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Oper, nachwirkend

Gestern startete das Staatstheater am Gärtnerplatz in die neue Spielzeit mit der Premiere von “Giovanna d’Arco”. Die Namen Thomas Wünsch, Henrik Nánási und Giuseppe Verdi ließen auf ein großes Opernerlebnis hoffen und im Prinzip wurde diese Hoffnung auch nicht enttäuscht.

Es ist schon erstaunlich, mit wie wenig Mitteln Thomas Wünsch es schafft, die Atmosphäre des 16. Jahrhunderts auferstehen zu lassen, dem Zuschauer die Nöte und die Zerrissenheit Johannas nahezubringen. Ich habe gestern einen Selbstversuch gewagt und habe die Übertitel ignoriert. Mein Italienisch beschränkt sich eher auf Bestellungen im Restaurant, aber ich wollte wissen, ob die Bilder und die Musik mir die Geschichte vermitteln können. Bis zur Pause hat das ganz hervorragend geklappt, ich war absolut gefangen genommen und konnte der Handlung gut folgen. Nach der Pause war das nicht mehr ganz der Fall, da habe ich die Bildersprache nicht mehr so gut lesen können, aber es ist definitiv ein Fall für “Nochmal Anschauen, mehr verstehen”. Wenn sich mir alles auf Anhieb erschließen würde, wäre es ja irgendwann langweilig.

Ganz großartig fand ich die Idee der zweiten, sprechenden Johanna. Auch wenn es nicht allen im Publikum gefallen hat, diese “Oper mit Kammerspiel” ist im Ergebnis stimmig und gewinnt an Intensität. Ein großes Lob gebührt hier Sieglinde Zörner, die die zweite Johanna großartig gesprochen und dargestellt hat. Der berührendste Moment für mich am diesem Abend war ausnahmsweise nicht musikalisch, sondern das Vater unser vor der Pause.

Der Chor spielt in dieser Oper eine große Rolle, er ist mir im Vergleich zu anderen Stücken fast ein wenig zu statisch, aber andererseits, bei genauem Nachdenken, hätte mehr Bewegung in den Chorszenen gar nicht gepasst. Musikalisch gab es sowieso überhaupt nichts auszusetzen, angefangen bei Sebastian Campione, der sich mit seinem Kurzauftritt als englischer Kommandant für größere Aufgaben empfahl, über Harrie van der Plas, den zu Recht frenetisch gefeierten Riccardo Lombardi, bis zur sängerisch und szenisch ausdruckstarken Sandra Moon.

An meinem musikalischen Gehör arbeite ich ja immer noch, ich habe aber für mich einige sehr schöne Stellen entdeckt, speziell mit den Holzbläsern. Gut herausgearbeitet fand ich auch die Stellen mit den beiden Stimmen, die bösen Geister und ihr Widerpart.

Die Inszenierung ist auf jeden Fall spannend, aber sicher nicht jedermanns Sache. Wer eine “traditionelle” Verdi-Oper sehen möchte, ist mit der Hamburger Traviata sicher besser bedient, wer einen fesselnden Opernabend mit Regietheater im besten Sinne, mit Stoff für Augen, Ohren, Herz und Hirn vorzieht, dem sei ein Besuch einer der nachfolgenden Vorstellungen empfohlen. Ich war sicher nicht zum letzten Mal drin.

Staatstheater am Gärtnerplatz

Giovanna d’Arco

Donnerstag, 1. Oktober 2009
19:30 Uhr

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