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Premiere Der Nussknacker, 23.11.2017, Gärtnerplatztheater

Der Nussknacker Foto: Marie-Laure Briane

Der Nussknacker Foto: Marie-Laure Briane

Die Weihnachtszeit ruft in den Theatern immer gerne märchenhafte Stoffe auf den Spielplan. Bevor demnächst Hänsel und Gretel sich im Wald verlaufen dürfen hatte jedoch erst einmal die Ballettkompanie des Gärtnerplatztheaters ihre erste Premiere und gleichzeitig choreogragische Uraufführung im neuen Haus.
Mit dem “Nussknacker” des unsterblichen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski hat sich Karl Alfred Schreiner zwar einen absoluten Klassiker des Tanztheaters ausgesucht, doch die Zuschauer bekommen im Gärtnerplatztheater eine völlig neue Interpretation geboten: Am Weihnachtsabend erwartet die Familie Stahlbaum ihre Verwanten und Freunde aus aller Welt. Die Heldin Klara, ihr Bruder Fritz und ihre streng wirkende Mutter geben mithilfe ihrer Bedinsteten ein großes Fest, bei dem auch Klaras Patenonkel Droßelmeier mit seinem Sohn erscheint. Während der alte Droßelmeier die Familie mit Zaubertricks und Geschichten von Nussknackern und bösen Mäusen in Staunen versetzt, ist Klara fasziniert von dem jungen und charmanten Sohn. Die zarten Annäherungsversuche werden jedoch von der Mutter unterbunden und

Der Nussknacker Foto: Marie-Laure Briane

Der Nussknacker Foto: Marie-Laure Briane

Klara wird ins Bett geschickt, nachdem sie von ihrem Patenonkel zwei Clownspuppen geschenkt bekommt.
Im Reich der Träume wird Klara wieder mit ihrem Schwarm Droßelmeier Jr. vereint, doch ihre Mutter funkt auch hier in Gestalt der bösen Schneekönigin dazwischen. Nur der alte Droßelmeier hilft dem Liebespaar und so fliehen sie durch allerhand märchenhafte Geschichten, die das Geschehen des vorangegangenen Weihnachtsfester wieder spiegeln: der grummelig Großvater flieht als Eisbär verkleidet vor seiner Frau, ihr Bruder hatte gleich vier Cousinen mit Seidentüchern beschenkt und tanzt im Traum mit orientalischen Schönheiten. Und auch die beiden Puppen erwachen zum Leben und dürfen in einer herrlichen Slapstick-Nummer das Orchester nach der Pause wieder ankurbeln. Immer wieder taucht die eifersüchtige Schneekönigin auf, doch dank dem weisen und liebevollen Patenonkel gibt es natürlich für alle Beteiligten ein Happy-End.
Zugegebenermaßen hatte ich bisher oft meine Schwierigkeiten, Tanztheater zu verstehen. Doch Schreiners Interpretation konnte ich tatsächlich von der ersten bis zur letzten Sekunde problemlos folgen. Das liegt zum einen daran, dass der Abend mit der Flucht vor der eifersüchtigen Schneekönigin einem klaren roten Faden hat, zum anderen an den hervorragenden darstellerischen Fähigkeiten der Tänzer. Jede Figur hat eine eigene Art sich zu bewegen und sich auszudrücken. Der Großvater läuft schon recht gekrümmt durch die Gegend, Droßelmeier hat meist lässig die Hände in der Hosentasche und Mutter Stahlbaum wirkt dagegen sehr exakt und streng mit Highheels und aufrechtem Gang.

Der Nussknacker Foto: Marie-Laure Briane

Der Nussknacker Foto: Marie-Laure Briane

Besonders gefallen haben mir Anna Calvo als Klara, die sich vom kindlichen Charakter zu einer jungen Frau entwickelt und Rodrigo Juez Moral, der dem Patenonkel eine große Ruhe und Würde aber auch etwas Mystisches verleiht. Wenn ich auch in Sachen Tanztechnik nicht viel mitreden kann, so war ich doch bei dieser modernen Choreografie – weitab von Tutu und Spitzentanz – in jedem Moment berührt und beeindruckt von allen Beteiligten auf der Bühne!
Wer sich nun fragt, wie der Titel des Ballets noch zu dieser Inszeniernung passt, dem sei versichert, dass auch hier eine gute Erklärung in der Neuinterpretation zu finden ist.
Zu der Leistung auf der Bühne passen auch die Klänge aus dem Orchestergraben, die altbekannten Melodien sind frisch gespielt und bleiben auch noch lange nach dem Schlussapplaus im Ohr. Bei dem Spiel mit den beiden Clowns nach der Pause kommen sicher nicht nur die jungen Zuschauer auf ihre Kosten.
Wunderschön ist ebenfalls das Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic, das sich vom Wohnzimmer mit weißem Weihnachtsbaum in die märchenhaften Orte aus Klaras Träumen verwandelt, also in das eisige Reich der Schneekönigin, in einen unheimlichen Albtraum mit unheimlichen Mäuse-Wesen oder einen luftigen orientalischen Wunderort. Dazu passen die vielfältigen Kostüme von Ariane Isabell Unfried, die im einen Moment bürgerlich und bieder, im nächsten Moment sexy und spacig wirken.
Jedenfalls hat diese Uraufführung in mir tatsächlich für die Zukunft eine große Lust auf Tanztheater geweckt und ich lasse mich nun sicher etwas öfter auch ins Ballett locken. Auch ohne Worte können wundervolle Geschichten erzählt werden, wenn die Künstler es so machen, wie am Gärtnerplatz.

Weitere Vorstellungen: 3. und 25. Dezember, 18 Uhr
9. und 23. Dezember, 19.30 Uhr
Karten von 8 bis 65€ an den bekannten Vorverkaufsstellen

https://www.gaertnerplatztheater.de/produktionen/nussknacker.html/m=281&ID_Spielzeit=12

Musikalische Leitung: Kiril Stankow
Choreografie: Karl Alfred Schreiner
Bühne: Rifail Ajdarpasic
Kostüme: Ariane Isabell Unfried
Licht: Michael Heidinger
Dramaturgie: David Treffinger

Der Nussknacker | Ballett
Webseite des Staatstheater am Gärtnerplatz
gaertnerplatztheater.de

 

Mutter Stahlbaum / Schneekönigin: Rita Barão Soares
Klara, ihre Tochter: Anna Calvo
Fritz, ihr Sohn: David Valencia
Großvater Stahlbaum: Alfonso Fernández
Großmutter Stahlbaum: Lieke Vanbiervliet
Patenonkel Droßelmeier: Rodrigo Juez Moral
Der junge Droßelmeier, sein Sohn: David Cahier
Butler: Thomas Martino
Hausmädchen: Verónica Segovia
Ping und Pong, Clowns: Javier Ubell, Guido Badalamenti
Spanischer Onkel: Özkan Ayik
Spanische Tante: Alexa Tuzil
Spanische Cousinen: Marta Jaén, Isabella Pirondi
Spanischer Cousin: Luca Pinho Seixas
Englische Cousinen: Amelie Lambrichts, Vanessa Shield
Zwillinge, Klaras Freunde: Roberta Pisu, Alessio Attanasio
Orientalische Tänzerinnen: Amelie Lambrichts, Vanessa Shield, Marta Jaén, Isabella Pirondi
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

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