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Man sind die gut – Chicago am Broadway

Beinarbeit

Natürlich will da nicht umsonst jeder hin. Die Musicaljünger von überall, um die besten Shows der Welt zu sehen, die dann oft abgespeckt eine Welttournee mit schwächeren Zwillingen antreten. Mehr noch will jeder Tänzer, Sänger, Musicalist und Künstler einmal am Broadway eine Show geben. Die wenigsten schaffen es und die meisten Theater sind und bleiben in amerikanischer Hand. Der Autor durfte nun seine erste Show im alteingesessenen Ambassador Theatre sehen und war gespannt wie skeptisch. Zu oft leidet für ihn das Musicalgenre an Blutleere, Taktsucht und Überperfektion, die wohl oft genug auch von überspielten Tourneen herrührt, bei denen die meist läppischen Stories zum Geht-nicht-mehr aufgekocht und Abend für Abend neu heruntergespult werden. Hunderte von Repertoirevorstellungen abzuspielen ist schließlich kein Zuckerschlecken. Und selten liefert dieses Genre außer drei Ohrwürmern und ein wenig Bühnenbudenzauber das, was die Oper bietet: Emotion via Musik mit Qualität.

Eine der Topshows der wichtigsten Amüsiermeile der Welt ist im Augenblick „Chicago“ – eine Revue und weniger Musical mit mehr Vaudeville denn Handlung und altmodischer, verjazzter Musik sowie dem Primat der Choreographie. Nach der beachtlichen Hollywoodglitzertorte des jüngeren Kinos wieder im Spotlight gibt der Broadway diese Show erneut und mit altbekannter Besetzung.

Das Ergebnis? Eine Schulstunde an Professionalität, Perfektion, Herzblut und der einen großen US-Gabe: Entertainment. Keine Rolle unterbesetzt, kein Tänzer nicht im Takt und die Solos alle dermaßen grandios, dass Premierengefühl aufkommt bei der lässig coolen und dabei frischen Performance – zum xten Mal perfekt sozusagen. All that Jazz eben.

NY,NY,Broadway und Chicago

Die glatte und energische Amra-Faye Wright lebt wohl seit Jahren ihre Velma und liefert eine Tanzperformance voller unangestrengter Bravour, ohne eine Bewegung zu viel zu machen und routiniert das Publikum mit den gedehnten Beinen dirigierend. Gesanglich besser, tänzerisch etwas schwächer Amy Spanger als quirlige Roxie, die mit ihrer präsenten Energie durch die Decke geht. Diese beiden Ladies würdigen sich dabei auf der Bühne keines Blickes, harmonieren dafür in den Tanznummern auf die Sekunde. Hier sieht man einen Divenwettkampf, dessen Ausgang egal ist, solange sie dermaßen unterhalten.

Unprätentiöser doch geliebter Sidekick ist der Edna-Turnblad-erfahrene Wuchtling Paul C. Vogt, der bei „Mister Cellophane“ beweist, wie wenig auf der Bühne bei einer großen Begabung und gescheiter Regie für eine gute Nummer von Nöten ist. Alexander Gemignani gibt einen schleimig schiagelnden Billy und liefert mit der Marionettennummer die beste Stelle des Abends. Selbst die Minirollen wie die sensationelle Travestie von R. Lowe als kolotarierende YellowPressNymphe lassen die internationale Audience schreien und jubeln. Zu Recht und ansteckend. Alleiniger Aussetzer des Abends ist der Namedrop Wendy Williams, die als bekannte Radiomoderatorin ihre Vorschusslorbeeren verschießt und weder gesanglich noch spielerisch überzeugen kann. Aber auch so funktioniert der Broadway – she has the name!

Fazit?

Dieser Bombencast, eine sichtbare Bombenband, faktisch kein Bühnenbild, keine Handlung außer Jazz und Chicks und Crime und eine Bombencompany verzaubern zwei Stunden bis zum durchexerzierten Applaus das alte Artdeco-Theater und entführen mit ihrer Mitreißfähigkeit in eine ferne Welt nur bestehend aus Glamour, fliegenden Beinen, wackelnden Hüften und perfektem Entertainment voller Jazz – man sind die gut…

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