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Die Blume von Hawaii – Lehár-Festival Bad Ischl

Da steppt die Südsee

Sieglinde Feldhofer und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl © www.fotohofer.at

Sieglinde Feldhofer und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl
© www.fotohofer.at

Die Operetten von Paul Abraham erleben eine Renaissance. Das ist insbesondere Henning Hagedorn und Matthias Grimminger zu verdanken, die auf Basis der Originalpartituren eine bühnentechnische Einrichtung erarbeiten, die uns heute einen Eindruck verschafft, wie die damals moderne, jazzige Musik klang, bevor nach völkischen Klängen der Nazizeit und der – für die Operette – ebenso schlechten Zeit der Heile-Welt-Weichspülung die freche, moderne Version dieses musikalischen Unterhaltungstheater verschwand. Die Musik hat diese Wiederentdeckung verdient. Das Aber was macht man mit der oft hanebüchenen Handlung? Da braucht es neue Ideen. Und die hatte der neue Intendant des Lehár-Festivals Thomas Enzinger. Er baute die frei erfundene Geschichte der letzten Königin von Hawaii in eine sehr nachdenklich machende Rahmenhandlung ein. Paul Abraham selbst, gespielt von Mark Weigel, ersteht wieder auf. Von der Syphilis verwirrt berichtet er aus seinem Leben und wie er damals, als er gefeierter Star in Deutschland war, die Operette schrieb. Sein Arzt (Gaines Hall) und auch er selbst werden zu Figuren in dieser Südsee-Operette. Es beginnt zum einem ein Heidenspaß mit viel Komik, platten, hier aber wunderbar passenden Witzen, zum anderen zwei sehr bewegende Geschichten, die für Hawaii einsetzende Kolonialzeit und die Flucht des gefeierten Komponisten und sein Absturz. Wie sagt er hier: Er hätte nie gedacht, dass man der Operette den Krieg erklärt. Besonders bewegt hat mich seine Schilderung, wie er, als um sein Leben zu retten, Geflüchteter auf eine seine Leistungen nicht anerkennende, fremde Welt trifft. Da kann man nur hoffen, dass diese Botschaft beim Publikum ankommt. Leider bezweifle ich das bei einigen, denn als er von seinen Fehlfunktionen des Gehirns aufgrund seiner Syphilis berichtete, kommentierten dies doch recht viele Zuschauerinnen und Zuschauer mit Gelächter. Es sind wohl zu viele aus der Zeit, als die Operette den Krieg verloren hatte, im Saal. Ischl braucht hier dringend Nachwuchs, der sich auf die politische, erotische und freche Operette einlässt. Und es lohnt sich, was hier zu sehen ist.

René Rumpold, Ramesh Nair und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl © www.fotohofer.at

René Rumpold, Ramesh Nair und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl
© www.fotohofer.at

Jetzt aber zum richtig vergnüglichen Teil der Inszenierung. Tragendes Element war der Tanz. Das ganze Ensemble wirbelte und steppte wie im Broadway-Musical, wie man es zum Beispiel von Cole Porter kennt. Choreografiert hat dieses Ramesh Nair, der selbst als Botschaftssekretär sein komisches Talent unter Beweis stellte. Mit immer neuen, aber oft wirkungsfreien Ideen, die Liebe zur Gouverneursnichte Bessi zu gewinnen, stand ihm die geschäftstüchtige, witzige Hawaiianerin Raka (Susanna Hirschler) zur Seite. Hauptperson war aber Prinzessin Laya, hinreißend gespielt von Sieglinde Feldhofer, die sich zwischen dem Elvis-Prinzen Lili-Taro (Clemens Kerschbaumer), der für sie und die Freiheit Hawaiis den Tod vorziehend am Ende des zweiten Akts in den „ewigen Frühling“ aufs offene Meer hinaus fuhr, und dem seine vaterländischen Pflichten aus Liebe vergessenden Kapitän Stone (René Rumpold) entscheiden musste. Im dritten Akt hat Stone, der Lilo-Taro aus dem Pazifik gerettet hat, ganz viel Glück beim Spiel in Monte Carlo, wofür natürlich Layas späte Entscheidung für ihr Lilo-Taro Ursache ist. Zum Glück von Stone ist die Rolle von Frau Feldhofer eine Doppelrolle, und Stone bekommt die Doppelgängerin, den Bühnenstar Suzanne Provence, als Braut. Aber auch ein viertes Paar findet sich, die selbstbewusste Raka bekommt mit den Jazzsänger Jim Boy (Gaines Hall), dessen Rolle die Regie bestimmt vor eine schwere Aufgabe gestellt hat. Statt hier ein rassistisches Blackfacing zu zeigen, wurde dieses in die Handlung einbezogen und nur durch ein paar Schwarze Fingerstreifen angedeutet, wie auch der Song, in dem sich Jim selbst als Nigger bezeichnet, durch den Verweis auf Abrahams eigene Verfolgung als Jude in einen kritischen Zusammenhang gestellt wurde.

Entsprechend der Rahmenhandlung waren auch die Kostüme der Spielhandlung im 50er Jahre-Style, dabei aber Hawaii-bunt. Toto, der sowohl Kostüme wie auch das Bühnenbild verantwortete, reduzierte letzteres auf ein paar glitzernde oder blumige Deko-Elemente, was genügend Platz auf der kleinen Bühne, die den Orchestergraben umschloss, für das eigentliche Spiel gab.

Die Vorstellung endete damit, dass Paul Abraham wieder in die Realität von 1950 in der New Yorker Nervenheilanstalt zurück geholt wurde, um ihn für den Flug nach Deutschland vorzubereiten, was mit projizierten Fotos seinen Abschluss fand.

Ein ganz großes Lob für dieses hervorragende Inszenierung. So wird Operette wieder lebendig.

Besucht wurde die Vorstellung am 5. August 2018

Besetzung
Musikalische Leitung: Marius Burkert
Inszenierung: Thomas Enzinger
Ausstattung: Toto
Choreografie: Ramesh Nair
Licht: Sabine Wiesenbauer
Dirigent & Chorleitung: Gerald Krammer

In den Rollen:
John Buffy, Sekretär des Gouverneurs: Ramesh Nair
Raka, eine junge Hawaiierin: Susanna Hirschler
Prinzessin Laya (und Suzanne Provence): Sieglinde Feldhofer
Prinz Lilo-Taro: Clemens Kerschbaumer
Reginald Harold Stone, Kapitän der amer. Marine: René Rumpold
Jim Boy, ein amerikanischer Jazzsänger: Gaines Hall
Bessi Worthington, Nichte des Gouverneurs: Nina Weiß
Paul Abraham (und Lloyd Harrison, amer. Gouverneur): Mark Weigel

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Premiere Cabaret, 21.02.2013, Gärtnerplatztheater (in der Reithalle) – Nachtkritik

[singlepic id=1466 w=320 h=240 float=left]Der Interpretationsansatz von Regisseur Werner Sobotka konnte mich trotz einiger sehr starker Szenen nicht immer überzeugen, aber eine fantastische Nadine Zeintl in der Rolle der Sally Bowles und Münchner Publikumslieblinge Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner als Fräulein Schneider und Herr Schultz machen den Abend zu einem Erlebnis.

Als das Musical Cabaret am 20.11.1966 am New Yorker Broadhurst Theatre Premiere feierte, stellte es etwas Besonderes dar. Die Geschichte war anspruchsvoll und die dafür geschriebene Musik war spezifisch, in diesem Fall repräsentierte sie die frühen Dreißiger Jahre in Berlin. Anders als in den restlichen Großstädten Europas tobte hier das pralle Leben, man genoss den Augenblick und dachte nicht an den Morgen. Nachtclubs schossen aus dem Boden und verschwanden wieder, die Prostitution blühte und das Erstarken der Nazis überzog alles mit einem dunklen Schatten.

Christopher Isherwoods Novelle Goodbye to Berlin wurde von John Van Druten in das Theaterstück I am a camera adaptiert, auf dem wiederum das Musical beruht. Der Titel des Theaterstück trifft die Erzählweise sehr gut, denn es sind nur Momentaufnahmen, die hier präsentiert werden, es wird nur registriert und nicht kommentiert. Der Produzent Harold Prince kaufte die Rechte an Isherwoods und Van Drutens Werken und beauftragte Joe Masteroff mit der Umsetzung, später kamen noch John Kander und Fred Ebb dazu, die heute allgemein als Schöpfer des Musicals gelten. Vor allem das 1987er Broadway Revival brachte einige Änderungen mit, so kam der weltbekannte Song Money dazu. Der gleichnamige Film von 1972, der allerdings nur lose auf dem Musical beruht,  machte die junge Liza Minelli weltberühmt.

Clifford Bradshaw ist ein junger amerikanischer Schriftsteller, der nach Berlin auf der Suche nach Inspiration kommt. Im Zug aus Paris trifft er auf Ernst Ludwig, der ihm hilft, ein billiges Zimmer zu finden und ihm für den bevorstehenden Silvesterabend den Kit-Kat-Club empfiehlt. Clifford bekommt tatsächlich ein Zimmer in der Pension von Fräulein Schneider, einer ältlichen Jungfer, die Zimmer vermieten muss, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Herr Schultz, ein älterer jüdischer Obsthändler und die Prostituierte Fräulein Kost wohnen ebenfalls dort. Den Abend verbringt er tatsächlich in dem Club und trifft dort auf Sally Bowles, eine junge Sängerin aus England. Die Nummern werden von einem Conférencier angesagt, der auch später immer wieder auftaucht. Am nächsten Tag erscheint Sally bei Cliff in der Pension, ihr Geliebter und Betreiber des Clubs Max hat sie hinausgeworfen, und zieht bei ihm ein. Monate später besteht dieses Arrangement immer noch, Sally und Cliff haben sich ineinander verliebt. ALs Sally bemerkt, dass sie schwanger ist aber nicht sicher sagen kann, ob Cliff der Vater ist, bestärkt dieser sie darin, das Baby zu bekommen und mit ihm eine Familie zu gründen. Herr Schultz macht Fräulein Schneider den Hof und wird von Fräulein Kost dabei erwischt, wie er das Zimmer seiner Vermieterin verlässt. Um den Schein zu wahren, erzählt er ihr, dass er und Fräulein Schneider bald heiraten werden. Die Vermieterin verbietet der Prostituierten, ihre Kunden mit aufs Zimmer zu nehmen und als Rache verrät diese Ernst Ludwig, der mittlerweile offen als Nazi auftritt, dass Herr Schultz Jude ist. Unter dem Druck der aufkommenden Herrschaft der Nazis sieht sich Fräulein Schneider gezwungen, die Verlobung wieder zu lösen. Cliff sieht die drohende Gefahr und möchte das Land verlassen, Sally möchte jedoch ihre Karriere im Nachtclub fortsetzen. Es kommt zum Bruch und Sally treibt das Kind ab. Sie singt im Club Life is a cabaret während Clifford im Zug sitzt und beginnt, seine Erinnerungen aufzuzeichnen.

[singlepic id=1465 w=320 h=240 float=right]Das Gärtnerplatztheater  präsentiert das Musical in der sogenannten Reithalle, ein Spielort, der leider zu wünschen übrig lässt. Der Vorraum ist sehr klein, bei ausverkauftem Haus staut sich das Publikum beim Verlassen über Treppen bis in den Zuschauerraum zurück. Es ist auch alles offen, bei ruhigen Szenen stört das Klirren der Flaschen von der Gastronomie. In der Halle ist es sehr warm und die unbequemen Plastikstühle tragen dazu bei, dass ich am Ende zumindest auf der Rückseite total nassgeschwitzt war. Zudem gibt bei den Stühlen bei einem Schwergewicht wie mir die Lehne nach, was zu einer sehr ungemütlichen Sitzposition führt. Mich lädt das nicht zu wiederholten Besuchen ein.

Die Bühne ist etwas zweistöckig mit der Band oberhalb der Spielfläche, davor sind versenkt Tische platziert, an denen Zuschauer sitzen können. Leider ist die Bühne nicht erhöht und die Zuschauerreihen steigen erst ab der vierten Reihe an, so dass ich in selbst in der zweiten Reihe keine freie Bühnensicht hatte. Das Bühnenbild (Amra Bergman-Buchbinder) ist spartanisch, aber sehr wandlungsfähig. Zwei Spiegelwände können mal geöffnet, mal geschlossen werden und zeigen mal den Kit-Kat-Club, mal Cliffs Zimmer oder die Eingangshalle in der Pension, mal den Obstladen von Herrn Schultz. Ein paar Stühle halten für alles her und werden schon mal zum Bett. Das engt die Fantasie nicht ein und passt in den zeitlichen Kontext ebenso wie die Kostüme von Elisabeth Gressel. Die Choreografie von Ramesh Nair ist schwungvoll und hat starke Momente. Das Licht (Michael Heidinger) besticht vor allem in den Clubszenen.

Der Kit-Kat-Club ist ein schäbiger Nachtclub und schäbig sind  auch seine Angestellten. Die Mädels treten in ausgeleierter Unterwäsche auf und auch die Jungs zeigen viel nackte Haut und Tattoos. Der Regisseur Werner Sobotka sagte in der Einführung, es soll ein Club sein, in den man nicht gerne geht, und das ist ihm wahrlich gut gelungen. Dieses ständige Betatschen männlicher und weiblicher Geschlechtsorgane und die stilisierten Geschlechtsakte sind weder antörnend noch erotisch, sondern einfach nur abstoßend. Das ist nicht lasziv, sondern schlicht ordinär. Ich kann zwar verstehen, was damit bezweckt werden soll, aber es gefällt mir nicht, und das wirkt sich leider auf das gesamte Stück aus. Und wenn sich der Conférencier bei „Gentlemen“ in den Schritt greift, hat das nach dem zweiten Mal jeden Reiz verloren. Ob das wirklich das Lebensgefühl der Zeit, in der Cabaret angesiedelt ist, wiederspiegelt, bezweifle ich. Hier wurde übers Ziel hinausgeschossen, ebenso wie bei der Figur der Sally Bowles. So aufgedreht kann man doch nur unter schweren Drogen sein, oder? Aber wenn ich das richtig gesehen habe, schnupft sie ja in einer Szene Kokain. Mir ging sie jedenfalls mächtig auf den Keks und ich konnte bis zum Schluss, in der sie eine wirklich berührende und sehr starke Szene hatte, kein Mitleid für sie haben. Auch Ernst Ludwig, den Nazi, fand ich zu keinem Zeitpunkt sympathisch. Gleich zu Anfang schiebt er seinem Mitreisenden gefährliches Gepäck unter, wie kann ich so jemanden sympathisch finden? Irgendwie war mir das alles zu überdreht, zu laut und damit meine ich nicht die Band, die unter Andreas Kowalewitz am Klavier wirklich hervorragend war. Bacchantisch sollte der Conférencier sein, für mich war er einfach nur eine traurige Gestalt. Dabei ist Markus Meyer, der durch eine Erkältung gehandicapt war, was man aber nicht hörte, sehr ausdrucksstark und könnte meiner Meinung nach der Figur noch mehr Tiefe geben. Er tritt in einer Szene als Sally-Double auf, das ist schon genial.

Stark war auch das Ende der Verlobungsfeier, hier fühlte ich wirklich die Bedrohung, die von den Nazis ausgeht und sich wie ein Schatten über die Menschen legt. In diesem Stück verwandelt sich vieles, vom bezaubernd vorgetragenen Der morgige Tag ist mein durch den Hitlerjungen (überragend Felix Nyncke) zum fast schon Kampflied, angeführt von Fräulein Kost und Ludwig Ernst. Da wird aus dem  leichten Tanztee ein stampfender Rhythmus und aus den Girls marschierende Soldaten. Absolut fantastisch war die letzte Szene der Sally Bowles, als sie frisch von der Abtreibung kommt. Nadine Zeintl spielt absolut grandios und sie singt, dass man die Tränen in ihrer Stimme hört. Die junge Österreicherin schafft die ganze Bandbreite von dem mädchenhaften, leider etwas zu überdrehten Sags nicht Mama über ein zackiges Mein Herr zu einem intensivem Maybe this time. Sie ist ein Ausnahmetalent, das ich gerne öfter auf Münchner Bühnen sehen würde. Mit Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner stehen ihr zwei in München wohlbekannte und beliebte Sänger zur Seite, die das zweite tragische Paar wirklich ganz bezaubernd verkörpern. Dominik Hees wirkt als Clifford Bradshaw sehr authentisch, kein Wunder, er ist ja auch erst 23 Jahre alt. Überhaupt passen die zwei Paare wirklich ganz ausgezeichnet zusammen. Julia Leinweber als Fräulein Kost, Jens Schnarre als Ernst Ludwig und Alex Frei in verschiedenen Rollen komplettierten das wirklich hervorragend besetzte Ensemble.

Ich habe mindestens einen weiteren Besuch geplant, ich glaube, es könnten auch noch mehr werden, der unschönen Spielstätte zum Trotz. Die abstoßenden Effekte werden sich abnutzen und was bleibt, ist ein großartiges musikalisches Erlebnis. Das Premierenpublikum feierte das Ensemble frenetisch und auch das Regieteam wurde heftig beklatscht. Wenn man nicht leicht zu schockieren ist, ein sehr sehenswerter Abend.

Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz / Regie Werner Sobotka / Choreografie Ramesh Nair / Bühne Amra Bergman-Buchbinder / Kostüme Elisabeth Gressel / Lichtdesign Michael Heidinger / Dramaturgie Judith Altmann / Conférencier Markus Meyer / Sally Bowles Nadine Zeintl /  Cliff Bradshaw Dominik Hees / Fräulein Schneider Gisela Ehrensperger / Herr Schultz Franz Wyzner / Ernst Ludwig Jens Schnarre / Fräulein Kost, Rosi Julia Leinweber / Fritzi Anita Holm / Helga Alixa Kalasz / Inge Maren Kern / Betti Maxi Neuwirth / Max, Hermann, Gorilla Alex Frei / Bobby Timo Radünz / Hans, Zollbeamter Thomas Zigon / Viktor Maximilian Widmann / Two Ladies Anita Holm, Timo Radünz / Hitlerjunge Felix Nyncke

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