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Interview mit Benjamin Reiners

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Herr Reiners, herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben zu einem Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns doch bitte etwas von Ihrem Werdegang.

Werdegang. Ja. – Ich bin 1983 in Duisburg geboren und bin dort ganz normal aufgewachsen und zur Schule gegangen. Meine Eltern glaubten, so mit vier Jahren, eine gewisse musikalische Begabung bei mir festzustellen, bzw. dass ich einfach auf Musik sehr aktiv reagiere, und haben mich deshalb in der musikalischen Früherziehung angemeldet an der Niederrheinischen Musik- und Kunstschule. Da hat man dann Noten gelernt, auf dem Xylophon und allen möglichen orffschen Instrumenten rumgehauen. Das geht über zwei Jahre, und danach steht eben an, sich für ein Instrument zu entscheiden, das man dann erlernen soll, und dann kann man sich die verschiedenen Instrumente angucken und sich umhören. Ich habe mich damals für die E-Orgel entschieden. Meine Eltern, die beide keine Musiker sind, haben das dann so angenommen, diese Entscheidung. Im Nachhinein denke ich: Ah, hätten sie mich mal gezwungen, vielleicht doch sofort Geige oder Klavier zu erlernen. Nein, Quatsch, das war schon alles richtig so… Auf jeden Fall: Da sollte es dann die E-Orgel sein. Über diese E-Orgel kam der Wunsch, auch Orgel in der Kirche zu spielen, also Kirchenorgel zu lernen. Den Wunsch haben mir meine Eltern dann erfüllt und so habe ich beim Kantor der evangelische Kirche Orgel-Unterricht bekommen, und später auch klassischen Klavierunterricht. Natürlich habe ich dann auch im Chor gesungen, Kinderchor, Jugendchor, und schließlich in der Kantorei. Dann kam eben immer mehr der Wunsch, das auch beruflich zu machen. Also, ich denke, dass ich schon so mit 15, 16 Jahren wusste, dass ich eigentlich mal Kirchenmusiker werden will, oder Dirigent, Chorleiter, wie auch immer. In dieser Zeit entstand auch meine Liebe zum Musiktheater…
Ok, ich kürze ab: Nach dem Abitur hat mich der Weg dann an die Kölner Musikhochschule geführt, wo ich Evangelische Kirchenmusik studiert habe. Zu dem Zeitpunkt tatsächlich allerdings schon mit der Absicht, dass sich an das Kirchenmusik-Studium ein Dirigierstudium anschließen sollte. Ich war nur so in der Kirchenmusik verwurzelt, dass ich das auf jeden Fall machen wollte. Der Studiengang Kirchenmusik ist ein so umfassender Studiengang, dass es als Einstieg, auch mit dem Ziel, Dirigent zu werden, eine super Sache ist, weil man einfach sehr viele verschiedene Fächer hat und es eine sehr gute Grundlage bietet. Ja, das habe ich dann eben absolviert, dieses Studium, und eben genau, wie das auch ursprünglich geplant war, danach dann mein Dirigierstudium angeschlossen. Das habe ich dann an der Hochschule für Musik in Detmold absolviert. Und von da bin ich  direkt schon an den Gärtnerplatz gekommen, 2009, als Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung.

Seit dieser Spielzeit sind Sie an der Staatsoper Hannover als Zweiter Kapellmeister und jetzt zurückgekehrt für die Neuproduktion DER MIKADO von Gilbert & Sullivan. Fühlt es sich jetzt anders an, hier zu sein, als Gast, sozusagen, als noch vorher als festes Ensemblemitglied?

Es fühlt sich tatsächlich ein bisschen anders an. Obwohl es auf der einen Seite einfach so ist wie Nach-Hause-Kommen, und das ist total schön, die Leute alle wiederzusehen und so in die Familie zurückzukehren, und obwohl jetzt eigentlich nur ein paar Monate dazwischenliegen, habe ich doch das Gefühl, dass ich schon mit einer anderen Perspektive zurückkomme und  auch so aufgenommen werde. Also, dass da jetzt so jemand kommt, den wir alle sehr gut kennen, aber der jetzt einfach woanders ist, schon eine andere Tätigkeit hat… Es ist so ein Mix aus Althergebrachtem, aber auch mit neuen Impulsen. Oder einer neuen Sicht auf die Dinge.

Sie haben in Hannover auch interessante Aufgaben übernommen, „Die Reise nach Reims“ zum Beispiel. Was steht denn da diese Spielzeit noch an?

Genau. Die „Reise nach Reims“ war dort meine erste eigene Wiederaufnahme, in einer ganz tollen Inszenierung und ganz super Musik, und parallel dirigiere ich gerade noch die sehr spektakuläre Inszenierung von „La Traviata“, über die man auch in allen Zeitungen und Opernmagazinen lesen konnte , eine wirklich ganz, ganz atemberaubende Inszenierung mit einem ganz außergewöhnlichen Raumkonzept, was auch dirigentisch eine große Herausforderung ist. Ich habe nicht die Premiere gemacht, aber ich dirigiere das nach. Dann erwarten mich jetzt in der nächsten Zeit die Wiederaufnahme von „La Boheme“, Nachdirigate von der Neuproduktion „Der Barbier von Sevilla“, noch ein Ballettabend „Alice im Wunderland“ und eine Uraufführung einer Kinder- und Jugendoper „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren.“

Ganz schön viel.

Ja. (Lacht.) Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben.

Mögen Sie auch andere Musikrichtungen?

O Gott. Darf ich das hier sagen? Was ich tatsächlich sehr gerne mag, ist guter deutscher Schlager. Ich muss gestehen, dass ich ein großer Udo-Jürgens-Fan bin und da tatsächlich auch schon auf dem einen oder anderen Konzert war. Ja. Also, ich höre nicht viel Musik in meiner Freizeit, aber wenn, dann mal so Gute-Laune-Musik.

Haben Sie musikalische Vorbilder?

Ja, als Dirigent hat man immer musikalische Vorbilder. Es gibt einfach da so viele geniale Menschen, die diesen Job ausgeübt haben oder noch ausüben, dass man da ohne Vorbilder gar nicht auskommt. Da sagen wahrscheinlich auch alle Dirigenten dieselben Leute. Natürlich ist Carlos Kleiber jemand, der unerreicht ist, was die musikalische Interpretation, aber auch seine Art zu dirigieren angeht. Ein anderes Vorbild ist einfach immer noch mein Dirigier-Professor in Detmold, Karl-Heinz Bloemeke, dem ich wahnsinnig viel verdanke, und der für mich sowohl in musikalischer und dirigentischer aber auch in menschlicher Hinsicht ein großes Vorbild ist.

Haben Sie eine Lieblings-Opernaufnahme?

Ja, ich mag ganz gerne von Eugen d’Albert „Tiefland“. Ich glaube, es gibt gar nicht wahnsinnig viele Aufnahmen davon. Ich habe eine mit Rene Kollo und Eva Marton, eine ganz tolle Aufnahme.

Hatten Sie auch schon internationale Auftritte?

Ich habe Klavier am Bosporus in „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ gespielt, in Kostüm und Maske. (Beide lachen ausgiebig.) Nee, ich glaube, das ist das einzige, was jetzt so international hier angefügt werden kann.

Braucht ein Dirigent Kondition, und was tun Sie dafür?

Es ist auf jeden Fall nicht zu leugnen, dass eine Vorstellung zu dirigieren schon eine wahnsinnige körperliche Anstrengung ist und das schon sicherlich auch eine gewisse körperliche Kondition erfordert. Ich gehe ganz klassisch ein- bis zweimal die Woche ins Fitness-Studio und stelle mich da auf den Cross-Trainer und mache noch so ein bisschen Zirkeltraining, um mich körperlich fit zu halten. Es ist schon auch ein Job, der manchmal auch gerade auf den Rücken geht, man steht sehr lange und viel, und da muss man auch, glaube ich, ein bisschen Prävention betreiben, dass man diesen Job wirklich lange ausüben kann und da die richtigen Muskeln stärkt.

Müssen Sie sehr diszipliniert leben als Dirigent?

Ich weiß nicht, ob man es muss. Ich tu’s nicht. (Lacht.) Nein, also, im Gegensatz zu Sängern, die natürlich immer vor allen Dingen ihre Stimme im Auge haben müssen, ist das bei uns nicht ganz so extrem. Für mich ist es sehr wichtig, dass ich genug schlafe, gerade wenn ich anstrengende Proben oder Vorstellungen habe. Dass man am Abend wirklich ausgeruht ist, dass man sich den Tag so gestaltet, dass man sich mittags vor der Vorstellung wirklich noch mal ein Stündchen hinlegen kann und dann abends wirklich fit ist. Weil man ja doch zu relativ ungewöhnlichen Arbeitszeiten arbeitet, oder eben spät am Abend eben noch zu höchsten Konzentrationsleistungen bereit sein muss.

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein. Habe ich nicht.

Ist das ein Nachteil, oder empfinden Sie es als Nachteil?

Es gibt sicherlich Momente, wo man denkt: Ach, warum hat man es nicht?! Aber wenn ich an meinen ersten Gehörbildungs-Professor denke – der hatte es, wenn ich mich recht erinnere, auch nicht – der hat immer gesagt, dass das absolute Gehör auch nicht nur Vorteile hat. Gerade wenn man auch Alte Musik macht, wo oft etwas nicht in 440 aufgeführt wird. Ich glaube, ein gutes relatives Gehör zu besitzen, ist genauso viel wert.

Wie bereiten Sie sich auf ein neues Stück vor?

Ja, da gibt es immer diese klassischen Antworten, die man sagen muss: dass man sich zuerst das Buch durchliest und dann den Klavierauszug in langen Nächten sich erst lesend erarbeitet, oder die Partitur. Bei mir ist es tatsächlich so, dass ich mir zuerst den Auszug nehme und einfach spiele und dazu singe. Ich scheue es auch nicht, mir früh eine Aufnahme dazuzunehmen und einfach mal reinzuhören. Oder sich auf Youtube durchzuklicken, was es da so gibt. Tatsächlich sollte man dann die Aufnahmen beiseite legen und sich dann das Werk wirklich für sich erarbeiten und erst spät wieder die Aufnahmen hinzuziehen, aber um so einen ersten Eindruck zu bekommen, kann man auch einfach die Medien, die einem zur Verfügung stehen, nutzen..

Kommen wir zur Neuproduktion „Der Mikado oder Die Stadt Titipu“ von Gilbert & Sullivan. – Waren Sie schon mal in Japan?

Nein, ich war bisher weder in Großbritannien noch in Japan.

Kennen Sie auch andere Stücke von Gilbert & Sullivan – außer den „Piraten von Penzance“ natürlich, die hier am Haus gelaufen sind?

Mir ist bisher auch nur die „Piraten von Penzance“ begegnet, hier. Das habe ich zwar nicht selber dirigiert oder gespielt, aber ich habe da ein paar Vorstellungen von gesehen und die Wiederaufnahmeproben, und habe mich jetzt im Zusammenhang mit dieser Neuproduktion ein bisschen mit Gilbert & Sullivan beschäftigt, auch ein bisschen Musik gehört abseits seiner komischen Opern.

Haben Sie für diese Inszenierung eine eigene Fassung von DER MIKADO erarbeitet, oder ist das die Original-Partitur?

Es war tatsächlich nicht so einfach, an das Original zu kommen, aber natürlich ist das angestrebt und wir haben es jetzt auch geschafft, weil der Verlag, von dem wir die deutschen Aufführungsrechte haben, nur eine bearbeitete Orchesterfassung in seinem Sortiment hatte, obwohl sie mit der Originalbesetzung geworben haben. Aber nach langem Hin und Her ist es uns jetzt gelungen, wirklich die Original-Instrumentierung von Sullivan zu bekommen, und ich finde, das sollte auch im Jahr 2011 oberste Priorität sein, dass man so was in seiner Originalgestalt aufführt. Wir machen auch mit Ausnahme einer Musiknummer alle Stücke.

Können Sie uns verraten, welche gestrichen ist?

Dieses große Trio mit Chor im zweiten Akt. Das ist einfach in unserer deutschen Fassung nicht drin.

Wie würden Sie MIKADO musikalisch beschreiben?

Das Komponistenduo – nein, so sagt man immer, aber es ist der Komponist Sullivan, der in Verbindung mit dem Textdichter Gilbert diese komischen Opern geschaffen hat – hat da einfach eine sehr spezielle und eigene Tonsprache geschaffen, die auf den ersten Blick sehr, sehr trivial erscheint. Es ist harmonisch, alles sehr, sehr überschaubar, es sind kurze, einprägsame Melodien, die man spätestens nach dem zweiten Hören gut mitpfeifen kann. Ich sage mal, es ist jetzt von dem musikalischen Gehalt natürlich nicht mit einer Beethoven-Sinfonie oder einer Wagner-Oper zu vergleichen. Trotzdem ist es so professionell gut und geschickt gemacht, dass es einfach den Nerv des Publikums und des Zuhörers trifft und auch alle Beteiligten, also auch die Musiker, sofort Spaß daran haben. Nur ist es, sagen wir, im besten Sinne gefällige, unterhaltende Musik.

Aber sie hat schon auch einige Besonderheiten. Zum Beispiel taucht mitten im Japanischen ein Madrigal auf. Ist es zwingend, dieses Musikstück an dieser Stelle zu haben, oder ist es einfach ein Spleen von Gilbert & Sullivan, in jedem ihrer Stücke ein Madrigal zu haben?

Ich würde das nicht als Spleen bezeichnen. Ich glaube, tatsächlich gehört das zu ihrem Konzept. Und dieses Stück spielt halt zufällig in Japan. Es könnte auch in Afrika oder auf irgendeiner Insel in der Antarktis spielen. Ich glaube, es ist zufällig Japan, und auch die musikalischen Anklänge an Japan sind ja durchaus sehr überschaubar. Sie hatten einfach nicht den Anspruch, wirkliches Japan abzubilden, weder auf der Szene noch in der Musik. Und deshalb kommt es vielleicht sogar ihrer Aussage dieses Stücks sehr nahe, dass sie da etwas typisch englisches, dieses Madrigal, hineingepackt haben. Weil sie ja eigentlich dem Publikum die eigene Welt vor Augen führen wollen und das nur immer anscheinend woandershin verlagert haben, in eine x-beliebige Stadt nach Irgendwo. Und deshalb spricht das für ihr Konzept.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Wenig, tatsächlich. Also am Abend selber bin ich jetzt nicht nervös in der Form, dass ich irgendwie Herzklopfen habe. Vielleicht mal schwitzige Hände. Aber ich habe nicht dieses direkte Lampenfieber unmittelbar vor der Vorstellung oder in der Vorstellung. Ich bin eher den ganzen Tag über sehr hibbelig, vielleicht auch schon in der Nacht davor. Was könnte alles passieren, was kann alles schiefgehen, woran muss ich denken?
Aber ich brauche Rituale. Also, ich muss mir beispielsweise wirklich unbedingt immer noch mal einmal vor der Vorstellung kurzfristig die Zähne putzen. Ich weiß auch nicht, das habe ich seit Jahren, und ich glaube, das ist so ein bisschen Aberglaube. So wie manche andere Kreuzzeichen machen oder sich ihr Maskottchen mitnehmen.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Was soll ich sagen? Für mich ist es das Größte, Oper zu dirigieren. Also, abends in so einem wunderschönen Raum zu stehen, so wunderbare Musik zu machen und das dann auch noch entscheidend mitgestalten zu können. – Das Nervigste. Keine Ahnung. Was ist denn das Nervigste? Manchmal mit den Widrigkeiten des Repertoiresystems kämpfen zu müssen. Dass man eine Sache sich erarbeitet und probt und eigentlich nach einer Probe etwas auf einem tollen musikalischen Stand hat und vielleicht auch noch in der ersten Vorstellung, und dann aber ab der zweiten oder dritten Vorstellung eine völlig andere Besetzung auf der Bühne oder im Orchestergraben hat, und da dann einfach nicht mehr die Qualität erreicht, die man sich manchmal wünscht.

Haben Sie ein Wunsch-Stück, das Sie gerne dirigieren möchten?

Das nächste kommt jetzt, als nächstes im Dezember in Hannover: „La Boheme“. Ich glaube, das ist ein Traum-Stück eines jeden Dirigenten. Ebenso gefürchtet, natürlich. Aber damit erfülle ich mir jetzt schon den nächsten Wunsch. Gerade kommen ganz viele Wunsch-Stücke nacheinander, das ist ganz toll.

Sie haben am Anfang gesagt, Sie waren schon ab dem Alter von vier Jahren an Musik interessiert. Gab es aber irgendwann mal in Ihrem Leben auch mal den Wunsch, etwas anderes zu machen?

Klar überlegt man sich mal so kurz vor dem Abitur, bevor es so richtig ernst wird: „Hm, vielleicht mache ich doch noch mal was anderes.“ Und dann hat man auch Familienangehörige, die sagen: „Ah, willst du nicht mit dem guten Abitur vielleicht doch was Anständiges machen und Rechtsanwalt oder Arzt werden?“ Ich habe tatsächlich mal kurz über Arzt nachgedacht, und auch mal über Lehrer. Lateinlehrer wäre ich vielleicht geworden, aber eigentlich stand das nie wirklich zur Debatte. Also, das waren nur mal so Überlegungen – man weiß ja auch nie, ob das mit den Aufnahmeprüfungen klappt –  was es für Alternativen gegeben hätte, aber der eigentliche Wunsch war immer, Musiker zu werden.

Dann sage ich ganz herzlichen Dank für dieses Interview und Toi-toi-toi für die Premiere von DER MIKADO.

Ja. Danke schön, also für’s Interview, nicht für’s Toi-toi-toi!

 

Interview vom 13.11.2011

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Liebe Frau Lucey, herzlichen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns doch bitte etwas von Ihrem Werdegang.

Also erst mal: Vielen Dank für die Einladung! – Ich bin gebürtige Irin, in Dublin geboren, und kam mit 22 Jahren nach Deutschland. Vorher hatte ich schon einen Bachelor-Abschluss in Musik und Sprachen gemacht, ich hatte an der Universität in Dublin studiert, und Gesang nebenbei. Aber mein Ziel war, Sängerin zu werden. Ich hatte die Möglichkeit bekommen, ein Vorsingen für das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper zu machen. Es war erfolgreich, zu meiner Überraschung. Ich wusste gar nicht, was das wirklich hieß. Deswegen kam ich nach München, war zweieinhalb Jahre im Opernstudio, wurde dann übernommen ins Ensemble der Staatsoper, und nach neun Jahren als Ensemblemitglied habe ich dann gewechselt und kam dann ins Gärtnerplatz-Ensemble.

Gab es dafür Gründe? Das Repertoire im Gärtnerplatztheater?

Ja. Zum einen das Repertoire, weil Musical mich sehr reizt, und mir wurde versprochen, dass ich „West Side Story“ singen könnte, und das finde ich ein tolles Stück. Außerdem wusste ich, dass es schwer sein könnte, in der Staatsoper länger als zehn Jahre zu bleiben. Das war zur Zeit von Peter Jonas. Er hat mich sehr, sehr gemocht. Aber manchmal ist man dann plötzlich nicht mehr so beliebt. Ich fühlte mich dann nicht mehr so wohl, und deswegen habe ich ein bisschen geschaut. Ich hatte zu der Zeit Vorstellungen als Despina in „Cosi fan tutte“ und konnte Herrn Schulz zu einer Vorstellung einladen. Er war begeistert, und das hat mir dann die Möglichkeit verschafft, hierher zu kommen.

Wie sind Sie zu dem Beruf der Opernsängerin gekommen?

Eine gute Frage, weil: Mein Vater war gar nicht glücklich. Er hat sich große Sorgen gemacht. Ich bin eines von fünf Kindern, und er wollte eigentlich fünf Ärzte haben. Meine Mutter ist Ärztin, er war Ingenieur, und er hat es so weit gebracht, dass drei von den fünf Ärzte wurden. Ich bin die Jüngste, ich habe tatsächlich immer gesungen. Auch als vierjähriges Kind stand ich vor der Schule und habe für viele Leute gesungen. Es war immer ein Hobby. In Irland ist es dann schwierig, sich ein Leben als Opernsänger vorzustellen. Man muss natürlich Irland verlassen – obwohl, das ist nicht das Problem, das machen viele sowieso. Es war überhaupt nicht selbstverständlich, aber ich habe dann meinen Vater überzeugt, dass ich wenigstens Musik studieren sollte und Gesang. Und ja, dann hat er gesehen, dass ich wirklich Ehrgeiz hatte. Es war nicht so, dass er gesagt hat: „Auf keinen Fall!“ Ich habe ihn verstanden. Er wollte nur, dass ich nicht plötzlich auf der Straße lande. Ich glaube wirklich, die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen, hat es für mich möglich gemacht. Sonst, wahrscheinlich, wäre es nicht gegangen. Aber – ja, der Traum war immer da. Aber ich habe durchaus auch an Jura und ganz viele andere Sachen gedacht. Aber die Bühne kannte ich gottseidank von Schulaufführungen, ehrlich gesagt. Und auch Gesangswettbewerben. In Irland haben wir eine Tradition von Musikfestivals, die heißen auf Gälisch „Feis Ceol“, „Ceol“ ist das Wort für „Musik“. Da habe ich im Alter von zehn bis achtzehn Jahren jedes Jahr mitgemacht und verschiedene Preise und Pokale gewonnen, es war immer ein ganz großes Interesse. Und dann mit 17 Jahren, glaube ich, traf ich meine erste Gesangslehrerin. Eine ganz verrückte, große Persönlichkeit, aber sie hatte tatsächlich eine Karriere in Covent Garden gehabt. Und sie konnte einem wirklich zeigen, was es bedeutet. Ich habe schon sehr viel von ihr gelernt. Und zur Zeit hat meine ehemalige Lehrerin, Veronica Dunne, in der Staatsoper noch eine Schülerin: Tara Erraught.

Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Das war sehr gemischt. Da war Klassik dabei, auch sehr viel Musicals, sehr viel Gilbert & Sullivan (lacht), weil fast alle in meiner Familie singen. Auch sehr viel traditionelle irische Musik. Bei Familienfesten oder Familientreffen, da wurde musiziert. Und so hatte ich eigentlich zu der Zeit eine sehr lockere Einstellung zum Singen: Jeder musste singen, also meine Tante hat immer dieses Lied gesungen, oder mein Onkel jenes Lied. Dann kamen Freunde mit traditionellen irischen Instrumenten wie bodhran und uilleann pipes, das war schon toll. Es passierte nicht jedes Wochenende, aber schon öfters, so 6-7 Mal im Jahr. Dann habe ich auch Klavier gespielt, mein Bruder auch. Ja, dann haben wir auch natürlich klassische Musik gehört, aber, Singen, das war irgendwie schon immer im Haus. Einer von uns hat immer gesungen. Es war für mich dann ein bisschen ein Problem, als ich nach Deutschland kam, und plötzlich musste ich sagen, in welchem Fach. Und ich sagte: „Ja, Sopran.“ (Kichert) Punkt. Vorher habe ich an so etwas nicht wirklich gedacht. Ich habe einfach alles gesungen, was mir gefiel. Aber Tosca nicht, das gebe ich zu. Oder Brünnhilde. (Lacht)

Sie spielen Klavier. Spielen Sie auch noch ein anderes Instrument?

Leider nein. Ich hätte sehr gerne die irische Harfe gelernt oder studiert, das ist eine sehr schöne Kombination. Die ist kleiner als eine Konzertharfe. Oder Orgel fand ich auch ganz toll, aber kam leider nicht dazu. Das Singen hat dann schon mit 17, 18 Jahren die Oberhand gewonnen. Und das Klavierspiel wurde auch vernachlässigt, muss ich sagen. Ich kann noch spielen, aber ich möchte nicht als Pianistin auftreten (Lacht).

Haben Sie das absolute Gehör?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Wenn ich ein Stück gelernt habe, dann kann ich es. Ich weiß nicht, ob das ein Segen ist oder nicht, manchmal muss man sich einfach anpassen innerhalb des Ensembles oder so. Und man muss sowieso kontrollieren, denn oft ist es so, dass man wirklich nicht weiß, wie es da draußen klingt. Aber ich bin froh, dass ich, wie gesagt, ein sehr gutes Gedächtnis habe. Wenn ich etwas wirklich gut studiert habe, dann weiß ich: Das ist der Ton. Und ich singe sehr viel a-capella, aber das kommt eher von der irischen Kultur. Da singen wir sehr viel a-capella.

Sie sprechen sehr gut Deutsch.

Oh, danke! Ich weiß nicht, ob meine elfjährige Tochter einverstanden wäre.

Englisch sicher auch, und vermutlich auch Irisch. Sprechen Sie noch weitere Sprachen, und singen Sie auch in weiteren Sprachen?

Ja. Ursprünglich für meinen Bachelor habe ich Französisch und Italienisch auch studieren müssen, und gar kein Deutsch. Ich kam ohne Deutsch nach Deutschland. Ich fürchte, dass Deutsch natürlich jetzt auch viel stärker präsent ist in meinem Gehirn. Mit Gälisch – leider habe ich das nicht so gemocht in der Schule. Das war vielleicht ein bisschen wie Latein hier ist für manche Kinder, es war ein Pflichtfach, und das bereue ich wirklich. Aber ich singe schon auf Gälisch. Für mich die schwerste Sprache – ich habe Xenia in „Boris Godunov“ auf Russisch gemacht an der Staatsoper, und das fand ich sehr schwer. Wenn es wirklich kyrillisch geschrieben ist, erkennt man gar nichts. Das fand ich schwer. Aber Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Englisch – das ist so quasi leicht.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Musikalische Vorbilder? Ja, auf jeden Fall. Von Sängern? Das auf jeden Fall. Janet Baker kommt mir da sofort in den Sinn. Wir haben sehr viel von ihr gehört als Kinder, und auch Victoria de los Angeles. Die mochte meine Mutter sehr. Von der jetzigen Generation finde ich Garancha super. Jetzt habe ich zwei Mezzi erwähnt. Das ist tatsächlich ein bisschen ein Dilemma. Ich liebe diese dunklen Stimmen. Und das ist immer so ein Zwiespalt, denn – ja. Ich glaube nicht, dass ich wirklich sehr dunkel bin. Musikalische Vorbilder? Blasinstrumente imponieren mir immer sehr. Wenn eine Oboe ein schönes Legato hat, finde ich das wunderschön. Klaviermusik ist natürlich wunderbar. Aber es ist perkussiv. Die ganz Großen schaffen auch wunderbare Legati, aber ich glaube, von Blasinstrumenten und Sängern hoffe ich am meisten zu lernen.

Und szenische Vorbilder? Ich denke da an diese wunderbare Venus in „Orpheus in der Unterwelt“.

Da fällt mir eigentlich kein Name ein. Ich mag sehr viele Comedians. Lachen finde ich immer das Beste.

Welche Opern-Aufnahmen hören Sie privat am liebsten?

Hmm. Komischerweise höre ich am liebsten zu Hause Lieder, da fühle ich mich sehr wohl. In den 90er Jahren, bevor meine Tochter geboren ist, habe ich auch sehr viele Liederabende machen können, das war super. Aber von Opern – ooch, da so die ganze Palette. Sehr gerne Barock. Natürlich die Bach-Passionen, wunderbar. Das ist natürlich nicht Oper. Aber dann auch bei einer Puccini-Oper hinzuschmelzen, das ist wunderbar. Schwer zu sagen. Aber ich höre sehr gerne Klavier und Lieder in Kammermusik. So die kleinere Besetzung.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Ja, ich habe einen sehr guten Agenten in Amerika, und durch ihn habe ich das Glück gehabt, in der Carnegie Hall aufzutreten, und auch in New York sehr viel, und dann auch mit der Seattle Opera und in Washington. In Amerika kam so einiges. Zuhause in Irland natürlich auch. Das war es eigentlich. Und sonst – o doch, in Spanien auch, da habe ich auch Oratorien gemacht und so. Aber wie Sie wissen, seit zehn Jahren bin ich eher Mutter, würde ich sagen, als Sängerin. Da bin ich sehr dankbar für das deutsche System hier. An ein Haus gebunden zu sein, gibt einer Sängerin große Sicherheit.

Sie haben ja gerade schon erwähnt, dass Sie Familie haben. Was für Komplikationen ergeben sich aus dem Lebensrhythmus eines Opernsängers an einem Ensembletheater?

Ja. Das Theater an sich ist nicht für Leute mit Familie gedacht. Komischerweise, das hat meine Mutter, als ich noch Studentin war, und noch an gar kein Theater gebunden war, auch gesagt: Meine Güte, du hast immer eine Probe, wenn wir essen müssen. – Das ist wirklich wahr! Wir arbeiten vormittags und dann hauptsächlich abends. Hier zumindest in Deutschland, das ist nicht überall so. Und ja, das ist genau die Zeit, wo man sonst denkt, dass die Familien zusammenkommen. Essenszeiten, die Abende natürlich, wir sind sehr viele Abende weg. Oder dass ich jetzt aufpassen muss und nicht zuviel reden oder nicht zu laut werde. Inzwischen versteht das meine Familie schon, wenn ich schweige oder meine Stimme schone, aber manchmal denken sie: „O mein Gott, jetzt spinnt sie wieder.“ Ich nehme an, wir erscheinen ziemlich eigen manchmal für Leute, die nicht verstehen, dass die Stimme doch für die meisten Leute fragil ist. Es gibt schon Sänger, Dennis O’Neill, vielleicht kennen Sie ihn noch, ein Waliser Tenor, der hat immer voll gesungen, bei jeder Probe, alles. Und ich habe ihn bewundert. Das konnte ich nie. Ich muss schon schauen – ich muss meine Stimme einteilen. Und das macht manchmal das Zusammenleben schwer. Man muss egoistisch sein und sich zurückziehen, und das fällt mir auch schwer, denn ich bin eigentlich gesellig. Deswegen sind Gastspiele, auch wenn sie manchmal ein bisschen einsam sind, plötzlich, was weiß ich, sechs Wochen in Seattle alleine zu sein – aber man hat den Luxus, sich nur auf sich zu konzentrieren. Super.

Was tut denn Ihrer Stimme gut, außer, sich ein bisschen zurückzunehmen, und was ist gar nicht gut für sie?

Reden. Reden, und ich rede viel. (Lacht.) Ja. Da muss ich aufpassen, wenn ich innerhalb einer Gruppe bin, dass ich nicht versuche, dem Lautstärkepegel zu entsprechen und auch lauter werde. Feiern, zuviel reden. Gottseidank trinke ich sowieso nicht. Das dehydriert, und das wäre nicht gut. Schlafen ist natürlich auch, finde ich, sehr erholsam, wenn man vielleicht ein bisschen länger schlafen kann. Man muss natürlich auch diese Balance finden zwischen Zuviel, oder dass man rechtzeitig aufsteht, bevor die Vorstellung losgeht oder so. Aber ich versuche auch, normal zu sein. Als ich im Opernstudio angefangen habe – und man muss natürlich auch noch bedenken, ich komme aus einer Arztfamilie, und als Kind musste ich wirklich dem Tode nahe sein, wenn ich die Schule nicht besuchen durfte. Und das, glaube ich, war gar nicht schlecht. Denn für mich war das Opernstudio plötzlich wie die Schwarzwaldklinik. Die kamen alle: „Oh, heute ist das. – Oh, ich glaube, jetzt spüre ich was.“ Und ich dachte: „Mein Gott, was haben die alle?“ Und das kann ansteckend sein. Ich verstehe es auch: Wenn man nervös ist, kann man sehr schnell was kriegen, tatsächlich. Oder man bildet sich das ein. Es ist so viel Psychologie dahinter. Und ich glaube, es ist ganz gut, dass ich diese harte Schule in der Kindheit hatte: Krank sein ist was anderes. Und da muss man diszipliniert mit sich selber umgehen: Nein, komm, es ist okay. Es wird schon gehen. Und es gibt natürlich ein-, zweimal im Jahr, wo man unbedingt dann absagen muss. Ich habe es einmal erlebt, lange her, bei „Die Sache Makropulos“ mit Hildegard Behrens in der Staatsoper. Ich hatte irgendeine Magen-Darm-Geschichte und fühlte mich wirklich nicht wohl. Ich bin sogar umgekippt in meiner Wohnung vorher und ich dachte: „O Gott, schaffe ich die Vorstellung heute Abend?“ und habe eine Ansage gemacht. Und da kamen einige Sänger auf mich zu und sagten: „Ja, was ist los? Aber die Stimme ist in Ordnung!“ Ich habe gesagt: „Es war eigentlich nicht die Stimme!“ – Also für Sänger gibt es nur eine Möglichkeit. (Lacht.) Ich fühlte mich sonst schrecklich unwohl. Am besten, wenn man krank ist, dann einfach ganz absagen. Ansagen finde ich etwas problematisch.

Was tun Sie für Ihre Kondition? Oder brauchen Sie überhaupt Kondition als Opernsängerin?

Ja, doch, doch, schon. Oh, ich habe schon Fitness-Studios und alles mögliche gemacht. Seit einem halben Jahr habe ich einen Hund (lacht), und ich bin tatsächlich eineinhalb bis zwei Stunden mit ihm draußen, und das finde ich super, die frische Luft. Ich habe wirklich auch nichts gehabt, seit ich Lucky habe. Das ist ganz gut. Natürlich, selber üben, dann hofft man, dass die richtige Muskulatur gestärkt und entwickelt wird. Aber man muss schon fit sein. Glaube ich schon. Ja.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?

Als erstes geht man einfach mit dem Highlighter durch, ganz banal. Dann lese ich es, und ich versuche zuerst den Rhythmus, und Text. Ich spreche den Rhythmus zuerst vor. Ich versuche es dann, in kleine Abschnitte für mich aufzuteilen, so, dass es leichter ist zu lernen, und dass ich auch genau sehe, wo es ein Problem geben könnte. Ich versuche, ziemlich weit zu kommen ohne Repetition. Natürlich, hier im Theater ist das anders, man hat sehr früh Repetition. Aber wenn ich etwas außerhalb des Theaters lernen muss, mache ich das so. Und dann arbeite ich dann doch intensiv, aber ich möchte das Gefühl vorher haben, ich habe wirklich so viel wie möglich alleine gemacht. Und dann aufnehmen, natürlich, viel aufnehmen und selber hören, was manchmal schwer fällt. Denn du denkst: Oh, das war bestimmt toll! Und dann bist du manchmal so etwas von enttäuscht von dem Ergebnis. Aber das muss sein. Ja, und natürlich viel üben!

Sie haben vorhin gesagt, Sie haben in der Kindheit schon Gilbert & Sullivan gehört. Sie sind damit vermutlich die Gilbert & Sullivan-Expertin an diesem Theater.

O nein, das möchte ich nicht sagen!

Haben Sie denn schon mal vor den PIRATEN VON PENZANCE, in denen Sie ja auch mitgewirkt haben, schon mal Gilbert & Sullivan gesungen?

Jaa, ja, ja. Yum-Yum hatte ich gemacht, Mabel hatte ich gemacht, natürlich. „Trial by Jury“ und auch „Iolanthe“.„Pinafore“ habe ich selber nicht gemacht, aber innerhalb meiner Familie waren „Pinafore“, MIKADO und die PIRATEN die beliebtesten Stücke.

Wird es eine traditionelle Inszenierung?

Halb-halb, würde ich sagen. Ich war nicht sicher, denn die PIRATEN waren sehr traditionell, und ich hatte das Gefühl, der Regisseur wollte sich vielleicht nicht selber wiederholen. Ich bin angenehm überrascht zu sehen, dass er das nicht tut, und trotzdem – Es ist eine gute Balance, würde ich sagen, zwischen modern, von der Ausstattung, und trotzdem japanisch. Und dass wir auch Gilbert & Sullivan entsprechend spielen. Ich bin zufrieden, wirklich. Ich war am Anfang nicht sicher: Wird es wieder gut klappen? Aber ich fühle mich wohl, es ist jetzt traditionell genug. Wir müssen nicht an irgendetwas kleben, natürlich, das wäre auch falsch.

Sie übernehmen die Partie der Yum-Yum. Erzählen Sie uns ein bisschen davon.

Yum-Yum ist das junge Mädchen, das jetzt aus dem Internat kommt. Sie ist schon Koko, dem Schneider, versprochen, mit ihm verlobt. Da ist sie nicht begeistert, weil Koko viel älter ist als sie. Sie will leben, sie will etwas erleben. Eine sehr angenehme Partie zu singen. Insgesamt finde ich, Mikado hat sehr schöne Melodien. Sie soll auch spritzig sein, aber sie hat eine sanfte, runde Seite. Aber ist, ja, hoffentlich auch witzig. Das ist mein Ziel.

Welche Freiheiten haben Sie bei der Interpretation dieser Rolle gehabt?

Ich konnte mit dem Regisseur Holger Seitz schon darüber reden, wie ich es schon erlebt habe. Das ist natürlich nicht immer der Fall. Viele Regisseure wollen das nicht wissen. Das war sehr schön. Auch mit Benjamin Reiners, dem Dirigenten. Das war sehr schmeichelhaft, dass er zuhören wollte, was ich schon gehört hatte. Ansonsten – Ich fühle mich sehr als ein Teil von einer Gruppe. Es ist nicht so, als ob ich plötzlich sage: Ich will unbedingt zwei Schritte vor den anderen stehen. Das entspricht nicht meinem Wesen. Ich will mich eigentlich anpassen und trotzdem der Rolle gerecht werden.

Was ist das Schönste an Ihrer Partie – Sie haben gerade schon erwähnt, dass sie sehr rund ist und sanft – und was ist das Schwierigste daran?

Ja, manches scheint sehr leicht und sehr einfach. Ich glaube, das ist eine Binsenweisheit: Was leicht scheint, ist meistens nicht so. Man muss es trotzdem machen wie der Schwan auf dem See, so elegant oben: Man sieht überhaupt keine Mühe, aber unter dem Wasser arbeitet er wie verrückt. So muss es bei uns auch sein. Das Lied von Yum-Yum liegt mir sehr am Herzen, und das muss mühelos und schwebend klingen. Das ist manchmal leichter, und manchmal nicht.

Yum-Yum ist, wie Sie vorhin schon gesagt haben, ein junges Mädchen, das gerade aus dem Internat kommt und sich in Nanki-Poo verliebt. Aber als sie dann hört, dass sie, wenn er stirbt, mit verbrannt werden soll, da flacht die Liebe dann schon ein bisschen ab. Ist sie wankelmütig?

Nein, ich sehe das nicht so: Koko hat auch vorher im Finale eins gesagt, dass er bereit ist, Yum-Yum aufzugeben. Und er liebt Yum-Yum sehr, keine Frage! Aber er liebt sich selber mehr. Da, finde ich, ist Gilbert einfach vernünftig. Let’s be honest! Wie viele wollen wirklich lebendig begraben werden, auch für den schönsten Adonis der Welt? Ein brutaler Tod! Das verzeihe ich ihr. Ich sehe das nicht als wankelmütig, aber das ist schon viel verlangt, oder? Nicht realistisch. Und vor allem glaube ich, das ist auch das Schöne an Gilbert und Sullivan: Die zeigen die Ideale, und wichtige Leute, Autoritäten, und sagen: Komm. Let’s look at what it really is like. Schauen wir es uns an, wie es wirklich ist: Die meisten Leute, die wichtige Positionen haben, haben keine Ahnung. Die meisten Leute, die sagen, dass sie verliebt sind – naja, also: Was ist Liebe?

Aber Nanki-Poo und Yum-Yum werden glücklich am Ende.

Genau. Jaaa. Es gibt ein Happy-End. Das war lange vor Walt Disney!

Waren Sie schon mal in Japan?

Ja, das war ich, insgesamt dreimal. Ah, das habe ich vergessen bei der Frage vorher. Ja, da war ich mit Sawallisch, da war ich mit einem Projekt, in der Münchner Partnerstadt Sapporo. Da war ich mit einer Tournee für eine Kinder-Aufführung der „Zauberflöte“. Und noch einmal. In der Santori Hall habe ich auch die „Schöpfung“ gemacht.

Ist Ihnen dabei auch das traditionelle Japan begegnet?

Es war eine Augenweide. Denn es ist so voll, so viele Leute da auf kleiner Fläche. Sehr modern, sehr amerikanisch. Und tatsächlich dann doch diese Punkte von einer ganz anderen Kultur. Auf den ersten Blick denkst du: Oh, die haben zuviel von Amerika übernommen. Und dann siehst du: Nein, das stimmt nicht. Eine Hochzeit zum Beispiel. In einem Hotel, wo ich übernachtet habe, da gab es sehr viele Hochzeiten. Da war ich tatsächlich acht Wochen lang. Und, oh meine Güte, wie sie sich schmücken, Kimonos und Obis, das ist wirklich fantastisch! Ich glaube, da müsste man längere Zeit da bleiben, um es wirklich zu verstehen. Ich glaube, es ist immer noch schwierig, eine Frau zu sein dort. Als ich nach der ersten Tournee wieder zurückgeflogen und in Frankfurt gelandet bin, dachte ich: „Ja, jetzt bin ich wieder in meiner Welt, meiner Kultur.“ Obwohl ich Irin bin! Aber das war so ganz anders in Japan. Es war faszinierend.

Im MIKADO ist Kritik an der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in Großbritannien verpackt – sehen Sie da auch aktuelle Bezüge?

O ja. Komisch, als Sie gesagt haben: 19. Jahrhundert – ja, das stimmt. Ich meine, mein Gott, mit Berlusconi oder – ja, vielleicht sollte man nicht zu viel sagen. Aber Pooh-Bah ist natürlich ein fantastisches Beispiel für Korruption in Regierungen. Ja, aktuell auf jeden Fall. Ich glaube, das ist ein Teil des Reizes von Gilbert & Sullivan, oder? Nicht nur, dass die Musik hübsch ist, aber dass es immer noch so auf den Punkt trifft.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Hmm. Ich finde, es hat durchweg die stärkste Musik. Fast jede Nummer ist gut. Aber das ist vielleicht zu einfach, ich weiß es nicht. Ich glaube auch, dass es dieser Kontrast zwischen Japan und der westlichen Welt ist, das ist es auch vielleicht, eine gelungene Handlung, gelungener Text. Aber, gute Frage, denn, ich meine, PIRATEN hat auch starke Nummern. Aber es gibt so viele „winners“ in MIKADO, und so viele, die umgangssprachlich bekannt sind, immer noch, in der englischen Sprache. Ich glaube, das muss es sein, oder?

Ist der Humor dieses Stückes ein englischer, oder ist es ein allgemeingültiger?

Ich behaupte, guter Humor ist dann vielleicht doch allgemein. Aber es hat natürlich diese englischen Nuancen. Wie dieses berühmte Understatement. Ja.

Noch ein paar abschließende Fragen: Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Es kommt darauf an. Ich bin schon lange dabei, aber wenn es etwas Neues ist, insbesondere wenn es ein neues Stück ist oder vielleicht ein neuer Spielort, kann es mir auch passieren. Nicht in der Art wie viele Leute, dass ich da schwitze und flattere, nein, ich merke, dass meine Konzentration vielleicht nicht fokussiert ist oder dass ich das Gefühl habe: O Gott, jetzt bin ich müde. – Und das ist natürlich Quatsch: Das bin ich nicht. – Was tue ich? Ja, vor vielen, vielen Jahren hat eine Lehrerin mir gesagt: „The antidote to nerves is a clear conscience.“ (Gegen Nervenflattern hilft ein reines Gewissen.) Und das stimmt. Wenn man das Gefühl hat, ich habe wirklich meine Hausaufgaben gemacht, ich habe alles gecheckt, ich bin rechtzeitig ins Bett gegangen, ich habe wirklich dieses Stück in mir drin, dann muss man, auch wenn das Herz klopft, sagen: „Beruhige dich. Es wird gut.“ Und auch bei Stressbewältigung sagt man sowieso: „Denk nicht zu weit voraus!“ Denk nur an die nächste Nummer, oder den nächsten Takt, oder das, was als Nächstes passiert. Und das versuche ich.

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Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Ich empfinde es schon als sehr schön – auch wenn ich vorher gelästert habe über die Arbeitszeiten, aber die Tatsache, dass ich nicht irgendwo um 8 Uhr sein muss, oder jeden Tag das gleiche habe. Es gibt schon viel Abwechslung. – Das Nervigste ist, dass man immer selbstkritisch sein muss und immer eigentlich demütig sein muss und sagen: Nein, wir müssen wieder von vorne anfangen. Dass man immer sich selber betrachten muss, das finde ich schwer. Aber das ist nur eine Seite. Ja, es gibt sehr, sehr viel Konkurrenz. Und da muss man ehrlich sein und sagen: „Ja, das habe ich nicht gut gemacht.“ Oder Kritik, natürlich. Ob es in einer Zeitung ist, dann musst du das – ja, ich finde nicht am nächsten Tag lesen. Aber vielleicht in einem Monat oder so. Oder man hört es. Es gibt so viele Sänger, die sagen: „Ich lese es nie.“ Das stimmt. Ich suche es nicht heraus. Aber irgendjemand dann sagt: „Oh, übrigens, das tut mir leid.“ Oder: „Übrigens, Gratulation!“ Und dann siehst du es, und dann musst du wirklich ehrlich sein und überlegen: „Was ist dran? Stimmt das? Stimmt das nicht?“ Ich finde diese Nabelschau manchmal nervig.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Nein. Das klingt jetzt nicht besonders ehrgeizig, aber: Ich würde gerne viel mehr ins Oratorium gehen. Früher habe ich mehr, wie gesagt, „Schöpfung“ und „Messias“ und „Matthäuspassion“ gemacht. Ich würde gerne zurück ins Konzertfach gehen. Allerdings bin ich ein Bühnenmensch, das stimmt. Ich würde gerne … das ist jetzt ein Geheimnis: Ich würde gerne etwas spielen, ohne Gesang. Straight. Wirklich Sprechtheater. Aber ich würde es niemandem auf Deutsch zumuten. Also dann auf Englisch. (Lacht.)

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses tolle Interview und Toi-toi-toi für die Premiere!

Vielen Dank! Es hat Spaß gemacht!

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Herr Peters, herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben zu einem Interview für das Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns bitte etwas zu Ihrem Werdegang?

Ich habe meine Ausbildung gemacht hier in München an der privaten Schauspielschule Gmelin. Wie ich zur Schauspielerei gekommen bin, war ein bisschen ein Zufall. Ich hatte früher meine eigene Band und sollte irgendwann die Filmmusik schreiben für einen Kurzfilm, den ein Freund von mir machen wollte. Und der sagte: „Ja, du warst doch in der Schul-Theatergruppe, du kannst doch auch spielen, spiel doch noch mit.“ Da habe ich jemand kennengelernt, der eine Laienspieltruppe hat, und habe dann mit denen eine Produktion gemacht – lustigerweise war das „Der Goggolori“, was wir ja vor kurzem hier im Foyer gemacht haben, wo ich ebenfalls die Rolle des „Aberwien“ gespielt habe – rund 20 Jahre später! Sie sehen, ich habe mich gut gehalten. Dann hat sich das alles ein bisschen verselbständigt, bis ich dann eben meine Ausbildung gemacht habe. Die dauerte drei Jahre, dann kam mein erstes festes Engagement in Ingolstadt, dann kam Augsburg, und jetzt eben Staatstheater am Gärtnerplatz.

Sie haben gerade schon gesagt, Sie sind über die Musik eigentlich zu dem Beruf gekommen. Welche Musik haben Sie als Kind gehört?

Ich habe als Kind relativ harte Musik, also was man zur damaligen Zeit als hart verstanden hat, gehört. Heavy Metal, im weitesten Sinne, Iron Maiden, Judas Priest. Meine erste Band allerdings, also meine erste Platte, war von Supertramp. Ich habe mich dann irgendwann mal auch gelöst von Lieblingsrichtungen und habe mich in allen Sparten umgehört, was es da noch so gibt. Ich mag eigentlich heute immer noch sehr viele verschiedene Musikrichtungen. Womit ich nicht so viel anfangen kann, ist Techno, aber ich versuche gerne, mich in jede Musikrichtung einzuhören und zu entdecken, worum es dort geht.

Ich denke da an Ihre Interpretation der Rolle des Freddy Eynsforth-Hill in „My Fair Lady“. Sehen Sie sich als singender Schauspieler oder „nur“ als Schauspieler?

Ich sehe mich absolut als singenden Schauspieler. Ich mache auch nach wie vor immer noch Musik nebenher. Das hat sich für mich immer bedingt, beziehungsweise, das hat einander immer unterstützt und gegenseitig bereichert. Musikalität auf der Bühne ist essentiell wichtig, gerade auch im Schauspiel. Ich finde zum Beispiel, dass alle Texte einen eigenen Rhythmus haben. Schiller hat eine ganz eindeutige Sprachmelodie, genauso wie ein Goethe, ein Shakespeare sowieso. Auch die modernen Texte. Ich denke, es geht immer darum, die Melodie eines Textes zu erfassen, zu interpretieren und dann zu „verkörpern“.

Welches Instrument spielen Sie?

Richtig gelernt habe ich Schlagzeug und habe mir dann aber selber so ein bisschen das Bass-Spielen, das Gitarre-Spielen, und auch ein klein wenig Klavier beigebracht.

Welche Sprachen sprechen Sie, und in welchen Sprachen würden Sie auch singen?

Ich spreche sehr gut Englisch. In dieser Sprache singe ich auch mit der Band, die ich im Moment habe. Ansonsten spreche ich keine Sprache fließend. Ich habe ein bisschen Französisch in der Schule gehabt. Aber ich fände es auch sehr reizvoll, in einer Sprache zu singen, die man selber nicht fließend spricht. Ich finde zum Beispiel Spanisch eine wahnsinnig tolle Sprache. Die würde ich gerne können, aber ich bin bis jetzt noch nicht dazu gekommen, mir sie anzueignen.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Ja, natürlich ganz viele. Aber ich habe jetzt nicht ein Haupt-Vorbild, nach dem ich strebe. Ich möchte von vielen Sachen lernen und vielen Sachen etwas abgewinnen. Von daher lasse ich mich gerne von den Dingen beeinflussen, die meines Weges kommen.

Sie sind ja hier am Theater sehr vielseitig unterwegs: Musical, Operette. Welche Aufnahmen aus diesen Genres hören Sie privat am liebsten?

Ich wurde hier bislang nicht in der Oper eingesetzt in einer Singpartie. Jetzt kommt der „Henker“ im Joseph Süss auf mich zu. Wenn ich die Oper jetzt mal dazunehme, gucke ich mir eigentlich am liebsten von den Dreien eine Oper an. Lieber noch als ein Musical. Ich finde, die Oper ist so etwas Großes, Gewaltiges, das mir zum Gucken sehr, sehr viel mehr Freude bereitet als die anderen beiden.

Bevorzugen Sie eine spezielle Oper?

Nein, in dem Sinne nicht. Ich habe vor ein paar Jahren an der Staatsoper hier eine Aufführung von „Tristan und Isolde“ gesehen, da hat noch Herr Jerusalem den Tristan gesungen, der mich sehr beeindruckt hat, weil er eigentlich stimmlich im letzten Akt schon ein bisschen…ja, wie sag ich’s…ein bisschen müde war, sage ich jetzt mal. Das soll nicht despektierlich klingen. Ich habe sehr, sehr großen Respekt vor diesem Mann, weil der das trotz allem durchgezogen hat und mit einem Stolz auf der Bühne stand, auch beim Schlussapplaus, wo die eine Hälfte des Saales gejubelt und die andere Hälfte gebuht hat. Das hat mich sehr beeindruckt. Seitdem verfolgt mich diese Oper so ein bisschen. Und „La Traviata“ habe ich sehr gerne – bestimmt auch durch meine Erfahrung hier am Gärtnerplatz mit meinem Stück „Orchesterprobe, Traviata, III. Akt“.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Ja, das hatte ich schon. Ich habe ganz zu Beginn – also bevor ich mein erstes Festengagement hatte – mit der britischen Performance-Theatertruppe „Forced Entertainment“ zusammengearbeitet, was eine sehr, sehr tolle und spannende Theaterarbeit war. Das war sehr improvisativ und so eine ganz andere Art von Theater. Es war eine 24-Stunden-Performance, also wir standen tatsächlich 24 Stunden am Stück auf der Bühne. Das war damals noch eine Koproduktion zwischen dem „Spielart-Festival“ hier in München und dem Londoner Theaterfestival „LIFT“. Damit sind wir auch in München aufgetreten, und mit der Produktion sind wir dann so ein bisschen getourt. Also, wir waren eben in England unterwegs, in Holland haben wir gespielt, auch in Wien.

Gibt es Komplikationen, die sich aus dem Lebensrhythmus eines Sängers an einem Theater ergeben?

Komplikationen inwiefern?

Zum Beispiel lange Probezeiten oder geteilte Probezeiten, oder morgens eine Probe, abends ein Auftritt. Oder auch mal durchgehend frei, wenn andere Leute nicht frei haben.

Dadurch, dass ich einen kleinen achtjährigen Sohn habe, einen ganz zauberhaften kleinen Mann, wird es manchmal mit der Betreuung ein bisschen schwierig, wenn die Regisseure entweder geteilte oder lange Proben ansetzen, also der eine von 10 bis 16 Uhr, der andere von 10-14 und 18-22 Uhr. Wenn das so ein bisschen durcheinander geht, wird es bei mir mit der Betreuung ein bisschen schwierig, weil meine Frau auch berufstätig ist. Aber ansonsten gewöhnt man sich natürlich – wie an alles im Leben – auch an solche Rhythmen.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was tut ihr überhaupt nicht gut?

Überhaupt nicht tut meiner Stimme gut: Verrauchte Räume. Also da bin ich sehr empfindlich geworden mittlerweile. Früher war das nicht so dramatisch. Ich bin ein glühender Anhänger des Rauchverbotes in öffentlichen Kneipen und auch in Konzerthallen. Was meiner Stimme gut tut, ist innere Gelassenheit und Zufriedenheit.

Was tun Sie für Ihre Kondition? Müssen Sie etwas für Ihre Kondition tun?

Ich weiß nicht, ob ich etwas tun muss, ich tue es aber trotzdem. Ich gehe joggen. Das versuche ich auch dreimal die Woche zu praktizieren, um mich so fit zu halten, weil ich doch merke, dass eben die Kondition für das Singen und für das Auf-der-Bühne-Stehen wirklich das A und O ist. Zum Beispiel bei einer Doppelvorstellung von „Der Zauberer von Oz“, wo ich ja als Vogelscheuche einzeln besetzt bin. Das geht unverschämt auf die Kondition. Oder auch bei der „Fledermaus“, wo ich zwar nichts zu singen habe und auch in den ersten Akten eigentlich kaum Text – aber die ganze Zeit da zu sein und dann im dritten Akt so plötzlich das Tempo anzuziehen, diese Figur zum Frosch zu ändern…das sind so Konditionssachen, dass ich das Gefühl habe, wenn ich nichts tun würde, mich nicht um meine Kondition kümmern würde, dann würden mir solche Rollen vielleicht schwerer fallen.

Dann möchte ich gleich einmal einhaken bei der „Fledermaus“: Es ist wirklich beeindruckend, wie Sie jedesmal einen neuen Text bringen und jedesmal auf tagesaktuelle Ereignisse Bezug nehmen. Schreiben Sie Ihre Texte selber?

Ja, ich kümmere mich selber um die Texte. Manchmal ist es so ein bisschen angelehnt an aktuelle Zitate, Politikerzitate oder Ähnliches, die sehr markant sind. Und die funktionieren hier immer am besten, wenn man sie in den Kontext des einfachen Mannes setzt, der der Frosch ja letztlich ist. Diese Figur des Frosches hat natürlich auch diese Tradition, dass man das auch ein bisschen von ihr erwartet, tagesaktuell zu sein. Man kann sich hier zwar viel erlauben. Man sollte sich aber nicht zu viel erlauben, denn ich finde, es ist ein schmaler Grat der Komik, auf dem man sich hier bewegt.

Wie diszipliniert müssen Sie als singender Schauspieler leben?

Also, ich glaube, sehr diszipliniert, was gerade solche Sachen wie Kondition oder so betrifft. Ich versuche, vor Aufführungen genügend Schlaf zu bekommen. Also so ganz durchnächtigt spielen sollte ich persönlich jetzt nicht allzu oft – es kommt natürlich auch immer ein bisschen auf die Partie an. Wenn das jetzt wirklich nur eine kleine Geschichte ist, dann ist das nicht so dramatisch, aber gerade so was wie „Die Fledermaus“ oder jetzt hier auch „Mikado“, „Zauberer von Oz“ und „La Cage aux Folles“: Das kann ich mir nicht vorstellen, dass ich das auf lange Sicht durchhalten könnte, wenn ich jeden Abend feiern gehen würde und mich mit zwei Stunden Schlaf dann auf die Bühne schleppe. Ich glaube, das würde nicht sehr lange unterhaltsam sein – auch für mich nicht. Von daher möchte ich da meinen Beruf auch ernst nehmen und versuchen, auf mich acht zu geben.

Sie haben jetzt gerade schon die Neuproduktion angesprochen: DER MIKADO. Sie haben da die Rolle des Erzählers. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Also, in dem Sinne „vorbereitet“ habe ich mich auf diese Rolle eigentlich nicht, weil es ja rein von der Wesensart dieser Rolle eine ist, die so ein bisschen außen steht. Die Rolle gibt es ursprünglich in dem Stück nicht, also im englischen Original. Die wurde von, ich glaube, dem Übersetzer oder den Übersetzern dieser Fassung, die wir spielen, eingefügt. Ich habe das zunächst nur auf mich wirken lassen und habe überlegt: Was kann man machen, wie kann man das umsetzen, was die Übersetzer wollten: eine Brücke zu schlagen von der Handlung und den Darstellern zum Publikum, das Publikum an die Hand nehmen, und so ein bisschen durch das Stück führen, und das aber auf eine möglichst unaufdringliche und vielleicht auch manchmal ein bisschen bissige, vielleicht auch skurrile Art und Weise.

Erzählen Sie ein bisschen von dieser Partie. Was genau macht der Erzähler?

Wie gesagt, der Erzähler ist meines Erachtens dafür da, das Publikum durch diesen Abend zu führen, ihnen Dinge zu erklären, ihnen Dinge deutlicher zu machen oder auf Sachen hinzuweisen, und er ist auch durchaus einer, der das Geschehen so ein bisschen kritisch kommentiert. Auch, um den Leuten zu verstehen zu geben: „Ich weiß, dass ihr da seid…“ Und er bringt am Schluss das Stück zu seinem Ende.

Waren Sie schon mal in Japan?

Leider noch nicht, aber ich würde wahnsinnig gerne hinfahren. Eine der großen Städte, die ich gerne bereisen möchte, die auf meiner Liste ganz oben sind, ist Tokio.

Die Operette verpackt ja Gesellschaftskritik des 19. Jahrhunderts in den sogenannten Exotismus. Sehen Sie auch aktuelle Bezüge?

Ja, ich sehe viele aktuelle Bezüge, also ich sehe vor allem zeitlose Bezüge. Ich finde, wie in dem Stück über das Beamtentum so ein bisschen augenzwinkernd erzählt wird oder auch über die Eitelkeit der Damen und auch – in anderer Form – der Herren. Auch hat der Kollege Gunter Sonneson ein kleines Liedchen, das ursprünglich augenzwinkernd Aktualität enthalten sollte, und wir haben das…sagen wir…den momentanen aktuellen Gegebenheiten angepasst und ich finde, das tut dem Ganzen auch gut.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Gilbert & Sullivan-Stück ist?

Ich kann es nicht erklären, weil ich nicht alle Gilbert & Sullivan-Stücke kenne. Ich kann nur sagen: Ich finde, die Musik ist wirklich sehr reizend, es geht ins Ohr, es ist eine leichte Musik im absolut besten Sinne. Ich finde es auch eine sehr interessante Musik, denn ich höre manchmal Anleihen bei anderen Komponisten, Schubert zum Beispiel. Und die Mischung aus dieser Musik und die Verbindung mit Japan ist etwas, was ich persönlich so nicht kenne – das ist eine Mischung, die ganz gut aufgeht. Vielleicht macht das den Reiz aus.

Ist es eine traditionelle Inszenierung?

Das müssten Sie den Regisseur fragen. Ich würde sagen, es ist eine moderne Inszenierung mit vielen traditionellen Anleihen.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation Ihrer Rolle?

Ja. Holger Seitz hat er mir sehr viele Freiheiten gelassen. Ich spiele diese Rolle 98% mit einer Maske. Da muss man sich natürlich erst mal zurechtfinden und gucken: Was ist möglich, wie sieht das aus, wie bewegt sich diese Figur? Wir kennen uns jetzt schon wirklich sehr lange, Holger Seitz und ich. Er weiß, dass ich einer bin, der auch mal alleine an einer Rolle fummeln kann und sich so was überlegt, und das haben wir dann zusammen überprüft und dann hieß es: „Das finde ich gut, das finde ich nicht so gut, schau mal, da ein bisschen so und da könnte man ein bisschen so….“

Was ist das Schönste an Ihrer Rolle, und was ist das Nervigste?

Ich liebe es, wenn Rollen eine Körperlichkeit, also einen ganz eigenen Körper haben. Jede Rolle, finde ich, sollte auf eine eigene Art und Weise sprechen und sich bewegen können. Diese Rolle hat etwas sehr Tänzerisches, eine Mischung aus Tanz und Tai-Chi. Die Maske, die ich aufhabe, ist nicht ganz ohne, weil sie ein sehr mächtiges Trumm ist, sehr groß und sehr wuchtig, und wenn ich singe oder auch spreche, dann sammelt sich der gesamte Schall in dieser Maske und man hört von außen nichts mehr. Und der Erzähler hat eben auch drei kleine Sachen zu singen, und das ohne Mikroport-Verstärkung und – wie gesagt – oft ohne das Orchester wirklich zu hören. Und da das für mich eh etwas Neues ist, in einer Operette über das Orchester zu singen, bin ich auch sehr aufgeregt deswegen, aber der wunderbare Benjamin Reiners hat mir da sehr geholfen.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Ja, ich habe Lampenfieber. Ich glaube, dass es dazugehört, dass es auch notwendig ist, weil es einen in eine Wachheit, eine Grundspannung versetzt, die man, glaube ich, auf der Bühne braucht. Ich habe das, also bei einer großen Partie und einer großen Verantwortung, mitunter sehr stark. Aber ich versuche mich einfach durch ganz ruhiges Atmen und bewusstes Atmen herunterzuregeln, und – ja, Vertrauen zu haben. Am schlimmsten ist der Moment, bevor man auf die Bühne geht. Und wenn man dann aber auf der Bühne ist, dann verschwindet das auch meistens schnell, gottseidank.

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Was ist das Schönste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Also, das Schönste: Es ist ganz toll, solche Sachen spielen zu dürfen wie den Frosch, die Vogelscheuche, Jean-Michel. Das kann man mit Geld ja gar nicht bezahlen. Das ist so eine große Ehre, eine Chance, ja ein Glück. Ich kann da gar nicht dankbar genug sein, um dieses Glück, auch in der Vergangenheit solche tollen, großen Rollen gespielt zu haben wie den Mephisto, Don Carlos, Garcin in „Geschlossene Gesellschaft“, den Christian im Stück „Das Fest“. Da bin ich ganz, ganz dankbar.
Das Nervigste an meinem Beruf, würde ich sagen: Dass dieser Beruf so wahnsinnig subjektiv ist. Was manchmal sehr, sehr hart sein kann. Das heißt: Zwei Leute sehen ein- und dieselbe Vorstellung, ein und denselben Künstler, und der eine sagt: „Großartig!“, und der, der direkt daneben sitzt, sagt: „Der größte Mist !“ Und man selbst steht dazwischen und muss das aushalten, und sich immer wieder neu beweisen und vor jedem neuen Regisseur oder Intendanten bestehen und sich wieder neu verkaufen. Beim Eiskunstlauf kann man einen doppelten Rittberger beurteilen, den stehst du oder den stehst du nicht. Aber eine Rolle, einen Künstler, eine Interpretation, eine Nase im Gesicht kann man so oder so sehen. Das ist manchmal schwer.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ich würde wahnsinnig gerne den Higgins irgendwann mal spielen. Was das Schauspiel betrifft: Ich würde den „Theatermacher“ von Thomas Bernhard sehr gerne spielen. Später mal. Ich liebe Thomas Bernhard, das ist ein von mir ganz hochgeschätzter Autor. Und da gibt es bestimmt noch ganz, ganz viele, die mir jetzt nicht einfallen…

Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Zukunft geben?

Ich weiß bislang nur, dass ich bis Ende April noch hier bin bzw. hier gut zu tun haben werde, was danach kommt, wird man dann sehen. Ich habe großes Vertrauen in die Zukunft, fragen Sie mich nicht, woher ich das nehme…aber es wird alles gut.

Dann sage ich herzlichen Dank für dieses Gespräch und Toi-toi-toi für die Premiere!

Herzlichen Dank für dieses Interview!

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Interview mit Robert Sellier

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Herr Sellier, vielen Dank, dass Sie die Zeit gefunden haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Vielleicht können Sie uns zum Einstieg etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Mein Werdegang … Im allgemeinen oder an diesem Theater?

Im allgemeinen.

Ja, also, ich bin in München geboren, habe nach dem Zivildienst in Augsburg Gesang studiert, bin dann noch zu Studienzeiten sozusagen von Herrn Dr. Peters „entdeckt“ worden, in Augsburg. Der hat eine Hochschul-Produktion gesehen und hat mich daraufhin am Theater Augsburg für den Ferrando in „Cosi fan tutte“ und den Roderigo in „Othello“ verpflichtet und hat mir dann einen Vertrag angeboten hier am Gärtnerplatztheater.

Und wie ist dann hier die Entwicklung gewesen von Ihnen am Theater?

Entwicklung? Ich weiß nicht, wie weit Entwicklung … ich habe eigentlich in der ersten Saison schon tolle Partien singen dürfen. Es ist nicht so, dass sie mir erst mal kleinere Rollen gegeben haben und irgendwann später dann Hauptpartien – sondern ich war eigentlich von Anfang an in dem lyrischen Fach, also quasi erstes Fach, mit Tamino und Fenton und Almaviva, schon in der ersten Spielzeit. Genau. Aber das waren eigentlich alles nur Wiederaufnahmen. Erst in der zweiten Spielzeit war der Frederic in den PIRATEN meine erste wirklich große Premiere.

Nun kommt eine Neuproduktion von Sullivans PIRATEN heraus – Entschuldigung, MIKADO.

(Lacht.) Wir sagen auch immer aus Versehen PIRATEN, denn die PIRATEN haben sich so eingeprägt. Ich rede auch immer wieder von PIRATEN.

Erste Frage dazu: Waren Sie schon mal in Japan?

Nein. Ich war in Korea, in Taiwan und in Thailand, aber noch nie in Japan.

MIKADO ist ja Kritik an der damaligen britischen Gesellschaft in japanisches Gewand gepackt. Sehen Sie da aktuelle Bezüge?

Also, man kann natürlich dieses Stück sehr gut benutzen, um heutige politische Mißstände oder politischen Filz aufzuzeigen. Es geht ja sehr viel um Ämterhäufung und Ämterverstrickung und Korruption, und das alles. Das wird da sehr, sehr deutlich aufs Korn genommen. Und das ist, glaube ich, ein Thema, das nie ausstirbt. Korruption hat es immer gegeben. Solange es einen Staat oder eine Regierung gegeben hat, hat es Korruption gegeben. Sobald es Ämter gibt, gibt es Korruption. Sehe ich so.

Und da nimmt natürlich auch die jetzige Neuproduktion darauf Bezug, wahrscheinlich?

Ja. Es fallen nicht direkt Namen, aber ich glaube, das Publikum versteht schon sehr deutlich, dass das nicht etwas ist, was ausschließlich im 19. Jahrhundert stattgefunden hat.

Können Sie erklären, warum MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Da fehlt mir der Überblick. Also, ich kenne sonstige Stücke von Gilbert & Sullivan eigentlich nicht. Ich kann es jetzt nur mit PIRATEN vergleichen. PIRATEN ist auch ein fantastisches Stück. Ich finde MIKADO ein bisschen reichhaltiger noch. Es ist weniger romantisch, sage ich jetzt mal, sondern es geht wirklich mehr in Richtung Politik. Wahrscheinlich hat das einfach zu Gilbert & Sullivans Zeiten mehr eingeschlagen. Und weil die Handlung ein bisschen komplexer ist, und weil – die Texte sind absolut brillant, obwohl wir ja tatsächlich nur deutsche Übersetzungen haben. Aber auch diese Übersetzung, die wir vorliegen haben, ist ziemlich brillant, finde ich. Sowohl in den Dialogen als auch in den musikalischen Nummern. Und MIKADO ist länger als PIRATEN und, wie gesagt, komplexer.

In der Produktion – beziehungsweise in der deutschen Übersetzung – ist der Erzähler dabei. Hilft dem Ganzen das dann, durch die Übersetzung, und die Führung durch den Erzähler im Stück? Im Gegensatz zum Original – macht es das verständlicher?

Natürlich funktioniert das Stück auch ohne Erzähler. Aber ich finde unsere Version mit Erzähler sehr schön, eigentlich. Wenn es um Willkür, und auch um Beamtenwillkür und so weiter geht, haben wir dann eben noch die zusätzliche Ebene des Erzählers, der auch sozusagen willkürlich Figuren beeinflusst oder verändert, oder der einfach Szenarien baut. Das funktioniert sehr gut, finde ich.

Ist der Humor dieses Stücks englischer Humor, oder ganz allgemeingültig?

Es ist auf jeden Fall kein derber Humor. Es gibt ja Stücke, die dann eher so in der Mundart angesiedelt sind, selbst „Fledermaus“, wo der Humor manchmal eher derb ist, oder wenn es in Richtung Wienerisch geht, oder was weiß ich. Das ist – ich wollte jetzt schon PIRATEN sagen, nein (lacht) – das ist MIKADO nicht: Dieser Humor ist doch eher ein spitzfindiger, politischer, trockener und wahrscheinlich dadurch englischer Humor. Also diese Absurdität. Die Absurdität, die aber dann unterspielt wird. Wir befinden uns in ziemlich verrückten Situationen: Wenn z.B. verhandelt wird, wann genau Nanki-Poo enthauptet werden soll: in einem Monat. Dass er aber dafür Yum-Yum doch noch heiraten darf. Wie gratuliert man jetzt jemandem zu seiner Hochzeit, der einen Monat später geköpft wird??? Und all das wird ganz „normal“ verhandelt. In einem sehr hübschen, normalen Konversationston. Das ist, finde ich, etwas typisch Englisches: dass man sich über völlig bekloppte Situationen sehr gepflegt unterhält. Das finde ich sehr charakteristisch für den englischen Humor.

Was sind die Gemeinsamkeiten bzw. die Unterschiede zwischen den PIRATEN und MIKADO im Speziellen, wenn man die zwei Stücke vergleicht?

Naja, das Ganze – der Background ist irgendwie anders. Es geht, wie gesagt, in den PIRATEN sehr wenig um Politik. Da geht es vielleicht um Polizisten, die unfähig sind, um Generalmajore, die unfähig sind, um Piraten, die unfähig sind, weil sie viel zu freundlich sind. In „Titipu“ bzw. bei MIKADO geht es weniger um Unfähigkeit, sondern da geht es eher, ja, um individuelle Bestechlichkeit, jeder kocht so sein eigenes Süppchen. Es geht mehr um Egoismus. In den PIRATEN geht es darum: Die Piraten sind viel zu gutherzig und viel zu altruistisch eigentlich. In MIKADO ist jeder ziemlich egoistisch. Der eine häuft Ämter an, der andere ist, „nur“ um seinem eigenen Tod oder seiner eigenen Hinrichtung zu entgehen, selbst Scharfrichter geworden, und alle sind sie irgendwie scharf auf Hinrichtungen überhaupt. Die sind so ein bisschen „Kopf-ab-Fetischisten“, habe ich das Gefühl. MIKADO ist blutrünstiger, ein bisschen mehr für Erwachsene. Die Optik wird auch sehr hübsch sein. Aber bei den Piraten war unsere Optik natürlich sehr Postkarten-Piraten-Idyll. Bei MIKADO ist es tatsächlich eher eine fernöstliche Optik, relativ spartanisch, und mit vielen rechten Winkeln. Aber auch sehr ästhetisch, finde ich.

Und musikalisch gesehen die Unterschiede?

In der Qualität, finde ich, sind beide Stücke sehr gut, muss ich sagen. Es gibt, ja, wie es auch bei den PIRATEN gab, so Anklänge an Robert Schumann, an die deutsche Romantik, das haben wir in MIKADO genauso. Also, ich finde, beide Stücke haben absolut Hits und Hit-Qualitäten. In MIKADO sind noch mehr und auch größer besetzte Ensembles.

Gibt es also besondere fernöstliche Anklänge?

Ja, doch, es wird zitiert, aber man merkt, dass die nicht wirklich tief geforscht haben über fernöstliche Musik, sondern da kommen halt pentatonische Klischees (singt: lalala…), solche Dinger gibt es dann immer. Außerdem etwas Percussion: Ein Tempelgong, große Trommel, wenn dann der Mikado auftritt, dass man so ein bisschen dieses Martialische hat. Also – ein Klischee wird so ein Stück weit bedient. Aber die Musiksprache ist normalerweise doch sehr ähnlich wie bei PIRATEN. Also, sehr europäisch, muss ich sagen.

Wie hat der Regisseur Ihre Figur in dem Stück angelegt? Bleiben für Sie persönlich da noch Freiheiten in der Interpretation der Rolle, oder ist das vom Regisseur her sehr klar definiert?

Nein, es bleiben eigentlich immer Freiheiten. Es war nicht so, dass der Regisseur vorgibt, du musst genau das und das tun, und so schauen, und so gehen, und das und das fühlen. Dafür ist Holger Seitz eigentlich auch bekannt, dass er mit den Darstellern – dann auch mit beiden Besetzungen durchaus unterschiedlich – das gemeinsam entwickelt; eben weil der Darsteller seine eigene Körperlichkeit und seinen eigenen Erfahrungshorizont mitbringt, seine eigenen Qualitäten. Wir diskutieren schon über einzelne Farben oder über einzelne Reaktionen in bestimmten Situationen. Wie ist Nanki Poos Beziehung zu seinem Vater, kennt er seinen Vater überhaupt? Und so weiter. Und trotzdem ist die Arbeit doch in einem sehr positiven Sinne oberflächlich, das heißt, wir forschen nicht zu tief in der Psychologie der Figuren, weil dann die Komödie nicht mehr funktioniert. Also diese absurden Dialoge, die funktionieren nicht, wenn man alles psychologisch begründet und ganz natürlich spielt; sondern es muss eine gewisse Künstlichkeit im Sinne von Unterspielen haben, im Sinne von „trocken“. Klipp-klapp, hat es Holger Seitz immer genannt. Klipp-Klapp-Komödie. Es hat etwas von Boulevard-Komödie. Wo es einfach durchrauschen muss, ohne dass man groß nachfragt: Ja, was meine ich denn jetzt ernst?, oder: Wie ist das denn jetzt gemeint? An den Dialogen haben wir auch sehr viel geprobt, dass die wirklich auf Tempo sind und wirklich auf den Punkt, und dass jede Pointe sitzt, ja. Es war eine anstrengende und sehr schöne Arbeit.

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Wie ist das denn allgemein bei Ihnen? Es gibt ja die sehr schönen Seiten des Sänger-Daseins, aber auch die schwierigen Seiten. Wie würden Sie das sehen?

Also die schönen Seiten: Wenn man arbeiten darf, ja, wenn man als Sänger Arbeit hat, sich bei Proben einbringen darf, und vor allem wenn man dann am Abend singen darf, ist das wunderschön. Natürlich, dass man jedes Jahr, jeden Herbst, um seinen Arbeitsplatz bangt, manchmal zu Unrecht, manchmal zu Recht, jetzt in unserem Fall für alle zu Recht, ist natürlich eine unschöne Komponente. Aber das gehört dazu, und wir wussten das alle von Anfang an, dass man als Solist an einem deutschen Theater, wenn man nicht fünfzehn Jahre an einem Haus aushält oder ausgehalten wird, dass man dann einfach sich jederzeit auf einem Schleudersitz befindet. Das ist so.

Nun ist das ja ein krasser Schnitt jetzt gewesen, von dem neuen Intendanten, natürlich.

Ja.

Haben Sie da in Zukunft schon Pläne, wie es bei Ihnen weitergeht, allgemein, ein neues Engagement, oder Pläne für die Zukunft?

Ich habe schon Vorstellungen wie es weitergehen kann. Es gibt für mich Gründe – auch private, dass ich meine Zukunft sehr offen halten muss. Das heißt, ich werde wahrscheinlich nicht sofort wieder in ein festes Engagement gehen und suche auch nicht unbedingt danach, sondern ich würde gerne freischaffend tätig sein und meine Konzerttätigkeit auch weiter ausbauen, die nächsten zwei Jahre vielleicht. Wer weiß. Vielleicht möchte ich mich dann doch wieder an ein Haus fest binden, ich weiß es noch nicht.

Mit neuen Rollen, die noch dazukommen?

Ja, es gibt schon Rollen, die mich in Zukunft mal interessieren. Ja. Trotzdem gibt es auch Rollen, die ich jetzt natürlich einfach weiterhin singen sollte. Ich denke, ein Haus, das sich sozusagen für mich interessiert, wird sich wahrscheinlich auch für meinen Tamino interessieren, weil das im Moment doch meine Vorzeige-Rolle ist.

Und neue Rollen, die Sie im Blickfeld haben, die kommen?

Ja, da träume ich schon sehr lange davon: Ich möchte einmal einen Monteverdi-„Orfeo“ singen. Ich weiß noch nicht, wann und wie und wo das passieren wird, aber ich halte Augen und Ohren offen nach einer Gelegenheit. Das ist etwas, was mir sehr am Herzen liegt, was ich dringend mal machen möchte. Was mich sonst noch interessieren würde, das liegt noch an unserer „Death in Venice“-Produktion: Dieser Britten hat es mir sehr angetan. Ich würde gerne mal in die Fußstapfen von Peter Pears treten und nach jüngeren Rollen von Peter Pears forschen. Britten hat natürlich für seinen Lebensgefährten so fantastische Partien geschrieben, und da werde ich mich auch darum kümmern die nächsten Jahre, da ein bisschen was zu studieren.

Dann wünsche ich Ihnen für die Zukunft und vor allem für die Premiere am Samstag alles Gute, und bedanke mich für das Gespräch!

Vielen Dank auch!

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Interview mit Gunter Sonneson

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Herr Sonneson, herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns doch bitte etwas zu Ihrem Werdegang.

Jeder, der sich für eine Theaterkarriere als Sänger oder Schauspieler entscheidet, sollte wissen, dass dazu nicht nur Talent und Disziplin gehören, sondern auch viel Glück. Also, ich hatte großes Glück. Es begann schon in der Schule, wo mich mein Musiklehrer überredete, im Schulchor zu singen (es war ein Mädchenchor). Musische Erziehung, erste Stimmbildung, chorisches Singen, Akkordeon- und Gitarrenunterricht habe ich ihm zu verdanken. Seinem Wunsch, klassischen Gesang zu studieren, habe ich allerdings nicht entsprochen. Lieber sang ich zur Gitarre Chansons und Schlager. Nach einem dieser Auftritte fragte mich ein Schauspieler lapidar: Warum gehst Du nicht zum Theater? Weil ich neugierig war, ging ich also zum Theater. Als Autodidakt sang ich im Chor, tanzte im Extraballett, spielte kleine Rollen im Schauspiel. An diesem Provinztheater hatte ich das Glück, dass ich einen Oberspielleiter hatte, der mich zu einer fundierten Ausbildung drängte. Weil ich aber am Theater bleiben wollte, wählte ich die Form des externen Studiums, spielte und studierte parallel, lernte das Handwerk also von der „Pike“ auf, legte nach 5 Jahren die Bühnenreifeprüfung ab und erhielt gleichzeitig ein Engagement als singender Schauspieler am Metropoltheater Berlin. Es folgten 25 herrliche Jahre, die für meine Entwicklung sehr wichtig waren, und in denen ich mich in der Vielseitigkeit meines Berufes so richtig austoben konnte. Das waren Operetten- und Musical-Rollen im Theater, Verpflichtungen als Schauspieler in Kinofilmen und Fernsehspielen, Synchronsprecher, Auftritte als Entertainer im Friedrichstadt-Palast und als Moderator und Sänger in Fernsehshows.
Der Co-Produktion der Kollo-Operette „Wie einst im Mai“, zwischen dem Metropoltheater und dem Staatstheater am Gärtnerplatz, habe ich zu verdanken, dass ich, zunächst als Gast, nach München kam. Aber schon während der Probenzeit machte mir Professor Matiasek das Angebot, doch fest in das Ensemble zu wechseln. Es folgten 4 Jahre, in denen ich fixe Verträge an beiden Theatern hatte, dann wurde das Metropoltheater weggespart. Jetzt heißt es wieder Admiralspalast und ist ein Theater ohne Ensemble und ohne Seele.

Das heißt, Sie konzentrieren sich jetzt eher aufs Singen und nicht aufs Schauspielen?

Ich glaube, das kann man nicht trennen. Außerdem stehe ich auf der Bühne mit Kollegen, die gute Darsteller sind und die sich gesanglich in einer anderen Liga befinden. Wenn man sich als junger Schauspieler für das Musiktheater entscheidet, weiß man natürlich, dass man nicht mehr den Romeo zu spielen bekommt. Wobei ich gestehen muss, ich habe nicht gedacht, dass mit meinem Umzug nach München die Verpflichtungen bei Synchron, Film und Fernsehen völlig wegbrechen. Es haben sich aber in München andere Felder erschlossen. Ich konnte an anderen Theatern gastieren, auch im Schauspiel. So habe ich am Staatstheater Meiningen die Titelrolle in „Der Entertainer“ gespielt, am Schauspielhaus in Baden-Baden den Magier in der deutschen Erstaufführung „Hotel zu den zwei Welten“, habe an vier Theatern den Higgins gespielt und „My Fair Lady“ am Bayerischen Landestheater inszeniert. Aber die Unterschiedlichkeit der Rollen, die ich am Gärtnerplatztheater spielen durfte, von Sancho Pansa in „Mann von La Mancha“, Calicot in „Madame Pompadour“ bis hin zum Kringelein im „Grand Hotel“ haben mich nicht nur als Sänger, sondern auch als Schauspieler voll gefordert.

Hilft Ihnen Ihre szenische Ausbildung auch bei der musikalischen Ausgestaltung der Rolle?

Jedenfalls ist sie nicht hinderlich. Ich hatte ja das ganz große Glück, eine Sprecherzieherin zu haben, Frau Hildegard Pürzel, der ich sehr zu danken habe. Sie hat nämlich die Sprecherziehung am Klavier gemacht, und wir haben Übungen gemacht, die die Sänger auch machen. Sie hat aber viel mehr Wert auf den Inhalt gelegt. Also, sie hat nicht gesagt: „Du singst jetzt Bla-bla-bla“, sondern sie hat gesagt: „Du musst dir genau dabei etwas denken, wenn du jetzt diese Übung singst. Auch wenn du es nur auf Vokalisen singst.“ Und das haben wir so weit getrieben, dass sie manchmal erraten hat, was wir gedacht haben. Dieses „immer an den Inhalt denken“ war so ungeheuer wichtig für meine Ausbildung.

Welche Musikrichtung hören Sie privat?

Das ist ganz unterschiedlich. Aber schon durch meinen Sohn werde ich gezwungen, mir aktuelle Popmusik anzuhören und mich damit auseinander zu setzen. Einiges gefällt mir sogar. Ich bin mit der Musik der Beatles groß geworden; mit den Anfängen der Popmusik, die wir damals noch Beat nannten, und dieser Art von Musik bin ich eben verhaftet. Aber natürlich höre ich auch andere Musik. Sehr oft z.B. die Brandenburgischen Konzerte. Aber jedes Ding zu seiner Zeit, und das richtet sich auch nach meiner momentanen Stimmung.

Welche Sprachen sprechen Sie, und in welchen Sprachen spielen oder sprechen Sie?

Ich spreche keine Fremdsprache so, dass ich sie auf der Bühne einsetzen kann. Deshalb singe ich auch nicht in einer anderen Sprache, was mich im Laufe der Jahre sehr, sehr geärgert hat. Ich bin ein großer Fan von Jacques Brel und habe am Opernhaus Halle mit einer Big Band auch mal einen Jacques-Brel-Abend gegeben. Obwohl es gute Nachdichtungen seiner Texte gibt, habe ich sehr bedauert, dass ich diese herrlichen Chansons nicht in der authentischen Sprache singen konnte.

Welche Opern- oder Operetten- oder Musical-Aufnahme, also Sachen, die Sie selber spielen bzw. singen, hören Sie privat am liebsten?

Hmm. (Lacht.) Eigentlich gar nichts. Ich höre mir Dinge an, die mich interessieren, oder von denen ich glaube, dass es lohnend ist, sich mit ihnen zu beschäftigen. Wirklich nur ein Gelegenheitshörer. Queen gehört aber ebenso dazu wie Sinatra. Übrigens, die Musik von Rio Reiser hat viele Musiker in Deutschland beeinflusst. Seine Musik und seine Interpretation sind sehr beeindruckend.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Nein, eigentlich nicht. Aber wenn ich sage, dass ich mir gern Brel oder Reiser anhöre, dann natürlich auch, um von ihnen zu lernen. Ich bin auch ein ausgesprochener Fan von Buster Keaton, aber auch von James Steward. Schauspieler, die schnörkellos, uneitel und mit einer herrlichen Naivität spielen. Ich mag Darsteller, die mit so einer ungeheuren, ich sage mal, professionellen Naivität an die Rollen herangehen. Von deutschen Schauspielern möchte ich unbedingt Ulrich Tukur erwähnen: ein großartiger Schauspieler und Entertainer.

Sie sind auch auf Kreuzfahrtschiffen als Entertainer unterwegs. Haben Sie auch noch andere internationale Auftritte?

Ja, die hatte ich. Aber nur mit meinen kabarettistischen Soloprogrammen. Damit war ich immerhin in Frankreich, Österreich, Syrien und Jordanien. Das war aber noch zu Zeiten der DDR, wo die Künstler dieses Landes als Exoten galten, wo man neugierig war, wie sich die Widersprüche ihrer Gesellschaft in den Texten und Liedern wiederfinden. Vieles musste man aber vor den Geschichten erst erklären. Das führte manchmal dazu, dass die Erklärung der Widersprüche mehr Heiterkeit auslöste als die folgende Darbietung.
Da ich seit 25 Jahren auf Kreuzfahrtschiffen die Weltmeere als Entertainer bereise, habe ich aber viele Länder, das heißt viele Hafenstädte gesehen. Diese Auftritte, hautnah vor dem Publikum, mit dem man während der jeweiligen Reise ja auch lebt, finde ich besonders reizvoll. Ein schöner Kontrast zur großen Theaterbühne.

Was tut Ihrer Stimme gut und was ist gar nicht gut, oder was schadet ihr?

Es tut meiner Stimme ungeheuer gut, wenn sie gefordert wird, wenn sie am Laufen ist. Mir tut es überhaupt nicht gut, wenn ich zum Beispiel sechs Wochen lang nicht auf einer Bühne stehe. Der Einsatz der stimmlichen Mittel auf der Bühne unterscheidet sich ja schon physisch vom Singen und Sprechen im stillen Kämmerlein. Meine Lehrerin hat mir immer wieder eingeimpft, etwas für die Stimme zu tun, sie fit zu halten. Ich habe immer noch das kleine Übungsheft, das sie für uns angelegt hat, wo sie nicht nur Übungen hineingeschrieben hat, sondern auch Merksätze. Einer der ersten Merksätze lautete: „Auf die Haltung kommt es an.“ Ich glaube, dieser Satz war für mich ungeheuer wichtig. Das meint: Die Haltung zur Gesellschaft, die Haltung zur Umwelt, die Haltung zum Stück, die Haltung zum Partner, die Haltung zu politischen Ereignissen und zum Theater. Da sind neben diesen Merksätzen aber auch viele Übungen darin, und die mache ich heute noch. Täglich und oft ganz nebenbei. Ich spreche mich also ein. Meine Kollegen machen sich immer schon lustig, denn wenn ich ins Theater komme, hört man schon meine Übungen, noch bevor ich die Garderobe betreten habe. Vordersitz und Lockerung der Stimme sind eben sehr wichtig.

Wie diszipliniert müssen Sie in Ihrem Beruf leben?

Mit zunehmendem Alter disziplinierter. In jungen Jahren war ich oftmals recht leichtsinnig, bin auch leichtfertig mit den Angeboten umgegangen, die ich bekommen habe. Aber ich habe seit dreißig Jahren nicht mehr geraucht. Ich trinke zwar ab und zu sehr gern Rotwein, aber wenn eine Vorstellung ansteht, ist auch der Alkohol tabu. Wütend macht es mich aber auch, wenn ich Besuch bekomme, und man mir schon zur Begrüßung sagt: „Entschuldigung, ich bin etwas erkältet.“ Dann kann man eben nicht jemanden besuchen, der mit der Stimme seine Brötchen verdient.

Kommen wir zur Neuproduktion DER MIKADO von Gilbert & Sullivan. Sie haben die Rolle des Koko übernommen. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Ich habe mir rechtzeitig das Textbuch geben lassen und habe mir sehr zeitig von unserem musikalischen Leiter, Benjamin Reiners, die Musik vorspielen lassen, und habe mir Gedanken gemacht zu meiner Figur. Immer wieder vor Augen haltend: Die Haltung. Welche Haltung beziehe ich? Die ist ja nicht unwichtig, wenn einer die Seiten wechselt, als einer, der zum Tode verurteilt ist, „begnadigt“ wird, um nun Henker zu werden. Wie verhält der sich auf einmal, wenn er auf einer ganz anderen gesellschaftlichen Ebene sich bewegt? Das war für mich sehr wichtig. Ansonsten habe ich es mir schon lange abgewöhnt, mich intensiv so auf ein Stück so vorzubereiten, dass ich mit ganz klaren Vorstellungen in die szenischen Proben gehe, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass das nur hinderlich ist, wenn man dann konfrontiert wird mit den Vorstellungen des Regisseurs, denn seine Sicht lerne ich ja erst bei Probenbeginn, bei der Konzeptionsbesprechung kennen. Es ist viel schwieriger, von gefassten Vorstellungen abzukommen, als völlig naiv und unbelastet an Dinge heranzugehen, auszuprobieren und zu sehen, ob das, was der Regisseur vorschlägt, der Figur dienlich ist, theatralische Möglichkeiten ausschöpft und die Funktion der Figur erfüllt, auch im Kontext zu den Partnern, mit denen man ja gemeinsam auf der Bühne steht.

Sie haben es vorhin schon angesprochen: Der Koko, der vom Opfer zum Täter wird und wieder zurück. Erzählen Sie uns noch ein bisschen von Ihrer Partie.

Ja. Also, das ist schon eine herrlich groteske Geschichte. Koko ist zum Tode verurteilt, weil es in Japan wohl verboten war, zu flirten. Er hat geflirtet und wurde deshalb zum Tode verurteilt. Er wurde aber begnadigt, weil in Titipu gerade die Position des Scharfrichters neu zu besetzen war, und der Kaiser, also der Mikado, hat gedacht: Na, dann machst du den einfach zum Scharfrichter. – Was für die Beamten dort natürlich ein Schock war. Die wussten ja, der war vorher ein zum Tode verurteilter Flickschneider und kommt jetzt hierher, kann jetzt die Macht ausüben und könnte jetzt auch uns hinrichten. Keiner weiß, das ist ein windiger Trick der Autoren, dass der Mann kein Blut sehen kann und sich deshalb weigert, jemanden zu köpfen. Er muss es dann letztendlich doch machen. Schlitzohrig, wie er ist, kommt er aber darum herum und wählt das kleinere Übel, indem er die Frau heiratet, von der immer gesagt wird, dass sie so furchtbar hässlich ist. Aber um seinen eigenen Kopf zu retten, springt er eben ins kalte Wasser, macht ihr Liebeserklärungen, die ungeheuer verlogen sind, aber so rettet er sich, rettet sein Leben und trägt dazu bei, dass diese Operette doch noch ein gutes Ende findet.

Nanki-Poos Stern steigt, und im Gegenzug sinkt Kokos Stern. Sehen Sie ihn als tragische Figur?

Tragikomisch. So wie Buster Keaton, der auch oft mit Materie und der Tücke des Objektes kämpft. Aber Koko lernt sehr schnell von seinen neuen Mitmenschen, von den Beamten, unter denen er sich ja nun bewegt, und kann sich dann auch mit seiner Bauernschläue sehr findig sogar gegenüber dem Kaiser aus der Affäre ziehen. Also, er ist schon ein Schlitzohr, und die Schlitzohrigkeit dieser Figur geht durch das ganze Stück und macht sie so interessant und reizvoll.

Glauben Sie, Koko kann mit Katisha, die ihm aufs Auge gedrückt wird, glücklich werden?

Sie ist das kleinere Übel. (Lacht) Er hat aber auch keine andere Wahl. Es klingen so Dinge an, ganz dezent, für einen guten Beobachter aber sichtbar, dass Katisha von einer gewissen Perversität ist, die Koko vielleicht noch nie erlebt hat und von der er eventuell immer geträumt hat. Ob das nun die Grundlage einer dauerhaften Beziehung sein kann, möchte ich nicht behaupten. Aber, wie heißt es bei Fontane: „Das ist ein weites Feld“.

Woran machen Sie diese sexuelle Perversität fest? Also, ich kenne das Libretto nur auf Englisch, bisher, da ist mir eigentlich nichts derartiges aufgefallen.

Sehen Sie, das ist doch das Schöne am Theater, dass man mit Haltungen Dinge und Vorgänge deutlich machen kann, die nicht im Textbuch stehen, dass man damit auch die Phantasien der Zuschauer anregen kann und sie Dinge erkennen, ohne dass diese ausgesprochen werden.

Ist es eine traditionelle Inszenierung?

Da müssten wir erst einmal den Begriff „traditionell“ klären. Auf keinen Fall aber ist es eine naturalistische Inszenierung. Holger Seitz hat ja schon von diesen Autoren sehr erfolgreich DIE PIRATEN VON PENZANCE inszeniert und die Strickmuster beider Stücke sind ähnlich, aber es gibt andere Figuren, andere Situationen, andere Haltungen, andere Konflikte, andere Spielorte. Wer sich aber bei den PIRATEN amüsiert hat, sollte es eigentlich auch bei MIKADO können. Ich hoffe es.

Hatten Sie Freiheiten bei der Interpretation Ihrer Rolle?

Im Musiktheater ist man, anders als im Schauspiel, leider viel mehr Ausführender als jemand, der kreativ etwas einbringt und sehr aktiv die Szene mitgestalten oder verändern kann. Das ist aber nur natürlich, denn hier habe ich nicht nur die Partner, die mit mir die Szene bestreiten, Chor und Orchester spielen eine nicht unwesentliche Rolle bei der szenischen Realisierung und neben den szenischen Vorgängen sind Lieder zu interpretieren und oft auch tänzerisch zu gestalten. Ich mache aber immer Angebote, die zum Teil sehr spontan sind und eigentlich aus meiner Erfahrung aus dem Schauspiel resultieren und nicht den Anspruch erheben, richtig oder konsequent zu sein. Dann muss man natürlich auch damit leben, dass vorne einer sitzt und ruft: „Vergiss es!“, und dann lässt man das eben wieder sein. In der DDR gab es die Theaterzeitschrift „Theater der Zeit“. Da gab es auch immer bestimmte Themen, über die diskutiert wurde. Einmal zum Thema: Wie stelle ich mir die Arbeit eines guten Regisseurs vor. Dazu gab es seitenweise Abhandlungen. Ein Kollege aber schrieb den treffenden und tollen Satz: „Er wählt mit Geschmack aus der Fülle der Angebote.“ Ich glaube, das ist sehr wichtig: einem Regisseur etwas anzubieten, und er muss in der Lage sein, zu sagen: Passt das zu meiner Inszenierung, oder würde das den Rahmen sprengen. – Es gibt Sätze, die für mich zum Credo geworden sind, und das bis zum Ende, das ja jetzt für mich abzusehen ist.

Dazu komme ich später noch. – Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Partie, und was ist das Schwierigste daran?

Ich weiß es noch nicht. Wir sind leider, da wir alle Rollen doppelt besetzt haben – obwohl wir jetzt fast schon kurz vor der Premiere stehen –noch nicht so weit, dass wir mal mehrere Bilder hintereinander probiert haben. Ich kann also noch nicht sagen, wie schwer es wird in der Abfolge von Szene, Tanz und Gesang die Kräfte richtig einzuteilen, um nach einer anstrengenden Tanzeinlage wieder ruhig in die nächste Szene zu kommen. Diese Vielfalt der Mittel ist sowohl das Beste als auch das Schwierigste an dieser Rolle.

Es gibt ja dieses Couplet des Koko: „I’ve got a little list“ – ich weiß gar nicht, wie es im Deutschen heißt. Damals wurden Politiker und andere Menschen durch den Kakao gezogen, aber in einer Weise, die ich heute als sexistisch und rassistisch bezeichnen würde. Es bietet sich ja an, das zu aktualisieren. Wen ziehen Sie diesmal durch den Kakao?

Die Geschichten in diesem besagten Couplet „Ich habe eine Liste hier“, waren mir in der vorliegenden textlichen Vorlage alle zu fade. Aber sexistisch oder rassistisch war dieser Text nicht, sondern er war einfach antiquiert. Da ich ja damit vor dem Publikum stehe, habe ich meinen Kollegen Fritz Graas angerufen, der für mich immer schon die Texte für das Couplet in Boccaccio geschrieben hat und habe gesagt „Fritz, lies dir mal diesen Text durch, der geht nicht, so kann man das nicht machen.“ Das hat er sofort eingesehen und mir einen kabarettistischen Text geschrieben, der weder rassistisch oder sexistisch ist, aber die Leute benennt, auf die wir in der Gegenwart gut verzichten können.

Also es heißt, es wird auch im Laufe der Spielzeit immer auch mal wieder aktualisiert?

Ja, unbedingt, wir wissen ja noch nicht, was sich in der kommenden Zeit so an tagesaktuellen Dingen ereignet. Da das Couplet aus einer Aneinanderreihung von Vier – und Zweizeilern besteht, dürfte die Aktualisierung nicht so kompliziert sein.

Gibt es musikalische Besonderheiten, die den Koko charakterisieren?

Nein, das ist im Grunde nicht der Fall. Es sind alles sehr rhythmische Songs, die die jeweilige Situation bedienen, ergänzen oder einen Bezug zur nächsten Szene darstellen. Eigentlich ist die große Ausnahme sein verlogenes Liebeslied, das getragen ist und so aus dem Rahmen fällt.

Noch ein paar allgemeine Fragen zum Schluss: Haben Sie Lampenfieber vor einem Auftritt, und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Ich habe ungeheures Lampenfieber, und alle sagen: „Meine Güte, du bist doch ein alter Hase!“ Und es ist ganz merkwürdig, ich glaube, das Lampenfieber wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Ich mache mich dann schon selber fertig, indem ich Textpassagen tausendmal wiederhole, immer wieder versuche, vorher noch die Stimme warmzuhalten, mich einzusprechen, am Kostüm rumzuzupfen oder irgendwas. Ich weiß auch ganz genau, dass ich am 19. November spätestens ab Mittag furchtbare Magenbeschwerden haben werde. – Aber sobald ich auf der Bühne stehe, sollte das Lampenfieber weg sein.

Was empfinden Sie als das Beste an Ihrem Beruf, und was nervt Sie daran?

Also, ich finde es ungeheuer gut, dass man körperlich und geistig immer gefordert wird und sich fit halten muss. Man kann in andere Rollen schlüpfen, man kann – was ich sehr gerne mache – Menschen beobachten und ihre Haltungen dann vielleicht sogar mal benützen, und sollte sich jemand wiedererkennen, ist das dann ja durchaus beabsichtigt.
Manchmal nervt es, aber das gibt es wohl in jedem Beruf, wenn Auseinandersetzungen nicht um der Sache willen, sondern aus persönlicher Eitelkeit geführt werden.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Ja. – Ja. Aber diese Wunschpartien, die wird man mir nicht erfüllen können, weil ich am Gärtnerplatztheater mit MIKADO ja jetzt meine letzte Premiere habe. Also, Wünsche, die sich nicht erfüllten: Ich hätte gern z.B. in „Tanz der Vampire“ den Professor gespielt, oder in „Les Miserables“ den Thenardier. Charakterrollen, die eigentlich meinem Alter angemessen sind, die aber immer noch die Möglichkeit bieten, zu zeigen, dass man sprachlich, gesanglich, körperlich und geistig noch fit ist.

Sie haben vorhin gesagt, Sie haben auch einen Beruf gelernt. Standen Sie irgendwann mal vor der Überlegung, auch etwas anderes zu machen als singender Schauspieler? Oder: Was wären Sie in einem anderen Leben geworden?

Also, die Frage hat sich eigentlich für mich so nicht gestellt. Ich bin heilfroh, dass dieses Talent entdeckt wurde, weil ich glaube, ich wäre als Elektriker schon längst an versehentlichen Stromschlägen zugrunde gegangen. Ich habe auch keinen anderen Beruf gefunden, wo ich gesagt hätte: Der würde mich interessieren. Sozusagen bin ich mit meinem Beruf ein sehr, sehr glücklicher Mensch und freue mich, dass ich das machen konnte, wovon heute junge Darsteller ja nur träumen können: dass ich in diesem Beruf 50 Jahre in festen Engagements tätig war.

DER MIKADO ist Ihre letzte Premiere an diesem Haus. Können Sie uns einen Ausblick auf die Zukunft geben?

Nein, leider nicht. Ich habe noch einen Gastvertrag an der Musikalischen Komödie in Leipzig, die jetzt allerdings auch um ihre Existenz bangen muss, weil man sparen will in der Stadt Leipzig, und natürlich nicht diese Renommee-Häuser wie Gewandhaus oder Oper schließen will, sondern sagt: Dann muss eben vielleicht die Operette daran glauben. Deshalb weiß ich nicht, ob ich dort weiterhin Gastverpflichtungen haben werde. Der künftige Intendant des Gärtnerplatztheaters hat mich gefragt, ob ich ihm auch als Gast zur Verfügung stehe. Ich habe das bejaht, aber ich glaube, diese Frage hat er dem gesamten Ensemble gestellt, und etwas Konkretes gibt es nicht für mich. Ich werde mich also ab Mai in meinen Garten zurückziehen und werde Rasen mähen, Bäume beschneiden oder andere Schäden anrichten.

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Das empfinde ich als Verlust für München.

Ich hatte nicht gedacht, dass meine Tätigkeit am Gärtnerplatztheater so zu Ende geht. Nach fast zwanzig Jahren in diesem prächtigen Ensemble, lapidar einen Zettel zu bekommen mit der Mitteilung der Nicht-Verlängerung, was nichts anderes heißt als Kündigung. Ich kann es mir eigentlich auch noch gar nicht vorstellen, ohne Theater zu sein. Meine Frau bangt auch davor, weil sie sagt: „Mit wem wirst du dich in Zukunft streiten?“ Jetzt habe ich immer noch Kollegen oder Regisseure, mit denen man sich streiten, reiben und auseinandersetzen kann. Auseinandersetzungen sind in unserem Beruf sehr wichtig, durch sie kommt man oft zu verblüffenden Ergebnissen.

Dann bleibt mir nur übrig, Toi-toi-toi zu wünschen für die Premiere von DER MIKADO und alles Gute für die Zukunft!

Ja. Also, ich wünsche mir wirklich eine sehr, sehr schöne Premiere. Ob es eine berufliche Zukunft gibt, das werde ich erst noch sehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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Interview mit Sebastian Campione

[singlepic id=1085 w=240 h=320 float=left] Herr Campione, vielen Dank, dass Sie Zeit gefunden haben für ein Interview auf dem Blog „Nacht-Gedanken“. Erzählen Sie uns doch bitte etwas zu Ihrem Werdegang.

Die Schulzeit lasse ich mal weg, denn das Abitur war jetzt nicht wirklich das Spannendste in meinem Leben. Nach dem Abitur habe ich gleich an der Hochschule für Musik und Theater und in der Theaterakademie August Everding mein Gesangsstudium, also mein Studium als Opern- und Konzertsänger bei Professor Wolfgang Brendel absolviert. Gleich nach dem Studium, 2009, kam ich dann sofort ans Gärtnerplatztheater und von 2009 bis jetzt bin ich dann auch an diesem Theater geblieben.

Sie haben aber zwischendurch auch Produktionen mit der Musikhochschule gemacht, ich kann mich da an eine „Cenerentola“ erinnern und an eine „La Boheme“. Da konnten Sie schon erste Erfahrungen sammeln. Haben Sie noch weitere Produktionen in dieser Zeit vor dem Gärtnerplatztheater gemacht?

Meine ersten Erfahrungen, die liegen ziemlich weit zurück, da war ich noch ein Kind. Aber die ersten Erfahrungen als Männerstimme habe ich in der Hochschule für Musik und Theater gemacht. Da habe ich bei „L’enfant et les sortileges“ beide Basspartien, den Lehnstuhl und den Baum, singen dürfen. Dann, auch wieder in der Hochschule, habe ich im „Wachsfigurenkabinett“ ein Mitglied des Herrenensembles gesungen – das sind vier Herren, die quasi durch das komplette Stück begleiten. Dann kam gleich danach „Giulio Cesare in Egitto“, da habe ich den Tolomeo gesungen. Danach in der Theaterakademie bei „Jewgeni Onegin“ habe ich den Saretzki und den Hauptmann singen dürfen. Gleich danach – (lacht) Sie hören, es wird lang – haben wir die ersten drei Einakter von Hans Werner Henze zusammen mit dem Rundfunkorchester machen dürfen, unter der Leitung von Ulf Schirmer. Das wären einmal das „Wundertheater“, in dem ich den Gubernador gesungen habe, dann ein „Landarzt“, in dem ich den Vater singen durfte, und dann „Das Ende einer Welt“, in dem ich quasi als Solomitglied des Chores mitgewirkt habe. Im Jahr darauf ging „Cosi fan tutte“ in der Theaterakademie los, da habe ich den Don Alfonso singen dürfen. Danach kam „Gianni Schicchi“, da durfte ich die Titelpartie singen. Dann hatten wir glaube ich – nee. „La Boheme“ kam erst 2009. Was hatten wir 2008? Erinnerungslücke. Naja. Auf jeden Fall habe ich sehr viel zumindest in der Theaterakademie gemacht. Ich habe auch hie und da bei der Pasinger Fabrik auch noch mitsingen dürfen. Ja. Genau.

Dann haben Sie sich ja schon ein beachtliches Repertoire erarbeitet. Sie haben gerade erwähnt, dass Sie schon als Kind erste Bühnenerfahrungen gemacht haben. Wie sind Sie denn zum Singen gekommen?

Im zarten Alter von 8 Jahren hatte ich eine Grundschullehrerin, die bis heute noch das Staatsexamen für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Theater abnimmt. Diese ist mit einem jetzt mittlerweile pensionierten Opernchorsänger der Staatsoper verheiratet. Sie hat mit uns sehr viel Musik gemacht, unter anderem musikalische Früherziehung, erste Schritte zum Notenlesen, und sie hat auch mit uns sehr viel gesungen. Da ich anscheinend schon im zarten Jugendalter eine Mords-Stimme hatte, hat diese Lehrerin dann eben auch meine Mutter damals so weit gebracht, dass ich für den Kinderchor der Staatsoper vorsingen sollte. Ich habe das auch getan. Nach dem Vorsingen, also eine Woche später, war ich dann auch in den aktuellen Proben mit dabei, habe dann quasi bis zu meinem 14. Lebensjahr, also bis zum Stimmbruch, dort im Kinderchor gesungen. Im Alter von 10 bin ich zum ersten Mal zu meinem Vater gegangen und habe gesagt: Papa, ich will Opernsänger werden. Dieses Ziel habe ich dann über die Schulzeit auch weiterverfolgt, indem ich dort im gemischten Chor und im Kammerchor mitgewirkt habe, habe dann auch mein Abitur im Leistungskurs Musik mit Gesang gemacht, wollte dann danach Gesang studieren, was dann auch geklappt hat, und – ja. Jetzt bin ich hier.

Dann sind Sie also ein echtes Münchner Kindl.

Fast. Also, geboren bin ich in München, aufgewachsen bin ich in München, aber so ganz Münchner Kindl bin ich nicht, weil meine Eltern beide aus Sizilien kommen, also bin ich eigentlich Italiener.

Ihre Beatbox-Einlagen bei „Viva la Mamma“ hier am Haus sind ja legendär. Was für Musik haben Sie als Kind gehört und hören Sie heute?

Ich muss dazu sagen: Heute höre ich, so gut es geht, alle möglichen Arten von Musik. Aber meine erste musikalische Erfahrung im zarten Alter von 5 Jahren war, da auch 1989 in Deutschland diese erste große Hip-Hop- und Rap-Welle aufkam, mit eben dieser Musik. Diese Erfahrung wurde dann zu einer Leidenschaft, die ich im wahrsten Sinne des Wortes bis heute mit mir führe, muss ich gestehen. Also, ich hatte zwar auch im Laufe der Zeit, mit der Arbeit in der Oper, mit der musikalischen Früherziehung, sehr früh Kontakt mit klassischer Musik, die ich logischerweise auch höre, als Interpret, und ich höre jetzt mittlerweile, weil sich das eben auch über meine gesamte Jugend verteilt hat, Sachen wie elektronische Musik, also House, einige Techno-Songs, einige Underground-Songs, oder auch im Rock-Bereich Hardrock, Heavy Metal, New Metal, Post New Metal, wie man das alles nennen mag. Je nach Stimmung höre ich dann auch die jeweilige Musik.

Haben Sie das absolute Gehör?

Ich habe absolut kein Gehör, muss ich gestehen. (Lacht). Also, ich kann mir durch das Gehör sehr viel merken, aber ich weiß nicht instinktiv, wo das “a” liegt, oder wenn ich einen Ton höre, kann ich niemals sagen, das ist jetzt dieser oder jener.

Welches Instrument spielen Sie?

Klavier. Lustigerweise, das darf man nicht unterschätzen, spiele ich auch Maultrommel. Aber mein Mund ist eigentlich mein Hauptinstrument.

Ist Maultrommel schwierig?

Man mag es kaum glauben, aber es ist wahnsinnig schwierig. Vor allem, wenn man die ganzen Rhythmus-Komponenten sowohl mit dem Mund- und Rachenraum als auch mit den Fingern kombinieren muss. Das ist dann manchmal eine Kunst für sich.

Und wo setzt man das ein?

Eigentlich mehr in der Folklore. In der klassischen Musik so gut wie nie. Vor allem in der sizilianischen Folklore. In der bayerischen Folklore manchmal, aber nicht so häufig wie bei uns.

Welche Opernaufnahmen hören Sie privat am liebsten?

Meine absolute Lieblings-Aufnahme ist die „Nabucco“-Aufnahme von 1978. Am Pult Riccardo Muti zusammen mit den Londoner Philharmonikern. Als Zaccaria Nikolai Ghiaurov und als Abigail Renata Scotto.

Sie sprechen Deutsch und Italienisch. Gibt es noch weitere Sprachen, die Sie sprechen und in denen Sie auch singen?

Singen … also … Englisch habe ich noch nicht gesungen, obwohl es zwar Repertoire gibt, aber – naja. Spanisch spreche ich auch noch, aber da ist das Repertoire richtig winzig. Also da habe ich noch nichts dafür gehabt.

Haben Sie musikalische oder szenische Vorbilder?

Sängerische Vorbilder sind Cesare Siepi, der wohl beste Don Giovanni aller Zeiten, dann Nikolai Ghiaurov. Im rossinischen Belcanto-Bereich, Michele Pertusi, dann Enzo D’Ara, Paolo Montarsolo. Ein paar Tenöre gehören lustigerweise auch dazu: Franco Corelli, natürlich der unsterbliche Pavarotti und teilweise, kommt natürlich auf das Fach an, teilweise auch Mario Del Monaco.

Und szenische Vorbilder?

Da auf jeden Fall Montarsolo und Enzo D’Ara, die wohl besten Komiker, die ich jemals auf der Bühne gesehen habe. – Das wär’s eigentlich.

Hatten Sie schon internationale Auftritte?

Leider noch nicht, aber ich hoffe, dass sich das bald ändert.

Gibt es Komplikationen, die sich aus dem besonderen Lebensrhythmus eines Opernsängers ergeben?

Naja. Also für mich persönlich ist eher die Komplikation – ich bin nämlich ein wahnsinnig schlechter Schläfer – dass ich sehr wenig schlafe und sehr spät, und wenn ich schlafe, dann schlafe ich wahnsinnig tief. Also, da kommt es manchmal vor, dass man wirklich auf den letzten Drücker aus dem Bett springt. Aber sonst – sonst ist einfach das Blöde, dass wenn man sowohl in der Früh als auch am Abend arbeitet, und man eigentlich, sagen wir mal, nur die frühe Nachmittags- bzw. die späte Mittagsphase als Puffer hat, in der man dann auch seine häuslichen Aufgaben erledigen muss und so weiter, das wird dann ein bisschen eng. Aber – naja.

Was tut Ihrer Stimme gut, und was verträgt sie überhaupt nicht?

Ha! Was ihr gut tut, das ist auf jeden Fall: Italienisches Fach singen. Also, das ist wie Balsam. Da muss man aber auch dazu sagen: Viele Mozart-Partien sind für meine Stimme auch absoluter Balsam, weil sie mir einfach sehr gut liegen. Was meine Stimme überhaupt nicht verträgt, ist oft modernes Fach, weil ich da einfach wirklich schwer reinkomme. Auch stimmtechnisch – bis zur Premiere muss ich dann auch ein bisschen zittern.

Ich meinte eigentlich eher externe Faktoren – also zum Beispiel Allergien oder Schlafen.

Ich bin sehr gesegnet momentan, vielleicht liegt das auch an meinem jugendlichen Alter (lacht). Ich hatte bis jetzt nur Probleme mit der Stimme, wenn ich extrem übermüdet war. Aber das kam wahnsinnig selten vor. In meinem früheren jugendlichen Leichtsinn bin ich auch schon mit Kater auf der Bühne gestanden, und meine Stimme hat funktioniert. Momentan kann ich da von Glück reden, dass mich eigentlich nichts angreift. Momentan…

In „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ hatten Sie eine Box-Szene, für die auch vorher trainiert wurde. Was tun Sie für Ihre Kondition, und wieviel Kondition brauchen Sie als Sänger?

Als Sänger braucht man wahnsinnig viel Kondition. Das liegt nicht nur daran, dass man des öfteren viel auf der Bühne singen muss, sondern, besonders heutzutage, wo das Darstellerische mehr im Vordergrund steht, muss man sich auch sehr viel bewegen auf der Bühne. Was ich jetzt momentan dafür tue: Ich trainiere brasilianisches Jiu-Jitsu, gehe auch noch boxen, habe auch meine Ernährung umgestellt und so weiter, einfach, um weniger Gewicht zu haben, flexibler zu sein, auch vom Körper her. Das ist das, was ich momentan tue.

Wie diszipliniert müssen Sie als Sänger leben?

(Lacht) Da fragen Sie einen sehr undisziplinierten Sänger. – Normalerweise sollte man als Sänger schon darauf achten, dass man genügend Schlaf bekommt, dass man früh genug aufsteht. Bei mir ist es des öfteren so: Wenn ich in der Früh Probe habe, muss ich mindestens drei Stunden vorher aufstehen, damit die Stimme wach wird, weil die nämlich wesentlich später wach wird als der Körper an sich. Da gehört es einfach dazu, dass man geregelt schläft. Ich denke mal, seine sieben Stunden sollte man mindestens haben. Man darf auch nicht die Essensgewohnheiten schleifen lassen. Man sollte auch mit Alkohol aufpassen. Als Raucher muss ich leider auch eingestehen: man sollte das Rauchen lassen, auch wenn es schwerfällt. Es sind einfach generell auch gesundheitliche Faktoren, die jeden Menschen betreffen, also würde ich jetzt nicht sagen, dass ein Sänger noch disziplinierter sein sollte als jeder andere Mensch auch, denn krank wird jeder. Die Frage ist nur: Was tut man dafür, dass man es eben nicht passiert, und ob man sich deswegen verrückt macht oder nicht.

Hat das Rauchen Einfluss auf Ihre Stimme, oder nur auf die Kondition?

Ja, gut, da muss man dazusagen: Es ist eine Typfrage. Es gibt einige Sänger, die können nicht mal passivrauchen, ohne dass sie es am nächsten Tag merken. Es gibt andere starke Raucher oder ehemalige starke Raucher, die am nächsten Tag wieder frisch und fröhlich auf der Bühne stehen und singen, als wäre nichts gewesen. Es gibt viele prominente Beispiele, die ich jetzt nicht nennen möchte, die teilweise auch Kettenraucher waren, und die auf der Bühne trotzdem ihre Leistung erbringen konnten. Caruso sagte zum Beispiel in der Hinsicht, als man ihn fragte, ob Rauchen der Stimme schadet: „Wissen Sie, das einzige, was der Stimme schadet, ist Singen.“ – Also, wie gesagt, es ist typabhängig.

Und Sie sind der Typ, dem es nicht schadet.

(Lacht) Ich hoffe es zumindest.

Dann kommen wir mal zur Neuproduktion, am 19. November, bzw. Ihre persönliche Premiere ist am 21. November. Das Stück ist DER MIKADO von Gilbert & Sullivan. Sie verkörpern den Pooh-Bah. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Naja, erst mal muss man sich den Text durchlesen, logischerweise. Man muss wissen, in welchem Kontext man agieren muss. Danach kommt erst mal die musikalische Einstudierung. Bei mir ist es so: Ich bin einer, der alleine nicht so gut lernt im Gegensatz zu der Einstudierung mit dem Repetitor. Dementsprechend hatten wir einige Repetitionsstunden, ich habe mich dann eben mit meinem Repetitor musikalisch vorbereitet. Nach dem hatten wir musikalische Ensembleproben. Dann bereiten wir quasi den Dialog erst auf der Szene vor, und dann müssen wir die jeweiligen Dialogszenen noch mal zuhause wiederholen, und die werden dann auf die Bühne gestellt.

Waren Sie schon mal in Japan?

Leider nein.

Und wie bringen Sie sich dann für dieses Stück in Stimmung?

Naja, ich bin ein sehr geschichtsinteressierter und teilweise auch passionierter Mensch, und ich habe mir einen gewissen Hintergrund, was japanische Geschichte anbelangt, schon angelesen gehabt und versuche, mir die jeweiligen Traditionen dann auch „zu Gemüte zu führen“ und daraus eben das herauszunehmen, was in den jeweiligen szenischen Situationen dann auch angebracht ist.

Im MIKADO ist ja die Kritik an der damaligen britischen Gesellschaft im japanischen Gewand verpackt. Gibt es aktuelle Bezüge?

Ja, weil einige gesellschaftskritische Aspekte in einer gewissen Art und Weise auch zeitlos sind. Ich möchte nicht vorgreifen, aber wir hatten die Möglichkeit, auch eine eigene Textfassung für dieses Stück zu haben. Ich denke mal, diese wird die zeitlosen Bezüge, die in dem Originaltext auch drin sind, dann sicherlich auch wiederspiegeln.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

(Lacht.) Eigentlich nicht so ganz. Aber ich vermute – weil wir eben eine ganz andere Textfassung haben, denke ich mal, dass ein Aspekt des Erfolgs sicherlich der Text gewesen sein muss. Ein anderer Aspekt wird sicherlich die leichte, also leicht nachzuvollziehende Musik sein. Es ist auf jeden Fall immer nicht nur szenisch sondern auch musikalisch daran gedacht worden, eine gewisse gute Laune zu verbreiten. Also ich denke mal, das Publikum hat sich von diesem Stück sehr anstecken lassen.

Ist der Humor dieses Stückes englisch oder sehr allgemeingültig?

Also, ich kann nur von unserer Textfassung sprechen. Ich denke, wir versuchen in dieser Textfassung, so eine Mischung zu kreieren, eine Mischung aus englischem, trockenem Humor und teilweise dann auch sehr „Festland-europäischem Humor“ zusammenzufügen.

Gibt es Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu dem vorherigen Stück von Gilbert & Sullivan, das hier am Haus gespielt wurde, DIE PIRATEN VON PENZANCE ?

Also, ich würde sagen, der Unterschied ist die Qualität der Dialoge. Ich würde sagen, die Dialoge sind hier beim MIKADO dann doch ein kleiner Rezitativersatz. Sie versuchen die Handlung mehr voranzutreiben als damals bei den PIRATEN. Die Gemeinsamkeiten finden sich in einigen Figuren bzw. Figurenkonstellationen wieder, da möchte ich aber nichts vorwegnehmen. Es gibt logischerweise ein gewisses Strickmuster im Libretto, das sehr den PIRATEN ähnelt. Von der Qualität der Musik her gibt es meines Erachtens keinen Unterschied, außer dass es natürlich eine andere Färbung jetzt auch in Bezug auf das Sujet gibt. Man merkt schon, es ist von der Musik her Sullivan, und dementsprechend – wenn es Unterschiede gibt, dann sind sie sehr fein, würde ich sagen.

Wie hat der Regisseur Ihre Figur angelegt?

Ja, wie soll ich sagen, ich bin in diesem Stück ein Beamter. Der wohl höchste Beamte, den es gibt, und der versucht eben, seinen Beamtenstatus allem irgendwie – nicht aufzudrücken, aber der Beamtenstatus hat Vorrang vor allem. Selbst seine eigenen Gefühle, selbst sein eigenes Streben und seine eigenen Ausbrüche, die er, sagen wir mal, als Mensch hat, werden eben von allen seinen Ämtern bzw. von seiner Position und seinem Status einfach zurückgehalten. Also das macht ihn auch relativ steif, und – ja, er hat so gesehen schon Gefühle, aber man sieht sie nicht, bzw. er tut alles dafür, dass man diese Gefühle nicht sieht. Und er ist überhaupt nicht witzig.

Aber vielleicht gerade dadurch dann witzig?

Ja, hoffentlich!

G.K. Chesterton schrieb, dass die Figur des Pooh-Bah mehr als Satire sei, sondern die Wahrheit. Wie sehen Sie das?

Nun ja – es kommt darauf an, ob man Pooh-Bah jetzt mit den heutigen Beamten vergleichen möchte. Pooh-Bah ist meines Erachtens keiner, der auf seiner Kaffeepause, nach 15 Minuten Arbeit, bestehen würde. Er ist insofern eine Überspitzung der jeweiligen Ämter, die er innehat, und was es bedeutet, einen Ehrgeiz zu haben bzw. eine Zielstrebigkeit zur höchsten Ebene, die man überhaupt erreichen kann – nicht nur politisch bzw. in dem Fall in allen seinen Arbeitsbereichen, sondern auch wirklich in den Bereichen Wohlstand, Status, usw., also, alles was mit diesem Berufsleben einhergeht, dass er versucht, nicht nur alle Wirkungen, sondern auch Nebenwirkungen aufs Höchste zu heben. Ob man jetzt sagen kann, das ist die Wahrheit, besonders heutzutage, das sei dahingestellt. Ich habe nämlich auch einige Beamte getroffen, die sehr zufrieden sind mit dem, was sie machen, und nur hoffen, dass sie das ihr Leben lang einfach so weiter machen können. Das ist bei Pooh-Bah überhaupt nicht der Fall.

Haben Sie Lampenfieber, und wenn ja: was tun Sie dagegen?

Ich hatte mal Lampenfieber. Jetzt habe ich keines mehr.

Wie ist es abhanden gekommen?

Also, wenn man bedenkt – das erste Mal auf der Bühne stand ich mit acht Jahren. Von diesem Tag an bin ich in regelmäßigen Abständen sehr oft auf der Bühne gestanden. Das ist leider eine Sache, die ich bedaure: Jedesmal, wenn man wieder und wieder und wieder auf die Bühne geht, da geht einem dann eben diese Nervosität verloren, weil man sich denkt: “Ach, heute ist mal wieder ein Arbeitstag, Routine, ich stempele meine Karte ab, und dann ist auch gut. Ich liefere meine Leistung ab, und wenn mich die Leute nicht mit spitzen Gegenständen beschmeißen, war alles wunderbar.” Demnach – man geht da raus und tut seine Arbeit, und das, wenn es geht, indem man sein Bestes gibt. Man ist sich dann auch immer bewußt: Man hat alles geprobt, man hat es drauf. Man will seinen Job machen. Man versucht natürlich immer und immer wieder, den größten Spaß dabei zu haben. Aber so richtig nervös, oder dass man denkt, etwas könnte in die Hose gehen – ich persönlich denke gar nicht mehr so.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf, und was ist das Nervigste?

Das Beste an meinem Beruf? Gute Frage. Eigentlich ist mein Beruf das Beste. Ich kann mir einfach ein Leben ohne diesen Beruf nicht vorstellen. Es geht nicht. Auch als Kind, nachdem ich eben gesagt habe, ich möchte Opernsänger werden, konnte ich mir nichts anderes vorstellen, weil ich mir dachte: Ich könnte alles andere nicht als Beruf ergreifen. Das liegt nicht in meiner Natur. Und dementsprechend, wenn man die Probenarbeiten dann bewältigt hat, wenn man sein Werk begutachten kann, wenn man auf die Bühne gehen kann, und dann auch im besten Falle dem Publikum da unten – oder da oben, kommt auf die Karte an – einen schönen Abend beschert, weil sie einfach froh darüber waren, einen gehört und gesehen zu haben, ist es einfach das Schönste, was man dann erleben kann. Deshalb will man dann auch auf die Bühne. Weil man sich auch selber in einer gewissen Art und Weise erhebt, weil man dann auch wirklich so etwas leisten durfte. – Das Nervige daran ist, dass leider viele nicht zu schätzen wissen, was wir auf der Bühne machen. Der Solist ist meines Erachtens im Laufe der Zeit zu einem Berufsstand am Theater geworden, der immer und immer mehr an Bedeutung verloren hat, und ich hoffe, dass sich das irgendwann einmal ändert.

Haben Sie noch eine Wunschpartie?

Oh ja. König Philipp II von Spanien.

Da haben wir ja schon mal einen Ausschnitt daraus gehört, oder? In dem Programm „Von Amore bis Eros“. Spielen Sie das noch weiterhin, dieses Programm?

Wir – Daniel Fiolka, Robert Sellier, Liviu Petcu und ich – wir sind drauf und dran, dieses Programm auch irgendwo anders hin zu verkaufen. Wir wollen dieses Programm auf jeden Fall am Leben erhalten. Wir wissen nur noch nicht, wie und wann.

Dann herzlichen Dank für das Gespräch und Toi-Toi-Toi für die Premiere von MIKADO!

Ja, hoffen wir das Beste! Danke!

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Präsentation des neuen gemeinsamen Internetportals der Münchner Bühnen, 15. November 2011

Seit heute nun auch in München was es z.B. in Berlin und Hamburg schon länger gibt. Ein gemeinsames Internetportal der Münchner Bühnen unter www.muenchenbuehnen.de!
Die Präsentation dieser Seite fand heute morgen im Capriccio-Saal der Bayerischen Staatsoper statt. Nach der Begrüßung und Vorstellung der beteiligten Bühnen, momentan neun, von Frau Schieferle (Bay. Staatsoper), konnte man an den bereit gestellten Laptops das neue Portal testen und Fragen stellen.
Im Moment sind neun der Münchner Bühnen unabhängig von ihrer Trägerschaft (Bayerische Staatsoper, Münchner Kammerspiele, Residenztheater, Staatstheater am Gärtnerplatz, Volkstheater, Schauburg, Metropoltheater, GOP Varieté-Theater und die Bayerische Theaterakademie August Everding) beteiligt.
Aber es wurde immer betont, dass gerne weitere Münchner Bühnen dem Netzwerk beitreten können, um es noch umfassender zu machen.

Es ist schön für die kulturinteressierten Touristen und auch die Münchner Theatergänger, dass sie nun die Möglichkeit eines zusammnengefassten Spielplans der Münchner Theater haben.
Die Seite bietet nicht nur den detaillierten Spielplan, sondern auch Inszenierungsfotos, Videotrailer, News und schnellen Zugang zum Online-Kartenkauf.
Viel Erfolg und hoffentlich viele Theater, die sich beteiligen!

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Kurzinterview mit Stefan Sevenich

Der Mikado
Herr Sevenich, vielen Dank, dass Sie uns für den Blog „Nacht-Gedanken“ ein Kurzinterview geben zur Neuinszenierung DER MIKADO. Waren Sie schon mal in Japan?

Nein. Leider noch nicht.

Im Mikado ist ja Kritik an der damaligen britischen Gesellschaft im japanischen Gewand verpackt. Sehen Sie da aktuelle Bezüge?

Absolut. Ich denke, dass sich die Gesellschaft nicht verändert hat, weder die britische noch die europäische insgesamt. Ich glaube, die gleichen Kritikpunkte bleiben auch nach hundert Jahren nach wie vor aktuell.

Können Sie uns erklären, warum der MIKADO das erfolgreichste Stück von Gilbert & Sullivan ist?

Weil es gerade so tagespolitisch aktuell ist. Es werden Vorgehensweisen einer Regierung und die der Menschen unter dieser Regierung vor Augen geführt, die wir aus unserem täglichen Leben kennen. Dieses allzu bekannte, menschliche Verhalten unter Druck, in Krisensituationen, das macht diese Aktualität auch nach hundert Jahren noch aus.

Ist der Humor britisch oder allgemeingültig?

Der ist typisch britisch, aber da sich das mittlerweile ja auch als Spielfarbe oder-Art in der Welt durchgesetzt hat, dieser trockene Humor, Slapstick, Screwball-Komödien, dieses schnell Gespielte, dieses trocken Kommentierte. Das ist uns, glaube ich, mittlerweile in allen westlichen Ländern eigen. Und deswegen können wir das auch sehr gut verstehen. Nein, ich finde es nicht mehr speziell „britisch“.

Was sind die Gemeinsamkeiten bzw. die Unterschiede zu dem anderen Gilbert & Sullivan-Stück, das hier am Haus zuletzt gespielt wurde, die PIRATEN VON PENZANCE?

Da ist einmal die reine Anlage der Musik. DIE PIRATEN VON PENZANCE sind wesentlich opernhafter, die Nummern sind wesentlich weit-ausladender, die ganze Art des Singens erfordert viel mehr den „Profi“. MIKADO sind kurze Nummern, erfrischende Nummern, viele Couplets. Das kann auch mal mit Nicht-Sängern oder mit nicht-professionellen Sängern besetzt werden. Also, es ist eher in Richtung „musikalisches Schauspiel“ bearbeitet.

Ist es eine traditionelle Inszenierung?

O je. (Lacht) Ja. Und Nein. Weil: Wir bedienen diesen schnellen Dialog, wir bedienen diese schnellen Screwball-Slapstick-Sachen, etwas überzeichnete Figuren, keinerlei psychologische Zeichnungen. Ja, das ist sehr traditionell im Stil – also, es ist keine – es ist schon – naja, konventionell wäre jetzt ein Schimpfwort, aber -. Nein, es ist eine gute Inszenierung. Punkt.

Wie hat der Regisseur Ihre Rolle angelegt? Ist sie so steif und hochherrschaftlich und zeremoniell, wie man meinen könnte, wenn man das Libretto liest?

Ja. (Lacht) Das Problem ist ja immer wieder der Rollenträger, in dem Falle ich, und ich glaube, ich kann nicht zeremoniell wirken. Ich zerstöre allein durch den Umfang meines Bauches jegliches Zeremoniell, und wenn der mal in Bewegung kommt – also, wir haben auch Tanzelemente – dann sieht das halt eben, glaube ich, nicht mehr so hochzeremoniell aus. Es ist eine herrlich schräge Nummer. Ich liebe die Figur des Mikado sehr, er ist eine ganz schräge Type, mit seinem Hang zum Sadismus und dieser Besessenheit von Todesurteilen..

Sie haben es ja gerade schon angesprochen: Der Mikado verbietet das Flirten bei Todesstrafe, solange die Herrschaften nicht verheiratet sind. Seine Melodien erinnern aber eher an einen Musical-Hall-Entertainer. Wie geht das zusammen?

Das ist reine Ironie. Wenn es ironische Musik gibt, dann findet die dort statt. Das grausame Vorgehen des Mikados mit „netter“ Musik zu unterlegen. Es geht ihm ja auch nicht um dieses Verbot, es geht ihm einfach um die Todesstrafen-Quote. Der liebt das ja, der möchte ja die Quote steigern. Es geht hier ja nicht ums Flirten. Wie gesagt, er ist so besessen davon, Tote zu produzieren und dabei zuzuschauen, wie sie umgebracht werden, deswegen ist diese Musik halt eben konträr, und das ergibt die Komik und die Ironie dieser Partie.

Ja, dann: Danke für dieses Gespräch und Toi-toi-toi für die Premiere!

Ja! Schön! (Bei toi, toi, toi -Wünschen darf man sich aus altem Bühnenaberglauben nicht bedanken!)

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Premiere Les Contes d’Hoffmann, 31.10.2011, BSO

Nach längerer Zeit zeigt die Bayerische Staatsoper eine Neuproduktion von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in der Regie von Richard Jones. Mit viel Vorfreude auf diese Premiere machte ich mich am 31.10. auf den Weg in die Maximilianstraße mit dem Ziel Staatsoper.

Die musikalische Seite des Abends war ein großer Pluspunkt. Constantinos Carydis am Pult des Staatsorchesters entfachte mit Eleganz und Esprit die wunderbaren Melodien der Offenbach-Oper, trotz einer neuen Mischfassung, die nicht immer schlüssig klingt. Das Sängerensemble wurde von Diana Damrau, die erstmals alle vier Frauenpartien interpretierte, angeführt. Der Sopran von Frau Damrau hat alle Möglichkeiten: Die Koloraturen der Olympia sowie die dramatischen und lyrischen Phrasen von Giulietta und Antonia. Bei der Darstellung der Olympia gelang ihr ein wahres Kabinettstück, aber auch die Zeichnung der Abgründe von Giulietta sowie Antonia waren sehr glaubhaft in der Interpretation. Rolando Villazón als Hoffmann gelang es, das Publikum mit seiner Bühnenpräsenz zu packen, sein Tenor hat nicht mehr ganz die Stärke und den Glanz von früher, ist aber nach seinen Stimmproblemen wieder auf einem guten Weg. Die Bösewichte der Oper Coppélius/Dapertutto/Miracle/Lindorf wurden von John Relyea mit schwarzem Bass gesungen. Eine Überraschung des Abends war Nicklausse/Muse von Angela Brower, sie überzeugte mit ihrem Mezzo und dem natürlichen Spiel! Schön, wenn man so eine Sängerin im Ensemble hat. Aus der übrigen Besetzung stach der Tenor Kevin Conners als Cochenille/ Pitichinaccio/ Franz hervor. Okka von der Damerau (Stimme aus dem Grab), Ulrich Reß (Spalanzani), Dean Power (Nathanael), Tim Kuypers (Hermann), Christian Rieger (Schlémil) und Christoph Stephinger (Crespel, Luther) waren rollendeckend besetzt.

Der Staatsopernchor in der Einstudierung von Sören Eckhoff hat seine Aufgaben vom Orchestergraben und auf der Bühne gut gemacht. Der Regisseur Richard Jones setzt auf seine solide Personenführung und dekorative Ausstattung. Das Einheitsbühnenbild, ein Zimmer mit nach Szene wechselnder Dekoration mit links anschließendem Korridor wurde von Giles Cadle gestaltet. Durch die gelungene Beleuchtung von Mimi Jordan Sherin werden alle Akte gut in Szene gesetzt. Die Kostüme wurden von Buki Shiff genau zu jedem Akt passend entworfen. Sehr phantasievoll und bunt im Olympia-Akt.

Die Inszenierung hat gute Einfälle, es ist eine Produktion mit hohem Schauwert, mit buntem Olympia-Akt und vielen schönen Details in den beiden Folge-Akten.
Fazit: Hingehen, anschauen und die Musik genießen!

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