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Der….ah ja Hänger

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Eigentlich hat er schon alles gemacht. Doch die Lust an seinem Job war niemals größer. Ob nackt, als Tier, in Frauenkleidern, in vielen kleinen und irgendwann den großen Rollen, unser Blogger Andreas M. Bräu hat vielseitigste Erfahrungen auf den Brettern, die seine Welt bedeuten, gesammelt. Seine Eindrücke aus Kunst, Oper, Staatsbetrieb und kleinem Theater verarbeitet er hier auf den Nachtgedanken mit Hingebung, Ironie, Berufsethos und bewundernden Respektlosigkeiten, um seine Ansichten über das Akteursdasein auszudrücken. [catlist id=2471 numberposts=-1 orderby=date order=desc]

Freitag, 15.11.2013

Auf der Galerie

Der….ah ja Hänger

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Niemand, wirklich niemand ist vor ihm gefeit. Selbst der sicherste Kollege hängt irgendwann wie eine Glocke. Bei einigen textunsicheren Kollegen ist man zwar darauf vorbereitet, meistens leidet man trotzdem mit ihnen. Die große Ungerechtigkeit beim Hängen besteht dabei darin, dass der Helfende und selten der Hängende vom Publikum als stotternder, herumparaphrasierender Clown identifiziert wird, der mit ungelenken Worten die Szene zu retten versucht. Jeder Schauspieler kann Litaneien von Hängergeschichten, Versprechern und Bühnenblackouts berichten. Ich gelte als relativ sicher, weswegen ich öfter von Kollegen drausgebracht wurde. Am Schönsten als der Bürgermeister eines kleinen, fiktiven Bergstädtchens mich als preußischen Adligen samt Kinderchor und Kranz zum Ehrenbürger ernennen sollte, er aber seine komplette Rede vergaß, hustete und mit dem schönen Satz: „Mir fehlen die Worte“ die Szene verließ. Da stand ich mit Kindern und Kränzchen und musste mich zwangsweise selber zum Ehrenbürger erklären, bevor die schnell reagierende Bühnengeliebte mit einem sanften St ins Rückgrat der Kinder deren anschließendes Gedicht auslöste. Man stirbt in diesen Momenten, verflucht den Kollegen und schaut ihm – wie in diesem Moment – schlichtweg fassungslos beim wahrhaftig falschen Abgang hinterher. Schlimmer noch sich die Kamikazekollegen, deren Gedächtnis an falscher Stelle wieder einsetzt und die dann Sätze von lange weggespielten Seiten erfüllt von der Freude, sich an sie erinnert zu haben, einfach an unpassender Stelle wieder einwerfen. „Einen Whiskey!“, sprach die ältere Dame mit vollem Glas in der Hand, vorauf der Rest des Ensembles ebenfalls ziemlich belämmert auf ihr Glas deutetet. „Ach so…“ – und Ex und weg. Selbige liebe Kollegin wählte zudem mit Vorliebe freiere Textinterpretationen, wenn die eigentlichen Einsätze wieder dünn wurden. Die vom Autor noch als nervenberuhigend bezeichnete Harfe wurde da schnell zur Orgel – die Kollegen bissen sich innerlich laut loslachend auf die geschminkten Lippen. Das macht den Dialog nicht einfacher! Lässt sich dank der Musik noch jede Arie mit einem Blaladadida übersingen, wenn das Publikum ohnehin an den Übertiteln hängt, stirbt der Mime im schnellen Screwball tausend Tode. Überhaupt erlauben die faschistoiden Übertitel übrigens jedem Zuschauer oberlehrerhaft über die geringste Textungenauigkeit informiert zu werden. Bei Abweichung wird dann meist gelächelt und zur Nachbarin genickt. Würde man diese digitalen Aushilfssouffleure fürs Publikum im Boulevard einsetzen, keine einzige Tournee könnte mehr in der Bundesrepublik aufgrund massivem Rampenfiebers der Darsteller stattfinden. Plärrt die Souffleuse in der Oper zwecks Anschluss meist jeden Zeilenanfang in die Szene, fehlt sie im Sprechtheater aus Kostengründen meist komplett. Dann ist man auf sich allein gestellt. Im schönsten Fall hat man dann einen glücklichen Hänger. Damit ist das Gefühl beschrieben, nicht im Geringsten für das überlange Schweigen auf der Bühne verantwortlich zu sein. Man sucht die Gesichter der Partner ab, denkt über die Szene nach und im Falle des viel zu späten Dämmerns kann man es nicht schöner sagen, als mit dem Burgveteranen Joseph Meinrad: „Äh … Moment, … ach ja: Schon wieder ich?”?“

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