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Premiere Siegfried – Götterschweiß und Heldenblut, 15.08.2017, Lustspielhaus München

Eigentlich ist es eine Schande, sich als Kabarettfan und inzwischen offizielle Münchner Bürgerin einzugestehen, dass man noch nie im Lustspielhaus war. Aber besser spät als nie, sagt man ja so schön. An einer Litfaßsäule und bei Facebook bin ich auf “Siegfried – Götterschweiß und Heldenblut”, ein sogenanntes Germanical gestoßen und habe mich sehr gefreut, der Premiere dieses ungewöhnlichen Projektes beiwohnen zu dürfen.

Das Buch stammt von den Kabarettisten Alexander Liegl und Manfred Oskar Tauchen und Schauspielerin/Regisseurin Gabi Rothmüller, die auch selbst inszenierte. Vier Musiker und sechs Darsteller sind auf der kleinen Bühne des Lustspielhauses an diesem Abend aktiv.

(c) Gila Sonderwald

Zur Grundgeschichte sollte man eigentlich nicht viel sagen müssen, das Nibelungenlied sollte schließlich jedem im Deutschunterricht einmal untergekommen sein. Diese Inszenierung beginnt unmittelbar nach dem Kampf des Helden Siegfried mit dem Drachen Fafnir, der zu Beginn der Vorstellung noch als Luftballon über die Bühne schweben darf. Da der Bau des Walhall von Göttervater Wotan zu teuer war, verlangt seine resolute Gattin Fricka, dass er seine unverheirateten Töchter endlich unter die Haube bringen soll, um die Unterhaltszahlungen los zu werden. Vor allem Brünhilde macht ihr dabei Kopfzerbrechen, kann sie doch nur von einem Mann geehelicht werden, der sie körperlich überwältigen kann. So sendet also Wotan den Helden Siegfried aus, um Brünhilde aus der Waberlohe zu befreien. Dieser landet jedoch am Hofe des  gelangweilten Burgunderkönigs Gunther und verliebt sich dort – nicht ganz freiwillig – in dessen Schwester Kriemhild. Doch auch der König sucht praktischerweise eine Gattin, weshalb er mithilfe von Siegfrieds Stärke auszieht, um Brünhilde zu umwerben. Dies gelingt mithilfe einer Tarnkappe aus dem Schatz des Drachen, die Siegfried zusammen mit dem Ring der Nibelungen bei sich trägt. Dieser Ring erweckt die Gier des Zwergenkönigs Alberich und seines Sohnes Hagen, die ihn stehlen und damit die Welt regieren wollen.

So weit ist das Musical also eigentlich von der altbekannten Geschichte, die wir vermutlich vor allem dank Richard Wagner kennen, nicht entfernt. Jedoch wäre es natürlich keine Komödie, würden die Handlungselemente und Charaktere nicht völlig absurd dargestellt, was auch herrlich gelungen ist. Unser Held Siegfried ist hier Niederbayer, eher schmächtig und tollpatschig, Alberich dagegen erinnert mit seiner aggressiv-kindischen Art eher an umstrittene amerikanische Politiker oder berühmte Diktatoren. Brünhilde macht ihrem Ruf als Mannweib alle Ehre, wird sie doch von Thomans Wenke reimend in einem engen blauen Samtkleid so gar nicht lieblich verkörpert.

(c) Gila Sonderwald

Dass diese Übertreibungen tatsächlich großartig funktionieren ist den großartigen Darstellern zu verdanken, die jeder, der sich mit Kabarett auseinandersetzt, wohl irgendwo schon einmal gesehen hat. Besonders hervorzuheben ist hierbei Mit-Autor Alexander Liegl, der die beiden Könige verkörpert. Zum einen den gelangweilten Gunther, der sehr der – für München ja typischen – Schicki-Micki-Gesellschaft entsprungen zu sein scheint und ein rechter Warmduscher ist, wenn es um Konfrontationen und Intrigen geht. Auf der anderen Seite der Wutzwerg Alberich, der auf den Knien über die Bühne rutscht, dem es aber trotzdem nicht an Lautstärke und Größenwahn mangelt.

Der Titelheld der Geschichte kommt dabei gar nicht so heldenhaft rüber, wie man ihn sich vorstellen mag. Der junge Niederbayer Martin Frank gibt einen putzigen, übereifrigen und naiven Siegfried, der gerne mal über seine eigenen Füße stolpert aber dafür mit einer wirklich starken und rockigen Stimme auftrumpfen kann.

Bei den Frauen sticht vor allem Constanze Lindner als liebestolle Kriemhild heraus, die Siegfried mittels Liebetrank erobert, um dann erstmal in ihrer Rolle als glückliche Ehefrau aufzublühen.

Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich an “Siegfried” weder musikalisch noch darstellerisch etwas auszusetzen hatte. Es ist vor allem beeindruckend, wie viel man alleine mit ein paar Kulissen (eine kleine Treppe als Gunters Thronsaal und Zinnen seiner Burg, ein paar Stoffbahnen als Wald und eine aufblasbare Wolke als Walhall), Licht und viel Fantasie aus der kleinen Bühne des Lustspielhauses herausholen kann. Der Ton war auch auf den hinteren Plätzen meistens sehr gut, wenn auch bei Ensemblenummern manchmal die Band zu laut war und der ein oder andere Sänger mal etwas unsauber artikulierte, was aber wirklich selten vorkam. Gesanglich wie schauspielerisch ist das Ensemble jedenfalls top!

Die Kostüme von Ulrike Harrassowitz wirkten gewollt-trashig, was ja auch perfekt zum Stück passt. Siegfried kommt mit engem, gold-glitzerndem Shirt und Lendenschurz daher, Brünhilde wirkt eher wie eine Clubsängerin mit ihrem/seinem blauen Samtkleid und langen Wimpern. Bloß hat sich mir nicht ganz erschlossen, wieso Gunther und Hagen Anzüge tragen, während alle um sie herum zumindest zum Großteil eher mittelalterlich angehauchte Gewänder tragen. Gestört hat mich dieses Detail jedoch keineswegs.

(c) Gila Sonderwald

Alles in allem hatte ich an diesem Abend sehr großen Spaß, so wie offenbar der Rest des Publikums auch. Bei diesem schrägen, sehr bayrisch angehauchten Musical bleibt jedenfalls kein Auge trocken und man sieht die Nibelungengeschichte definitiv mit ganz neuen Augen!

Anbei noch eine Mini-Kritik meines britischen Begleiters Jasper, der die Geschichte noch nicht kannte und auch – trotz sehr guter Deutschkenntnisse – mit dem bairischen Dialekt noch Probleme hat. Ihm hat vor allem die Musik gefallen und auch, wenn er nicht alles verstanden hat, hatte er trotzdem dank der visuellen Komik und der Darstellung der Charaktere (vor allem Brünhilde, Kriemhild und Alberich ) sehr großen Spaß. Ich denke mal, seine ersten Schritte in der Kultur des bayerischen Humors sind uns somit geglückt.

Noch bis 31. August könnt ihr die Abenteuer Siegfrieds im Lustspielhaus erleben!

 

Link zum Kartenvorverkauf und Infos über das Stück

Link zur Facebookseite des Stücks

 

Wotan / Brünhilde  Thomas Wenke

Fricka / Jungfer / Zwerg  Gabi Rothmüller

Siegfried / Urgermane  Martin Frank

Kriemhild / Urgermanin / Zwerg  Constanze Lindner

Gunther / Alberich / Urgermane  Alexander Liegl

Hagen  Aron Altmann

 

Musiker

Stephan Auer, Frank Schimann, Tina Zacher, Aron Altmann

 

Regie  Gabi Rothmüller

Choreografie  Doris Greza

Kostüm  Ulrike Harrassowitz

Bühne  Christof Wessling, Erwin Kloker

Licht  Steffi Rosner

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