Dass die Titelrolle eines Stücks am Ende stirbt, findet man nur selten am Gärtnerplatztheater. Wenn ich nun von einigen höre, dass die Maria Stuarda Staatsopernniveau hat, liegt das bestimmt nicht daran. Für mich ist diese Inszenierung, die am 22. März ihre Premiere feierte, aber etwas Eigenständiges. Das fängt damit an, dass man keine Inszenierung auf die Beine stellen muss, wo die Besetzung stets austauschbar bleiben muss. Man setzt auf das Ensemble und nicht auf Stars und große Namen. Das kann man am Gärtnerplatztheater auch wunderbar, hat man doch genau die Sängerinnen und Sänger, die die Rollen großartig ausfüllen. Das beginnt mit Jennifer O’Loughlin, die die Titelpartie grandios interpretierte. Es ging weiter mit Lucian Krasznec als zwischen Maria und Elisabeth pendelnder Liebhaber Roberto und gilt ebenso für Matija Meić in der Rolle des Lord Cecil und Levente Páll als Talbot. Dazu kommt die in der Rolle der Anna Kennedy zurückhaltend präsente Elaine Ortiz Arandes. Nur die Rolle der Elisabeth hatte man mit einer ebenso glänzenden Nadja Stefanoff als Gast besetzt.
Als sich der Vorhang öffnete blickte man auf ein Monstrum aus Plexiglas und Stahl mit einer überdimensionalen Automatik-Schiebetür hinter einer Freitreppe. Es senkten sich einige Kristalllüster und der Chor trat in prachtvollen Renaissancekostümen auf. Dieser Kontrast hat mich begeistert. Bei den Personen erkannte man so doch jede historische Persönlichkeit ohne raten zu müssen. Durch Drehbühne und versenkbarem Podium wechselte man schnell in unterschiedliche Orte. Die Personenführung wirkte nur im ersten Moment statisch, schaute man genau hin, gibt es jede Menge auch in kleinsten Bewegungen und Mimik zu entdecken, so dass mich die Inszenierung fesseln konnte. Was Regisseur Michael Sturminger und was Co-Regisseurin Ricarda Regina Ludigkeit zuzuschreiben ist, bleibt natürlich ein Geheimnis. Aber die Wirkung mich in den Bann zu ziehen wurde erreicht. Ich war froh am Gärtnerplatztheater ganz nah zu sein zu können und nicht an der Staatsoper weit von der Bühne entfernt. Und wem schöne Bilder, tolle Musik von fantastischen Künstlerinnen und Künstlern auf die Bühne gebracht nicht genug ist, darf sich natürlich auch mit den historischen Personen beschäftigen. Beiden Königinnen ging es um ihre Macht. Für beide war das Töten von Gegnern immer eine Option. Dass sie dazu auch den Glauben als Rechtfertigung heranzogen, sollte uns zu denken geben. Ich hoffe, dass die Menschheit da irgendwann klüger wird. Leider gibt es auch in Deutschland und Europa viel zu viele Politiker, die das anders sehen…
Von Unbekannt – http://operetta-research-center.org/wp-content/uploads/2017/01/bata-e1485606668958.jpg, Gemeinfrei,
Wikipedia mit Musik: Ba-ta-clan – Palast des Lächelns NACH Jacques Offenbach
Masterclass-Studierende der Theaterakademie August Everding sind keine Unbekannten im Silbersaal des Deutschen Theaters. Derzeit stehen sie mit einem Stück Offenbachs, dem die Erfindung der Operette zugeschrieben wird, auf der dortigen Bühne. Der Einakter aus dem Jahr 1855 ist eine typische Offenbachiade, also ein musikalisches Stück, das satirisch dem Pariser Bürgertum den Spiegel vorhält. Anspielungen, die damals jeder begriff, sind nicht so leicht ins München 2018 zu bringen. Deshalb steht auf dem Werbeflyer „Regisseur Frieder Kranz verwebt geschickt… die eigentliche Handlung mit den Historien des Deutschen Theater München und dem Pariser Theater Bataclan …“. Mich erinnerte es eher daran, wenn ich die Kopfhörer meines Handys, das Ladekabel und das Schlüsselband aus der Hosentasche hole. Da muss man lange entknoten, damit sich der Nutzen entfalten kann. Der Nutzen des Abends war für mich, meinen Bestand an ‚unnützem Wissen‘ zu erweitern, das ich dann auf andere ablassen kann: wer war eigentlich Jacques Offenbach, in welcher Beziehung stand er zu Hortense Schneider, wer leitet das Deutsche Theater heute, wer hat es gebaut, wo war der Feenpalast in München, welche Bedeutung hat das Deutsche Theater im Werk von Frank Wedekind, welche Bedeutung hatte Meyerbeer im Vergleich zu Gilbert und Sullivan für die Entstehung von Monty Python und noch ganz viel mehr? Irgendwann wusste man nicht mehr auf welcher Metaebene man sich zwischenzeitlich befand. Dazu kam die Musik, ganz viel Offenbach, nicht nur aus Ba-ta-clan. Orpheus in der Unterwelt und Hoffmanns Erzählungen waren dauernd zu erkennen. So gab Chris W. Young zum Beispiel eine Olympia und verwandelte Hans Styx in einen Prinzen von Bavarien. Julian Schier steppte die Geschichte vom Kleinzack. Die Barcarole erklang auch. Dazu kamen Chanson, Musical und Oper. So zeigten auch Lean Fargel und Joanna Lissai die Bandbreite ihres Könnens. Wieviel wird wohl von diesem Abend bei mir hängen bleiben?
BESETZUNG
Musikalische Leitung und Einstudierung Christoph Weinhart
Inszenierung Frieder Kranz
Bühne und Kostüme Christl Wein-Engel
Dramaturgie Lena Scheungrab
Künstlerische Produktionsleitung Matthias Gentzen
Regieassistenz und Abendspielleitung Lili König
Mit Joanna Lissai, Lean Fargel, Julian Schier, Chris W. Young
Heute ging es für mich mittlerweile zum 8. Mal mit dem alten Schulbus quer durch Australien. 3 reizende Fahrtbegleiterinnen machten die Reise unvergesslich. Fangen wir mit Adam an. Jung, schön, frech. Mit dem Traum, Kylie Minogue auf dem Ayers Rock darzustellen. Bernadette, die älteste. Sie hat viel erlebt. Doch fürs Herz hatte sie noch nicht das richtige. Und Tick. Eine Frau hat seine Ehe auseinander gebracht. Die Frau in ihm. Doch seine Frau bittet ihn zu Beginn des Stücks zu ihr zu kommen und in ihrem Hotel aufzutreten. Die drei machen sich auf den Weg und erleben viel. Viel Liebe aber auch Abscheu.
Das ganze wird durch die Songs getragen. Die Songs meiner Jugend. Ein Hit nach dem anderen. Dazwischen Tiefe und ganz viel Komik. Aber immer Glamour und ganz viel Tanz.
Taucht man richtig in das Stück ein, fühlt man immer mehr die Handlung und weniger weniger die Musik. Das zeigt, dass die Folge der Disco-Hits und Szene-Hymnen nur oberflächlich ist. Beeindruckend ist die Altersweisheit von Bernadette. Trotz der Wortgefechte mit Adam zeigt sie immer wieder starke Gefühle. Die Jugend muss auch hier Erfahrungen machen, aber das Alter fängt sie auf, beschützt sie. Erwin Windegger schafft es hier, bei der Verletzlichkeit von Bernadette das Wohlgefühl herzustellen, wenn man eine starke Person braucht. Irgendwie spiegelt das auch viel von mir. Belohnt wird Bernadette mit der Zuneigung von Bob (Frank Berg), der trotz seiner bodenständigen und einfachen Art, im Gegensatz zu der sonstigen Bevölkerung des Outbacks, den Menschen und nicht sein Äußeres beurteilt, und dadurch vorurteilsfrei Kunst genießen kann.
Das Ensemble war fantastisch. Hervorzuheben jedoch die 3 Hauptdarsteller: Neben Erwin Windegger, Armin Kahl und Terry Alfaro. Sowie mein besonderer Liebling, die Vokuhila-Queen, perfekt dargestellt von Angelika Sedlmeier. Tolle Kostüme von Alfred Mayerhofer, eine bewegte Choreografie von Melissa King, in einem abwechslungsreichen Bühnenbild von Jens Kilian. Fantastisch inszeniert von Gil Mehmert.
Einen kleinen Wehmutstropfen hatte ich aber heute: meinen Platz. Vorn im Parkett aber fast am Rand. Während Bernadette die Kunst der synchronen Lippen beschwörte, konnte ich meine Augen und Ohren nicht richtig synchronisieren. Der Klang kam laut aus dem Lautsprecher von links, zu sehen gab es aber nur etwas rechts. Das macht etwas se(e/h)krank.
Besetzung am 14.03.2018
Dirigat Jeff Frohner
Regie Gil Mehmert
Choreografie Melissa King
Bühne Jens Kilian
Kostüme Alfred Mayerhofer
Licht Michael Heidinger
Video Raphael Kurig, Meike Ebert
Dramaturgie Michael Alexander Rinz
Tick Armin Kahl
Bernadette Erwin Windegger
Adam Terry Alfaro
Diven Dorina Garuci, Amber Schoop, Jessica Kessler
Bob Frank Berg
Marion Tanja Schön
Benji Matthias Thomas
Cynthia Marides Lazo
Shirley Angelika Sedlmeier
Miss Verständnis Eric Rentmeister
Miss Fernanda Falsetta Jurriaan Bles
Jimmy Karim Ben Mansur
Ensemble John Baldoz / Jurriaan Bles / Alex Frei / Dorina Garuci / Luke Giacomin / Jessica Kessler / Marides Lazo / Karim Ben Mansur / Rachel Marshall / Andreas Nützl / Eric Rentmeister / Adriano Sanzò / Tanja Schön / Amber Schoop / Susanne Seimel / Samantha Turton
Wenn einer eine Reise tut, dann geht er in n die Oper. Das ist in Spanien nicht immer ganz leicht und auf Gran Canaria schön gar nicht. Aber jetzt hatte ich das Glück, dass das schöne Theater Pérez Galdós in Las Palmas bespielt wurde. Den Wink des Schicksals muss man nutzen. Die Handlung ist schnell erzählt: Vater stört Liebespaar, kommt im Handgemenge um, Liebhaber wird verfolgt, am Ende kommt der Tod. Klingt wie Don Giovanni, war aber La Forza del Destino.
Diese Verdi-Oper stand bei mir in den letzten gut 30 Jahren, die ich regelmäßig ins Theater gehe, noch nicht auf dem Programm. Es wurde also Zeit, diese herrliche Musik zu genießen. Dazu in diesem wunderschönen Theater. Die Inszenierung wirkte etwas sehr statisch. Vielleicht lohnt sich für 3 Vorstellungen auch eine lange Probenzeit nicht? Das Bühnenbild bestand aus einem in die Unendlichkeit laufenden karierten Boden. Einzelne Karos wurden angestrahlt, so wussten die Sänger, wo sie zu stehen hatten. An der Decke wiederholte sich das Ganze, wobei diese in einer Szene überdimensionale Stifte herunterließ, ein anderes Mal ein in Karoresten leuchtendes Kreuz, und die sich zum Schluss in einige Puzzleteile auflöste. Das war schon beeindruckend. Bis auf ein paar Hocker oder Bänke sowie einen Karokäfig blieb die Bühne ansonsten leer. Nur einige schwarzmaskierte Statisten, die auch einmal am Bühnenrand Irgendetwas um warfen, waren stets präsent. Es war also ratsam, sich die Handlung vorher anzueignen. Im Gegensatz zu dieser modernen Bühnenbildgestaltung waren die Kostüme im Stil der Renaissance gehalten. Die Handlung ist im Barock angesiedelt …
Sae Kyung Rim als Leonora strahlte gesanglich. Das kannte ich schon von ihrer Aida im Prinzregententheater. Aquiles Machado als Don Alvaro war der stimmlich passende Partner. Die Stimme von Sergey Murzaev war mir für den Don Carlo zu alt. Alle drei bekamen regelmäßig Szenenapplaus. Auch die kleinen Rollen waren gut besetzt und der Chor rundete alles harmonisch ab. Fantastisch war der Liveklang, den ich insbesondere bei Operetten immer mehr vermisse.
Besucht wurde die Premiere von La Forza del Destino im Teatro Pérez Galdós in Las Palmas de Gran Canaria.
Sae Kyung RIM – Leonora
Aquiles MACHADO – Don Alvaro
Sergey MURZAEV – Don Carlo
In Sung SIM – Guardiano
Pietro SPAGNOLI – Fra Melitone
Belén ELVIRA – Preziosilla
Jeroboám TEJERA – Marquese/Alcaide
Andrea GENS – Curra
Francisco NAVARRO – Trabucco
Elu ARROYO – Chirurgo
Sergio ALAPONT – Dirección musical (musikalische Leitung)
Alfonso ROMERO – Dirección escénica (Regie)
Carlos SANTOS – Escenografía (Bühnenbild)
Sergio PALADINO – Asistente de dirección de escena y de movimiento escénico
José FERNÁNDEZ “Txema”- Iluminador
Laïla BARNAT- Repertorista
Laura NAVARRO – Regiduría general y Jefa de escenario
ORQUESTA FILARMÓNICA de GRAN CANARIA
CORO de la ÓPERA de LAS PALMAS DE GRAN CANARIA
Olga SANTANA – Dirección (Chorleiterin)
Wenn ich heute immer mit großer Vorfreude das Gärtnerplatztheater besuche, kann ich mir eigentlich kaum noch vorstellen, dass ich bis vor einigen Jahren das Genre der Operette überhaupt nicht so spannend fand. Erst durch ein wirklich interessantes Seminar im Rahmen meines Theaterwissenschafts-Studiums und vor allem der Regiehospitanz bei der Zirkusprinzessin im Jahr 2014 wurde meine Liebe zu diesem – zu Unrecht – unterschätzten Teil des Musiktheaters geweckt. Da trifft es sich ja umso mehr, dass ihm hier eine regelmäßige Plattform geboten wird.
Auch am letzten Januarabend standen einige junge Leute in Form von Schulklassen auf dem Gärtnerplatz und nicht alle der Schüler schienen so motiviert wie die Lehrer und Besucher. Doch seien wir mal ehrlich, die wenigsten Schüler waren auch in meiner Schulzeit große Fans von Theaterbesuchen. Doch schon bald nach Vorstellungsstart war von Missmut nichts mehr zu spüren im Saal.
Das liegt vor allem an der spannenden Inszenierung unseres Staatsintendanten Josef Köpplinger, der die Operette von Paul Abraham in ein Theater im Theater verwandelt. Im Original werden die zum Tode verurteilten Ungarn Rittmeister Koltay und sein Diener Jancsy von ihrem Gefängniswächter im Austausch gegen eine Geige frei gelassen. Das scheint doch etwas zu einfach und willkürlich. Im Gärtnerplatztheater fordert der russische Leutnant Petroff Koltay kurz vor der Hinrichtung auf zu erzählen, was er jetzt in Freiheit tun würde. Also erzählt der Ungar, wie er seine Verlobte Viktoria suchen würde, die inzwischen aber einen amerikanischen Botschafter geheiratet hat. Sie ist hin und her gerissen zwischen der Liebe zu ihrem totgeglaubten Verlobten und der Dankbarkeit gegenüber ihrem Ehemann, woraufhin Koltay wieder freiwillig in Gefangenschaft geht. Dagegen findet sein Diener Jancsy in Viktorias Zofe die große Liebe.
Foto: Christian POGO Zach
Durch die Tatsache, dass das beeindruckende Bühnenbild des russischen Gefangenenlagers ein verfallenes Theater zeigt, in das durch die kaputten Fenster der Schnee weht, wird die Erzählung mitten in das Elend des Gefangenenlagers mit Frauen, Kindern, Soldaten und Verwundeten gebracht. Zwischen grauen Mänteln und Dreck erscheint also Viktoria im eleganten Seidenkleid und japanische Kirschblüten rieseln von der Decke. Tatsächliche Kulissenteile dieser „Traumwelt“ sind zum Großteil nur auf der kleinen Bühne zu finden. Immer wieder wird die Erzählung Koltays unterbrochen durch seine Bewacher oder eine kleine Revolte der Gefangenen. Das nimmt der Operette also viel Kitsch und holt sie immer wieder zurück in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in der sie eigentlich spielt.
Dies ist inzwischen scheinbar ein beliebter Kniff Köpplingers, schließlich wurde auch bei der Wiedereröffnungsinszenierung der Lustigen Witwe das Idyll gebrochen durch den Beginn eben dieses Krieges. Und gerade das macht solche Stücke heute auch für das junge Publikum interessant, das eben seine Liebe zur Operette oder zum Theater im Allgemeinen manchmal erst noch entdecken muss, was man aber eher durch solche fantasievollen Werke schafft als durch provokantes Regietheater.
Daniel Prohaska und Alexandra Reinprecht dürften sich ja inzwischen als Operetten-Traumpaar im Gärtnerplatztheater etabliert haben, schon bei der Zirkusprinzessin durfte ich von Anfang an erleben, wie sie ihre unglücklich verliebten Helden doch zusammen brachten. Ihr Zusammenspiel ist auch bei Viktoria und ihr Husar sehr emotional und intim, wenn auch Koltay in seiner rasenden Eifersucht tatsächlich manchmal sogar ein wenig bockig anmutet. Dass sich die beiden Charaktere eigentlich während der gesamten Inszenierung nicht wirklich treffen kann man bei all dem Herzschmerz und Glück fast vergessen, ebenso wie das Ende, in dem das Schicksal der beiden offen bleibt.
Bei allem Drama um das Hauptpaar tun die rasanten Beziehungen der beiden Buffo-Paare natürlich trotzdem Herz und Seele der Zuschauer gut. Josef Ellers zeigt einen energiegeladenen Jungspund in Koltays Diener, der sich in Japan auf den ersten Blick in die quirlige Zofe Riquette, gespielt von Katja Reichert, verliebt. Die beiden Jungen spielen und singen bezaubernd! Ihr Duett bei Janczys Bad, bei dem seine Handtücher um die Leistengegend immer knapper werden, ist nicht nur für die Damen im Publikum ein Highlight der Inszenierung. Aber selbst hier wird bei aller Fröhlichkeit auch immer vorgehalten, dass die Handlung doch nur Fantasie ist. Der Körper des jungen Mannes ist mit Wunden übersät und auch nach dem „Bad“ ist er immer noch dreckig.
Foto: Christian POGO Zach
Das dritte Paar besteht aus Viktorias Bruder Graf Hegedüs, in der Wiederaufnahme gespielt von Peter Lesiak und Susanne Seimel als seine halb-japanischen Braut O Lia San, die ein rauschendes asiatisches Hochzeitsfest mit tanzenden Sumo-Ringern und japanischen Schönheiten feiern. Auch sie sorgen für zahlreiche Lacher in diesem Stück, vor allem da sie das frisch verheiratete Ehepaar spielen, die sich schon vor der Hochzeit ständig gegenseitig aufziehen, doch trotzdem unendlich glücklich scheinen.
Viele verschiedene Charaktere, wundervolle Darsteller und die spannenden Kontraste zwischen Fantasie und Realität im Bühnenbild und in den Kostümen machen Viktoria und ihr Husar zu einer ungewöhnlichen und interessanten Inszenierung. Regie und Dramaturgie haben wieder einmal genau an den richtigen Stellen kleine Veränderungen vorgenommen, um das Stück auch für ein Publikum des 21. Jahrhunderts nicht seicht wirken zu lassen und trotzdem das ein oder andere Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. In dieser Saison ist die Operette nur noch am 10. Februar zu sehen, doch ich hoffe sehr, dass wir auch in der nächsten Spielzeit wieder nach Russland, Japan und Ungarn reisen dürfen.
Dirigat: Andreas Partilla
Regie: Josef E. Köpplinger
Choreografie: Karl Alfred Schreiner
Bühne: Karl Fehringer, Judith Leikauf
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Licht: Michael Heidinger
Choreinstudierung: Felix Meybier
Video: Meike Ebert, Raphael Kurig
Dramaturgie: David Treffinger
Leutnant Petroff, Kosak und Lagerleiter in Sibirien: Gunther Gillian
Stefan Koltay, Husarenrittmeister: Daniel Prohaska
Janczy, sein Bursche: Josef Ellers
Unteroffizier Krutow, Lageraufseher: Uwe Thomsen
John Cunlight, amerikanischer Gesandter: Erwin Windegger
Gräfin Viktoria, seine Frau: Alexandra Reinprecht
Graf Ferry Hegedüs auf Doroszma, Viktorias Bruder: Peter Lesiak
O Lia San, Ferrys Braut: Susanne Seimel
Riquette, Viktorias Kammerfrau: Katja Reichert
Bela Pörkölty, Bürgermeister von Doroszma: Florian Wolf
James, Butler von Cunlight: Maximilian Berling
Chor, Orchester, Ballett, Statisterie und Kinderstatisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Zum Abschluss meiner Theaterwoche zog es mich am vergangenen Freitag erstmals ins Theater Drehleier zwischen Ostbahnhof und Rosenheimer Platz. Zusammen mit den Gewinnern unserer Adventsverlosung kam ich an diesem Abend in den Genuss der musikalischen Komödie Dinner with Gershwin, die die drei Künstler Peter John Farrowski, Andreas Michael Roth und Philip Tillotson zusammen auf die Beine stellten.
Foto: Rolf Demmel
Die Handlung spielt in dem heruntergekommenen Wiener Lokal „Zum Weissen Stößel“, in dem der Kellner Franzl sein Dasein als Kellner fristet. Eigentlich ist er Sänger, doch Opern sind ihm inzwischen zu langweilig, er wartet lieber auf seine Chance, im Bereich Jazz und Swing eine Karriere zu machen. Sein Kollege Camillo sitzt indessen auch lieber am Klavier, als in der Küche zu helfen. Eines Tages kündigt der Chef telefonisch den Besuch eines Kontrolleurs vom Gesundheitsamt an, stattdessen taucht jedoch der französische Tenor Fréderic auf, der auf der Flucht vor seinen Gläubigern ist und dem ein Auftritt in einem berühmten Wirtshaus am Wolfgangssee versprochen wurde. Aufgrund des kaputten Türschildes landet er jedoch in Franzls Restaurant. Dort treffen sehr eigene Charaktere aufeinander, etwa die Wiener Nutte Gitti oder der derbe Schweizer Klemptner Rüdisüli. Alle sieben Charaktere werden von den drei Künstlern verkörpert, was tatsächlich dank solistischer Musikeinlagen und Stimmen aus dem Off wunderbar funktioniert. Nicht nur durch die verschiedenen Dialekte wird jeder Figur ein ganz eigener Charakter verliehen, mit ganz vielen Klischees, doch gerade das macht die Aufführung zu einem wunderbaren leichten und lustigen Theaterabend. Schließlich ist nach einer anstrengenden Woche ein humorvolles Stück mehr als perfekt!
Foto: Rolf Demmel
Doch darstellerisch und musikalisch wird bestes Musiktheater geboten. Philip Tilltson hält sich als Pianist Camillo meist im Hintergrund, jedoch immer mit einem kleinen Seitenhieb gegen die anderen Charaktere und einem süffisanten Grinsen auf dem Gesicht. Peter John Farrwoski gibt als Kellner Franzl den „goscherten“ doch sympathischen Bayern, der sich trotzdem sehr gut um den vermeintlichen Restaurantprüfer kümmert und ihm etwa bei einem Fläschchen Vodka die Geschichte des Stroganoff-Filets besingt. Aber das absolute Highlight ist er mit roten High Heels und Miniröckchen als Gitti, mit Wiener Schmäh und fester Arbeitsmoral, die jedoch sehr leicht von mehr oder weniger charmanten Herren umgestoßen wird. Am besten ist der Kollege Roth als Hausmeister Rüdisühli, einem richtigen Antitypen, der über eine verstopfte Damentoilette in Rage gerät und dessen T-Shirt mysteriöse braune Flecken zieren. Am Ende geht es natürlich – allen Konflikten zum Trotz – für alle Charaktere gut aus. Und auch das Publikum darf manchen der Charaktere hautnah kennen lernen, da nicht nur die Bühne bespielt wird und einem die ein oder andere Bühnenfigur auch in der Pause Gesellschaft leistet.
Geboten wird musikalisch nicht nur Gershwin, wie der Titel vielleicht vermuten lässt. Diverse Meisterwerke der Musical-, Schlager- und Swingmusik wurden von den Herren durchaus passend umgedichtet, wobei manch ein Reim ab und zu etwas holprig wirkt. Doch in jedem Fall ist es sehr amüsant und passt wunderbar ins Gesamtkonzept der Inszenierung. Zwar sind manchen Witze derb, doch nie geschmacklos, weshalb sicher bei keinem Zuschauer ein Auge trocken bleibt. Es gibt also durchaus unterhaltsames und gutes Musiktheater in München abseits der großen Produktionen. Weitere Termine: 2. / 3. März, 20. / 21. April 2018, 20 Uhr
Teile der Einnahmen werden übrigens dem Münchner Tierheim gespendet. Man tut also nicht nur den eigenen Lachmuskeln, sondern auch den Vierbeinern etwas Gutes!
Franzl Bösenböck, Kellner / Wilhelmine Potracek, Hausfrau / Gitti Wagon, Bezirksnutte: Peter John Farrowski
Frédéric la Combuse, Pariser Tenor / Rüdisühli, Hausmeister / Herbert Hartmann, Gerichtsvollzieher: Andreas Michael Roth
Camillo di Pomodoro, Pianist: Philip Tillotson
Das Hofspielhaus hat sich für mich mittlerweile als Adresse für spannende und ungewöhnlichere Theaterabende eingebürgert, so war ich auch sehr neugierig, was mich bei der Musiktheaterperformance Vom Fliegen und Fliehen erwarten würde.
Die Geschichte nach einer Parabel von Ingeborg Bachmann klingt eigentlich recht simpel: eine kleine Angestellte in einem Callcenter landet durch Zufall in einem Laden, der Träume verkauft. Anfangs zögerlich versinkt die Protagonistin in diesen Träumen, die letztendlich ihr geregeltes Leben zerstören.
Foto: Peter Schultze
Dieses geregelte Leben wird anfangs von der Darstellerin Bervian Kaya (die zusammen mit dem Regisseur Sebastian Brummer die Performance erarbeitete) beinahe provokant dargestellt. Mit einem gezwungen zufriedenen Lächeln auf den Lippen und einer scheinbar unerschütterlichen Ruhe wiederholt sie in den ersten Minuten immer wieder pantomimisch den Tagesablauf ihrer Figur: aufstehen, Zähne putzen, essen, immer wieder dieselben Floskeln bei ihrem Job im Callcenter, schlafen gehen… Dieser scheinbar ewige Kreislauf wird erst unterbrochen, als sie ihren Wohnungsschlüssel nicht mehr finden kann. Auf der Suche nach Hilfe landet sie zufällig in einem kleinen, heruntergekommenen Laden mit einem großen Stapel schlichter Kisten. Der Inhaber des Ladens, gespielt von Fatima Dramé, ist im Gegensatz zur „grauen Maus“ der Hauptfigur ein lauter und bunter Zeitgenosse. Er schafft es, seine Kundin neugierig zu machen und zeigt ihr eine kleine Schachtel, die ihr einen Traum von Urlaub und Meer zeigt. Kurze Zeit später findet die Heldin einen herrenlosen Schatten, der den letzten Traum seines Besitzers nicht sehen konnte und daher nun alleine bleiben muss. Daher suchen die beiden im Laden nach einem neuen Traum, der zwar idyllisch beginnt, dann aber zum Albtraum von Krieg und Zerstörung wird. Davon traumatisiert flieht sie aus dem Laden und kann sich von da an nicht mehr auf ihren Alltag und ihre Arbeit konzentrieren und wird schließlich entlassen. Vorwurfsvoll wendet sie sich an den Ladenbesitzer und bricht schließlich im Laden zusammen, da es ihre Lebenszeit gekostet hat, den Träumen nachzuhängen.
Ich war nie ein Fan des „typischen“ Performance-Theaters, dieses Werk zeigt jedoch eine klare Handlung und Struktur, was es trotz der sehr philosophischen Thematik nicht allzu schwer macht, ihr zu folgen. Auch gibt es tatsächlich auch kleine humorvolle Momente, etwa wenn die Protagonistin ihren verlorenen Schlüssel nach dem Genuss von merkwürdigem grünem Bier aushustet oder wenn der Ladenbesitzer wirklich schlechte Witze reißt.
Auf der kleinen Bühne wird die Mystik des Themas sehr geschickt dargestellt mit von innen leuchtenden Kisten und der Projektion von Urlaubsbildern und dem einsamen Schatten. Die musikalische Untermalung dieser Szenen kommt zum Teil vom Band, wird aber auch virtuos life gespielt von der Saxofonistin Carolyn Breuer. Man versteht also auch ohne viele Requisiten, was erzählt wird.
Foto: Peter Schultze
Das Spiel der beiden Darstellerinnen ist jedoch definitiv das Fesselndste an diesem Abend, vor allem ihr Gegensatz. Die Protagonistin von Bervian Kaya wirkt zu Beginn immer kontrolliert, schüchtern aber doch zufrieden mit ihrem Leben. Doch ganz ohne Träume wirkt dieses Leben trist und leer. Fatima Dramé als Ladenbesitzer, der schon seit Jahrtausenden Träume verkauft, scheint die Hauptfigur am Anfang zu überfordern, doch ist hinter dieser überschwänglichen Fassade die Erkenntnis, dass in der heutigen Zeit selbst die Kinder verlernt haben zu träumen. Schließlich wünschen sich heute alle nur noch einen sicheren Job, Geld, einen perfekten Partner. Die Menschen leben nur noch um zu arbeiten und nicht anders herum.
Am 15. und 22. Februar gibt es noch einmal die Möglichkeit, diese Performance im Münchner Hofspielhaus zu sehen.
Mit Carolyn Breuer, Berivan Kaya und Fatima Dramé.
Regie: Sebastian Anton Maria Brummer
Bühnenbild: Peter Schultze
Wenn am 27. Januar eine Operette wie Viktoria und ihr Husar auf dem Spielplan steht, regen sich ganz unterschiedliche Gefühle. Eine große Freude auf einen Strauß fabelhafter Melodien und absurd-komischer Dialoge. Auf der anderen Seite eine wahnsinnige Wut auf die Verbrechen der Nazis und auf die, die dieses Regime ermöglichten und ihm dienten.
Die Geschichte von Viktoria und ihr Husar ist schnell erzählt: Ein ungarischer Husar flieht aus früh-sowjetischer Gefangenschaft über die Grenze nach Japan. Entdeckt dort seine Verlobte, Viktoria, die mittlerweile den US-Botschafter geheiratet hat. Dieser wird am Folgetag nach Petrograd versetzt, nimmt Frau und den Husaren mit. Viktoria steht zwischen beiden Männern. Keiner wird glücklich. Der Husar geht lieber zurück ins Kriegsgefangenenlager und wartet auf die Hinrichtung. Der Botschafter lässt sich scheiden. In Ungarn treffen sich alle wieder. Viktoria heiratet dann endlich ihren Husaren. Dazu zwei Buffopaare mit schnellerem Liebesglück. Bei diesen Ortswechseln konnte sich Paul Abraham mit den verschiedensten Musikstilen 1930 austoben.
Was macht man mit so einer Story? Als Josef E. Köpplinger das vor 2 Jahren in die Hand nahm, sollte eine nachvollziehbare Geschichte daraus werden. Der Husar flieht nicht, sondern muss sich eine Geschichte ausdenken, die er seinen Bewachern erzählt. Und wenn man 1917/1918 in Sibirien in einem improvisierten Lager sitzt, können die Gedanken schon etwas verrückt spielen. Das Lager, ein alter Wirtshaussaal mit Bühne, wird zur Traumkulisse. Hier treffen die oben beschriebenen Personen ein. Genauso der Bursche des Husaren, der die „französische“ Gesellschafterin Viktorias lieben lernt, wie auch Viktorias Bruder, der eine Halb-Pariserin-Halb-Japanerin heiratet. Letztere den Alkohol nicht abgeneigt, erstere die ewige Treue – mit Einjahresgarantie, schwörend. Beide sehr selbstbewusst und emanzipiert. Wenn diese Paare auf einander treffen, tobt der Saal. Sei es bei den Duetten Meine Mama war aus Yokohama und Mausi, süß warst Du heute Nacht oder dem Tanz mit dem immer kleiner werdenden Handtuch des Burschen. Für diese Rollen braucht man Allroundtalente, die nicht nur singen, sondern auch Komödie sprechen und spielen und auch tanzen können. Mit Katja Reichert (Riquette) und Josef Ellers (Janczy) sowie Susanne Seimel (Lia San) und Peter Lesiak (Graf Ferry), der die Rolle bereits in Mörbisch, jetzt aber am Gärtnerplatztheater das erste Mal spielt (und hier nur den Frack und nicht noch Hemd und Hose bei Mausi verliert), hat man die passende Besetzung gefunden. Gleiches gilt auch für Alexandra Reinprecht als Viktoria und Daniel Prohaska als Stefan Koltay, den Husaren, die sich lange wegen ihrer Liebe zueinander und der gesellschaftlichen Norm quälen. Erwin Windegger als Botschafter John Cunlight hat die Rolle des edlen, aber auf sein Glück verzichtenden, Liebenden. Daneben sieht man auf der Bühne noch eine Menge mehr. Eine riesige Statistenmannschaft lässt das Lagerleben einer gefangenen Dorfgemeinschaft vom Kind bis zum Greis niemals aufhören. Der Chor gibt die Traumgesellschaft und dazwischen tanzt das Ballett zwischen Sumōringern, Pyjamapartyfreaks und Pusztafantasien.
Nach der heutigen Wiederaufnahme freue ich mich auf 5 weitere Vorstellungen. Die eingangs erwähnte Wut und Trauer kommt – nicht nur am Holocaust-Gedenktag – dadurch zustande, dass der eine Textdichter, Fritz Löhner-Beda, dem wir ganz viele Operetten und Schlager verdanken, bereits einen Tag nachdem die in Österreich einmarschierenden Nazi-Truppen zum Teil jubelnd empfangen wurden, verhaftet, und 1942 nach den abfälligen Worten einiger IG-Farben-Direktoren, die im Nachkriegsdeutschland noch herausragende Stellungen bekamen, erschlagen wurde. Der Komponist Paul Abraham konnte 1933 Berlin und 1938 auch Wien noch rechtzeitig verlassen, ebenso der zweite Textdichter Alfred Grünwald.
Es stellt sich jedes Mal neu die Frage, welche Blüte aufgegangen wäre, hätte man die menschenverachtende Politik und deren Verbrechen früh genug verhindert. Deshalb braucht man diese Erinnerung. Jeder Mensch hat das Recht in Freiheit geschützt zu leben. Und wer diese nicht hat, dem müssen wir sie geben. Denn auch jeder von uns kann ganz schnell in die gleiche Lage geraten, wenn wir nicht aufpassen und die Freiheit verteidigen.
Dirigat Oleg Ptashnikov
Regie Josef E. Köpplinger
Choreografie Karl Alfred Schreiner
Bühne Karl Fehringer, Judith Leikauf
Kostüme Alfred Mayerhofer
Licht Michael Heidinger
Choreinstudierung Felix Meybier
Video Meike Ebert, Raphael Kurig
Dramaturgie David Treffinger
Leutnant Petroff, Kosak und Lagerleiter in Sibirien Gunther Gillian
Stefan Koltay, Husarenrittmeister Daniel Prohaska
Janczy, sein Bursche Josef Ellers
Unteroffizier Krutow, Lageraufseher Uwe Thomsen
John Cunlight, amerikanischer Gesandter Erwin Windegger
Gräfin Viktoria, seine Frau Alexandra Reinprecht
Graf Ferry Hegedüs auf Doroszma, Viktorias Bruder Peter Lesiak
O Lia San, Ferrys Braut Susanne Seimel
Riquette, Viktorias Kammerfrau Katja Reichert
Bela Pörkölty, Bürgermeister von Doroszma Florian Wolf
James, Butler von Cunlight Maximilian Berling
Chor, Ballett, Statisterie und Kinderstatisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Weitere Vorstellungen am 28. und 31.01.18 sowie am 03., 04. und 10.02.18, Restkarten erhältlich.
Am zweiten Tag meiner großen Kulturwoche zog es mich diesmal in sehr vertrautes Gelände, den Theatersaal der Seniorenresidenz Augustinum im Münchner Norden. Tatsächlich stehe ich dort mehrmals im Jahr selbst auf der Bühne. Doch für den bunt gemischten Opernabend des Theater Werks München, einer Organisation die Schauspieler bei der Weiterbildung unterstützt, saß ich zum ersten mal im Zuschauerraums dieses großen und akustisch sehr guten Theatersaals.
Foto: Holger Borggrefe
Das Ensemble war bunt gemischt mit verschiedenen Altersstufen, Stimmlagen und Typen, einige der Sänger hatten für dieses szenische Konzert eine neue Rolle für ihr Repertoire einstudiert, vor allem aus Verdis Rigoletto wurde deshalb viel geboten (das bekanntlich auf Le roi s’amuse von Victor Hugo basiert).
Eröffnet wurde der Abend aber zunächst mit einem mir sehr bekannten und lieben Operetten-Stück, „Zwei Märchenaugen“ aus der Zirkusprinzessin, in dem die Akteure des Abends sich vorstellten. Das Zirkusthema war aber am Rest des Programms kaum noch zu erkennen, abgesehen von dem Narren Rigoletto. Begleitet wurde der Abend von einer Puppenspielerin mit Handpuppen, die zwar putzig anzusehen waren, deren Sinn sich mir persönlich jedoch kaum erschlossen hat, da nur sehr wenig Interaktion zwischen den Puppen und den Darstellern stattfand und man sich auf der großen Bühne schwer auf zwei verschiedene Dinge konzentrieren kann.
Musikalisch und spielerisch war dieses Konzert jedoch mit der Begleitung durch Pianistin Elena Arnovskaya sehr sehens- und hörenswert. Die Requisiten und das Bühnenbild waren sehr minimalistisch, was den Übergang zwischen mehreren Szenen sehr vereinfachte. Auch bei vielen Kostümen wurde nur mit kleinen Details eine Rolle dargestellt, etwa mit einer Augenklappe für Wotan oder einen Schild für Fricka in einer Szene aus Wagners Walküre.
Besonders beeindruckend waren die Darbietungen aus Rigoletto, vor allem die Szenen zwischen dem Titelhelden – dargestellt von Omar Garrido – und Isabella Schmitt als dessen Tochter Gilda, mit deren dramatischen Tod auch der Konzertabend endete. Beide konnten die Vater-Tochter-Beziehung mit viel Emotion und gesanglichem Geschick darstellen. Auch der Bariton Benoit Pitre konnte das Publikum als Méphistophélès aus Faust und Lindorf aus Hoffmans Erzählungen in seinen Bann ziehen.
Foto: Holger Borggrefe
Bei dieser Reise durch die Opern- und Operettenwelt konnten die zwölf internationalen Sänger also durchweg überzeugen und ließ es sich auch nicht anmerken, dass einzelne im Publikum scheinbar etwas überfordert waren und die Arien und Szenen mit Kommentaren und dem Rascheln von Bonbonpapier ergänzen wollten. Ich als Fan der Opernmusik hatte jedoch einen wundervollen Abend.
Sänger: Omar G. Garrido, Isabell Schmitt, Adam Sanchez, Martha O’Hara, Loren Madrid, Michael Baba, Denise Seyhan, Benoit Pitre, Ekaterina Kardakova, Roland Albrecht, Annette Lubosch, Frits Kamp
Schauspieler: Thomas Höltzel, Oleg Tynkov, Gertraud Loibl, Ulrich Naumann, Horst Kalchschmid
Klavier: Elena Arnovskaya
Figurentheater: Mariana Browne
Violine: Cristian Roibu
Regie: Kristina Wuss
Musikalische Leitung: Andreas Pascal Heinzmann
Vocalcoach: Ks. Felicia Weathers
Wenn man eine Oper schon mehr als zwei Dutzend Mal gesehen hat und auf einmal einen ganz neuen Aspekt darin entdeckt, dann sind das genau die Sternstunden, für die es sich lohnt, Zeit und Geld zu investieren und Stücke mehrfach – sogar in derselben Inszenierung – zu sehen. So geschehen gestern in der Bayerischen Staatsoper mit “Madama Butterfly” von Puccini.
Altbekannte Handlung voller Schmalz und Herzschmerz: Amerikanischer Marineoffizier heiratet auf japanische Art (Scheidung jederzeit ohne Umstände oder Formalitäten durch einfaches Verlassen der Ehefrau möglich) eine Geisha aus einer guten, aber verarmten Familie. Problem bei der Sache ist nur, das das junge Mädchen sich ernsthaft in den Ausländer verliebt hat und voller Treue an der Beziehung festhält, auch längst, nachdem dieser wieder nach Amerika abgereist ist, “um eine echte Amerikanerin zu heiraten”. Operndramaturgisch bleibt ihr nur der Freitod, denn “in Ehren sterbe, wer nicht in Ehren leben kann”.
Die Münchner Inszenierung von 1973 gibt durch viele Knickse und gefaltete Hände eigentlich eine unterwürfige und stets lächelnde Cio Cio San vor – umso erstaunlicher, wie es die südamerikanische Sopranistin María José Siri trotzdem schafft, ihre Butterfly durchaus selbstbewusst zu gestalten: Als ein Mädchen mit Prinzipien und Werten, die auch die Konsequenzen zu tragen bereit ist. Von der Familie verstoßen gibt sie in ihrem Stolz auch dem Werben des reichen Yamadori nicht nach, weil sie felsenfest davon überzeugt ist, dass ihre Ehe mit Pinkerton – obwohl in Japan geschlossen – Bestand hat. Was oft (gerade in dieser Inszenierung) als kindliche Naivität und Trotzköpfigkeit dargestellt wird, macht Maria José Siri in einer anderen Deutung absolut plausibel. So wie sie singt, ist Cio Cio San nicht das unbedarfte Mädchen, das zu Unterwürfigkeit erzogen wurde, sondern eine junge Frau, die sich konsequent für ihren Geliebten entscheidet, wohl wissend, dass ihr dieser nicht dieselben tiefen Gefühle entgegenbringt wie sie ihm. Eine junge, mutige Frau, die mit stolz erhobenem Haupt die Demütigungen ihrer Familie und der Gesellschaft trägt, bis hin zum Tod. Absolut sicher in allen Stimmlagen verleiht Maria José Siri der Figur unglaubliches Leben und überzeugt auf ganzer Linie.
Zweite Überraschung an diesem Abend war die Interpretation des B. F. Pinkerton durch den sibirischen Tenor Alexey Dolgov. Noch nie habe ich einen so wenig “schön gesungenen” Pinkerton gehört wie gestern. Zunächst war ich befremdet und vermisste weiches Timbre und italienische Tenorseligkeit. Aber schon bald wich dieses Befremden der Erkenntnis: Dieser Pinkerton ist ein Eisklotz, rücksichtslos und mit Prinzipien: America for ever! (Er hätte genausogut “America first” singen können…) Da passt eine Japanerin nicht als Ehefrau. Und schmachtende Töne eben auch nicht. Alexey Dolgov gibt einen knallharten Typen, der sich nicht im Ansatz bemüht, die kulturelle Verschiedenheit zwischen Amerika und Japan auch nur zu sehen, geschweige denn, sich darauf einzulassen. So hochmütig und fast schon verächtlich habe ich noch keinen Sänger mit den Ahnenfigürchen der Butterfly herumspielen gesehen – darstellerisch und stimmlich. Genauso rücksichtslos wie er mit den Gefühlen von Cio Cio San spielt ist er am Ende auch gegen sich selbst. In der einzigen Arie zeigt Alexey Dolgov, dass er durchaus “schön” kann – kurz erlaubt es der Sänger seiner Figur, auch mal Gefühl zu zeigen (Addio, fiorito asil), aber es ist nur eine Traumwelt, die er ja nie so zulassen konnte. Der Mut, den Butterfly von Anfang an hatte, den hat dieser Pinkerton nie besessen. “Ich bin ein Feigling” … bei Dolgov könnte der Text genauso lauten “ich bin ein Arschloch”.
Gewohnt mitfühlend war die großartige Okka von der Damerau als Suzuki. Matthew Grills legt seinen Goro als spitzbübischen Kuppler an, der jedoch tiefes Mitgefühl für Cio Cio San zeigt – mehr als ich es bisher bei dieser Rolle wahrgenommen habe.
Daniele Callegari leitete das Bayerische Staatsorchester souverän und mit typisch italienischem Schwung, immer vorwärtsdrängend und nie langweilig, er gibt den Orchestersolisten den nötigen Raum, nicht nur mit den Kollegen im Graben, sondern mit der Bühne zu kommunizieren.
Insgesamt ein herrlicher Abend, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Bravi tutti!!!
Nur noch 26. und 30.01.2018, jeweils 19 Uhr in der Bayerischen Staatsoper (Restkarten).
Musikalische Leitung Daniele Callegari
Inszenierung Wolf Busse
Bühne Otto Stich
Kostüme Silvia Strahammer
Chor Stellario Fagone
Cio-Cio-San Maria José Siri
Suzuki Okka von der Damerau
B. F. Pinkerton Alexey Dolgov
Kate Pinkerton Niamh O’Sullivan
Sharpless Levente Molnár
Goro Nakodo Matthew Grills
Der Fürst Yamadori Sean Michael Plumb
Onkel Bonzo Peter Lobert
Yakusidé Oleg Davydov
Der Kaiserliche Kommissär Boris Prýgl
Dieses Video zeigt zwar nicht die Inszenierung der Bayerischen Staatsoper, aber man kann sich einen guten Eindruck von der Sängerpersönlichkeit von Maria José Siri machen.
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