[singlepic id=1849 w=320 h=240 float=left]Kann man aus einen Klassiker des Sprechtheaters ein Musical machen, das viele Menschen anspricht? Die Vereinigten Bühnen Wien haben mit Der Besuch der alten Dame nach dem Schauspiel von Friedrich Dürrenmatt bewiesen, dass dies möglich ist.
Güllen ist ein kleiner Ort, abgehängt von der großen Welt, man leidet unter Arbeitslosigkeit und fehlenden Perspektiven. Abhilfe schaffen soll Claire Zachanassian, die als superreiche Multimilliadärin in ihren Heimatort zurückkehrt. Alfred Ill, zur Jugendzeit ihr Liebhaber, soll sie zu einer Zuwendung überreden. Claire zeigt dazu auch bereit, aber nur unter einer Bedingung: Alfred muss sterben! Zwar lehnt man ihr Ansinnen entrüstet ab, beginnt aber heimlich schon damit, auf Pump im Luxus zu leben. Vordergründig will Claire sich an Alfred rächen, der als junger Mann nicht zu ihr gestanden ist und sie in ihrer größten Not allein gelassen hat. Tatsächlich bezieht sie aber den ganzen Ort in ihre Rache mit ein, in dem sie die Bewohner zu mordenden Monstern macht, die für Geld alles tun.
Die Musicaladaption (Buch Christian Struppek) geht tiefer als die Schauspielvorlage, indem sie zum Beispiel in Einschüben erzählt, was damals zwischen Claire, Alfred und den Bewohnern von Ill geschah und gibt Ausblicke, was hätte sein können, wenn Alfred sich anders entschieden hätte. Damit ist der Zuschauer noch näher an das Geschehen herangeholt, man leidet mit Claire, für deren Handeln man dann doch so etwas wie Verständnis aufbringt. Das bringt mehr Emotionalität auf die Bühne und sorgt für Spannung. Die Musik von Moritz Schneider und Michael Reed fand ich zwar eingängig, aber beim ersten Mal hören ist mir keine Melodie im Ohr geblieben. Dies würde sich sicher nach mehrmaligem Anhören ändern.
Beeindruckend ist das Bühnenbild von Peter J. Davison, in Sekundenschnelle verwandelt sich die Bühne vom Bahnhof zum Krämerladen, Wald und Hotelzimmer und wieder zurück. Auch das Konzept der Kostüme von Uta Loher und Conny Lüders war sehr überzeugend. Zu Anfang waren alle Kostüme einförmig grau und alle in Gummistiefeln. Je weiter sich die einzelnen Personen der Gier hingaben, desto bunter wurden ihre Kostüme. Lediglich Alfred Ill war am Ende noch in Gummistiefeln. Das fand ich wirklich clever umgesetzt. Die Regie von Andreas Gergen zeichnete sich vor allem durch die gute Personenführung aus.
Das Ensemble an diesem Abend war großartig, allen voran Pia Douwes als Claire. Wie sie die verschiedenen Facetten der Figur von knallharter Geschäftsfrau zu bereuender Liebender auslotet, war fabelhaft. Ihr zur Seite stand Uwe Kröger als Alfred Ill, der mich sowohl gesanglich als auch schauspielerisch überzeugen konnte. Lutz Standop stand an diesem Abend zum ersten Mal als Lehrer Klaus Brandstetter auf der Bühne und gab ein eindrucksvolles Debüt. Besonders intensiv war, wie immer, die Rollengestaltung von Gunter Sonneson als Pfarrer Johannes Reitenberg. Masha Karell (Mathilde Ill), Hans Neblung (Bürgermeister) und Norbert Lamla (Polizist) rundeten das Ensemble auf hohem Niveau ab.
Der Richter und sein Henker oder Die Physiker sind den meisten Deutschen aus dem Schulunterricht vertraut, aber die musikalische Komödie Frank V., Untertitel Oper einer Privatbank (Musik von Paul Burkhard) dürfte den wenigsten bekannt sein.
Das ist auch kein Wunder, stand das Stück doch zum Beispiel in München erst einmal auf dem Spielplan und das ist über fünfzig Jahre her. Die Familie Frank leitet schon in fünfter Generation eine kleine Schweizer Privatbank. Und weil man ja gerne im Wohlstand leben möchte, muss man Verbrechen begehen. Man wäre ja sooooo gerne gut, aber leider, leider macht man Kohle nur mit Verbrechen. Da muss dann schon mal der ein oder andere Kunde oder Bankangestellte dran glauben, denn schließlich habe man noch nie Geld ausgezahlt, wie die Bankiersgattin glaubhaft versicherte. Da gibt es schon mal eine extra Angestellte, Frieda Fürst, nur dafür, Herren wieder um das Geld zu erleichtern, das sie zuvor abgehoben haben. Ihre eigenen Kinder wachsen jedoch behütet auf und sollen es einmal besser haben. Sie sollen gut sein können, und deshalb muss die Privatbank liquidiert werden. Doch die Kinder haben es längst ihren Eltern nach getan und sind bestens geschult in Prostitution und Erpressung. Sie verhindern die Liquidation und übernehmen die Bank. Selbst vor der Ermordung der eigenen Eltern schrecken sie nicht zurück. So kann es in kapitalistischen Zeiten keine Menschlichkeit geben.
Die Bühne von Manuela Clarin ist wirklich hinreißend. Ganz in schwarz-weiß gehalten, wirkt das Bankgebäude wie mit Kreide gezeichnet. Auch verschiedene Requisiten wie Gläser, Tassen und Flaschen sind gezeichnet und wirklich ganz entzückend. Vorhänge, die den Blick auf eine Gemäldegalerie und später den Tresor dahinter freigeben, lassen eine schnelle Verwandlung der Bühne zu. Die Darsteller sind, abgesehen von den Kindern – hier wächst bereits sichtbar eine neue Generation heran – , ganz in schwarz mit einer Leuchtfarbe gekleidet. Je größer die Krawatte und die Uhr, desto höher steht derjenige in der Hierarchie der Bank. Die Regie von Ingmar Thilo ist sehr geradlinig und direkt, lässt aber ein bisschen Zug vermissen. Auch die Anschlüsse könnten ein bisschen flüssiger sein, aber vielleicht war das auch der Premierennervosität geschuldet und spielt sich im Laufe der nachfolgenden Vorstellungen ein. So dehnt sich der Abend auf knapp drei Stunden. Es ist dabei aber nie langweilig und es kann auch viel gelacht werden. So gibt es zum Beispiel eine Szene, in der jeder davon singt, was er schon alles für die Bank getan hat – und was die persönlichen Folgen für denjenigen sind. Das ist wirklich witzig gemacht.
Die schauspielerischen Leistungen waren durch die Bank sehr gut. Einige hatten mehrere Rollen zu spielen und konnten diese gut trennen und glaubhaft darstellen. Maximilian Maier spielte den Bankier hervorragend, seine Frau (und die gemeinsame Tochter!) wurde von Ulrike Dostal dargestellt. Der Monolog, in dem sie erkennt, dass ihre Tochter eine Hure ist, hatte shakespeareske Dimensionen und wurde von ihr sehr mitreißend vorgetragen. Das war einer der Höhepunkte des Abends. Virginie Didier zeigte die Frieda Fürst in ihren schwachen und in ihren starken Momente gleichermaßen gut, Johannes Schindlbeck hatte als Personalchef Egli und heimlicher Geliebter von Frieda am Schluss eine ganz starke Szene. Amadeus Bodis überzeugte als Prokurist Böckmann und Raphaela Zick war eine herrlich überdrehte Kundin.Niklas Clarin, Momi von Fintel, Manuela Clarin und Andreas Berner in verschiedenen Rollen ergänzten das Ensemble aufs Beste. Sabrina Cherubini begleitete die Darsteller am Klavier.
Ein unterhaltsamer Abend, der aber auch nachdenklich macht. Geld regiert die Welt und der Kapitalismus das Leben. Weitere Vorstellungen am 18.01., 23. – 25.01. und 31.01. – 02.02. jeweils um 20 Uhr im Theater Heppel & Ettlich in der Feilitzschstraße. Karten zu 20,20€ über Münchenticket.
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