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Die letzten fünf Jahre, Bad Hersfelder Festspiele, 01.08.2020

 

Die letzte fünf Jahre - Bühne @Michaela Karner

Die letzte fünf Jahre – Bühne @Michaela Karner

Wie viele andere Veranstalter mussten auch die Bad Hersfelder Festspiele ihr ursprünglich geplantes Programm (in diesem Fall sollte sogar das 70-jährige Jubiläum der Festspiele gefeiert werden) auf das kommende Jahr verschieben. Unter dem Motto “Ein anderer Sommer” wird nun ein alternativer Spielplan präsentiert, der alles andere als eine Notlösung ist. Verschiedenste kleine Programme, Open-Air und unter Berücksichtigung aller Auflagen werden an fünf Wochenenden im Juli und August in der Stiftsruine und in der gesamten Stadt gezeigt. Eins dieser besonderen Schmankerl war das Kammermusical Die letzten fünf Jahre, das an nur drei Abenden vom 31.07. bis 02.08.2020 in der Stiftsruine gespielt wurde. Unter der Regie von Gil Mehmert bringen Bettina Mönch und Armin Kahl eine berührende Liebes- und Trennungs-Geschichte auf die Bühne. Drei Namen, die auch am Münchner Gärtnerplatztheater bekannt sind (u.a. führte Gil Mehmert bei Priscilla Regie; Bettina Mönch und Armin Kahl standen in Jesus Christ Superstar bereits zusammen auf der Bühne). Ein wunderbarer Grund für einen Wochenend-Trip in die beschauliche hessische Kurstadt Bad Hersfeld!

Die Erzählstruktur gibt dem Kammermusical Die letzten fünf Jahre von Jason Robert Brown seinen besonderen Charme: Während Jamies Blick auf die Beziehung chronologisch verläuft, von frisch verliebt bis zum Abschiedsbrief, den er Cathy schreibt, erzählt Cathy ihre Version der Geschichte genau umgekehrt – beginnend mit Jamies Brief in ihren Händen. Zur Hochzeit der Beiden in der Mitte des Musicals überschneiden sich die Handlungsstränge – im Duett versprechen sie sich den Rest ihres Lebens miteinander verbringen zu wollen. Doch für den Zuschauer ist bereits seit dem ersten Song klar, dass sich ihre Wege letztlich nach fünf Jahren trennen werden. Spannend ist also weniger der Ausgang der Handlung, sondern eher die Frage nach dem “Wie?” Jason Robert Brown zeigt ohne konkrete Schuldzuweisung oder Schwarz-Weiß-Malerei wie beide Protagonisten um ihre Liebe kämpfen und wie Jamies rasante Karriere als hochgelobter Schriftsteller neben Cathys beruflichem Scheitern als Schauspielerin zur Zerreißprobe für die Beziehung wird.

Die letzte fünf Jahre - Applaus @Kathleen

Die letzte fünf Jahre – Applaus @Kathleen

Gil Mehmert bringt das Kammermusical im minimalistischen Bühnenbild in die Stiftsruine, im Hintergrund die sechsköpfige Band unter der Leitung von Christoph Wohlleben. Der Fokus der Inszenierung liegt auf den beiden Darstellern – mit eindringlichem Spiel und ihren starken, gefühlvollen Stimmen lassen Bettina Mönch und Armin Kahl die ganze emotionale Bandbreite im Beziehungs Auf und Ab miterleben. Wichtigstes Bühnenbild-Element ist ein großer Tisch, der zum Steg, zum Boot, zur Therapeutencouch und Vielem mehr umfunktioniert wird, dazu zwei Stühle, eine (Picknick-)Decke, ein Telefon und zwei Umzugskartons, in denen die Requisiten verstaut sind … viel mehr hätte es eigentlich gar nicht gebraucht, um das Publikum an die verschiedenen Orte und Stationen mitzunehmen. Innerhalb der wunderbar schlüssigen minimalistischen Inszenierung hätte Gil Mehmert sich gerne trauen dürfen auf die handvoll weiterer kleinteiliger Requisiten zu verzichten.

Ein zwei-Personen-Musical, das sich fast ausschließlich aus Solo-Songs und kurzen, inhaltlich ergänzenden Dialog-Fetzen aufbaut, ist vermutlich die perfekte Wahl, um in Zeiten von Corona auch auf der Bühne Abstandsregeln einzuhalten. Einzig auf den Kuss zur Hochzeit musste verzichtet werden. Aber davon abgesehen, vergisst man als Zuschauer die ungewöhnlichen äußeren Umstände, die zu dieser Inszenierung überhaupt erst geführt haben. Und damit bringt gerade dieses als Alternative gewählte Musical ein ganz großes Stück gefühlte Normalität ins Theater zurück.

Premiere: 31.07.2020; weitere Vorstellungen: 01. und 02.08.2020

Inszenierung: Gil Mehmert

Musikalische Leitung: Christoph Wohlleben

Cathy: Bettina Mönch

Jamie: Armin Kahl

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