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Lux facta est! – Oedipus Rex im Prinzregententheater

[singlepic id=1570 w=320 h=240 float=left]10.6.2013

Die tragische Erleuchtung kam diesmal nicht erst am Ende, sondern bereits zu Beginn des mit großer Anstrengung und Aufwand unternommenen Konzertunterfangens von Chor und Orchester der Hochschule München. Süffig und informativ nämlich führte Grandseigneur und Dirigent Professor Doktor Theodor Schmitt zu Beginn halbstündig in das, nun ja sperrige Werk Strawinskys ein. Unterstützt von den durchwegs ordentlichen Solisten wurde das geliefert, was mehr Konzertantes und Symphonisches benötigt: Ein Heranführen, Annähern und Handhabbarmachen für den Nicht-Musikologen. Gerade im komplex orchestrierten und durchwegs Gattungsgrenzen sprengenden ‚Opern-Oratorium‘ samt Chor und Sprecher war dies von Nöten. Wenngleich Schmitt ein wenig übers Ziel hinausschoss in dem Anspruch gleich eine dramaturgische Interpretation und allumfassende Poetologie jenseits von Strawinsky zu liefern, gefiel die Einführung und machte Lust auf den verdichteten Tragödienmarsch.

Ein seltsamer Zwitter begegnet Einem da. Auf wenige knappe, redundante Textstellen destilliert und dramaturgisch von einem Sprecher unterbrochen, spielt sich ein Wechselspiel aus Chor und 5(6) Solisten ab.

Rufus Beck mimte als Eyecatcher den Sprecher und gab dem knappen Text – teils etwas unterfordert – seinen typischen, treffsicheren Erzählton und wippte dabei amüsiert zum Takt des Chores mit. Diese kurzen Passagen lassen dann auch allein das dramaturgische Genie Jean Cocteaus durchscheinen, auf dessen Libretto der Oratorientext fußt. Durch die Rückübersetzung ins Lateinische und die knappen (übertitelten) wie wiederholenden Arienpartien muss der Anteil Cocteau wohl in der Verdichtung und Verknappung hin auf eine musikalische Essenz gesehen werden, die Strawinsky dann pointiert auskomponierte.

Diese Eindampfung, Übersetzung und Verengung gelingt grandios. Ein präzises und sichtbar begeistertes Orchester ist dem komplizierten Material gut gewachsen, die kleinen Unsicherheiten in den instrumentalen Solopartien werden durch den starken und ebenso enthusiastischen Chor (Einstudierung Johannes Steinbüchler) wettgemacht. Dieser als personifizierter Mob, Mahner und Menge aufschreiende Gruppenruf nach Pest, Tod und Verdammnis macht das effektvolle Highlight dieses Oedipus als Angeklagten seines Volkes aus. Nicht zu Unrecht erinnerte Schmitt an Orffs Chorsound mit satter Orchestrierung als Vorbild. Vergessen hat er allerdings den sanft durchscheinenden, sakralen Mozart, auf dessen Woge gerade die tragischen Chor-Momente deutlich dahinscheinen.

[singlepic id=1569 w=320 h=240 float=right]Die Arien ein Touch von Verdi. Und das wirkt. Der erwachsene, würdevolle und wohldosierte Tenor von Bernhard Schneider führt uns einen königlichen Oedipus vor, der nur noch vom musikalischen Glanzstück des Abends mit dem warmen, vollen Mezzo von Kerstin Descher als Iokaste übertroffen wird. Nach deren Arie ist ein kein Fürstenstreit mehr möglich und die Handlung vollführt einen erneuten adramatischen Stop. Stephan Lin bringt mit seinem hellen Tenor als Hirte sprichwörtlich Licht ins Dunkle und überstrahlt ein wenig Jussi Jarvenpää als Bote und Kreon. Benedikt Göbel als Theiresias wäre auch eine szenische Freude gewesen.

Mit perfider Fröhlichkeit, Flöte und leiser Begleitung unterlegt Strawinsky seine Arien und konterkariert auch hier die Tragödie des Inhalts. Dagegen setzt er dann seine „Todestarantella“ als obszöne Mauerschau des Chores über die finale Katastrophe. Oedipus ist hier bereits lange nach seinem Lux facta est! verstummt. Gebetsmühlenartigen Wiederholungen seiner Taten der (reinen) Vergangenheit nützen nichts. Er erkennt in einem entscheiden Moment seine Schuld, seinen Fluch und die Unentrinnbarkeit der von Iokaste geschmähten, lügenden Orakelsprüche. Strawinskys ‚Oper‘ arbeitet exakt diesen Moment aus und auf ihn zu. Orchester und Chor folgen Schmitt willig bei dieser Mammutaufgabe, die älteste und größte Tragödie der Dramengeschichte pointiert und lange nachhallend ins Publikum zu transportieren. Gerade dieses schwierige und sperrige Werk auf die Agenda zu setzen, ist eine Entdeckung, der gelungene Abend eine große Belohnung, Erleuchtung: Lux facta est.

 

Chor und Symphonieorchester der Hochschule München

 

Prof. Dr. Theodor Schmitt

 

 

Sprecher: Rufus Beck

 

Solisten:
Bernhard Schneider, Tenor
Kerstin Descher, Mezzosopran
Jussi Järvenpää, Bariton
Benedikt Göbel, Bass
Stephan Lin, Tenor

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