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Premiere “CHRIS Kolonko – So wie jetzt”, Hofspielhaus, 12.02.2020

Chris Kolonko
Foto ©Adrian Mußner

Ein Bericht von Marina Kolmeder und Adrian Mußner

 

MK: Wenn auch klein ist das Hofspielhaus wohl eine der vielfältigsten Kultureinrichtungen Münchens. Von Sprechtheater, Musicals, Poetry Slam bis Operetten – es gibt kaum etwas, das man nicht auf diese kleine Bühne bringen könnte. In der vergangenen Woche war schließlich etwas für mich völlig Neues auf dem Programm: die neue Show des bekannten Travestiekünstlers Chris Kolonko.

 

AM: Dieser ist Sänger, Entertainer, Travestiestar und Varietélegende. Vom gebürtigen Augsburger las man zuletzt in München von seiner Tributeshow „Marlene – The Concert of her Life“ in den Feuilletonspalten. Seitdem lag sein Fokus vermehrt auf dem Erstellen eigener Showkonzepte. So wurde schließlich der Augsburger Spiegelpalast ins Leben gerufen, der bereits in der zweiten Saison seine Gäste mit Dinner-Shows beglückt.

Aus meinen bisherigen Besuchen im Hofspielhaus weiß ich bereits: die Plätze sind begrenzt. Eine kleine Bühne, ein kleiner Zuschauerraum, ein noch kleinerer Innenhof für Inszenierungen im Sommer. Später erfahren wir, dass Chris wohl ähnliche Gedanken hatte, als er das erste Mal die Treppe hinunter zum rustikal bestückten Saal beschritt. Zitat: „Mein Keller ist größer – und hat mehr Charme.“

MK: Trotzdem lässt sich Kolonko von den beengten Verhältnissen nicht von einer großen Show abhalten. Die Bühne wurde kurzerhand zur Künstlergarderobe mit Schminkspiegel, Kleider- und Perückenständer umfunktioniert. Der Zuschauer kann vor der Vorstellung die Verwandlung aus nächster Nähe mitverfolgen und auch die zahlreichen Kostüm- und Perückenwechsel finden auf der Bühne statt – mit engagierter Hilfe von Klaus aus dem Publikum.

Chris Kolonko
Foto ©Adrian Mußner

AM: Ein Experiment sollte dies nun werden, betont Chris Kolonko bereits zu Anfang. Ein Rohdiamant, der bald vor mehr Publikum inszeniert wird. Und tatsächlich werden hier viele Barrieren überwunden. Bereits beim Einnehmen des Platzes offenbart sich das ganze Spektrum des heutigen Abends. Vorhang Fehlanzeige – man nimmt seinen Platz ein, vorzugsweise mit Aperitif, und sieht dabei zu wie Kolonko sich live auf der Bühne bereits in voller Montur schminkt. Die Bühne ist funktional, es gibt ein Klaver zur Begleitung durch den Pianisten

, einen Schminkplatz, der den Mittelpunkt darstellt, daneben noch eine Auswahl an Perücken und verschiedenen Kostümelementen, drapiert wie auf einer Garderobe. Kolonko sitzt vor seinem Spiegel auf einem Sattelhocker. Den Blick durch das Publikum schweifend, der Raum ist nun zum Bersten besetzt, erkenne ich ein paar Weggefährten Kolonkos sowie vorwiegend gut gekleidete Damen mit frechen, kurzen Haarschnitten, die wohl eine eingeschworene Fangemeinde von Kolonko sind. Der Blick geht wieder zurück zur Bühne. Huch, die Lippen sind ja schon fertig.

Und tatsächlich, Schlag 20 Uhr, das Licht verändert sich und wird wärmer. Kolonko trägt einen pudrigen Duft auf, der den Zuschauer schon kurz darauf erreicht. Das Experiment kann beginnen.

Die Show ist ein buntes Potpourri aus geschickt gewählten Chansons, die sowohl pure Lebensfreude versprühen als auch mit einem Augenzwinkern die Widrigkeiten des Lebens beleuchten. Kolonko wechselt zwischendurch die Kostüme ganz nonchalant in der Bühnenmitte, lediglich die Perückenwechsel finden blitzschnell und professionell statt. Quickchange oder gar ein kurzer Marlene-Auftritt kommen nicht vor. Warum auch? Der Abend ist eine Spielwiese für Neues – das wird auch durch den Textbuchständer verdeutlicht. Aufregend für Publikum und Künstler – das schafft Sympathie. Kurze Einlagen als Conférencière geben sich die Hand mit Gollwitzer-Federn. Chris beweist an diesem Abend, was alles möglich ist – Gesang, Moderation, Publikumsinteraktion, dabei gelingt auch noch die Illusion der Weiblichkeit – Kolonko ist ein Vollblut Maître de Plaisir.

Chris Kolonko
Foto ©Adrian Mußner

MK: Für mich, als Neuling in der Welt der Travestie war dieser Mix aus Verwandlung, Comedy und Musik ein großes Vergnügen. Besonders überrascht hat mich Kolonkos offener und humorvoller Umgang zum Thema Schönheits-Operationen, denen der Künstler alles andere als abgeneigt ist. Aber er stellt hierzu auch eine wichtige Aussage in den Raum: Man sollte solche Eingriffe für sich selbst machen, für die eigene Zufriedenheit. Und ja, man merkt, dass Chris Kolonko mit sich Selbst im Reinen ist und sein schillerndes Showleben geniesst. Ein unglaublich sympathischer und nahbarer Mensch, der es versteht zu begeistern.

AM: Wir wurden bestens unterhalten, wir empfehlen wärmstens einen Besuch. Mit „So wie jetzt“ bringt Chris Kolonko ein Programm auf die Bühne, das Grenzen sprengt und Einblicke liefert, die man nicht für möglich hält. Seien Sie experimentierfreudig!

Das Programm „CHRIS Kolonko – So wie jetzt“ ist in München bereits ausverkauft. Eventuelle Zusatztermine können Sie auf www.chris-kolonko.de einsehen. Für das Parktheater im Kurhaus Göggingen bei Augsburg sind noch Karten verfügbar.

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Premiere Rigoletto, Staatstheater am Gärtnerplatz, 30.01.2020

Foto: Christian POGO Zach

Es ist wieder Zeit für einen Opern-Klassiker im Gärtnerplatztheater. Mit Giuseppe Verdis Rigoletto feierte am vergangenen Donnerstag eine der meistgespielten Opern der letzten eineinhalb Jahrhunderte seine fulminante Premiere.

Regie führte Herbert Föttinger, von dem auch die Inszenierung von Don Giovanni stammt, die seit der Umbauzeit bereits im Repertoire des Theaters sehr erfolgreich verankert ist. Auf den ersten Blick fallen durchaus Parallelen auf: ein Mann außerhalb der gesellschaftlichen Gesetze, der sich gerne mit Frauen und Drogen vergnügt und dem die Frauen kaum Widerstand entgegen bringen; eine vielfach einsetzbare Drehbühne; Herren in schicken Anzügen und leicht bekleidete Damen. Natürlich bietet sich der Vergleich zwischen Don Giovanni und dem Herzog von Mantua durchaus an. Föttingers Inszenierung ist optisch und auch in den Übertiteln in die heutige Zeit geholt, die modernste Referenz an die Moderne ist jedoch wohl Rigolettos erstes Kostüm als der Comicschurke Joker. Zugegebenermaßen habe ich mit solch einem prägnanten Element der Popkultur, das man derzeit des Öfteren in Opern sieht (z.B. bei Fidelio in der Bayerischen

Staatsoper und Don Giovanni in der Komischen Oper), ein wenig meine Schwierigkeiten. Als begeisterter Comic-Leser verbinde ich den Joker mit einem gewissenlosen Psychopathen. Rigoletto ist zwar in Föttingers Inszenierung nicht unbedingt ein Sympathieträger, hält er doch seine Tochter durch Kontrollwahn und Grobheit klein, doch zum waschechten Bösewicht reicht es in meinen Augen trotzdem nicht ganz. Eher zum sozial ausgegrenzten Einzelgänger, der durch die gesellschaftliche Ablehnung aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung auch zum sozialen Krüppel wurde. Natürlich basieren sowohl Rigoletto als auch der Joker auf Romanfiguren von Victor Hugo (aus Le roi s’amuse und L’homme qui rit) und beide finden in der Rolle des Clowns persönliche Freiheit. In dieser Hinsicht kann man also durchaus auch Parallelen ziehen.

Lucian Krasnec zeigt – stimmlich wie gewohnt stark und wunderbar – einen durchaus schwer zu durchschauenden Herzog. Bei seinen Parties tanzt er ausgelassen, scheint am nächsten Tag aber eher, als würde ihn dieser wohlhabender Lebensstil eher belasten. Auch meint man in seinen Szenen mit Gilda tatsächlich wo etwas wie wahre Liebe aufblitzen zu sehen, während er sich kurz darauf wieder fröhlich einer neuen Eroberung widmet. Sehr witzig ist die Szene, als er im Hintergrund seinen perfekten Auftritt für Rigolettos Tochter plant: mit Champagner, Blumen und Musikern, nur um in letzter Sekunde alles zu verwerfen und den riesigen Blumenstrauß auf die Seitenbühne zu schmeißen.

Foto: Christian POGO Zach

Zu Gast am Gärtnerplatztheater ist Aris Argiris als Titelheld Rigoletto. Er schafft den Wandel zwischen dem zynischen Entertainer und dem traurigen Einzelgänger perfekt und sprichwörtlich auf der Bühne, wenn er das schrille Kostüm verpackt und die Schminke aus dem Gesicht wischt. Den liebevollen Vater, den man bei Rigoletto oft erwartet, sucht man jedoch in Föttingers Inszenierung. Er durchwühlt Gildas Sachen und zerrt sie durch die Gegend, während sie ihm ihre töchterliche Liebe beteuert. Auch am Ende scheint er mehr sich selbst zu bemitleiden denn seine Tochter.

Jennifer O’Loughlin scheint als Gilda mit gedecktem Kleid und dicker Brille zwar wie ein echtes “Hascherl”, doch wird schon schnell klar, dass auch dies nur eine Rolle ist. Allein stimmlich steht diese Gilda schon alles andere als unbedarft und unschuldig da (und wer weiß, welches Büchlein sie panisch vor ihrem Vater versteckt). Im Gegensatz zu Rigoletto blüht sie gegenüber dem Herzog enorm auf und setzt sich mutig für ihn ein. Ihr selbstgewähltes Ende scheint sie kaum zu bedrücken, als sähe sie dadurch die Chance, der Herrschaft ihres Vaters zu entfliehen.

Foto: Christian POGO Zach

Spannend sind auch Anna-Katharina Tonauer und Levente Páll als dubioses Geschwisterpaar Maddalena und Sparafucile, die hier scheinbar in einer alten Tankstelle hausen. Während Maddalena die Opfer ihres Bruders anlockt und verführt putzt dieser derweil ausgiebig die verrostete Zapfsäule vor der Türe. Sparafucile scheint in dieser Inszenierung als eine der wenigen Charaktere, die mit ihrem Leben zufrieden sind und dem sein “Beruf” stolz zu machen scheint. Maddalena hingegen träumt eher von einem schöneren Leben, kann sich aber ebenso schwer gegen ihren Bruder behaupten, wie Gilda gegen ihren Vater. Vielleicht fühlen sie sich deshalb auch beide derart zu dem Herzog hingezogen, der ihnen nicht nur Kontrolle aufzwingen will.

Orchester und Solisten lassen dank der energievollen Leitung von Anthony Bramall musikalisch keine Sekunde Langweile aufkommen. Ohne Zögern steuert die Handlung so durch die gesellschaftlichen Missstände und dem tragischen Ende entgegen. Zurecht erhielten die Solisten neben dem vergrößerten Herrenchor minutenlangen, begeisterten Applaus.

 

Noch bis Anfang März ist Rigoletto im Staatstheater am Gärtnerplatz zu sehen. Alle Termine finden Sie im unten stehenden Link.

Dirigat: Anthony Bramall
Regie: Herbert Föttinger
Bühne: Walter Vogelweider
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Licht: Michael Heidinger
Video: Raphael Kurig, Meike Ebert
Choreografische Beratung: Karl Alfred Schreiner
Choreinstudierung: Pietro Numico
Dramaturgie: Fedora Wesseler
Rigoletto: Aris Argiris
Herzog von Mantua: Lucian Krasznec
Gilda: Jennifer O’Loughlin
Sparafucile: Levente Páll
Maddalena: Anna-Katharina Tonauer
Graf von Monterone: Christoph Seidl
Giovanna: Ann-Katrin Naidu
Marullo: Ludwig Mittelhammer
Borsa Matteo: Gyula Rab
Graf von Ceprano: Holger Ohlmann
Gräfin von Ceprano: Elaine Ortiz Arandes
Ein Gerichtsdiener: Martin Hausberg
Page der Herzogin: Caroline Adler

Herrenchor, Orchester und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz

https://www.gaertnerplatztheater.de/de/produktionen/rigoletto.html?m=410

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