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Uraufführung Atlantis, 07.06.2019, Gärtnerplatztheater

Atlantis – Eine Expedition mit zu vielen Gedanken statt Gefühlen

Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane

Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz
© Marie-Laure Briane

Tanz schafft es meist bei mir direkt Gefühle anzusprechen oder zu erzeugen. Das ist also etwas Abstraktes. Gleichzeitig entsteht dann oft auch eine ganz persönliche Geschichte in mir. So wird ein Tanzabend immer zu etwas ganz Persönlichem in mir. Das mag ich. So gibt es eine Spannung darauf, was Musik und Bewegung in mir auslöst.

Luca Seixas, Isabella Pirondi © Marie-Laure Briane

Luca Seixas, Isabella Pirondi
© Marie-Laure Briane

Der neueste Tanzabend im Gärtnerplatztheater hatte dazu die besten Voraussetzungen. Ein tolles Bühnenbild, eine beeindruckende Musik und eine Kompanie, die Bewegungen zeigte, die genau diese Spannung in mir erzeugt. Jedoch war ich hierbei nicht frei, mich ganz auf diese Wirkung einzulassen. Warum? Es gab eine Handlung. Im Programmheft konnte man diese lesen. Das führte insbesondere im ersten Teil dazu, dass ich versuchte, alles in kurze Szenen zu zerlegen, die etwas sehr Konkretes darstellen sollten. Aber gerade in den Ensemblebildern gelang mir das kaum. So waren eher Fragen, die mich grübeln ließen, im Kopf als ein Erleben von Gefühlen im Bauch. Das fand ich sehr schade. Hinzu kam, dass die weißen Overalls zum Teil die körperliche Kunst der Tänzerinnen und Tänzer reduzierten. Ähnliches gilt für den Einsatz der Bühnentechnik. Drehungen und die immer wiederkehrenden schwarzen Kästen der Hubpodien habe ich mittlerweile in (zu) vielen Produktionen des Hauses gesehen. Auch hier lenken mich die zusätzlichen Bewegungen davon ab, die Gefühle des Tanzes wirken zu lassen. Genauso wie die Frage, weshalb „das Wesen“ in Gefangenschaft sich optisch (blau) von denen in „freier Wildbahn“ (beige) so stark unterscheidet.

Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane

Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz
© Marie-Laure Briane

Und jetzt frage ich mich zum Schluss noch, warum mich diese Gedanken jetzt noch beschäftigen, als einfach diese auszublenden und an den berührenden Tanz zu denken. Es bleibt die Hoffnung, dass ich mich in der nächsten Vorstellung davon lösen kann und die Gefühle direkt wirken.

Ballett von Karl Alfred Schreiner

mit Musik von Pēteris Vasks, Fredrik Gran, Fazil Say, Elena Kats-Chernin, Brett Dean, Erkki-Sven Tüür

BESETZUNG am 07.06.2019
Dirigat Michael Brandstätter
Choreografie Karl Alfred Schreiner
Bühne Julia Müer, Heiko Pfützner
Kostüme Alfred Mayerhofer
Licht Michael Heidinger
Video Meike Ebert
Dramaturgie David Treffinger

Ein Wissenschaftler Luca Seixas
Eine Atlantikerin Isabella Pirondi
Projektleiter Thomas Martino
Ensemble
Alessio Attanasio, Özkan Ayik, Guido Badalamenti, Rita Barão Soares, David Cahier, Anna Calvo, Marta Jaén, Rodrigo Juez Moral, Mikayla Lambert, Amelie Lambrichts, James Nix, Ariane Roustan, Verónica Segovia, Javier Ubell, David Valencia, Lieke Vanbiervliet, Chiara Viscido

Klavier Oleg Ptashnikov

Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Weitere Termine:

Mo 10.06.2019 18.00 Uhr
Mi 12.06.2019 19.30 Uhr
So 16.06.2019 18.00 Uhr
Di 25.06.2019 19.30 Uhr
So 07.07.2019 18.00 Uhr

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Zur Zeit Max III Joseph – eine sehr schöne Referenz an den Spielort, das Cuvilliéstheater wurde in seinem Auftrag erbaut – vertreibt man sich im Schloß und Parks von Baron und Baronin die Zeit mit mal lustigen, mal weniger lustigen Spielchen und ausufernden Festen. Die Adeligen sind bunt gemischt und kommen aus vieler Herren Länder. Als jedoch ein Paar aus Ungarn anreist, das ein bisschen anders ist, wird es ausgegrenzt. Bals darauf stirbt die Baronin unter ungeklärten Umständen und die höfische Gesellschaft bekommt es mit der Angst zu tun. Seelischen Beistand können sie von dem etwas kopflos agierenden Pfarrer auch nicht erwarten. Bald geht man jedoch wieder zur Tagesordnung über, bis das Böse erneut zuschlägt.

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Weitere Vorstellungen am Sa. 22. März 2014 19.30 Uhr*, So. 23. März 2014 18.00 Uhr, Di. 1. April 2014 19.30 Uhr, Do. 3. April 2014 19.30 Uhr, Mo. 7. April 2014 19.30 Uhr, Mi. 9. April 2014 19.30 Uhr*, Fr. 11. April 2014 19.30 Uhr * KiJu-Vorstellung es gibt noch Restkarten für alle Vorstellungen von 14€ bis 50€ online oder unter 089 21 85 19 60

Musikalische Leitung Jürgen Goriup, Choreografie Jo Strømgren mit den Tänzerinnen und Tänzern des Staatstheaters des Gärtnerplatz, Bühne Jo Strømgren, Kostüme Bregje van Balen, Licht David Bofarull (aai), Dramaturgie David Treffinger, Tanz Rita Barão Soares, Anna Calvo, Ariella Casu, Aina Clostermann, Marta Jaén, Natalia Palshina, Roberta Pisu, Sandra Salietti, Lieke Vanbiervliet, Francesco Annarumma, Alessio Attanasio, Matteo Carvone, Davide Di Giovanni, Giovanni Insaudo, Neel Jansen, Javier Ubell, Russell Lepley, Filippo Pelacchi, Morgan Reid, Isabella Pirondi, Sprecher Patrick Teschner

 


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