mühelose Höhe und bewegenden Ausdruck ohne Ende lesen können. Andererseits Sopran Elaine Ortiz Arandes, die die Rolle ein klein wenig anders, aber ebenso gut angelegt hat. Auch hier hatte ich eine extreme Gänsehaut während der Schlussszene.
Dazu kommen weitere exzellente Sänger, die diesen Abend und alle vorgehenden zum Erlebnis machten: Thérèse Wincent als Christa, die in den Kleidern von Talbot Runhof einfach hinreißend aussieht, berührend sowohl in ihrer Bewunderung der Diva als auch in ihrer Trauer um Janek, Gary Martin als stolzer Jaroslav Prus zwischen Verführung und Verzweiflung, Robert Sellier als vor Bewunderung stotternder Janek, Tilmann Unger als verschwendungssüchtiger Albert Gregor, der der Geliebten nicht geben kann, was sie sich am meisten wünscht, John Pickering als Vitek und last but not least Stefan Sevenich als Rechtsanwalt Kolenaty, der Skrupel hat und immer alles ganz genau wissen will. Sie alle sangen und spielten nicht nur an diesem Abend hervorragend.
Leider wusste das Münchner Publikum diese in meinen Augen beste Regiearbeit des scheidenden Staatsintendanten Dr. Ulrich Peters nicht ausreichend zu würdigen.
18 lange Monate musste ich auf die Rückkehr meines absoluten Lieblingsstück warten. Viel zu lange!
Hach, diese Melodien, diese Dialoge, diese Sänger, dieser Chor, dieses Orchester, diese Energie und diese gute Laune, die dieses Stück versprüht. erst als ich es wieder auf der Bühne gesehen habe, merkte ich, wie sehr ich es vermisst habe. Die Aufnahme der Premiere aus dem Radio hilft zwar über die piratenlose Zeit hinweg, ist aber kein adäquater Ersatz.
Ich bin ja normalerweise kein Freund der bespielten Ouvertüre, aber der Blick auf die Piraten bei ihrem Gentleman-Zeitvertreib zwischen zwei Raubzügen ist einfach zu köstlich. Und dieser heiter-ironische Blick inklusive exzellenter Choreografie von Fiona Copley zieht sich durch das ganze Stück und macht es zu einem einzigen Vergnügen.
Musikalisch war an diesem Abend alles von Feinsten: Jörn Andresen leitete das Orchester souverän und mit dem gewissen britischen Touch, den dieses Stück braucht. Gunter Sonneson ist zwar kaum zu erkennen als Generalmajor Stanley, lässt aber mit präziser Komik und einem Affentempo in seiner Arie keinen Zweifel daran, dass ihm die Rolle auf den Leib geschrieben ist. Frances Lucey und Neuzugang Carolin Neukamm führen die Töchterschar souverän und herzallerliebst an. Ein besonderes Highlight ist immer Ulrike Dostals Meerjungfrau, diese Szene muss man einfach gesehen haben.
Der Herrenchor, ob Piraten, an der Spitze Gregor Dalal als Samuel, oder Bobbies, die durch Martin Hausberg hervorragend angeführt wurden, besticht wie schon so oft durch enorme Spielfreude und präzisem Gesang, ob es sich nun um Branntwein oder Poesie handelt.
Holger Ohlmann singt und spielt den Piratenkönig, wie es kaum besser geht. Er darf zwar nicht an einem Seil über den Orchestergraben schwingen und auch den Säbel holt er nur selten hervor, aber er macht das Beste aus seiner Rolle. Seine Gesten sind auf den Punkt und es macht Spaß, ihm zuzuhören.
Rita Kapfhammer als Ruth mit dem perfekten th ist einfach eine Schau, sie muss man gesehen haben. Sicher nicht zu Unrecht bejubelt wurde das Liebespaar des Abends, Robert Sellier als naiv-pflichtbewusster Piratenlehrling Frederic und Thérèse Wincent als tatkräftige Mabel, die bereit ist, 63 Jahre auf ihn zu warten. Aber natürlich bekommt sie ihn früher, dass ist schließlich eine Operette 😉
Schon alleine wegen des Theaters hat sich dieser mehr als spontane Ausflug ins schwäbische Weißenhorn mehr als gelohnt. Das mit 142 Sitzplätzen kleinste öffentliche und bespielbare Theater Bayerns ist wirklich wunderhübsch. Die folgenden Bilder stammen von Andreas Praefcke, der sie freundlicherweise unter CC-Lizenz bei Wikimedia Commons zur Verfügung gestellt hat.
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Aber das war nur the Cherry on the Cake, der wirkliche Grund meines Daseins hieß Rita Kapfhammer. Die nicht nur im schönsten Theater Münchens äußerst beliebte Solistin hatte hier fast so etwas wie ein Heimspiel, war sie doch vor ihrer Zeit am Gärtnerplatz 10 Jahre in Ulm engagiert.
Es gab vor Beginn eine Einführung durch den Meininger Operndirektor Dr. Klaus Rak, die Soirée selbst moderierte Heinrich Graf, der musikalisch-künstlerische Leiter der Weissenhorner Kammeroper.
Als erstes sang sie im Duett mit Sybille Sachs vom Theater Meiningen “Geschwind zu meiner Nachbarin” aus “Den Lustigen Weibern von Windsor”, eines meiner frühen Lieblingsstücke, das in mir die Neugier auf mehr geweckt hat. Leider passten die zwei Stimmen nicht wirklich harmonisch zusammen, Rita Kapfhammers weiche Samtigkeit ist schwer zu übertreffen.
“Nun eilt herbei” aus der gleichen Oper von Otto Nicolai war das nächste Solostück der Sopranistin, gefolgt von der Arie der Magdalena “Johannes schläft” aus “Der Evangelimann”, wunderbar melancholisch vorgetragen von Rita Kapfhammer. Diese selten gespielte Oper von Wilhelm Kienzl ist noch bis 27.06.2011 an der Wiener Volksoper zu sehen.
Es folgte die Rosenübergabeszene aus dem Rosenkavalier, aber ich habs ja leider nicht so mit Strauß und kann das Stück deshalb nicht beurteilen. Danach sang Bariton Roland Hartmann, ebenfalls aus Meiningen, “Oh du mein holder Abendstern” aus dem Tannhäuser, dem Stück, dass auf meiner Wagner-To-Do-Liste ganz oben steht. Es fehlte zwar ein bisschen der Ausdruck, aber trotzdem hat er das Stück sehr gut gesungen.
Im nächsten Stück bewies Rita Kapfhammer, dass sie auch im dramatischen Fach sehr gut aufgehoben ist, in dem man sie am Gärtnerplatz leider noch nicht gehört hat. Die Arie der Fricka “Wo in den Bergen Du Dich birgst” aus der Walküre unterstrich diesen Anspruch auf dringlichste. Je mehr ich von Wagner höre, desto mehr schwindet meine Angst vor ihm und macht mir Lust auf seine Werke.
Den Abschluss bildeten zwei Stücke aus meiner Hass-Oper “Cosi fan tutte”, die mir aber so herausgelöst aus dem Opern-Kontext ausgesprochen gut gefallen haben. Vielleicht sollte ich mich wirklich nur auf den musikalischen Aspekt des Werkes konzentrieren und das superdoofe Libretto einfach vergessen.
Rita Kapfhammer richtete dann noch ein paar persönliche Worte an das Publikum, was ihr noch einige Sympathiepunkte einbrachte. Dann war es auch schon wieder Zeit, in Richtung Gärtnerplatz aufzubrechen, da am Abend die Wiederaufnahme meines Lieblingsstückes anstand. Den Teil nach der Pause diese interessanten Konzerts habe ich deshalb leider verpasst.
Nachdem der BR diesen Beitrag leider in der Sendung “Aus Schwaben und Altbayern” vom 01.06.2011 versteckt hat, erlaube ich mir einfach mal, ihn bei mir festzutackern.
Ich halte diese Entscheidung des designierten Intendanten Josef Köpplinger für falsch. Kultur lebt selbstverständlich vom neuen Inspirationen, braucht aber auch eine gewisse Konstanz. Natürlich gibt es bei einem Intendanzwechsel, der im Hinblick auf die Umbauzeit des schönsten Theater Münchens zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kommt, auch immer einen Personalwechsel, das fängt beim Künstlerischen Betriebsbüro an und hört bei den Solisten nicht auf. Aber so einen radikalen Schnitt beim Front End, bei denjenigen, die die künstlerische Seite des Theaters nach außen, dem Publikum gegenüber vertreten, zu machen, ist unüblich und nicht nachvollziehbar. Herr Köpplinger gibt finanzielle Vorgaben als Grund für die Nichtverlängerung des gesamten Ensembles an. Wie er in diesem Interview sagt, rechnet er für sein bisheriges Haus, das Stadttheater Klagenfurt, mit einem Qualitätsverlust, weil man sich ein Ensemble nicht leisten könne.
Dazu muss man wissen, dass ein Ensemblemitglied mit einem Festvertrag eine gewisse Anzahl von Vorstellungen spielen, darüber hinaus für Proben praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehen, bei Vorstellungen der Doppelbesetzung am Ort sein muss, falls er einspringen muss oder eine Vorstellung geändert wird. Dafür erhält er einen festes monatliches Gehalt, von dem er alle Kosten selber trägt. Das bedeutet für Solisten, die ihren Lebensmittelpunkt nicht in München haben, doppelte Haushaltsführung und hohe Aufwendungen für Fahrtkosten, wenn sie kurzfristig eingesetzt werden.
Für das Haus bedeutet ein eingespieltes Ensemble eine gleichbleibend hohe künstlerische Qualität und Vermeidung von kompletten Vorstellungsausfällen, da entweder die Doppelbesetzung einspringen oder auch kurzfristig ein anderes Stück gespielt werden kann.
Für das Publikum sind Sänger, die man in verschiedenen Rollen an einem Haus erlebt, eine nicht zu unterschätzende Attraktion. Wenn man die Menschen, die das Theater am häufigsten besuchen, fragen würde, warum sie das tun, würde die überwiegende Mehrheit die Sänger als wesentlichen Grund angeben, da bin ich mir durch Pausengesprächen sicher. Gerade in einer Zeit, in der das Haus als Klammer wegfällt, braucht es Anknüpfungspunkte für die Stammbesucher. Das fällt bei einem Stück, das nur mit Gästen besetzt ist, weg. Das schaut man sich halt dann einmal oder vielleicht zweimal an, wenn die Inszenierung nett und die Musik ansprechend ist. Ob dann noch Leute, wie das derzeit der Fall ist, bis zu zweimal wöchentlich eine längere Anreise in Kauf nehmen, um einen bestimmten Sänger zu sehen, darf bezweifelt werden.
Ein Sänger, der als Gast an einem Theater eingesetzt wird, erhält neben einer Gage pro Vorstellung eine Probenpauschale und Reise- sowie Unterkunftskosten. Die Höhe der Gage richtet sich natürlich nach der “Qualität” des Sängers. “Junge Sänger”, wie in diesem Interview angesprochen, können natürlich noch nicht so viel verlangen. Wenn man gegenüber dem jetzigen Ensemble aber keinen Niveauverlust in Kauf nehmen will, wird man schon etwas tiefer in die Tasche greifen müssen. Und dabei ist sicher auch die Proben- und Aufführungssituation eines Theaters ohne festen Wohnsitz zu berücksichtigen, während ein festes Ensemblemitglied da spielen muss, wo es der Dienstherr will. Ob sich der ausschließliche Einsatz von Gästen wirklich immer rechnet und vor allem auch entsprechende Einnahmen generiert, bezweifle ich.
Sicher wird es in der Zeit des Umbaus nicht so viele Vorstellungen wie jetzt geben und für das En-Suite-Spielen, wie es ja in der nächsten Spielzeit schon bei Falstaff und Das schlaue Füchslein praktiziert wird, bedingt, dass man Solisten nicht durchgängig beschäftigen kann. Aber was hätte denn dagegen gesprochen, Verträge mit geringerer Vorstellungszahl bei entsprechend geringerem Festgehalt auszuhandeln? Die Solisten hätten zumindest eine Grundsicherung, die sie durch Gastverträge an anderen Häusern aufstocken können und das Theater eine verlässliche Sängerbasis, die ihre Kosten vor Ort selbst tragen und die bei Bedarf durch teurere Gäste ergänzt werden kann.
Eines sollte man bei seinen Entscheidungen immer bedenken: was in Klagenfurt funktioniert hat, muss nicht notwendigerweise in München funktionieren. Die Kulturlandschaft ist in dieser Stadt und dem Umland anders strukturiert. Es gibt hier zum Beispiel ein eigenes Musicalhaus, mit dem konkurriert werden muss. Natürlich ist die Umbauphase eine Ausnahmesituation, deshalb befindet sich Herr Köpplinger in der glücklichen Lage, keine quantitative Messlatte zu haben. Aber eine emotionale hat er, und die hat er zumindest bei mir schon gerissen. So sehr ich seine Regiearbeiten schätze, als Intendant ist er bei mir untendurch.
Schwer enttäuscht bin ich auch vom obersten Dienstherr der Bayerischen Staatstheater, Minister Heubisch. Noch während des Wirbels um die Ablösung des bisherigen Intendanten lies er versichern, dass es nicht um Kürzungen gehe. Die Aussagen von Herrn Köpplinger sprechen einen andere Sprache. Es läuft etwas falsch in diesem Land. Für Rettung von Banken stellt Bayern Milliarden zur Verfügung und setzt gleichzeitig Solisten auf die Straße. Ich kann nur für jeden einzelnen hoffen, dass er ab der Spielzeit 2012/2013 eine neue Festanstellung findet, wenn er das möchte.
Es liegt jetzt am Münchner Publikum, dem zukünftigen Intendanten und der Politik zu zeigen, dass es mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden ist.
Diese 1985 auf der großen Bühne des Hauses uraufgeführte Werk von Wilfried Hiller mit einem Libretto von Michael Ende kehrte Anfang April anlässlich des 70. Geburtstages des Komponisten an den Gärtnerplatz zurück, allerdings nur in einer verkürzten und szenisch vereinfachten Foyer-Version. Trotzdem entfaltete die Oper eine schon fast magische Wirkung, das Publikum war vom ersten bis zum letzten Ton gebannt.
Zu verdanken ist dies vor allem den Akteuren, die trotz Verschanzung hinter einer Art Tresen die Emotionen sehr gut transportieren konnten. Als Beispiel sei hier das letzte Duett von Zeipoth, herzzerreißend schön gesungen von Sibylla Duffe, und Aberwin, ebenfalls sehr gut repräsentiert von Thomas Peters, genannt, das mir die Tränen in die Augen getrieben hat. Aber auch der Goggolori von Gast Markus Herzog, die Weberin von der famosen Rita Kapfhammer, der Irwing von Gregor Dalal und die Ullerin von Sebastian Campione prägten dieses Stück sehr. Christoph Maier-Gehring ergänzte das Ensemble als Einsiedel bzw. Erzähler sehr gut. Begleitet wurden die Solisten von Albert Ginthör (Violine), Anke Schwabe (Flügel) und Matthias Kern (Percussion).
Leider ist nur noch eine Vorstellung vorgesehen, die aber in Bamberg bei den Theatertagen stattfindet. Deshalb heißt es am 11. Juni Daumen drücken, vielleicht kommt es ja wieder auf den Spielplan, wenn es ausgezeichnet wird. Denn auf den Spielplan gehört es unbedingt nochmal.
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