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L’Italiana in Algeri, 08.02.2011, Gärtnerplatztheater

Wer hätte jemals gedacht, dass mir eine italienischsprachige Version eine Oper soooooo gut gefallen würde?. Also ich jedenfalls nicht.  Dabei ist es eigentlich auch völlig egal, man könnte auch chinesisch singen, die Inszenierung ist so schlüssig und dabei hochkomisch, dass ich trotzdem folgen kann. Ein sehr positives Beispiel dafür, wie man die Rahmenhandlung ins heute verlagern kann, ohne das Stück zu entstellen. Außerdem wird sehr textverständlich gesungen, so dass ich den ein oder anderen Satz tatsächlich übersetze. Für irgendwas müssen die acht Semester Italienisch an der VHS ja gut sein.

Hinzu kommt, dass die Mitwirkenden eine Geschichte auch erzählen können. Da sitzt jede Handbewegung, jedes Mienenspiel, jede Choreografie. Wenn Stefan Sevenich als Mustafà eine Augenbraue hochzieht oder Rita Kapfhammer als Isabella mit ihrerr starken Bühnenpräsenz Erotik verströmt wie ein gutes Parfüm, sagt das mehr als tausend Worte.

Und musikalisch ist es ja sowieso das reinste Vergnügen. Das Finale des ersten Aktes ruft berechtigterweise Bravorrufe schon zur Pause hervor und im zweiten Akt wird nochmal ein Zahn zugelegt. Das Orchester, Chor, die Solisten Stefan Sevenich, Ella Tyran, Carolin Neukamm, Sebastian Campione, Rita Kapfhammer und Juan Fernando Gutiérrez, alle sind einfach grandios!

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L’Italiana in Algeri, 21.01.2011, Gärtnerplatztheater

Mich hat mal jemand darauf angesprochen, dass ich immer nur meckern würde. Wenn ich mir meine letzten Posts so ansehe, stimmt das bis zu einem gewissen Grad. Deshalb gibt es auch mal eine positive Rückmeldung: das Publikum verhielt sich an diesem Abend einwandfrei 🙂 es kann ja wirklich nichts dafür, dass es durch die Gags zum Lachen gereizt wird, egal ob es musikalisch grad passt oder nicht. So stört die Verwandlung der Sklaven während Isabellas Schlussarie erheblich, aber ich muss ja selbst schmunzeln. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass sich das Publikum noch besser amüsierte als am Montag, vielleicht liegt es an der Aussicht aufs Wochenende, denn szenisch waren beide in etwa gleich.

Musikalisch war fast alles vom Feinsten, mit dem armen Lindoro komme ich immer noch nicht zu Recht, aber das ist nach der Reaktion des Publikums zu schließen ganz allein mein Problem. Das Orchester unter Lukas Beikircher spielte hervorragend und der Herrenchor zeigte sich von seiner besten Seite. Carolin Neukamm überzeugt als Zulma und es wundert niemanden, dass sie und Haly sich zusammen tun. Der wird von Sebastian Campione aufs beste interpretiert, sein  “Le femmine d’Italia” wurde heftig beklatscht. Herr Beikircher meinte ja in der Einführung, dass man sich nicht sicher sei, sie wirklich aus der Feder Rossinis stamme und sie klingt tatsächlich etwas anders, nach den ersten Tönen erwarte ich eher eine Mozart-Arie. Stefanie Kunschke hat mir sogar noch besser gefallen als in der Premiere und Juan Fernando Gutiérrez ist ein überzeugender Taddeo  mit sehr schönem Bariton.

Eine Klasse für sich sind die beiden “Gegenspieler” Isabella und Mustafà. Von dem Moment an, in dem sie auf der Bühne landet, hat Rita Kapfhammer alles im Griff, wickelt die Männer um den kleinen Finger und verbündet sich mit den Frauen. Dabei hat sie eine enorme Bühnenpräsenz, es ist ein Genuß, ihr zuzusehen und die kleinen Gesten und die Mimik zu beobachten, die so viel ausmachen. Dabei singt sie herrlich, als ob Rossini die Partie nur für sie geschrieben hat. Dasselbe kann man auch von Stefan Sevenich sagen, der sich leichtfüßig durch die Rolle bewegt und neben einem samtigen Bass auch noch exzellente szenische Darstellung zeigt.

Musikalisch und szenisch macht diese Inszenierung einfach Spaß, kein Wunder, dass die nächsten Vorstellungen schon so gut wie ausverkauft sind. Als kleinen Appetithappen hier der offizielle Trailer, aber Vorsicht, NSFW 😉

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L’Italiana in Algeri, 17.01.2011, Gärtnerplatztheater

Um den größtmöglichen Gegensatz zu haben, sitze ich bei der zweiten Vorstellung im Parkett vorne, so auch diesmal. Leider scheinen immer mehr meiner Mitzuschauer der Auffassung zu sein, sie würden mit ihrer Karte das Recht erwerben, sich wie zu Hause vor dem Fernseher zu fühlen. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man mal herzlich und situationsbezogen lacht oder ob man wirklich alles, was einem gerade durch den Kopf geht, herausblökt. Neben mir saß ein älteres Paar, man kam vor der Vorstellung ins Gespräch, der Mann sagt,e es fiele ihm schwer, das gesungene Wort zu verstehen und es wäre ihm unangenehm, wenn er dann an den falschen Stellen lachen würde. Hinterher hätte ich ihm sagen können, dass es mit dem Verständnis besser geht, wenn man zuhört statt sich zu unterhalten. Ich belies es dann doch bei einem mörderischen Blick und und einem unmissverständlichen Zischlaut. Von dieser Seite war fortan Ruhe, aber leider bei weitem nicht von allen Seiten. Bin ich empfindlicher geworden oder hat die Rücksichtslosigkeit zugenommen?

Und dabei hätten sie so viel entdecken können an diesem Abend. Gut, auch einen bis zur Lächerlichkeit geschminkten Herrenchor, der aber, anders als ich es in der Premiere empfunden habe, vor allem gegen Schluss seine enorme Spielfreude zeigt, der die mitreißende Choreographie von Vera Würfl präzise umsetzte. Sie hätten eine Ella Tyran als Elvira entdecken können, die mit schöner Stimme und einem bezaubernden Lächeln ihren Mustafà zurückerobert. Sie hätten einen mehr als soliden Taddeo von Manuel Wiencke entdecken können oder den schönen Mezzo von Franziska Rabl. Sie hätten einen Sebastian Campione entdecken können, der als Haly stimmlich und szenisch überzeugte. Sie hätten alle die kleinen, feinen, leisen Stellen des hervorragenden Orchesters unter Lukas Beikircher entdecken können.

Die Gags zündeten übrigens auch beim zweiten Mal und Stefan Sevenich zog wieder alle Register seines gesanglichen und szenischen Könnens, so dass am Ende die Freude überwog. Auch diesmal wieder ausgiebiger Jubel für alle Beteiligten.

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Premiere L’Italiana in Algeri, 14.01.2011, Gärtnerplatztheater

In meinem Post zur Einführung schrieb ich, dass ein Stück in Originalsprache idealerweise auch ohne Übertitel auskommt. Die schlechte Nachricht ist: man muss fast zwangsläufig, wenn man im Halbdunkel so schlecht lesen kann wie ich. Dadurch, dass die Bühne zu 90 % hell erleuchtet ist, ist der Kontrast der Übertitel nicht sehr groß und meine Bemühungen, dort hin und wieder etwas zu entziffern, haben mir ziemlich schmerzende Augen eingebracht.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: die Inszenierung ermöglicht es einem, der Handlung auch ohne Übertitel zu folgen. Sie ist fast schon wie aus einem Comic entsprungen, plakativ, immer sehr sprechend. Nie habe ich mich gefragt, was mir der Regisseur jetzt damit sagen will, dafür habe ich und meine Mitzuschauer umso öfter herzlich gelacht. Und das, wie gesagt, ganz ohne Übertitel. Es sind so viele witzige Kleinigkeiten, die das Betrachten zum reinen Vergnügen machen. Mit Humor ist es ja immer ein bisschen schwierig, nicht jeder versteht das Gleiche darunter, aber Regisseur Thomas Enzinger hat es geschafft, den Nerv mindestens des überwiegenden Teils des Publikums zu treffen. Er hat die Charaktere der Figuren herausgearbeitet und überhöht und ihnen genau passende Attribute und Gesten gegeben. Und der Schluss ist im besten Sinn des Wortes ein echter Knaller. Ich  möchte keine Details verraten, ich kann nur sagen, hingehen und selbst lachen.

Die Bühne ist eine Art Luxusjacht, sehr wandelbar und immer passend. Begeistert haben mich die verschiedenen Lichtstimmungen, das war wirklich sehr gut ausgeleuchtet. Nicht sooo passend finde ich die Kostüme. Der Männerchor wirkt mit seinen roten Pluderhosen und der schusssicheren Weste über Muskelpaketen von Popey’schen Ausmassen unproportioniert und auch die anderen Kostüme sind nicht immer vorteilhaft, nicht zuletzt im praktischen Sinn.

Das ist aber auch einer der wenigen Kritikpunkte, die ich habe und er fällt auch nicht weiter ins Gewicht. Musikalisch war es ein wunderbarer Abend, bis auf eine Ausnahme, die aber allein in meinem subjektiven Empfinden liegt: es gibt eine gewisse Stimmlage bei Tenören, die mir nicht liegt und der Sänger des Lindoro hat sie. Das ist aber wie gesagt, ganz allein in mir begründet und es kann jeder anders empfinden. Ansonsten ist musikalisch alles top und auch die schauspielerische Leistung von allen Akteuren kann ich nur in den höchsten Tönen loben. Der Herrenchor darf hier leider nur zum Teil seine unglaubliche Spielfreude zeigen, aber singen tun sie in gewohnter Qualität. Das Orchester unter Lukas Beikircher spielte wunderbar diesen zumindest in meinem begrenzten Musikverständnis charakteristischen Rossiniklang. Carolin Neukamm überzeugte als Zulma und Stefanie Kunschke in der etwas undankbaren, weil ziemlich weinerlichen Rolle der Elvira, war in den Ensembles immer sehr gut hörbar. Absolut fantastisch war, wie schon so oft, Rita Kapfhammer. Ihr Stimmumfang ist unglaublich, absolut sicher und sehr schön ihre Koloraturen. Dazu kommt erotische Ausstrahlung und Charme, dass sie Taddeo, Lindoro und Mustafa um den kleinen Finger wickelt, ist absolut nachvollziehbar. Sehr gut gefallen haben mir auch Derrick Ballard als Haly und Juan Fernando Gutiérrez als Taddeo, die sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch glänzten. Die Rolle des Bey Mustafà ist Stefan Sevenich auf den Leib geschrieben. Er verlieh ihm nicht nur eine ausgezeichnete Stimme, sondern auch eine schier unglaubliche Präsenz, bei der er alle Facetten seines schauspielerischen und tänzerischen Könnens zeigte.

Ein fulminanter Abend, der mit lautem, einhelligem Jubel für Produktionsteam und Akteure belohnt wurde. Am Montag folgt die zweite Vorstellung, in der einige Rollen alternativ besetzt sind, das wird auch noch einmal spannend.

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Premiere Die Fledermaus, 02.12.2010, Gärtnerplatztheater

Mit der Fledermaus hatte sich Regisseur und Intendant Dr. Ulrich Peters eine ziemlich harte Nuss ausgesucht. Schließlich werden wenige andere Operetten öfter gespielt, allein in Deutschland hat man im Moment die Möglichkeit, zwischen knapp 20 verschiedenen Inszenierungen zu wählen.

Aber dieses Stück gehört ans Haus wie Hänsel zur Gretel. Hier nimmt man es ernst, lässt es nicht verschämt unter Oper laufen, wie drüben am Max-Joseph-Platz, um ein Stück zu haben, das man an Silvester zu Festspielpreisen unter die Leute bringen kann. Und das merkt man in jeder Minute.
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Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Premiere am 18.06.2010, Gärtnerplatztheater

Auf diese Premiere war ich besonders gespannt. Zwar bin ich mit der Musik Kurt Weills aus der Dreigroschenoper, die in meiner Kindheit oft zu Hause gespielt wurde, am Rande vertraut, aber konkret diese Oper hatte ich mir ganz bewusst vorher nicht angehört. Bereits beim Auftakt merkte ich aber, dass ich doch schon das ein oder andere Stück kannte und das setzte sich im Verlauf dieses Premierenabends fort.

Das von Regisseur Thomas Schulte-Michels Bühnenbild ist eher minimalistisch, anfangs symbolisieren zwei Scheinwerfer das Auto, mit dem Witwe Begbick, Fatty und Dreieinigkeitsmoses in der Wüste liegen bleiben, später bilden gelbe Stühle in unterschiedlicher Anzahl und Größe die Stadt Mahagonny. Es wird viel mit Technik gearbeitet, manchmal dreht sich die Bühne permanent, was einen interessanten Effekt gibt, manchmal tut sich ein Loch auf, in dm die Toten verschwinden, manchmal fährt ein Blitz vom Himmel. Die von Tanja Liebermann entworfenen Kostüme passen sehr schön dazu, diese gelben Ganzkörperdaunenschlafsäcke haben mich sofort an die im Text erwähnten Häute erinnert. Die Personenregie ist klasse und auch die Choreographie von Fiona Copley passt haargenau.

Musikalisch war der Abend ein absoluter Genuss. Der von Inna Batyuk hervorragend einstudierte Chor jagte mir so manchen Schauer über den Rücken und das Orchester unter dem kurzfristig eingesprungenen Andreas Kowalewitz war in Bestform. Die Solisten waren durch die Bank gut bis sehr gut, herausragend Stefan Sevenich, der nicht nur stimmlich als Dreieinigkeitsmoses glänzte, sondern auch als Boxer eine sehr gute Figur machte, Cornel Frey, der den Fatty excellent interpretierte, Heike Susanne Daum, die als Jenny mit ihrer szenischen und musikalischen Darstellung von lasziv im Alabama-Song bis tief berührend im Schlussduett mit dem ebenfalls großartigen Wolfgang Schwaninger das Publikum in wahre Begeisterungsstürme ausbrechen lies.

Das Stück schlägt einen so in seinem Bann, am Ende hatte ich das Gefühl, das Publikum, das gemeinsam dem Atem angehalten hat, atmet kollektiv aus und kann der Begeisterung endlich Ausdruck verleihen, denn während der Vorstellung gibt es praktisch keine Möglichkeit zu klatschen, und das ist auch gut so, denn es würde den Spannungsbogen stören. Orkanartiger, lang anhaltender Beifall für Chor, Solisten Orchester und Produktionsteam – dem Staatstheater am Gärtnerplatz ist mit dieser Inszenierung wieder ein großer Wurf gelungen.

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