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Das Land des Lächelns – Lehár Festival Bad Ischl

Thomas Blondelle und Alexandra Reinprecht © www.fotohofer.at

Thomas Blondelle und Alexandra Reinprecht
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Die gar nicht lustige Witwe

Schon 1905 brachte Franz Lehár eine selbstbewusste, junge Frau auf die Bühne: Hanna Glawari, die als lustige Witwe ihren Danilo aus dem Maxim in den Ehestand holte. Die Lisa in Land des Lächelns musste sich nicht so große Mühe geben, um ihrer Liebe zu folgen, denn am Ende des ersten Aktes reiste sie mit ihrem Prinzen Sou-Chong ab nach China. Aber die noch stärker auf Außenwirkung und Tradition setzende Gesellschaft lässt eine nur auf Liebe basierende Verbindung zweier Menschen nicht zu. So bleibt Lisa am Ende nur die Rückkehr nach Wien, die als Entführung aus der verbotenen Stadt beginnt – allein ohne ihren Prinzen, der nur in der Güte, die Europäer ziehen zu lassen, einem Bassa Selim gleicht. Das klingt eher nach einer Puccini-Oper in Erinnerung an Mozart, und Lehárs Musik ähnelte auch manchmal der seines italienischen Freundes. Aber wie macht man dann daraus eine Operette? Man schreibt noch Buffo-Rollen dazu und ergänzt dafür eine passende Musik. Und schon ist die Operette fertig.

Chor des Lehár Festivals Bad Ischl © www.fotohofer.at

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Die Wiener Kostüme erinnern an das untergehende K. u. K. Die Chinesen sind so gekleidet, wie man sich das kaiserliche China vorstellt, wobei die laut Text bei der Ministerernennung nicht anwesenden Damen eher klassische, kurze, rote Kleider tragen. Das Bühnenbild stellt einen alten Stadtplan Wiens dar, der in den China-Akten teilweise von hinten mit Lampions beschienen und durch hohe Paravents ergänzt wird. Die Ausstattung stammt von Toto.

Jetzt zur Inszenierung. Diese ist ganz auf die Personenführung eingestellt, wobei man die Geschichte ganz klassisch erzählt. Jedoch schaffen es fast alle Darstellerinnen und Darsteller mich von ihrer persönlichen Geschichte zu überzeugen und mich zum Nachdenken zu bringen. So entfaltet sich für mich ein zweiter Blick. Lisa, unsere junge Witwe, zeigt Modernität. Sie steht für den gesellschaftlichen Wandel. Dieser fällt aber nicht auf fruchtbaren Boden. Sogar die Frauen, denen viele Rechte vorenthalten werden, kritisieren sie. Prinz Sou-Chong, der in Wien noch für alles Neue offen ist, wird Ministerpräsident. Er hat also politische Macht. Er lässt sich aber nicht auf Neues ein. Unter dem Druck eines angeblichen Volkswillen, das nur lautstark durch seinen Onkel führt er die alten Zustände weiter, obwohl er selbst spürt und auch bei seiner Schwester sieht, wie menschenverachtend diese Politik ist. Da stellt sich die Frage, müsste nicht ein Politiker gescheiter sein und nicht besonders laut verkündeten Parolen hinterher laufen? Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

Besucht wurde die Vorstellung am 4. August 2018

BESETZUNG

Musikalische Leitung: Daniela Musca

Inszenierung: Wolfgang Dosch

Ausstattung: Toto

Lisa, Tochter des Grafen Ferdinand Lichtenfels: Alexandra Reinprecht
Prinz Sou-Chong: Thomas Blondelle
Mi, dessen Schwester: Verena Barth-Jurca
Graf Gustav von Pottenstein (Gustl): Peter Kratochvil

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Die Blume von Hawaii – Lehár-Festival Bad Ischl

Da steppt die Südsee

Sieglinde Feldhofer und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl © www.fotohofer.at

Sieglinde Feldhofer und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl
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Die Operetten von Paul Abraham erleben eine Renaissance. Das ist insbesondere Henning Hagedorn und Matthias Grimminger zu verdanken, die auf Basis der Originalpartituren eine bühnentechnische Einrichtung erarbeiten, die uns heute einen Eindruck verschafft, wie die damals moderne, jazzige Musik klang, bevor nach völkischen Klängen der Nazizeit und der – für die Operette – ebenso schlechten Zeit der Heile-Welt-Weichspülung die freche, moderne Version dieses musikalischen Unterhaltungstheater verschwand. Die Musik hat diese Wiederentdeckung verdient. Das Aber was macht man mit der oft hanebüchenen Handlung? Da braucht es neue Ideen. Und die hatte der neue Intendant des Lehár-Festivals Thomas Enzinger. Er baute die frei erfundene Geschichte der letzten Königin von Hawaii in eine sehr nachdenklich machende Rahmenhandlung ein. Paul Abraham selbst, gespielt von Mark Weigel, ersteht wieder auf. Von der Syphilis verwirrt berichtet er aus seinem Leben und wie er damals, als er gefeierter Star in Deutschland war, die Operette schrieb. Sein Arzt (Gaines Hall) und auch er selbst werden zu Figuren in dieser Südsee-Operette. Es beginnt zum einem ein Heidenspaß mit viel Komik, platten, hier aber wunderbar passenden Witzen, zum anderen zwei sehr bewegende Geschichten, die für Hawaii einsetzende Kolonialzeit und die Flucht des gefeierten Komponisten und sein Absturz. Wie sagt er hier: Er hätte nie gedacht, dass man der Operette den Krieg erklärt. Besonders bewegt hat mich seine Schilderung, wie er, als um sein Leben zu retten, Geflüchteter auf eine seine Leistungen nicht anerkennende, fremde Welt trifft. Da kann man nur hoffen, dass diese Botschaft beim Publikum ankommt. Leider bezweifle ich das bei einigen, denn als er von seinen Fehlfunktionen des Gehirns aufgrund seiner Syphilis berichtete, kommentierten dies doch recht viele Zuschauerinnen und Zuschauer mit Gelächter. Es sind wohl zu viele aus der Zeit, als die Operette den Krieg verloren hatte, im Saal. Ischl braucht hier dringend Nachwuchs, der sich auf die politische, erotische und freche Operette einlässt. Und es lohnt sich, was hier zu sehen ist.

René Rumpold, Ramesh Nair und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl © www.fotohofer.at

René Rumpold, Ramesh Nair und Chor des Lehár Festivals Bad Ischl
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Jetzt aber zum richtig vergnüglichen Teil der Inszenierung. Tragendes Element war der Tanz. Das ganze Ensemble wirbelte und steppte wie im Broadway-Musical, wie man es zum Beispiel von Cole Porter kennt. Choreografiert hat dieses Ramesh Nair, der selbst als Botschaftssekretär sein komisches Talent unter Beweis stellte. Mit immer neuen, aber oft wirkungsfreien Ideen, die Liebe zur Gouverneursnichte Bessi zu gewinnen, stand ihm die geschäftstüchtige, witzige Hawaiianerin Raka (Susanna Hirschler) zur Seite. Hauptperson war aber Prinzessin Laya, hinreißend gespielt von Sieglinde Feldhofer, die sich zwischen dem Elvis-Prinzen Lili-Taro (Clemens Kerschbaumer), der für sie und die Freiheit Hawaiis den Tod vorziehend am Ende des zweiten Akts in den „ewigen Frühling“ aufs offene Meer hinaus fuhr, und dem seine vaterländischen Pflichten aus Liebe vergessenden Kapitän Stone (René Rumpold) entscheiden musste. Im dritten Akt hat Stone, der Lilo-Taro aus dem Pazifik gerettet hat, ganz viel Glück beim Spiel in Monte Carlo, wofür natürlich Layas späte Entscheidung für ihr Lilo-Taro Ursache ist. Zum Glück von Stone ist die Rolle von Frau Feldhofer eine Doppelrolle, und Stone bekommt die Doppelgängerin, den Bühnenstar Suzanne Provence, als Braut. Aber auch ein viertes Paar findet sich, die selbstbewusste Raka bekommt mit den Jazzsänger Jim Boy (Gaines Hall), dessen Rolle die Regie bestimmt vor eine schwere Aufgabe gestellt hat. Statt hier ein rassistisches Blackfacing zu zeigen, wurde dieses in die Handlung einbezogen und nur durch ein paar Schwarze Fingerstreifen angedeutet, wie auch der Song, in dem sich Jim selbst als Nigger bezeichnet, durch den Verweis auf Abrahams eigene Verfolgung als Jude in einen kritischen Zusammenhang gestellt wurde.

Entsprechend der Rahmenhandlung waren auch die Kostüme der Spielhandlung im 50er Jahre-Style, dabei aber Hawaii-bunt. Toto, der sowohl Kostüme wie auch das Bühnenbild verantwortete, reduzierte letzteres auf ein paar glitzernde oder blumige Deko-Elemente, was genügend Platz auf der kleinen Bühne, die den Orchestergraben umschloss, für das eigentliche Spiel gab.

Die Vorstellung endete damit, dass Paul Abraham wieder in die Realität von 1950 in der New Yorker Nervenheilanstalt zurück geholt wurde, um ihn für den Flug nach Deutschland vorzubereiten, was mit projizierten Fotos seinen Abschluss fand.

Ein ganz großes Lob für dieses hervorragende Inszenierung. So wird Operette wieder lebendig.

Besucht wurde die Vorstellung am 5. August 2018

Besetzung
Musikalische Leitung: Marius Burkert
Inszenierung: Thomas Enzinger
Ausstattung: Toto
Choreografie: Ramesh Nair
Licht: Sabine Wiesenbauer
Dirigent & Chorleitung: Gerald Krammer

In den Rollen:
John Buffy, Sekretär des Gouverneurs: Ramesh Nair
Raka, eine junge Hawaiierin: Susanna Hirschler
Prinzessin Laya (und Suzanne Provence): Sieglinde Feldhofer
Prinz Lilo-Taro: Clemens Kerschbaumer
Reginald Harold Stone, Kapitän der amer. Marine: René Rumpold
Jim Boy, ein amerikanischer Jazzsänger: Gaines Hall
Bessi Worthington, Nichte des Gouverneurs: Nina Weiß
Paul Abraham (und Lloyd Harrison, amer. Gouverneur): Mark Weigel

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Wiederaufnahme Im weißen Rössl, 06.10.2013, Staatstheater Nürnberg

[singlepic id=1618 w=320 h=240 float=left]Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück der Tür – wer denkt da nicht an kitschige Operettenseligkeit mit Peter Alexander. Das es auch anders geht, zeigte das Staatstheater Nürnberg bei der Wiederaufnahme des Erfolgsstückes.

Leopold, Oberkellner im weißen Rössl, liebt seine Chefin, die Josepha Vogelhuber, aber die ist in einen Stammgast aus Berlin, einen Dr. Siedler, verschossen. Der wiederum verliebt sich auf den ersten Blick in Ottilie, die Tochter von Wilhelm Giesecke. Dieser grantelnde Berliner mag den Dr. Siedler ja gar nicht, vertritt er doch die Gegenseite in einem Patentstreit mit Papa Sülzheimer aus Sangershausen. Lange wähnt er seine Tochter auf eine Verlobung mit dem Sohn Sülzheimer zusteuernd, der aber ein Auge auf Klärchen, die Tochter des Privatgelehrten Hinzelmann geworfen hat. Um das Chaos komplett zu machen, steigt auch noch der Kaiser im Rössl ab, und er ist es, der Josepha den Schubs in die richtige Richtung gibt.

Die Bühne von Toto besteht aus zwei verschiedenen Elementen: ein sehr schön gerahmtes Gemälde vom Wolfgangsee, vor dem sich einige Szenen abspielen und dahinter ein Kubus, der vorne Wirtschaft und hinten Kuhstall ist, aber irgendwie sieht beides gleich aus. Und obendrauf wahlweise ein Berggipfel oder das ominöse Balkonzimmer. Dazu noch ein paar Fenster von oben, die je nach Bedarf nach unten gefahren werden können, fertig ist die Idylle am See. Dazu Kostüme, die durchaus als passend angesehen werden können, wenn man auf Tüllrüschen unterm Dirndl steht. Also beides weder zu realistisch noch zu entfremdet.

Thomas Enzingers Regie setzt auf viele kleine komische Elemente, ohne in den Klamauk abzurutschen. Da muss man schon genau hinsehen, um alles mitzubekommen. Wie die Postbotin die zweite Maß Bier auf ex trinkt zum Beispiel. Oder man dem wackligen Kaiser (sehr souverän Richard Kindley) vom Pferd helfen will und ihn dabei erst mal in Schieflage bringt. Überhaupt: das Pferd! Und die Kühe! Und die steppenden Schwimmer! Und überhaupt. Das sprüht geradezu vor guter Laune. Lediglich mit der Jodlerin und dem Hahn und ihrem überzogenen Gekreische konnte ich mich nicht anfreunden, aber das ist sicher eine Gewöhnungssache. Er lässt aber genauso die leisen Elemente zu, etwa wenn Josepha mit dem Kaiser spricht.

[singlepic id=1619 w=320 h=240 float=right]Das Staatstheater Nürnberg spielt eine Rekonstruktion der Originalfassung, die erst 2009 in Zagreb wieder aufgetaucht war. Da wechselt sich die Zither mit jazzigen Elementen ab, Slowfox, Walzer, Watschentanz beleben nicht nur die Bühne, sondern auch den Graben. Gábor Káli findet sich in diesem musikalischen Dschungel bestens zurecht und hält Orchester und Bühne immer schön in Einklang. Das ist bei dieser Revueoperette von Ralph Benatzky besonders wichtig, denn sie bezieht viel Komik aus dem exakten Timing. Der Chor zeigt sich spielfreudig und ist gut einstudiert von Tarmo Vaask.

Ein besonderer Coup gelungen ist dem Staatstheater bei der Verpflichtung von Volker Heißmann als Leopold. Der weit über die fränkischen Grenzen hinaus bekannte Kabarettist ist der Publikumsliebling dieser Vorstellung, kein Wunder, er singt nicht nur, sondern wirft auch noch immer wieder scheinbar mühelos tagesaktuelle Pointen in den Raum. Lediglich beim schönsten Liebeslied des Abends Es muss was wunderbares sein lässt er ein bisschen den Schmelz vermissen, den dieses Lied braucht, um authentisch zu sein. An seiner Seite spielt und singt Heike Susanne Daum die Josepha mit Bravour, sie zeigt die empfindliche Seite der resoluten Wirtin, dass es mich fast zu Tränen gerührt hat. Ein besonderes Highlight ist auch Uwe Schönbeck als Giesecke, der polternde Berliner hat das Herz auf dem rechten Fleck. Ein schönes Paar sind Martin Platz als Siedler und Isabel Blechschmidt als Ottilie, rührend schüchtern Monika Reinhard als Klärchen und passend galant-schlüpfrig Wolfgang Gratschmaier als Sigismund. Bis in die kleinste Nebenrolle wurde sehr genau auf den Typ geachtet und so zeigt sich ein homogenes Ganzes, das einen ganzen Abend voller Spaß verschafft. Am Ende verlässt man pfeifend oder summend das Opernhaus.

Musikalische Leitung Gábor Káli, Inszenierung Thomas Enzinger, Bühne und Kostüme Toto, Choreographie Markus Buehlmann, Chor Tarmo Vaask, Dramaturgie Sonja Westerbeck
Heike Susanne Daum (Josepha Vogelhuber, Wirtin zum “Weißen Rößl”), Volker Heißmann (Leopold Brandmeyer, Zahlkellner), Uwe Schönbeck (Wilhelm Giesecke, Fabrikant), Isabel Blechschmidt (Ottilie, seine Tochter), Martin Platz (Dr. Otto Siedler, Rechtsanwalt), Wolfgang Gratschmaier (Sigismund Sülzheimer), Richard Kindley (Kaiser Franz Joseph I), Erik Raskopf (Professor Dr. Hinzelmann), Monika Reinhard (Klärchen, seine Tochter), André Sultan-Sade (Piccolo Gustl), Stefanie Gröschel-Unterbäumer (Kathi), Andrea Jörg (Jodlerin), Tobias Link (Fremdenführer), Adolf Pivernetz (Bergführer)

Weitere Vorstellungen: Sonntag, 13.10.2013 19:00 Uhr • Samstag, 09.11.2013 19:30 Uhr • Montag, 11.11.2013 20:00 Uhr • Freitag, 06.12.2013 20:00 Uhr

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